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Tom und Franziska


Tom und Franziska


1. Auflage

von: Günter Görlich

4,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 10.06.2022
ISBN/EAN: 9783965217102
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 97

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Das ist eine kurze, nur gut 50 Seiten lange Erzählung. Aber diese 52 Seiten haben es in sich. Am Anfang durchkreuzt ein Vater die Sonnabendnachmittagspläne seines Jungen, der gerade aus der Schule gekommen und froh ist, die Woche über die Runden gebracht zu haben. In Gedanken ist er schon mit seinem Freund Marko im Kino Babylon, wo ein spannender Western läuft.
An der Wohnungstür empfängt ihn der Vater und sagt: „Thomas, heute Nachmittag bekommen wir Besuch. Räum dein Zimmer auf und zieh dich um.“
Das ist eine Überraschung für Thomas Ammon an diesem letzten Samstag im April. Schon als ihn der Vater mit Thomas ansprach, war dem Jungen klar, etwas Besonderes stand in Aussicht. Vater rief ihn gewöhnlich Tom, manchmal auch Tommy. Mutter hatte ihn nur Tommy genannt. Doch Mutter konnte nicht mehr zärtlich zu ihm sein – sie lebte nicht mehr. Sie war nach langer Krankheit gestorben. Natürlich will Thomas wissen, wer eigentlich zu Besuch kommt, erfährt aber nur, dass er sie kennt. Es seien Mutter und Tochter.

Thomas, der sich über den verpatzten Sonnabendnachmittag ärgert, spürt, dass sein Vater offenbar ziemlich aufgeregt ist, wirkt wie ein Tiger vor dem Sprung. Das Überraschendste war Vaters Kleidung. Statt der Cordhose trug er eine graue Stoffhose, dazu ein hellblaues Hemd und einen Schlips. Thomas hätte die Tage an einer Hand zählen können, an denen er seinen Vater mit Schlips gesehen hatte. Alles ist sehr ungewöhnlich.
Dann sind die beiden weiblichen Besucher da: Eine blonde Frau war gekommen und ein dunkelhäutiges, kraushaariges Mädchen, ein wenig größer als die Frau. Auch der Vater schaute auf das schwarzhäutige Mädchen. Die Frau sagte: „Das ist meine Franziska.“
Die beiden Frauen wohnen in Schwerin. Dort war sein Vater im Februar zur Kur gewesen. Und er hört, dass auch Franziska keine Mutter mehr hat, früher einen afrikanischen Namen trug, im Süden Afrikas geboren wurde.
Als sein Vater vorschlägt, einen Spaziergang zu machen und Elke Briest fragt: „Wollt ihr eure eigenen Wege gehen, oder schließt ihr euch uns an?“, hat Thomas dunkle Vorahnungen. Er befürchtet, dass an der Ecke Marko und ein paar andere Typen herumlungern. Er spürt richtig, wie sie ihn und das schwarzhäutige Mädchen von oben bis unten mustern. Genau so kommt es auch.

Diese doppelte Liebesgeschichte scheint zu Ende, bevor sie überhaupt richtig anfängt. Dennoch bleibt auch ein Hoffnungsschimmer: Auf einem Blatt stand in großen Buchstaben: „Lieber Tom, wir sehen uns wieder. Deine Franziska“
Günter Görlich
Geboren am 6. Januar 1928 in Breslau, gestorben am 14. Juli 2010 in Berlin.
Ab 1944 Flakhelfer, sowjetische Kriegsgefangenschaft bis Oktober 1949. Bauarbeiter, Volkspolizist.
Nach dem Pädagogikstudium war er Erzieher in einem Jugendwerkhof und in einem Lehrlingswohnheim.
1958 erhielt er für sein erstes Jugendbuch „Der Schwarze Peter“ den Jugendbuchpreis des Ministeriums für Kultur.
Weitere Auszeichnungen:
Kunstpreis des FDGB 1966, 1973
Nationalpreis 2. Klasse 1971
Held der Arbeit 1974
Nationalpreis 1. Klasse 1978
Joh.-R.-Becher-Medaille in Gold 1979
Vaterländischer Verdienstorden in Gold 1979
Ehrenspange zum VVO in Gold 1988
Goethepreis der Stadt Berlin 1983
Marko wartete auf Thomas vor dem Klassenzimmer.
Schweigsam trotteten sie eine Weile nebeneinander her.
„Kommen die wieder zu euch?“, brach Marko das Schweigen.
„Genau, sie kommen.“
„Ich würde glatt durchdrehen.“
Thomas zuckte mit den Schultern.
„Du kannst doch gar nicht klarkommen mit der Schwarzen. Geht überhaupt nicht.“
„Wie willst du das wissen?“
„Aber ständig diese Maske um einen herum.“
„Du hast vielleicht eine Ansicht.“
Thomas wurde wütend.
„Ich denke doch nicht allein so“, sagte Marko.
„Die Maske steckt alle Weiber in unserer Klasse glatt in den Sack.“
„Sag das bloß nicht zu laut. Die kratzen dir die Augen aus.“
„Von dir hätte ich eigentlich was anderes erwartet.“
„Du hast sie ja mir nicht gezeigt. Bist vorbeigelaufen.“
„Hab sie ja selber nicht gekannt damals. Zwei Stunden vielleicht.“
„Musst ja wissen, wen du eintauscht gegen mich“, sagte Marko finster.
„Quatsch, ich will niemanden eintauschen“, erwiderte Thomas heftig.
Eine Weile liefen sie schweigend, mit gesenkten Köpfen. Als sie den Zeitungskiosk erreichten, wo sich ihre Wege trennten, blieb Thomas stehen.
„Tschüs“, sagte er und hob die Hand.
„Sehen wir uns in der Woche?“, fragte Marko.
„Vielleicht.“
„Dann bring sie mit, die Schwarze.“
„Franziska heißt sie“, sagte Thomas.
Am frühen Nachmittag, Thomas räumte sein Zimmer auf, läutete die Türglocke. Zunächst dachte Thomas an Marko. Doch er kannte den Freund, der kroch nicht zu Kreuze.
Er hatte ja gesagt, Thomas solle ihm Franziska vorstellen.
Das musste erst einmal passieren.
Vor der Tür stand Großvater Georg und erklärte dem Enkel, dass er in der Nähe zu tun hatte und die Gelegenheit benutze, mal vorbeizuschauen.
„Machst klar Schiff“, sagte er und blickte sich im Zimmer des Jungen um, „der Besuch, wie?“
„Muss ja immer mal gemacht werden.“
„Du bist sehr selbstständig geworden. Na ja, wenn die Frau im Hause fehlt“, sagte Georg Ammon.
Der Junge spürte, Großvater bedrückte etwas, und er ahnte, es war das Zerwürfnis zwischen Mutter und Sohn.
„Ist schade, dass unsere Woche draußen futsch ist“, sagte Opa Georg.
„Aber du weißt doch warum, Opa.“
„Ja, ich weiß es“, sagte Großvater seufzend, „ich seh's ja auch ein. Aber es schmerzt. Und deiner Großmutter ganz schlimm.“
Thomas sah sich mit Marko und den Großeltern in der Veranda sitzen. Cola und Limonade stehen griffbereit im schattigen Schuppen. Und Opa Georg erzählt von seinen Fahrten in ferne Länder, die spannend und aufregend gewesen waren, und bestimmt würde er ein wenig aufschneiden …
„Später komme ich ja zu euch“, sagte Thomas.
Großvater ließ die Katze aus dem Sack.
„Wär’s nicht möglich, mal einen Nachmittag zu uns rauszukommen? Vater, du, und der Besuch“, fragte er.
„Was meint Oma dazu?“
„Sie wird schon einverstanden sein. Sie wird sogar froh sein, glaube ich.“
Da wusste Thomas, Großvater handelt auf eigene Faust. Ob das gut geht?
„Ich weiß nicht, was Papa in der Woche vorhat.“
„Aber einen Nachmittag werdet ihr doch frei haben“, bat Großvater Georg.
Der Junge sah in das erwartungsvolle Gesicht des Großvaters, und er tat ihm leid.
„Ich frage Papa“, sagte er.
„Das wird schon werden“, sagte Großvater freudig.

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