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Bendgens Frauen oder Prüfungen ohne Testat


Bendgens Frauen oder Prüfungen ohne Testat


1. Auflage

von: Wolfgang David

7,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 26.06.2023
ISBN/EAN: 9783965219489
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 257

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

„Wenn man wissen will, wieviel Prozent welcher Altersgruppe es in welcher Lage wie oft pro Woche treiben - bis auf die Stelle nach dem Komma teilen sie das einem mit. Doch was man tun muss, damit einem die Freundin nicht plötzlich davonläuft, darüber finden sie nichts als Gemeinplätze ...“ - so räsoniert der junge Bernd Bendgen, der während seiner Armeezeit von seiner Verlobten verlassen und damit lange nicht fertig geworden ist. Sein vermeintlich naiver Unmut ist jedoch nicht mehr ganz aufrichtig. Inzwischen Student, hat er sich nämlich eine „Strategie gezügelten Engagements“ zugelegt, um gegen weitere Enttäuschungen gewappnet zu sein. Aber nur scheinbar werden seine Erfolge im Studium durch solche bei Frauen ergänzt. Von Misstrauen und wachsender Gefühlskälte beherrscht, misslingt ihm jede seiner Bekanntschaften zum „Verhältnis“, das er löst, sobald es an die von ihm selbst gezogenen engen Grenzen stößt. Es vergeht Zeit, bis er lernt, bewusst mit jenen Risiken und Verantwortungen zu leben, ohne die es keine Freundschaft, keine Liebe gibt.
Am 29. August 1948 in Oberseifersdorf geboren, Abitur, Lehre als Schriftsetzer, Studium der Kulturwissenschaft und Soziologie, Forschungsstudium am Zentralinstitut für Jugendforschung Leipzig, Promotion.
Er lehrte an der Berliner Humboldt-Universität, der Universität Bratislava und der Hochschule für Bildende Künste Dresden.
Seit 1983 ist er freier Autor und veröffentlichte Romane und Kulturpublizistik. Er ist Mitglied im Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) sowie des Exil-P.E.N. Von 1991 bis 2004 war er Regionalvorsitzender des VS und von 1995 bis 2003 stellvertretender Vorsitzender des Sächsischen Literaturrates. Seit 1991 veröffentlicht er Sachbuch- und Veranstaltungsrezensionen in der Presse sowie Texte in Anthologien und Zeitschriften.
Wolfgang David ist Sohn des Schriftstellers Kurt David. Er lebt in Dresden.
„Aufstehen zum Frühsport!“, ruft eine muntere Frauenstimme. – Er reibt sich die Augen. „Mit solchen Sprüchen darfst du mir nicht kommen“, murrt er. „Außerdem heißt das raustreten.“
„Mir doch egal, wie das heißt. Hauptsache, du machst es.“
„Gleich. Nur noch zwei Minuten. Ich brauche einen kleinen Übergang.“
Ein wollner Kaffeewärmer klatscht auf die Bettdecke. „Hier, das war nur symbolisch gemeint! Als Nächstes kommt ein nasser Lappen geflogen … Ich will gar nicht glauben, dass so eine Schlafmütze mal Feldwebel gewesen sein soll.“ – „Unter doch nur. Deshalb darf ich auch noch ein bisschen liegenbleiben.“
Doch nun dreht sie den Plattenspieler auf volle Lautstärke, so dass selbst das Pochen und Scharren in der Dachrinne nicht mehr zu hören ist. Als habe dieses Signal einen unbändigen Tatendrang in ihm geweckt, springt er daraufhin mit einem Satz aus dem Bett.
Auf dem Tisch haben sich inzwischen beeindruckende Veränderungen vollzogen. Dort befinden sich Tassen und Untertassen aus dünnem Porzellan, Teegläser und irdene Milchtöpfe, Kannen und Kännchen, Löffel aus Plaste und solche aus Metall, Teller, Eierbecher, Servietten und bunt bemalte Brettchen. Zitronenscheiben gleißen, bernsteinfarbener Honig strahlt, dunkelrote Konfitüre leuchtet, allein der Wurstaufschnitt liegt bloß so da. Mit einem Knall schleudert der automatische Toaster eine gebräunte Scheibe Weißbrot heraus, die in eine hölzerne Schale zu frischen Brötchen fällt … Als der junge Mann zurückkommt, ist das Bettzeug weggeräumt. Kaffeeduft durchzieht den Raum, es ist warm, ab und zu knackt es in den Heizungskörpern. –
So wurde Bendgen für all den Kummer, den er in den letzten Tagen erlitten hatte, an diesem Morgen reichlich entschädigt. Bedient, ernährt und gehätschelt wie der Erstgeborene eines Königspaares, das nach Jahren der Kinderlosigkeit nun endlich die Erbfolge gesichert sieht, war er anfangs geneigt, die von ihm in der vergangenen Nacht vollbrachten Leistungen zu überschätzen. Lässig nahm er am Tisch Platz und ließ seinen Blick über die Aufbauten schweifen. Sigrun, die gerade ein Brötchen aufschnitt, fragte leise: „Gefällt dir irgendwas nicht?“
„Im Gegenteil. Ich bin enthusiasmiert. Was soll ich denn nun trinken: Tee, Kaffee oder Milch?“
„Was du möchtest. Du kannst auch alles zusammenkippen.“
„Gott bewahre! – Machst du eigentlich immer soviel Aufwand?“
Sie blickte zum Fenster hinaus und entgegnete kühl: „Ja und nein. Wahlessen gibt es bei mir nur nach der ersten Nacht. Das hat Tradition. Von da ab wird es immer magerer, und wenn gar nichts mehr auf dem Tisch steht, weißt du, dass Schluss ist. Deshalb halte dich ran, das kommt nämlich nicht wieder.“
Bendgen lachte kurz, aber als er zu ihr hinsah, besann er sich und ließ dann von seinem Gehabe ab. –
„Dreiviertel neun“, sagte er später. „Jetzt sind sie gerade fertig.“
„Wen meinst du?“
„Meine Leute. Mit ihrer Vorlesung.“
Sigrun blickte überrascht auf. „Vorlesung? Die hast du also geschwänzt? Das wusste ich ja gar nicht. Demnach hast du gestern Abend nicht ganz die Wahrheit gesagt. Na schön, es war ja für einen guten Zweck gewesen. – Kommt das bei dir öfter vor?“
„Dass ich schwindele?“
„Nein, das zunächst mal nicht. Um das rauszukriegen, würde ich dich nicht direkt fragen. Ich meine, dass du schwänzt.“
Bendgen grinste. „Noch nie.“ Sowie er aufgestanden war, hatte ihn ein leises, aber hartnäckiges Unbehagen befallen; erst jetzt, nachdem nichts mehr zu ändern war, ließ es nach, war jedoch noch nicht völlig verschwunden.
Sigrun schaute ihn mit grüblerischer Miene an. „Noch nie? Wirklich wahr?“
„Hm. Das glaubt mir zwar niemand, aber es ist so.“
„Doch, ich glaube es. Genauso hatte ich dich eingeschätzt. Wirst du jetzt Scherereien kriegen?“
Er schüttelte den Kopf. „Im Gegenteil … Na ja, im Gegenteil ist auch wieder Unsinn. Ich wollte sagen: Ein paar von meinen Kommilitonen werden mich sogar sympathischer finden. Aber dazu müssten sie erst wissen, dass ich wirklich blau gemacht habe, und das werden sie nicht erfahren. Ich werde ihnen irgendwas erzählen: dass mir früh schlecht gewesen ist oder so ähnlich.“
„Und das schlucken sie, ohne mit der Wimper zu zucken, ja? Weil du sonst so ein Musterknabe bist.“

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