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Sturz aus den Wolken


Sturz aus den Wolken


1. Auflage

von: Jürgen Leskien

6,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 18.05.2020
ISBN/EAN: 9783965210165
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 218

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Diesen Sommerabend wird der Jagdflieger Lindner sobald nicht vergessen. Als er von seiner Freundin Inge zurückkommt, erwartet ihn sein Vorgesetzter.
Nun weiß er wieder: Er hatte Befehl, die Wohnung während des Bereitschaftsdienstes nicht zu verlassen. Aber da war der beunruhigende Anruf, da war die Sorge um Inge, die verunglückt sein sollte, und er war ohne Zögern zu ihr gefahren. Lindner begreift an diesem Abend, dass er nicht nur Inges Vertrauen aufs Spiel gesetzt hat. Er schweigt, aber es fällt ihm schwer, mit einer Lüge zu leben. Als er endlich redet, ist es fast zu spät.
19.10.1939 in Berlin-Friedrichshain geboren.
Ausbildung und Arbeit als Motorenschlosser. Ab 1959 Offizier, Flugzeugführer/Navigator der Luftstreitkräfte der DDR. Ingenieur für zivile Flugsicherung, 1972 Entlassung aus der Armee.
Ab 1972 Studium der Theaterwissenschaften an der Theaterhochschule Leipzig, Arbeiten über Heinrich von Kleist, 1977 Diplom.
Dramaturg beim Fernsehen der DDR in Berlin. Seit 1978 freiberuflich tätig.
1978/79, 1981, 1982 Arbeit als Kfz-Schlosser im Rahmen der Entwicklungshilfe der DDR in Angola.
1983/84, 1988/89 Arbeit im UNHCR Flüchtlingscamp für namibische Flüchtlinge (Kwanza Sul in Angola) und im „ ANC Entwicklungs- und Ausbildungscamp Dakawa (Tansania) / Mazimbu“.
Die Berührung mit AFRIKA wird prägend für die schriftstellerische und publizistische Arbeit.
März 1990 bis Oktober 1990 Mitglied der Volkskammer der DDR.
Mitarbeit u. a. im "Ausschuss für Entwicklungspolitik". Als Parlamentarier offizieller Namibiabesuch, Rückführung der in der DDR lebenden namibischen Flüchtlingskinder.
1991 Teilnahme an der Afrikanischen Buchmesse in Harare / Simbabwe.
1994 / 1995 Mitinitiator der Spendenaktion ”Fischkutter für Angola”, 1995 als Maschinenassistent an Bord, Überführung eines ”DDR/Treuhand-Fischkutters” von Rostock nach Luanda.
Seit 1990 Arbeit in Namibia, u.a. Mitarbeit am Konversionsprojekt (ehemalige Basis der Südafrikanischen Luftwaffe, Projektleiter vor Ort) des Bremer Afrika Archivs und des Centre of Africa Studies (Universität Bremen) - "Ruacana Education with Production Centre" in Ruacana / Namibia.
Seit 2005 engagiert in der AFRI-LEO Foundation Namibia/Damaraland.
Bis 1992 Berlin-Prenzlauer Berg, seit 1993 Wohnsitz in Kleinbeuthen bei Berlin, wahlweise Namibia - Swakopmund, Damaraland, Farm Karos.
Literaturpreise
Erich Weinert Literaturpreis 1978
Literaturpreis der Stadt Berlin (DDR) 1984
FDGB-Literaturpreis 1987
An Mutter Fiedlers Gartenzaun lehnte Hölzers Fahrrad. Wollte er heute zum Schachspiel? Das konnte nicht sein … wie hatte ich das vergessen können: Unsere Kette hatte Bereitschaftsdienst! Wir mussten uns in unseren Wohnungen aufhalten! Mir wurden die Knie weich.
Schon auf der Treppe roch ich den Zigarettenrauch. Als ich ins Zimmer trat, stand Hölzer auf. Meinen Gruß erwiderte er nicht. Er hatte die Tischlampe im Rücken, ich konnte sein Gesicht nicht sehen. Auf dem Nachtschrank tickte der alte Wecker. Um die Lampe herum summten Insekten. Man hörte sie gegen den Lampenschirm stoßen. Ich wagte nicht zu schlucken, so ruhig war es.
Hölzer hatte die Ärmel der Uniformbluse bis zum Ellbogen hochgeschoben. Als er die Zigarette heftig in den Aschenbecher drückte, war alles klar.
„Wo kommst du jetzt her?"
Ohne eine Antwort abzuwarten, brüllte er los:
„Wir hatten Alarm! Da staunst du, du Depp!" Er ging zum Fenster und schloss es. Die Scheiben klirrten.
„Wir wurden gebraucht, Ballons sind eingeflogen, und wir haben sie abgeschossen!" Er streifte die Ärmel herunter. „Welchen Nutzen hat deine ,Hohe Schule der Fliegerei', du bist nicht da, wenn man dich braucht. Du erlaubst dir, ohne dich abzumelden, in der Weltgeschichte herumzufahren. Überlege dir die Folgen!" Er hieb mit der Faust auf den Tisch.
Ich kannte meinen Kettenkommandeur, der sonst ruhig und überlegt Entscheidungen fällte, der geduldig Fehler in der Steuertechnik auswertete, nicht wieder.
„Natürlich ist er zuverlässig. Immer pünktlich zum Dienst, der Genosse Unterleutnant Lindner, exaktes militärisches Auftreten, Männchen bauen: ‚Jawohl, Genosse Oberleutnant', ,Zu Befehl, Genosse Kommandeur', aber ansonsten teilt der Herr seine Zeit selbst ein. Sei still! Ich möchte wetten, du warst bei dieser Inge! Aber das eine sage ich dir …"
Sein Gesicht war ganz dicht vor mir, ich spürte den Zigarettenatem auf der Haut. Unvermittelt trat er zurück, zog die Bluse über den Hosenbund und stelzte zum Fenster. „Ich habe dich beim Stabschef krankgemeldet, Magenverstimmung, du liegst im Bett. Dem Melder, der dich alarmieren sollte, wurde nicht geöffnet. Ich habe einen Ersatzmann besorgt." Er sagte das leise und kam auf mich zu. „Oder dachtest du, wir lassen uns durch dich um alles bringen?!"
Er stand vor mir, den Kopf etwas zur Seite geneigt, die Hände in den Hosentaschen. „Morgen dann wie immer." Ganz ruhig nahm er die Mütze vom Türhaken. Bevor ich ein Wort herausbekommen hatte, polterte er schon die Treppe hinunter. Die Haustür fiel ins Schloss.
Dann waren nur noch das Ticken des Weckers und die Falter am Lampenschirm zu hören.
Was hatte ich angestellt! Es ging Hölzer um die Auszeichnung für die Kette, es ging ihm um die verdiente Anerkennung der Leistung eines Jahres. Kuhlmann, Sanders und alle anderen, die Anteil daran hatten, was würden sie sagen. Sie hatten gearbeitet, hatten immer wieder probiert, oft hatten wir stundenlang zusammengesessen. Hölzer hatte mit mir noch das Schießen auf Erdziele durchgesprochen, wenn die anderen die Dienststelle längst verlassen hatten. Auf dem Raucherplatz am Wäldchen saßen wir, und Hölzer zeichnete Skizzen in den Sand, wischte sie fort und zeichnete wieder. Geduldig, bis er sicher war, dass ich es begriffen hatte.
Wir waren gut, besser als die anderen und darum zur Auszeichnung durch den General vorgeschlagen! Und nun?
Es waren Ballons gewesen, die abgeschossen werden mussten, bevor sie irgendwo unkontrolliert explodierten. An ihnen hatten zentnerschwere Pakete gehangen. Der Westwind sollte sie ins Land treiben. Und wenn sie uns nicht die Flugblätter, sondern ihre Jagdbomber geschickt hätten! Auch dann hätte ich gefehlt.
Im Gefechtsstand hing die große beleuchtete Tafel. Gleich unter den Namen der Flugzeugführer, die ständig an den Maschinen Dienst hatten, waren „Lindner, Sanders, Kuhlmann und Hölzer" eingetragen. In einer halben Stunde startbereit. Die Sirene! Fünfzehn, zwanzig Minuten!
Wer hat Lindner gesehen? Wo ist der Mann?
Der Anruf: die Frau schwanger und verunglückt! Nur, danach hätte niemand gefragt, wenn durch meine Schuld ein Mensch umgekommen wäre, ein einziger nur.
Ich war auf dem Bett eingeschlafen.
Früher als sonst ging ich am nächsten Morgen zur Dienststelle. Im Speisesaal blätterte ich in den neuesten Zeitungen. Eine Nachricht auf der zweiten Seite trieb mir den Schweiß auf die Stirn. Ich faltete die Zeitung zusammen, ließ das Frühstück stehen. Mir wurden die Hände feucht, und ich war froh, dass mir niemand begegnete. Im Dienstzimmer las ich es noch einmal. In der Nähe der Staatsgrenze West war ein Ballon explodiert! Die brennenden Fetzen hatten den Dachstuhl eines Kindergartens entzündet. Ein Kind war schwer verletzt … Ich hätte nicht zu Inge fahren dürfen, nicht während des Bereitschaftsdienstes. Fluchtartig verließ ich das Zimmer. Auf dem Flur lief ich dem Arzt in die Arme.
„Du hast feuchte Hände, mein Junge, und siehst käsig aus."
Das „Mach-dich-frei" des Arztes überhörte ich fast.
„Die Hosen kannst du anbehalten!"
„Sag mal, Doktor, eine Brandwunde, kann die völlig verheilen? Ich meine so, dass keine Narbe zurückbleibt?"
„Hole mal tief Luft … es kommt ganz darauf an. Man kann mit Hauttransplantationen allerhand machen. Ein Mädchen hat einer blinden Frau ein Auge geopfert, Hornhautverpflanzung. Müsste mit einem Stück gewöhnlicher Haut ebenso möglich sein. Also, du spürst nichts? Und wenn ich hier klopfe?"
„Schon gut, Doktor, ich bin nicht krank."
„Musst mehr schlafen, Sportsfreund, und abends öfter mal einen ausgedehnten Spaziergang machen. Fliegen kannst du, alles o. B."
Dieter würde ich nichts vormachen können. Er würde mir meine Entschuldigung nicht abnehmen, er würde es nicht zulassen, dass ich mich hinter einer Ausrede verstecke. Er ist durch Krieg und Nachkrieg hart geworden, hart gegen sich und gegen andere. Sein Vater wurde von einer Mine zerrissen, die Mutter von den Puffern eines Kohlenzuges zerquetscht. Vom Kinderheim trug er seine Koffer ins Lehrlings-Wohnheim. Die Wochenenden verbrachte er auf dem Segelflugplatz, nach der Lehre ging er zur Fliegerschule.
Dieter hat sie durchlebt, die Angst um die Sache, die einem ans Herz gewachsen ist. Wie gern wäre er Flieger geblieben!
Mein Verhalten wird er ablehnen. Wenn es nach ihm geht, sitzen wir in spätestens einer Stunde bei den anderen, bei Kleinert. Aber damit ist niemandem geholfen. Für Hölzer bin ich dann erledigt. Sanders wird sagen: „Pech für uns, junge Hunde kleckern eben mal auf den Teppich, doch der lässt sich reinigen." Kuhlmann, da bin ich sicher, schlägt mit der Faust auf den Tisch.

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