Details

Wir sind nicht Staub im Wind


Wir sind nicht Staub im Wind

Roman einer unverlorenen Generation
1. Auflage

von: Max Walter Schulz

8,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 25.06.2015
ISBN/EAN: 9783956552724
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 681

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

„Welches Unmaß an Hoffnung!" Als Prof. Dr. Füßler diese zuversichtlichen Worte ausspricht, ist der Krieg beendet, lebt in den Menschen die Gewissheit auf ein friedliches, befreites Morgen. Weit ist der Weg dahin, weil er von jedem Einzelnen Besinnung, Auseinandersetzung und Entscheidung fordert. Das aber verlangt Wende, und Wende ist Überwindung. Hagedorn, Saliger, Hilde und Lea müssen sich vor allem von der Einstellung lösen, dass der Mensch machtlos dem Schicksal unterworfen ist. Das Leben dieser Zentralgestalten, ihre vielfältig verflochtene, unterschiedliche Entwicklung dient dem Autor zum Nachweis der These, die dem spannenden Geschehen den Titel gegeben hat: Wir sind nicht Staub im Wind! Ein wahrhaft poetischer, wortkünstlerisch faszinierender Roman, der getragen wird von der nationalen Mission der Literatur. Diese Gewissheit — „Welches Unmaß an Hoffnung!“
LESEPROBE:
Hagedorn, gepeitscht von der Angst ums Leben wie von der Verlassenheit des Vogelfreien, des aus allen menschlichen Bünden gestoßenen, lag bäuchlings auf quergestellten Reihen von Benzinkanistern, die unter ihm hin und her schaukelten, weil sie etwas Spielraum hatten zwischen den seitlichen Bordwänden. Als der Wagen eine Kurve befuhr, presste die Fliehkraft die unruhige Ladung nach außen und klemmte dem Liegenden die Finger der rechten Hand ein. Er riss die Hand fluchend aus den zusammengepressten Kanistern, schob die Finger in den Mund, um den Schmerz zu betäuben ... Sechshunderteinsundzwanzig, zwoundzwanzig, dreiundzwanzig ... Zu beiden Seiten der Straße tauchten schattenschwarze Häuser auf. Stimmen erhoben sich, eisenbereifte Räder rumpelten schwer und hart über Pflastersteine, dazwischen klickten ungezählt viele Pferdehufe. Vorn in der Kabine schaltete der Fahrer mit viel Zwischengas herunter. Unendlich langsam überholte der Wagen eine bespannte Einheit, irgendeinen Tross ... Siebenhunderteinsundzwanzig, zwoundzwanzig ...
Gesprächsfetzen wehten herein: halbe Stunde von hier, Spaziergängertempo, wär’ ich zu Hause. Hannchen liegt im Bett und greift im Schlaf nach meinem Kopfkissen ... Wißte, Fuchs! Wißte ...“ „... wenn es noch einen lieben Gott im Himmel gibt, Ernst, dann versteh’ ich ihn nicht mehr. So was dürfte er …“ „... ’n Holzfuß trägt jetzt meine Erna. Ich sage ihr, lass gut sein, ’ne hinkende Stute fohlt auch noch gut ab .... unsere V-Waffen, Kameraden, ich sage euch ...“ - „... in der dritten haben sie gestern zwei Oberschnäpser standrechtlich erschossen. Wollten stiften gehn.
Professor Dr. hc. Max Walter Schulz wurde am 31. Oktober 1921 in Scheibenberg/Erzgebirge geboren und ist am 15. November 1991 in Berlin verstorben.
Von 1939 bis 1947 nahm er als Soldat am 2. Weltkrieg teil, anschließend amerikanische Kriegsgefangenschaft.
1946 bis 1950 Pädagogikstudium in Leipzig, danach Lehrer. 1987 Verleihung der Ehrendoktorwürde der Pädagogischen Hochschule Leipzig.
1957 bis 1958 Studium am Literaturinstitut "Johannes R. Becher" in Leipzig, von 1964 bis 1983 Direktor dieses Instituts.
1969 bis 1990 Vizepräsident des Schriftstellerverbandes der DDR.
Seit 1969 Mitglied der Akademie der Künste.
1983 bis 1990 Chefredakteur der Zeitschrift "Sinn und Form".
Auszeichnungen:
1963: Literaturpreis des FDGB
1964, 1980 Nationalpreis der DDR
1978: Vaterländischer Verdienstorden
Bibliografie:
Wir sind nicht Staub im Wind, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1962
Stegreif und Sattel, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1967
Kontakte, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1970
Triptychon mit sieben Brücken, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1974
Das kleine Mädchen und der fliegende Fisch, Kinderbuchverlag, Berlin 1978
Pinocchio und kein Ende, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1978
Der Soldat und die Frau, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1978
Die Fliegerin oder Aufhebung einer stummen Legende, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1981
Auf Liebe stand Tod, Verlag Neues Leben, Berlin 1983
Hagedorn, gepeitscht von der Angst ums Leben wie von der Verlassenheit des Vogelfreien, des aus allen menschlichen Bünden gestoßenen, lag bäuchlings auf quergestellten Reihen von Benzinkanistern, die unter ihm hin und her schaukelten, weil sie etwas Spielraum hatten zwischen den seitlichen Bordwänden. Als der Wagen eine Kurve befuhr, presste die Fliehkraft die unruhige Ladung nach außen und klemmte dem Liegenden die Finger der rechten Hand ein. Er riss die Hand fluchend aus den zusammengepressten Kanistern, schob die Finger in den Mund, um den Schmerz zu betäuben ... Sechshunderteinsundzwanzig, zwoundzwanzig, dreiundzwanzig ... Zu beiden Seiten der Straße tauchten schattenschwarze Häuser auf. Stimmen erhoben sich, eisenbereifte Räder rumpelten schwer und hart über Pflastersteine, dazwischen klickten ungezählt viele Pferdehufe. Vorn in der Kabine schaltete der Fahrer mit viel Zwischengas herunter. Unendlich langsam überholte der Wagen eine bespannte Einheit, irgendeinen Tross ... Siebenhunderteinsundzwanzig, zwoundzwanzig ...
Gesprächsfetzen wehten herein: halbe Stunde von hier, Spaziergängertempo, wär’ ich zu Hause. Hannchen liegt im Bett und greift im Schlaf nach meinem Kopfkissen ... Wißte, Fuchs! Wißte ...“ „... wenn es noch einen lieben Gott im Himmel gibt, Ernst, dann versteh’ ich ihn nicht mehr. So was dürfte er …“ „... ’n Holzfuß trägt jetzt meine Erna. Ich sage ihr, lass gut sein, ’ne hinkende Stute fohlt auch noch gut ab .... unsere V-Waffen, Kameraden, ich sage euch ...“ - „... in der dritten haben sie gestern zwei Oberschnäpser standrechtlich erschossen. Wollten stiften gehn. Der eine hat buchstäblich in die Hosen …“
Der Lastkraftwagen stoppte. „He, du, verschlaf den Tod nicht!“, lachte ein Fahrer auf dem Bock und stieß Hagedorn im Vorbeifahren mit dem Peitschenstiel in die Rippen ... Neunhunderteinsundzwanzig, zwoundzwanzig, dreiundzwanzig ... Die Blindzeit war abgelaufen. Man musste ’raus. Das Nächstliegende wäre, in diesem Trosshaufen mitzutrotten. Aber das Nächstliegende ist nicht immer das Beste. Wen der Landser nicht kennt, den verpfeift er zuerst. Hagedorn beugte sich aus dem Wagen und riskierte einen Blick nach vorn. Das erste der drei Motorfahrzeuge hielt mitten auf einer Kreuzung. Am geöffneten Schlag standen zwei baumlange Feldgendarmen und sprachen mit dem Fahrer. Ihre silbernen Brustschilder blinkten trüb ... Neunhunderteinsundachtzig, zwoundachtzig ... Wenn die Kettenhunde jetzt nach hinten kommen, springe ich ab, tauche durch die bespannte Kolonne, suche Deckung in den Gärten. In meiner Manteltasche steckt die Pistole. Du oder ich. Von mir soll niemand sagen, ich hätte mir die Hosen vollgemacht ...
Aber die Kettenhunde kamen nicht nach hinten. Der eine wies mit dem Arm in die Richtung schräg voraus, der andere tat gelangweilt. Die wollten nichts, wussten noch nichts. Und die Räder begannen sich schon wieder zu drehen. Hagedorn zog schnell den Kopf zurück und rollte sich über die Kanister gewandt in den Laderaum zurück. Die Kettenhunde sahen ihn nicht, sahen den vorüberfahrenden Wagen überhaupt nicht nach.
Als sie wieder die offene Landstraße erreicht hatten, begann der Flüchtige von vorn zu zählen, von eins bis dreihundert. Dann kletterte er hinaus auf die Seitenplanke, löste die Finger aus der Plane und hechtete in Fahrtrichtung in den Straßengraben. Er schlug schwer in einen stinkenden Schlamm, regte vorsichtig die Glieder, sich vergewissernd, ob sie sich alle noch regen ließen. Sie ließen sich alle noch regen. Es tat ihm nichts weh. Schon ein ganzes Stück voraus zischten die Pneus der Lastkraftwagen durch den Nebel davon. Bald erstarb jedes Geräusch. Die Stille toste in den Ohren. Hagedorn raffte sich auf. Von Händen und Mantel tropfte ihm der Grabenschlamm und roch scharf wie faulende Kohlstrünke. Doch der Flüchtige säuberte sich nicht. Er griff mit beiden Händen noch einmal in den schwarzen stinkenden Morast und beschmierte sich auch das Gesicht. Denn auch die schwärzeste Nacht löscht das menschliche Gesicht nicht ganz aus. Und wenn sie Spürhunde ansetzen, dachte Hagedorn, erstickt mein Menschengeruch unter der stinkenden Kruste. So lief er nun querfeldein, verhielt aller paar Minuten, witternd wie ein Tier, hielt sich in die Richtung, aus der ab und zu Geschützdonner kam und jetzt auch ganz schwach schon das Rattern leichter Maschinenwaffen, vertraute seinem Glück, dass er bald ein sicheres Versteck fände. Je weiter ich aber vor Morgengrauen vorwärtskomme, dachte er, um so eher überrollt mich die Front. Ich werde mich hüten, in Gefangenschaft zu gehen. Ich will nach Hause. Wenn die Front über mich weggerollt ist und ein ganzes Stück fort ist, sehe ich zu, dass ich zunächst nach Rohren zurückkomme, zu dem Mädchen. Ich glaube fast, es wartet auf mich. Vielleicht kann sie mir Zivilklamotten verschaffen. Und wenn sie einen Dank will und wenn sie mag, nehme ich sie zum Dank mit nach Hause. Sie ist sauber und kräftig und mutterseelenallein ... Lea ist tot. Lea ist an Saliger verdorben. Als ich sie das letzte Mal in Reiffenberg gesehen habe, sah sie aus wie eine Wachspuppe und hat auf meinen Gruß gedankt wie eine Nonne ... Aber jetzt muss ich achtgeben, dass ich nicht im Kreis laufe und bald ein Versteck finde. Mein Gott, ist es hier kahl und öd ...

Der Hauptmann Saliger vergaß sich, brüllte den Oberfähnrich in Gegenwart der beiden Telefonisten und des Schreibstubengefreiten gereizt an: „Was wollen Sie eigentlich, Korta! Bin ich die Wach- und Schließgesellschaft? Wenn der Unteroffizier desertiert ist, können Sie mich nicht persönlich dafür haftbar machen. Sie am allerwenigsten.“ Der Oberfähnrich antwortete mit geradezu aufsässiger Sicherheit: „Dass der Kerl renitent war, gefährlich renitent, alle Anlagen zum Aufwiegler und Deserteur hatte, konnte ein Blinder mit dem Krückstock im Finstern feststellen. Ich hatte sofort Bedenken, als Sie den Dreckskerl allein wegschickten. Das war, erlaube mir zu sagen, Herr Hauptmann, zumindest ...“
„Zumindest werden Sie mir bestätigen, dass ich dem Unteroffizier einen Befehl gegeben habe.“

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