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Verhör ohne Auftrag


Verhör ohne Auftrag

Kriminalerzählung
1. Auflage

von: Steffen Mohr

3,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 14.05.2015
ISBN/EAN: 9783956553813
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 49

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Hauptmann Merks von der deutschen Kriminalpolizei reist von einer Dienstreise mit dem Nachtexpress durch Nordpolen zurück nach Hause. Ein deutscher Mitreisender sucht das Gespräch mit ihm und erzählt eine merkwürdige Geschichte, die sich vor wenigen Wochen an seiner Schule zugetragen haben soll. Ein verheirateter Lehrer verliebte sich in eine sehr hübsche Praktikantin und stürzte von einer drei Meter hohen Leiter und war sofort tot. Der Erzähler zweifelt an der Unfalltheorie, Hauptmann Merks, der aufmerksam zuhört, aber auch. Als der Zug in Koszalin anhält, hat Merks den Fall geklärt.
LESEPROBE:
„Ach! Ist er tot?“, fuhr es mir, lauter, als ich eigentlich wollte, heraus. Das Männchen hörte augenblicklich mit Schnarchen auf. Wieder sah es mit schläfrigem Blick zu uns herüber. Dann aber rückte es sich zurecht und schloss die Augen. Bald darauf rasselte und fiepte es wieder, als wollte es die Wälder da draußen bis auf die Wurzeln abrasieren.
„War es wirklich ein Unfall?“, fragte Stern, wie es den Anschein hatte, mehr für sich, als dass er mir die Frage stellte. „Die Polizei, müssen Sie wissen, stellte einwandfrei einen Unfall fest. Tod durch Sturz von einer drei Meter hohen Leiter. Niemand war im Zimmer gewesen. Trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass es Mord war.“
Er schwieg. Erwartete meine Reaktion. Ich hütete mich, etwas zu sagen. Jetzt durfte ich ihn nicht unterbrechen. Er war so weit, dass er seine Geschichte auf jeden Fall zu Ende bringen würde. Auch, wenn ich dabei eingeschlafen wäre und er keinen besseren Zuhörer gehabt hätte als die Wand des Abteils, auf die seine blauen Augen jetzt starrten, als wollten sie ein Loch in das Holz bohren. Mir fiel auf, dass das Krampfhafte, Angestrengte, Überspannte oder wie immer man es nennen mochte, was sich in Sterns Blick abzeichnete, auf eigenartige Weise gepaart war mit einem kaum merklichen hintergründigen Flackern, das einen wie bitterster Spott anmutete, so, als lache der Bursche mich insgeheim aus. Ich musste an das Wort denken, das der Schuldirektor zu ihm gesagt hatte. Mit Macbeth hatte er ihn verglichen — mit dem Mann, der aus krankhaftem Ehrgeiz zum Mörder wurde. Ich war mit Elisabeth in dem Stück gewesen, damals, als ihr Brokatkleid noch die große Mode darstellte. War schon eine Weile her ...
„Als Marlen Fischer die dritte Woche bei uns war, hielt sie eine Deutschstunde in der Zwölften. Elger saß hinten in der Klasse und hatte die Aufgabe, sich über Marlens Unterrichtsmethodik Notizen zu machen.
Steffen Mohr wurde am 24. Juli 1942 in Leipzig geboren, wo er auch aufgewachsen und bis heute geblieben ist. Nach dem Abitur studierte er sowohl (katholische) Theologie als auch Theaterwissenschaften, welche er 1966 mit einem Diplom abschloss. Nach seiner Ausbildung am Leipziger Literaturinstitut kam 1975 ein zweites Diplom hinzu. Davor hatte Mohr unter anderem als Hilfsarbeiter und Hilfsschauspieler, als elektrischer Prüfer und als Redakteur beim „Sächsischen Tageblatt“ sowie als Regieassistent beim Jugendtheater und als Dramaturg beim DDR-Fernsehen (Krimi-Genre), aber auch als Briefträger und Leiter wilder Theatergruppen gearbeitet. Seine erste Kriminalstory hatte Mohr 1966 unter dem Pseudonym „Harald Eger“ in der bekannten „Blaulicht“-Reihe veröffentlicht – „weil mir sonst als Student das Honorar vom Stipendium abgezogen worden wäre“. Weitere Bücher folgten und schließlich 1989 gemeinsam mit dem West-Berliner Autor -ky (Hinter diesem Kürzel verbirgt sich der erfolgreiche Kriminalschriftsteller und Soziologieprofessor Dr. Horst Bosetzky, Jahrgang 1938) der erste und zugleich letzte deutsch-deutsche Krimi „Schau nicht hin, schau nicht her“ – erschienen zwei Monate vor dem Mauerfall. Eine literarische Spezialität des Leipziger Künstlers, der auch als Dozent für kreatives Schreiben tätig ist und der Freien Literaturgesellschaft Leipzig e.V. vorsteht, sind seine Rätselkrimis, die bundesweit in Zeitungen mit einer wöchentlichen Auflage von etwa 1 Million Exemplaren veröffentlicht werden. Darin lässt Mohr nicht nur den Leipziger Kommissar Gustav Merks ermitteln, sondern vor allem seine kriminalistisch veranlagten Leserinnen und Leser.
„Ein Kollege?“
„Ja ... Doch ehe ich Elgers unglückliche Geschichte erzähle, gestatten Sie mir, noch einmal auf die Strophe des Liedes zurückzukommen: ,Süßer rosenvarwer Mund, kum und mache mich gesund‘ — Ahnen Sie, was diese Worte bedeuten? Das heißt doch nichts anderes, als dass die Leidenschaft, die uns plötzlich für ein Wesen des anderen Geschlechts entflammt, nichts mehr und nichts weniger bedeutet als das Gefühl, krank zu sein! Der Organismus ist angegriffen, gestört. In allen seinen bisher so selbstverständlichen Reaktionen verändert und infrage gestellt. Und der sogenannte Verliebte hat nur einen Wunsch, der alle seine sonstigen Interessen übertrifft: den Wunsch, gesund zu werden. In dieser Verblendung — ja, es ist eine Verblendung! — sieht man jedoch nur die eine Möglichkeit, kuriert zu werden: indem man das geliebte Wesen umarmt und küsst ... Entschuldigen Sie. Es ist vielleicht doch nicht so unwichtig, dass ich Sie mit diesem lyrischen Erguss langweilen musste. Denn nur wer das nachempfinden kann, wird die Ursache für den Tod von Elger Schwarzmann verstehen.“
„Ach! Ist er tot?“, fuhr es mir, lauter, als ich eigentlich wollte, heraus. Das Männchen hörte augenblicklich mit Schnarchen auf. Wieder sah es mit schläfrigem Blick zu uns herüber. Dann aber rückte es sich zurecht und schloss die Augen. Bald darauf rasselte und fiepte es wieder, als wollte es die Wälder da draußen bis auf die Wurzeln abrasieren.
„War es wirklich ein Unfall?“, fragte Stern, wie es den Anschein hatte, mehr für sich, als dass er mir die Frage stellte. „Die Polizei, müssen Sie wissen, stellte einwandfrei einen Unfall fest. Tod durch Sturz von einer drei Meter hohen Leiter. Niemand war im Zimmer gewesen. Trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass es Mord war.“
Er schwieg. Erwartete meine Reaktion. Ich hütete mich, etwas zu sagen. Jetzt durfte ich ihn nicht unterbrechen. Er war so weit, dass er seine Geschichte auf jeden Fall zu Ende bringen würde. Auch, wenn ich dabei eingeschlafen wäre und er keinen besseren Zuhörer gehabt hätte als die Wand des Abteils, auf die seine blauen Augen jetzt starrten, als wollten sie ein Loch in das Holz bohren. Mir fiel auf, dass das Krampfhafte, Angestrengte, Überspannte oder wie immer man es nennen mochte, was sich in Sterns Blick abzeichnete, auf eigenartige Weise gepaart war mit einem kaum merklichen hintergründigen Flackern, das einen wie bitterster Spott anmutete, so, als lache der Bursche mich insgeheim aus. Ich musste an das Wort denken, das der Schuldirektor zu ihm gesagt hatte. Mit Macbeth hatte er ihn verglichen — mit dem Mann, der aus krankhaftem Ehrgeiz zum Mörder wurde. Ich war mit Elisabeth in dem Stück gewesen, damals, als ihr Brokatkleid noch die große Mode darstellte. War schon eine Weile her ...
„Als Marlen Fischer die dritte Woche bei uns war, hielt sie eine Deutschstunde in der Zwölften. Elger saß hinten in der Klasse und hatte die Aufgabe, sich über Marlens Unterrichtsmethodik Notizen zu machen. Ich hatte eine Freistunde und war mitgekommen.
So saßen wir an der Rückwand des Klassenzimmers, ich aus purer Neugier und er sozusagen im Dienst. Vorn stand die Fischer in demselben Kostüm, in dem sie uns am ersten Tag begegnet war. Sie malte eine Tabelle an die Tafel, welche die Beziehungen zwischen dem historischen Wallenstein und dem Schauspiel gleichen Titels von Schiller darstellte. Flink und trotzdem mit ausgesprochener Ruhe, fast Überlegenheit, operierte sie mit den weißen, roten und grünen Kreisen. Ihre Bewegungen waren weich und souverän. Dabei gab sie die Erläuterungen mit einer tiefen Altstimme. Kurzum, sie wirkte überzeugend. Auch verstand sie es gut, die Schüler zu wirklich schöpferischer Mitarbeit anzuregen. Sie tat so, als hätte sie ihre Tabelle keinesfalls fix und fertig in der Tasche, was natürlich der Fall war, sondern entwickelte alle Überlegungen gemeinsam mit der Klasse. Nun ja, es war eine ausgezeichnete Stunde.
Elger stieß mich kurz vor dem Klingelzeichen in die Seite und flüsterte: ,Sie ist großartig! Findest du nicht?‘
Ich nickte. Und wollte schon wieder nach vorn sehen. Da bemerkte ich in Elgers Gesicht eine seltsame Veränderung. Er strahlte die Fischer unverhohlen an. Elger befand sich geradezu in einem Zustand der Verklärung. Nachträglich fiel mir im Ton der Frage, die Elger leise gestellt hatte, etwas auf, was sich meiner Meinung nach nicht allein auf die Methodik der Fischer bezog. Mir schien, als hätte Elger mit seiner Frage eher die Person der jungen Praktikantin gemeint, die ihn begeisterte. Ich Esel! Damals hätte ich bereits merken sollen, welche Katastrophe sich über dem Kopf meines Kollegen zusammenzog.
An und für sich ist es nicht verboten und auch, sieht man von dem üblichen Getuschel ab, nicht gefährlich, wenn sich ein Lehrer in eine Praktikantin verliebt. Beide sind schließlich erwachsene Menschen. Sollen sie tun, was sie wollen! Doch Elger ist — jetzt, weil er ja tot ist, muss ich sagen: Elger war verheiratet. Glücklich. Schon dreieinhalb Jahre. Seine Witwe arbeitet beim Rat der Stadt.

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