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Sternschnuppenwünsche


Sternschnuppenwünsche


1. Auflage

von: Gerd Bieker

7,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 28.01.2022
ISBN/EAN: 9783965216075
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 236

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Dieses Buch hat eine traurige Geschichte. Denn es wurde zu DDR-Zeiten eingestampft. Und zwar auf persönliche Weisung von Erich Honecker. Der hatte es auf dem berühmt-berüchtigten 11. Plenum 1965 namentlich verdammt. Im „Neuen Deutschland“ vom 16. Dezember 2015 schrieb Günter Agde unter der Überschrift „Ende des Aufbruchs. Ein übersehenes Opfer des Kahlschlag-Plenums 1965: der Roman „Sternschnuppenwünsche“ von Gerd Bieker:
„In seinem Politbüro-Bericht zum 11. ZK-Plenum 1965, dem sogenannten Kahlschlag-Plenum, fällte Erich Honecker über mehrere literarische Arbeiten, die „mit unserem sozialistischen Lebensgefühl nichts gemein“ haben, ein vernichtendes Urteil.“ Dazu gehörte auch Biekers Roman.
Honeckers massiver Angriff auf dem Plenum habe sich vor allem gegen jüngere Schriftsteller und Filmemacher gerichtet, die glaubten, offen und streitbar Widersprüche im DDR-Leben gestalten zu können. Dazu gehörte auch der Debütroman des 28-jährigen Autors Gerd Bieker, der in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) lebte. Sein Buch war zwischen dem 20. August und dem 30. Oktober 1965 komplett in der auflagenstarken FDJ-Tageszeitung „Junge Welt“ in Fortsetzungen vorabgedruckt worden. Inmitten des Vorabdrucks verlangte Honecker „wegen gestalterischer Mängel“ den Abbruch.
„Bieker erzählt in einer munter-lockeren Sprache eine kleine, weithin alltägliche Geschichte: Der junge Buchdrucker Ede Hannika kommt aus einer vogtländischen Klitsche in die Stadt, gerät in eine spröde Liebesbeziehung zu dem herb-klugen Mädchen Maria und fühlt sich am wohlsten mit Gleichaltrigen, die mangels anderer Gelegenheiten abends immer an einer Litfaßsäule herumlümmeln und sich ironisch-überheblich „Meute“ nennen. Aber Ende gut - alles gut: Die Meute wird bekehrt, weil Ede zusammen mit ihr einen attraktiven Verbesserungsvorschlag realisiert. Ede bekommt seine Maria. Im Grunde also ein Entwicklungsroman der eher bescheidenen Art, ein Stück Ankunftsliteratur. Jedoch ließ Bieker keinen Zweifel, dass es zwischen diesen sehr verschiedenen jungen Leuten und ihren Eltern, Meistern, Funktionären etliche Widersprüche gibt, die so schnell nicht zu lösen waren, wie viele es sich damals wünschten.“
Bieker habe seinen Roman mühevoll überarbeitet und die immer neuen Wünsche von FDJ-Zentralrat, der HV Verlage und des Verlags berücksichtigt. Das Buch erschien 1969 in überarbeiteter Fassung - ohne die ursprüngliche Frische des Debüts, bis 1989 gab es noch neun Nachauflagen. Diese Fassung liegt auch dem E-Book zugrunde.
Am 23. Juli 1937 in Grünhainichen geboren, Lehre als Buchdrucker, danach Zeitungsrotationsdrucker in ständiger Nachtarbeit.
Von 1960 bis 1963 Studium am Institut für Literatur „Johannes R. Becher“ in Leipzig. Danach bis 1969 Kulturpolitischer Mitarbeiter beim Kulturbund der DDR.
Ab 1970 freier Autor in Karl-Marx-Stadt: Erzähler und Hörspielautor in Serien für Kinder, eigene Serien (Paule-Geschichten), Jugendbuchautor, vielseitige journalistische Mitarbeit bei Zeitungen und Zeitschriften sowie Autor von Stadt- und Regionalgeschichte.
Nach 1990 Arbeit als Buchhändler, Leiter des ABM-Vereins „Fachwerk heute e. V.“.
Er lebt mit seiner Partnerin Brigitte Dathe in Chemnitz.
Übers Wochenende fuhr Ede Hannika nach Kirchhagen, weil die Mutter geschrieben hatte, es sei Kirchweih und es gebe Thüringer Klöße, und überhaupt wolle sie endlich ihren Jungen wiedersehen.
Schon am Zugfenster hielt er Ausschau nach dem heimatlichen Dorf. Aus der bewaldeten Hügelferne erhob sich der Dreibrüderberg mit sommerlichen Haufenwolken drüber. Der dicke schiefergraue Glockenturm der Dorfkirche ragte über dem dunklen Fichtenfell des Berghangs, kam näher, und dann sah er Kirchhagen. Von warmer Sonne beschienen, zog sich das Dorf vom Flusstal bis zum Bergwald empor, von grünen Wiesen und Feldern umsäumt. Die Luft zitterte in der Mittagsglut, und Ede dachte an die flimmernde Hitze über dem Feuer, in dem er früher beim Kühehüten Kartoffeln gebacken hatte.
Am Stationsgebäude blühte noch der Flieder in weißen Dolden, unter der rußgeschwärzten altmodischen Bahnhofsglocke lockte eine Gluckhenne aufgeregt ihre flaumgelben Küken vor dem fauchenden Lokomotivungeheuer unter die schützenden Flügel, und der Stationsvorsteher tippte an die rote Mütze und sagte zu Ede: „Lange nicht gesehen. Wie geht’s?“
Ede sagte, es gehe gut, und als er die Dorfstraße hochging, grüßte er die Leute, denn hier kannte er alle.
Er entdeckte sofort die Neuerung: Unter den Fenstern des Hampelschen Druckereibüros prangte längs der Hausfront ein großes Schild „Firma Alfons Hampel – Akzidenzdruckerei – gegründet 1884“. Das Schild musste nagelneu sein, denn Hampel stand, die Hände auf dem Rücken, am Gartentor und betrachtete es wohlgefällig.
„Donnerwetter, das gibt was her“, sagte Ede.
„’n Tag, mein Junge!“, rief Hampel und klopfte ihm auf die Schulter. „Das ist Werbung im Stile unserer Zeit, gell?“
Er rief zum offenen Fenster hoch: „Monika! Moonika! Wo steckst du nur immer? Sieh mal, wer sich hier eingefunden hat.“
Monika rief, sie käme gleich, doch es dauerte eine Weile, und als sie aus dem Haus kam, sah Ede, dass sie sich schnell gekämmt hatte.
„Tja, mein Junge, an das Firmenschild könnte ich noch ,& Co.‘ ranschreiben lassen. Wie ist’s?“, fragte Hampel zwinkernd.
„Ich fahre jetzt eine ZT ID-Maschine, Meister. Wir haben eine Menge Vierfarbenprospekte zu drucken …“, fing Ede an, doch Monika unterbrach ihn: „Gibt es in der Stadt Schuhe mit Plaste-Absätzen? Du glaubst nicht, was ich schon danach gelaufen bin, aber hier gibt es sie einfach nicht.“
Ede hob die Schultern. Hampel wartete darauf, dass Monika noch etwas sagte, aber sie sah nur Ede an und bekam rote Ohren dabei.
„Schöner Tag heute, was?“, sagte Hampel schließlich. Er zupfte an seinem Schnurrbart. „Ich hätte da ein Anliegen, Junge. Mir ist eine Maschine ausgefallen, und ich habe schon selbst versucht, sie wieder hinzubringen, aber – Fehlmeldung. Hättest du vielleicht die Freundlichkeit …“
„Schau ich mir’s halt mal an“, sagte Ede.
Im kleinen Druckraum zog er die Jacke aus, krempelte die Hemdsärmel auf und betrachtete lange mit gerunzelten Brauen die Maschine von allen Seiten, obwohl er sofort wusste, wo der Schaden lag. Er hatte ihn früher oft beseitigen müssen, da kannte er sich aus.
„Schwierige Geschichte“, sagte er mit gespielter Unschlüssigkeit. Dann brachte er mit wenigen Handgriffen die Sache in Ordnung.
„Das habe ich mir gleich gedacht, dass es nur daran liegen könnte“, sagte Hampel erleichtert. „Aber du hast das gut hingekriegt. Meine Schule!“
„War nicht der Rede wert. An meinem Druckautomaten ist das viel komplizierter, Chef.“
Hampel drückte an seinem Kugelschreiber die Mine raus und rein. „Fühlst du dich wohler dort?“, fragte er langsam.
„Na, es gibt immer etwas Neues. Das gefällt mir. Ich bin jetzt dabei, eine Walzenwaschanlage für den Automaten zu entwickeln, Meister. Das wird eine Sache – so!“ Ede hob den Ellbogen in halbe Höhe.
„So was gibt’s schon. Liest du keine Fachzeitschriften?“
„Für unseren Maschinentyp gibt es das noch nicht. Zweitourenmaschinen, Chef, mit Farbtisch. Da wird die Sache kompliziert.“
„Du wirst das schon machen. Hast ja eben bewiesen, dass ich dir eine gute Praxis mitgeben konnte. Ich glaube, wenn ich jung wäre, würde ich mich auch einmal in großen Druckereien umsehen. Schon des Berufes wegen. Jeder richtige Drucker will gute und saubere Arbeit machen, Mehrfarbendrucke, Passarbeiten. Das habe ich dir doch wohl nicht bieten können. Mich freut es, dass du vorwärtskommst. Aber ich habe jetzt langsam Sorgen um meine Firma. Wer führt mir das weiter?“
Ede zog die Jacke an und nahm den Koffer auf. Er tröstete: „So alt sind Sie noch gar nicht, Meister. Vielleicht – das ist nur so eine Idee – könnten Sie sich spezialisieren? Nicht mehr jeden Kleinkram drucken, sondern nur noch eine bestimmte Sache, in staatlichem Auftrag und so.“
„Nicht schlecht“, sagte Hampel überlegend.

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