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Türme am Horizont


Türme am Horizont

Roman über den mittelalterlichen Lübecker Bildschnitzer und Maler Bernt Notke

von: Renate Krüger

7,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 10.07.2014
ISBN/EAN: 9783965213869
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 260

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Dieser historische Roman spielt zu Zeiten der Hanse, und zwar als dieses Kaufmannsbündnis schon zu sterben begann. Dennoch oder gerade deswegen versucht man von Lübeck, der Königin der Hanse, aus, zu retten, was zu retten geht. Und so will man fernere Handelsplätze nicht zuletzt durch Kunst und Kultur an sich binden. „Lübisches Geld ist überall im Schwange, wie Ihr als Weitgereister zweifellos wisst. In den meisten Städten wird nach lübischem Recht geurteilt. Lübische Bilder stehen in vielen Kirchen, das müsst Ihr am besten wissen, aber es sind noch zu wenige. Ich brauche Eure Kunst nicht in Lübeck, sondern für Lübeck!“, sagt der Bürgermeister der Hansestadt zu Bernt Notke, dem Rückkehrer aus Schweden, der einst den berühmten Totentanz in der Marienkapelle gemalt hat. Er soll jetzt ein Kunstwerk in Reval schaffen Das ist zumindest der Wunsch der Mächtigen in Lübeck. Aber wie wird man diesen Wunsch, der zugleich eine Machtdemonstration ist, in Reval, am Rande der Welt, aufnehmen? Will man dort Notke überhaupt Aufträge erteilen?
Erzählt wird aus der Sicht eines anderen Künstlers: „Im Schatten der Wismarer Marienkirche wuchs ich auf, ich, der Maler Henning Schnytker. Man hat es schwer, neben einem solchen Turm zu wachsen. Ich fühlte mich immer klein.
Mein Vater, Jost Schnytker, besaß ein festes steinernes Bürgerhaus mit Treppengiebel und glasierten Ziegeln in der Straßenfront, das sich neben der riesigen roten Kirche freilich auch klein genug ausnahm.“ Eines Tages bekommt der noch sehr junge Mann in Wismar Besuch: „Ich bin der Lübecker Maler Bernt Notke, nebenbei auch Reichsmünzmeister des schwedischen Königs. So, und nun höre gut zu: Ich will dich mit nach Lübeck nehmen.“ Am Anfang zögert er noch, doch schneller als gedacht, ist sein Schicksal entschieden. Und Schnytker ist wie betäubt vom Glück. Doch 30 Jahre später sitzt dieser Mann hinter Eisenstäben im Narrenhaus in Reval und soll sich verantworten. Und erst allmählich schält sich heraus, welchen Verbrechens er eigentlich beschuldigt wird und wie es dazu gekommen ist. Und das hat viel mit Bernt Notke zu tun, dessen Leben, welches das Leben von Henning Schnytker mehr bestimmt hat als ihm lieb sein konnte.
Der Roman „Türme am Horizont“ ist auch in einer estnischen Übersetzung erschienen. Und diese Tatsache wird umso verständlicher, wenn man weiß, dass das alte Reval, von dem in diesem Buch immer öfter die Rede ist, seit 1918 auch ganz offiziell Tallinn heißt – heute die Hauptstadt der Republik Estland.
Geboren 1934 in Spremberg/Niederlausitz. Seit 1939 in Schwerin ansässig.
Studium der Kunstgeschichte und klassischen Archäologie in Rostock.
Tätigkeit am Staatlichen Museum Schwerin. 1965 Verlust des Arbeitsplatzes aus politischen Gründen, seither freiberuflich als Publizistin und Schriftstellerin tätig:
Sachbücher (Die Kunst der Synagoge 1966, Das Zeitalter der Empfindsamkeit 1972, Biedermeier 1979, Spurensuche in Mecklenburg 1999, Aufbruch aus Mecklenburg. Die Welt der Gertrud von le Fort, 2000),
Belletristik (Licht auf dunklem Grund, Rembrandt-Roman, 1967, Der Tanz von Avignon, Holbein-Roman 1969, Saat und Ernte des Joseph Fabisiak, 1969, Nürnberger Tand 1974, Malt, Hände, malt, Cranach-Roman 1975, Jenseits von Ninive, 1975, Aus Morgen und Abend der Tag, Runge-Roman, 1977, Wolfgang Amadés Erben, 1979, Türme am Horizont, Notke-Roman 1982, Die stumme Braut, 2001, Paradiesgärtlein, 2008),
Jugendbücher (Geisterstunde in Sanssouci, Menzel-Erzählung 1980, Das Männleinlaufen, Alt-Nürnberger Geschichte 1983, Des Königs Musikant, Erzählung über Carl Philipp Emanuel Bach 1985).
Nach 1989 Mitarbeit am Aufbau der parlamentarischen Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern, Archivarbeiten.
Notke ließ die anderen Maler im Dom zurück und ging mit mir allein zum Hause seines Vetters. Ich genoss diese Vorrangstellung.
Hier auf dem Domberg wohnte der Adel Revals, der geistliche und der weltliche. Die Häuser standen misstrauisch weit auseinander und glichen kleinen Festungen.
Das Haus des Domherrn erschien mir ebenso kalt, grau und abweisend wie alle anderen Bauten in Reval. Nur das Portal war schmuckvoll aus Stein gehauen und wirkte freundlich und einladend. Das Eintreten sollte von Schönheit begleitet sein. Wenigstens eine erfreuliche Geste! Am Portal hing ein mächtiger Türklopfer aus Bronze, er hatte die Gestalt eines Löwenkopfes. Notke ließ ihn gegen die Tür fallen, dass sie erzitterte und es im Inneren eben dumpfen Widerhall gab.
Ein älterer Mann öffnete, und ich wunderte mich nicht darüber, dass sich zunächst nur ein Spalt auftat, aus dem der Mann misstrauisch auf uns blickte und uns längere Zeit groß ansah. Wortlos.
Auch Notke schwieg eine ganze Weile, ehe er dann mit fester Stimme sagte: »Ich möchte meinen Vetter, den Domherrn Dieterich Wardup, sprechen.« Endlich setzte der Mann im Inneren zu einer Rede an.
»Wartet einen Augenblick, ich werde den Herrn fragen, ob es sich so verhält, wie Ihr sagt.«
Ich wunderte mich auch darüber nicht, dass er die Tür wieder ins Schloss fallen ließ. Wir mussten draußen bleiben. Nach kurzer Zeit kehrte er zurück, öffnete beide Flügel und hatte eine freundlichere Miene aufgesetzt. »Der Herr lässt bitten.«
Wir traten in die Diele. Ich fühlte mich wie in einem Wismarer oder Lübecker Kaufherrenhaus. Ja, es war fast wie in Notkes Haus in Lübeck. An den Wänden glänzte es von prächtigen silbernen Leuchtern, auf denen gelbe Kerzen steckten, so lang und dick, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Es duftete nach Wachs und Honig. Eine breite Treppe führte in das obere Geschoss, um das eine hölzerne Galerie lief. Das Geländer war reich geschnitzt. Das Haus machte einen sehr wohlhabenden Eindruck, natürlich, aber es wirkte auch wohnlich, und das erschien mir nicht selbstverständlich. Ich atmete auf, denn ich fühlte mich endlich wohl.
»Wollt bitte die Treppe hinaufgehen«, sagte der Hausknecht, und wir folgten seiner Aufforderung. Er öffnete eine Tür, und wir betraten einen weiten, hellen Raum, in dem der Domherr hinter einem großen Tisch saß und uns gespannt entgegensah. Notke schritt sehr schnell an ihn heran, und der Domherr erhob sich.
Auf den ersten Blick fiel mir auf, wie ähnlich sich die beiden sahen. Sie mochten gleichaltrig sein. Derselbe stolze, herrische Blick aus zusammengekniffenen Augen, dieselbe Art, den Kopf zurückzuwerfen, das gleiche, ehemals dunkle, jetzt ergraute lange, dichte Haar, die gleiche gebückte Haltung, aus der sie sich jedoch blitzschnell und überraschend zu beachtlicher Größe aufrichten konnten.
»Ich bin überrascht und erfreut, Lübecker hier zu sehen«, sagte der Domherr, und es sollte gleichmütig klingen.
Aber ich hörte sehr gut: Dies war eine Höflichkeitsformel, denn selbstverständlich wusste der Domherr längst, dass ein Lübecker Schiff' im Hafen lag. Es gehört nun einmal zu den Revaler Lebensformen, wenig Gemütsbewegung zu zeigen und so zu tun, als empfinge man täglich mindestens einen Lübecker Gast.
Während sich die beiden Vettern vor der weiteren Begrüßung prüfend anschwiegen, sah ich mich im Zimmer um. So abweisend das Haus nach außen wirkte, so wohnlich und behaglich erschien es im Inneren. An den Wänden hingen große, aus Wolle geknüpfte Teppiche von einer Art, die ich noch nicht gesehen hatte, sehr bunt, sehr dick. In Wismar und Lübeck würden solche Teppiche wohl nicht sehr geschätzt.
Auch Bilder prangten an den Wänden, Heilige und Darstellungen biblischer Geschichten. Auf dem Fußboden lagen Bärenfelle. Hier würde sich Herr Notke gewiss wohl fühlen, er liebte es ja, auf Bärenfellen zu liegen. Was meinen Blick ganz besonders fesselte, war der riesige Ofen, auf dessen grünen, bunt verzierten Kacheln Geschichten erzählt wurden. Er nahm eine ganze Ecke des großen Raumes ein. Hier war es im Winter sicher noch kälter als in Lübeck oder in Wismar. Ich wäre gern näher getreten, um die Kacheln genau zu betrachten, wagte es aber nicht. Nun hatte das Schweigen ein Ende.
»Ich fr-freue mich sehr, dich zu se-se-sehen, lieber Die-Die-Diete-rich«, nahm Notke das Gespräch auf. »Eigentlich hatte ich erwartet, dich als Bi-Bischof dieser Stadt begrüßen zu können. Wann war ich das letzte Mal hier?«
Notke hielt inne und schien nachzurechnen. Dabei war es doch ganz klar, dass er wusste, wie viele Jahre seitdem vergangen waren. Er brauchte Pausen, um die Fremdheit zu überwinden, die ihn noch immer von seinem nördlichen Vetter trennte. Er musste neue Verbindungen suchen, finden und sichern.
»Ja, es sind wohl an die zwanzig Jahre, lieber Bernt«, kam ihm der Domherr zu Hilfe. »Damals warst du ein junger Meister, und ich war Sekretär des Bischofs.«
»Du bist also nicht Bischof geworden, wie alle Welt er-er-wartet hat«, fuhr Notke fort, froh über einen neuen, wenn vielleicht auch schmerzlichen Anknüpfungspunkt.
»Nein, und ich werde dieses Amt auch nie bekleiden, jetzt nicht mehr ... Bei der letzten Wahl wurde es mir mit aller Klarheit deutlich, was für einen Bischof man sich hier wünscht; jedenfalls nicht einen solchen wie mich ...«
»Warum nicht? Wie bist du denn?«, fragte Notke und freute sich, einen Faden gefunden zu haben, den man weiterspinnen konnte.
»Wie ich bin? Ich versuche die Wahrheit zu sagen. Ich liebe weite Verbindungen und Verbindlichkeiten und habe mir nicht abgewöhnen können, in dieser Abgeschlossenheit und Einsamkeit zu frieren und mich nach Wärme zu sehnen ... Nach Freundlichkeit und Herzlichkeit. Nach der Mitte ... Ich bin der Meinung, dass wir endlich unser Inseldasein aufgeben müssen, wenn wir nicht losgerissen und ins offene Meer hinausgetrieben werden wollen ... Wir dürfen die Augen vor dieser Gefahr nicht länger verschließen.«

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