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Al-Taghalub


Al-Taghalub

Gesetz der Bärtigen
1. Auflage

von: Wolfgang Held

6,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 30.06.2020
ISBN/EAN: 9783956555756
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 361

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Reich und mit sich und der Welt zufrieden, erfährt der dänische Schäfer Bertel Björkborg - der Sinn seines Daseins besteht in der Sorge für das Wohl der von ihm allein aufgezogenen Tochter -, dass sein Kind bei einem Ausflug zu den Sehenswürdigkeiten des Heiligen Landes Opfer eines Terroranschlages geworden ist. Seinen Fäusten mehr vertrauend als den Gesetzen, verlässt er seine Heimat, um den Tod seiner Tochter zu rächen. Im abenteuerlichen Geschehen von Nachforschungen und Verfolgungen wird Bertel Björkborg mit der schwierigen Lage der Länder im Nahen Osten konfrontiert. Er gewinnt Einblick in die einem Europäer fremde und unverständliche arabische Mentalität, lebt mit den Beduinen, gerät in palästinensische Flüchtlingslager und erfährt von illegal stattfindenden Sklavenauktionen.
Wolfgang Held bereiste mehrfach den Orient. Sach- und Milieukenntnis sowie die unaufdringliche Verarbeitung gesellschaftlichen und historischen Geschehens prägen diesen Roman. Neben spannender Unterhaltung wird zeitgeschichtliche Information geboten.
Geboren 1930 in Weimar, aufgewachsen und erzogen in einem konsequent sozialdemokratischen Elternhaus, stark geprägt vom Erlebnis KZ Buchenwald im April 1945 auf der Suche nach einem von der Gestapo verhafteten Onkel.
Volksschule und Handelsaufbauschule in Weimar, 1948/49 als Volkspolizist freiwilliger Aufbauhelfer (Enttrümmerung, Wasserleitung Maxhütte, u.a.).
Erkrankung an Tuiberkulose. Im Sanatorium für den weiteren Lebensweg entscheidende Begegnung und monatelanges, gemeinsames Zusammenleben in einem Zimmer mit gleichaltrigem Vikar.
Journalistische Ausbildung. Tätigkeit als Redaktionsassistent. Erste Buchveröffentlichung 1959.
Ab 1964 freischaffender Schriftsteller. Im literarischen Schaffen beeinflusst von Louis Fürnberg, Hans-Joachim Malberg, Bruno Apitz und Walter Janka. Zahlreiche Romane, Kinder- und Jugendbücher (u.a. Autor des Weimarer Knabe-Verlages), Drehbücher für Film und Fernsehen.
Am 17. September 2014 in Weimar verstorben.
Literarische Auszeichnungen: Literatur-und Kunstpreis der Stadt Weimar, Nationalpreis der DDR, Preis der Filmkritiker, u.a. als erster deutscher Drehbuchautor für den Europäischen Filmpreis Felix nominiert, Goldene Ehrennadel der Stadt Weimar 2005.
ei einer Flasche Bourbon und vielen Gläsern Bier hat Bertel Björkborg dem Deutschen während des Aufenthaltes in Sur von den Umständen erzählt, unter denen Silke ums Leben gekommen ist. Zu vorgerückter, alkoholumnebelter Stunde ist ihm Fischer dann schließlich auch vertrauenswürdig genug erschienen, um in die wahren Ziele der Suche nach den Mitgliedern der „Qibya“ eingeweiht zu werden.
Fischer gestand unumwunden, dass er ähnliches längst vermutete. Hätte sich der Plan gegen die Israelis gerichtet, wäre er freilich sofort von der Unternehmung abgesprungen. Immerhin sei er Deutscher und damit dem Volk der Juden gegenüber dermaßen mit kollektiver Schuld beladen, dass ihm hinsichtlich des Denkens und Handels dieser Menschen zeitlebens kein Recht auf kritisches oder gar feindseliges Verhalten zukäme. Aber wie die Dinge lägen, sähe er Björkborgs ziemlich verwegenes Vorhaben weniger unter moralischen als vielmehr rein finanziellen Aspekten. Er hielt für seine garantiert verschwiegene und ortskundige Mitwirkung die Summe von 2000 Dollar für ein durchaus angemessenes Honorar. Eine Hälfte sofort zahlbar, die andere fällig am Todestag jenes gesuchten Murwarkati. Als Bedingung müsse er jedoch stellen, dass ihm allein bezüglich des Ablaufes der Aktion sämtliche Entscheidungen überlassen blieben. Ohne jedes Hineinreden! Im Gegensatz zu seinem Auftraggeber betrachtete er namentlich jenen Teil des Unternehmens für wichtig, mit dem das eigene Unentdecktbleiben nach der Tat gesichert werden musste.
Bertel Björkborg ordnete sich nur widerstrebend unter. Aber er erkannte, dass kein erfolgversprechenderer Weg zu dem geschworenen Ziel führte. Er beschaffte die geforderten Dollar, während Fischer indessen mit zwei Streifzügen durch den Suk von Sur und mit einigen Telefonaten das neue Quartier der „Qibya“ im Flüchtlingslager Sabakh nahe Beirut ermittelte.
Im Lager werden die beiden Ankömmlinge zuerst von den Kindern entdeckt. Sie reagieren sehr ungewöhnlich. Die schmutzstarrenden, braunen Knirpse flitzen nicht heran, um mit krähenden Stimmen und fuchtelnden Händen die Fremden einzukreisen. Keiner bettelt Bakschisch. Sie stieben vor den Männern auseinander, als kämen tollwütige Hunde. Aus verstecktem Winkel beobachten sie fluchtbereit jeden weiteren Schritt der Unbekannten. Auch einige der Frauen werden aufmerksam. Sie halten in ihrem Tun inne und blicken ängstlich.
„So was ist mir auch noch nicht passiert“, sagt Fischer überrascht. „Anscheinend halten uns die Truppen hier für Leute von der libanesischen Obrigkeit. Sicherlich haben sie mit solchen Typen keine besonders guten Erfahrungen gemacht.“
Ein Stück weiter im Lager finden sie ein paar Männer, die Löcher für Stützpfeiler ausheben und Kanthölzer zusammennageln. Ihre nackten, braunen Oberkörper glänzen schweißig. Alle sind nur mit den hellen Sirwals bekleidet, jenen um die Hüften sehr weiten und nach unten eng werdenden Hosen der palästinensischen Männertracht. Nur zwei von ihnen tragen Sandalen, die anderen laufen barfüßig umher. Ein Schutzdach entsteht, in seinen Dimensionen ausreichend, um künftig einigen Dutzend Menschen Schatten zu spenden.
Fischer spricht die Arbeiter an. Er erfährt, dass der Bau zugleich als Schule, Kaufhalle, Versammlungsplatz und Kulturzentrum dienen soll. Das Wichtigste, so sagt man ihm, sei die Schule. Allerdings hat man vorläufig noch keinen Lehrer. Die Zigaretten, die Fischer anbietet, finden dankbare Abnehmer. Die Männer langen zu, bis die Schachtel leer ist. Anders als die Kinder, verhalten sich die älteren Lagerbewohner den Fremden gegenüber beinah freundschaftlich.
„Ihr seid die Ersten, die hier nur zu Besuch herkommen“, sagt ein hohlwangiger Bursche, dem die Vorderzähne fehlen. Er hat mit einem Griff gleich drei Glimmstängel geangelt. Fischer fragt ihn, weshalb die Kleinen sich so scheu benehmen. Der Palästinenser schiebt seine Zunge in die Zahnlücke und lacht.
„Sie halten dich für einen Zionisten“, erklärt er heiter. „Kerle mit so heller Haut machen ihnen Angst seit den Tagen voriges Jahr im Juni.“ Er wird ernst. Sein Blick sucht die Kinder, die nun vorsichtig aus ihren Schlupfwinkeln kommen. „Mancher von den Knirpsen hat in ein paar Stunden soviel Böses und Widerliches gesehen, wie es die meisten Erwachsenen in ihrem ganzen Leben nicht ertragen müssen.“
„Schlimm“, sagt Fischer ruhig. „Gehörst du zur ,Qibya?‘“
Die Männer schauen sich verdutzt an. In ihren Augen glimmt Misstrauen. „Was habt ihr damit zu tun?“, fragt ein anderer für den Hohlwangigen. „Schnüffler, wie?“
Die Haltung der Palästinenser verliert alle Zeichen von Freundlichkeit. Der Kreis um Fischer und Bertel Björkborg wird enger.
Der Deutsche lächelt.
„Ihr dürft eure Feinde nicht für blöd halten, Brüder“, sagt er. „Die Schnüffler schicken sie zu euch in Galabiyas, mit Kufiyas und Aqal auf dem Schädel, aber doch nicht in unserem Aufzug. Schaut uns doch an, Leute! Wir sehen doch aus wie zwei Fremdlinge, die gerade aus einer Christenkirche gestolpert kommen, aber nicht wie unauffällige Spitzel!“
Die Runde murmelt beifällig.
„Nee, ihr Ehrwürdigen, an uns sind nicht des Satans schwarze Zeichen!“ Fischer benutzt die Hände beim Reden. „Wir kommen aus Beirut. Ich bin dort Fremdenführer. Der Freund hier neben mir ist aus Europa herübergeflogen. Dänemark, wenn ihr das Wort schon mal aufgeschnappt habt. Er interessiert sich für Beduinen. Eine Art Schulmeister, glaube ich. Irgendwo hat er erfahren, dass die Zionisten den Wüstensöhnen im Negev arg mitgespielt haben. In einem Beiruter Kaffeehaus erzählte uns ein Mann aus dem Dorf Habakir, dass wir hier im Lager Sabakh einen Murwarkati finden könnten, der von hundert Gemeinheiten der Zionisten gegen seinen Stamm weiß. Solche Geschichten möchte unser Freund hören. Der Murwarkati soll ein Held sein, heißt es. Einer von der ,Qibya‘, der schon gekämpft hat. Da war von Minen die Rede und von einem Lastwagen, den sie in die Luft gejagt haben.“
„Eine ganze Kolonne!“, korrigiert der Hohlwangige. „Munitionstransport. Die Straße war wie ein roter Teppich vom Blut der Hundesöhne!“
Fischer übersetzt unbedacht jedes Wort.
Bertel Björkborg versteckt seine Fäuste in den Hosentaschen.

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