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Paragraf 51?


Paragraf 51?


1. Auflage

von: Heinz Kruschel

5,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 03.02.2020
ISBN/EAN: 9783965212244
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 102

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Der Lateinlehrer des Gymnasiums in B., erfolgreicher Redner im Wahlkampf der CDU, vergreift sich an einer Schülerin – und wird freigesprochen. Der Klassenlehrer der 12. Klasse weigert sich, weiter zu unterrichten, solange Dr. Schreier noch an der Schule ist. Ihm schließen sich die Eltern und Schüler an. Es kommt zum Schulstreik, begleitet von schmutzigen Intrigen und Erpressungen durch Schreiers einflussreiche Freunde.
Heinz Kruschel, 1929–2011, Sohn eines Bergmanns und späteren kaufmännischen Angestellten der Staßfurter Salzbergwerke, entging nur knapp dem für seine Generation typischen Schicksal, im finalen Aufgebot der letzten Kriegstage - dem "Volkssturm" - verheizt zu werden.
Noch ehe er seine Modelltischlerlehre beendet hatte, beschloss die Partei, in die er jung eingetreten war, dass er Neulehrer zu werden habe, und ließ ihn 1949/50 am Lehrerbildungsinstitut in Staßfurt studieren. Anschließend war er Lehrer in Sandersdorf - den Schülern jeweils ein Kapitel im Lehrbuch voraus -, danach in Magdeburg und Egeln sowie Direktor einer Erweiterten Oberschule in Havelberg.
Nach einem berufsbgeleitenden Fernstudium der Germanistik war er Journalist und Kulturredakteur bei der "Volksstimme" in Magdeburg. Ab 1963 lebte er als freier Schriftsteller in Magdeburg, bereiste im Auftrag von Illustrierten wie der "Für dich" Ungarn, Bulgarien, Usbekistan und Kuba und schrieb zahlreiche Erzählungen und Romane für Jugendliche und Erwachsene.
Sein Roman "Das Mädchen Ann und der Soldat" wurde 25 Jahre lang immer wieder neu aufgelegt, während Bücher wie "Der Mann mit den vielen Namen" oder "Leben. Nicht allein" erst nach erbitterten Auseinandersetzungen mit jenen Behörden, die Literatur zu genehmigen hatten, erscheinen durften.
Sein Roman "Gesucht wird die freundliche Welt", der als erster in der DDR das Thema des Umgangs mit straffällig gewordenen Jugendlichen thematisierte, wurde 1978 von Erwin Stranka unter dem Titel "Sabine Wulff" verfilmt.
Auszeichnungen:
Erich-Weinert-Preis der Stadt Magdeburg
Theodor-Körner-Preis
Banner der Arbeit
Literaturpreis des FDGB
Vaterländischer Verdienstorden
Bevor Agnes auf Marwitz‘ ironische Frage antworten konnte, öffnete Dr. Schrei die Tür. Er blieb auf der Schwelle stehen und sagte: „Schalten Sie das Ding da ab, in fünf Minuten beginnt der Unterricht – eine feine Prüfungsstunde, Herrschaften, Florettfechten in den schönen Künsten …“ Er ließ die Tür offen, die Primaner sahen sich an.
„Mephisto beginnt mit der Peitsche“, sagte Marwitz, „die braven Kinderlein bekommen später das Zuckerbrot, du bestimmt, Agnes, glaube mir.“
Das Mädchen schüttelte die Bardot-Mähne. „Von dem da“, meinte sie abfällig, „von diesem senilen Herrn Schrei? Verzichte zugunsten anderer …“
Sie setzten sich auf ihre Plätze, kramten die Bücher hervor. Horst war noch immer nicht zurück.
„Ob der Assessor weiß, dass Schrei, wieder da ist?“, erkundigte sich Zabel.
„Ich habe Peli heute noch nicht gesehen, vielleicht hat er keinen Unterricht“, sagte Edita Kramer, ein kleines, schüchternes Mädchen. Peli war der Spitzname ihres Klassenleiters, des Assessors Pehlgrimm.
Wenn der dicke Zabel sich überzeugen ließe, dachte Marwitz, dann könnten wir dem Pauker das Leben schon heiß machen in dieser Klasse. Er stachelte weiter: „Dann wollen wir mal schnell einen eifrigen Blick ins Buch werfen, damit wir dem guten Doktor eine Freude bereiten können, diesem armen Doktor ohne Unrechtsbewusstsein!“
Einige klappten die Bücher wieder zu. Die Atmosphäre war gespannt. Es klingelte zur Stunde. Horst Babkuhl würde zu spät kommen und nur Marwitz wusste, dass er es absichtlich tat.
Dr. Schrei blieb gleich neben der Tür stehen, das dicke Notizbucht aufgeklappt in der Hand haltend. „Marwitz! Wovon sprachen wir doch das letzte Mal?“
„Bei Ihrer Vertretung, Herr Doktor? Da hatten wir in der letzten Stunde …“
Schreis Gesicht wurde weiß vor Wut. Er sagte ganz leise: „Bei mir natürlich. Und nun etwas Beeilung, wenn ich bitten darf.“
Marwitz tat, als müsse er nachdenken. „Hyperion oder der Eremit in Griechenland“, sagte er widerwillig, „das einzige Prosawerk Hölderlins, eine Verherrlichung des alten Hellas. Das Ganze hat die Form von Briefen, in denen das erzählende Element hinter dem philosophischen Räsonnement zurücktritt …“
„Danke“, schnarrte Dr. Schrei, „Zabel, Sie bitte weiter. Was hat das Motiv des Feuertods für eine Funktion?“
„Sie waren mehrere Wochen nicht da, Herr Doktor“, sagte Hannes Zabel, „darauf bin ich nicht vorbereitet.“
„Dann“, sagte Schrei, „dann erklären Sie mir die Tatsache, warum der Dichter am Schluss des Buches die Vorzüge seines eigenen Volkes ganz verkennt, warum er meint, dass die Deutschen alles andere, nur keine Mehschen seien?
„Vielleicht lehnte er bloß die. damaligen Verhältnisse ab“, meinte Zabel, „er war ja wohl Republikaner …“
Schrei wollte entgegnen, da öffnete sich die Tür. Babkuhl war da. Einen Augenblick stand der große Junge still und blickte den Lehrer an, dann grüßte er kurz und ging ohne ein Wort der Entschuldigung auf seinen Platz.
Der Lehrer wusste: Jetzt kam es darauf an, Babkuhl war der Wortführer der Klasse gegen ihn, Babkuhls Vater hatte dafür gesorgt, dass der Elternbeirat eine Anzeige erstattete, der Elternbeirat, bisher nur Sprachrohr des Direktors, war plötzlich rebellisch geworden. Schrei strich mit der rechten Hand über den rötlichen Schnurrbart und über das breite, grobporige Kinn. „Gelassen kam er, der Kühne, der Jüngling, dem Gotte sei Dank!“, deklamierte er und lächelte aufmunternd die Schüler an.
Aber die Klasse blieb still. Keiner lachte. Und Horst Babkuhl blieb sitzen.
„Babkuhl! Haben Sie das Benehmen verlernt? Verspätete Pubertätserscheinungen, wie? Sie sind ein Flegel, ich werde …“
„Ich komme aus der Klinik, Herr Doktor“, sagte Babkuhl erregt, „Ankes Zustand hat sich erheblich verschlechtert!“
Alle beobachteten den Lehrer so interessiert, als hätten sie ein bösartiges Tier in einem Käfig vor sich. Schrei ging zum Pult, setzte sich und seufzte. Und blickte vor sich hin.
Er spielt Theater, dachte Marwitz verärgert, er spielt den Mitfühlenden, den Menschlichen. Marwitz sah sich verstohlen um. Die Gesichter seiner zwölf Mitschüler waren verschlossen und ernst. Das Spiel kam nicht an.Bedauerlich“, sagte Schrei nach einer Weile, „aber das gehört wirklich nicht hierher.“ Er fühlte, dass ihm die Stunde entglitt, dass die eine Bemerkung Babkuhls seine ganze taktische Konzeption ins Wanken gebracht hatte.
„Vielleicht doch“, meinte Zabel. Marwitz nickte ihm zu. Na also, Dicker, bist ein anständiger Kerl, ich wusste es doch. „Quod erat demonstrandum“, sagte Schorsch Wallner, der Junge mit dem Sittichgesicht.
Aber Schrei überhörte die Einwände, er wollte sich in keine Diskussion einlassen. Er fühlte es: Die Klasse war gegen ihn, es schien eine Front zu sein. Er musste ihren Willen brechen, er musste Zeit gewinnen.
„Zettel vornehmen, Name links oben, Klasse, Tag rechts. Die Prüfung wird schriftlich fortgesetzt. Wenn ihr nicht wollt, Herrschaften, ich kann auch anders. Erstens: Wie denken Hyperion und Alabanda über den Staat? Zweitens …“
Der Lehrer diktierte, die Schüler schrieben die Fragen auf. Babkuhl und Marwitz dachten nicht daran, auch nur eine Frage zu beantworten. Zu dieser Zeit wussten sie noch nicht, dass nur Agnes Drost versuchte, die Aufgaben zu lösen, sehr mangelhaft allerdings, trotz der hohen Honorare, die ihr Vater für die Nachhilfestunden ausgab …

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