Details

Rom und seine unbehausten Dichter


Rom und seine unbehausten Dichter

Essays
1. Auflage

von: Volker Ebersbach

7,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 08.03.2022
ISBN/EAN: 9783965216341
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 178

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Dieser Essay beginnt mit einer Vorbemerkung, die am Anfang mit einem Missverständnis aufräumt:
Wer die römische Literatur nur als eine lateinische Variante oder Nachahmung der griechischen auffasst, übersieht das Besondere an ihr: Während sie reift, gerät die antike Sklavenhalterordnung in ihre umfassendste ökonomische und gesellschaftliche Krise. Die Mythen der Griechen, ihre humanistische Dichtung und Philosophie, ihre Staatslehren prägen Begabung, Kunstsinn und Denken von Dichtern, deren Klasse die Gipfel ihrer Macht bereits überschritten hat und nach „starken Männern“ ruft. Republikanische Gesinnung muss sich mit zunehmend monarchischen, autoritären Machtformen auseinandersetzen. Catull genießt die Freizügigkeit verworrener politischer Verhältnisse. Vergil hofft, die neue Herrschaftsform mit dichterischem Wort vor Willkür warnen und auf Menschlichkeit verpflichten zu können. Ovid, schon enttäuscht, scheut jede Auseinandersetzung mit ihr und endet dennoch in der Verbannung. Petronius, der erste antike Dichter mit dem Blick für soziale Verhältnisse, hat das Gespenst des Unterganges gesehen und verspottet seine Zeit einschließlich ihrer moralisierenden „Zeitkritik“.

Die folgenden vier Essays versuchen nach Auskunft ihres Autors zu zeigen, wie eine Literatur tragisch auf verlorenen Posten gerät, wenn die Klasse, aus der ihre Dichter kommen, sich von ihren eigenen Werten löst und ihre Machtinstitutionen keiner Aufgabe treu bleiben außer der, sich selbst zu erhalten. In seiner Betrachtung der antiken Welt erinnert Ebersbach an eine bis heute anhaltende Praxis der Herrschenden: In seiner Schrift über den Staat hatte Platon sich abfällig über Homer geäußert und künftigen Staatenlenkern empfohlen, Dichter zu überwachen, damit sie nichts Abträgliches über Götter und Helden berichteten. Er befürchtete Schaden für die Staatsräson. Aber keinen Herrscher machte die Maßregelung eines Dichters besser. Und das kommt einem doch irgendwie bekannt vor. Wer denkt da nicht an einen gewissen Barden namens W.B.?
Wer zu viel wusste und sagte, der wurde wie zum Beispiel Ovid, der Verfasser der „Liebeskunst“, lebenslang verbannt. Mehr dazu ist in der historischen Erzählung „Der Verbannte von Tomi“ nachzulesen.
Sehr detailliert geht Volker Ebersbach auf das Leben und das jeweilige Werk von Catull und Vergil, Ovid und Petronius ein und macht kräftig Lust zu Lesen – auf Deutsch und möglicherweise auch auf Latein.
Cäsaren zwischen Mars und Venus
1. Was Jupiter erlaubt ist …
2. Der „glatzköpfige Ehebrecher“
3. Ein kaiserlicher „Familienvater“
4. Der „Bock auf der Ziegeninsel“
5. Roms vornehmstes Freudenhaus
6. Der Bücherwurm und die Nymphomanin
7. Ein Muttersöhnchen entpuppt sich
8. Ausblick
Catull oder Frechheit und Tränen
Vergil oder Die Dialektik von Mythos und Geschichte
Ovid oder Eine Ästhetik der Liebe

Petronius oder Ein Streit über Geschmacksfragen
1. Ein Scherbenhaufen erzählt
2. Freie und Freigelassene
3. Ein Kaiser und seine Berater
4. Der Satyr und die Satire
5. Der gute Geschmack und die Politik
Volker Ebersbach
Volker Ebersbach ist am 6. September 1942 in Bernburg/Saale geboren und dort aufgewachsen. Nach Abitur und Schlosserlehre studierte er von 1961 bis 1966 Klassische Philologie und Germanistik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 1967 promovierte er über den römischen Satiriker Titus Petronius. Danach lehrte er Deutsch als Fremdsprache ab 1967 in Leipzig, 1968 in Bagdad, 1971 bis 1974 an der Universität Budapest, wo er auch mit seiner Familie lebte.
Seit 1976 ist er freier Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber. Er schreibt Erzählungen und Romane, Kurzprosa, Gedichte, Essays, Kinderbücher, Biografien und Anekdoten. Er übersetzte aus dem Lateinischen ausgewählte Werke von Catull, Vergil, Ovid, Petronius, das Waltharilied, Janus Pannonius und Jan Kochanowski. Einzelne Werke wurden ins Slowenische und Koreanische übersetzt.
Von 1997 bis 2002 war er Stadtschreiber in Bernburg. Danach lehrte er bis 2004 an der Universität Leipzig.
Lion-Feuchtwanger-Preis, 1985
Stipendiat des Künstlerhauses Wiepersdorf und des Stuttgarter Schriftstellerhauses, 1993
Zwei Monate fehlten noch bis zu seinem siebzehnten Geburtstag, als Nero (37–68) zum römischen Kaiser ausgerufen wurde. Die Fäden hielt seine Mutter fest in der Hand. Agrippina hatte nicht mehr warten können, bis Claudius von allein starb: Narcissus machte sie bei dem alten Trunkenbold schlecht. Am 13. Oktober 54 war der wachsame Freigelassene auf Reisen. Die Pilzmahlzeit, die dem Kaiser vorgesetzt wurde, war einwandfrei. Er vertrug aber Pilze nicht sonderlich gut, sosehr er sie mochte. Als ihm übel wurde, kitzelte ihn sein Arzt mit einer Feder im Hals, die in Gift getaucht worden war. Die Rezeptur kam von der alten Locusta, der „Heuschrecke“, die in der Subura, dem schmutzigen winkligen Armenviertel Roms, unter der Aufsicht eines Prätorianertribunen ihr verborgenes Leben führte. Die Zuverlässigkeit ihrer Giftmischerei wurde in der kaiserlichen Familie geschätzt und schützte sie vor Strafe. Wahrscheinlich hatte sich Agrippina ihrer schon einmal bedient. Nach dem Tod ihres ersten Mannes war sie eine Vernunftehe mit Crispus Passienus eingegangen, der sterben musste, als die Hinrichtung Messalinas Kaiser Claudius zur besten Partie von Rom machte. Durch Senatsbeschluss erhielt Claudius göttliche Ehren. Ein ansehnlicher Tempel wurde dem neuen Gott errichtet, ein Priesterkollegium gestiftet. Oberpriesterin war Agrippina.
An der Spitze der tüchtigen Männer, die sie zu Lehrern ihres vielversprechenden Sohnes bestellte, stand der Philosoph Seneca. Ihn hatte sie eigens aus der korsischen Verbannung zurückrufen lassen. Seneca schrieb für seinen Zögling eine Art Handbuch für einen Herrscher: „Über die Milde“. Der Gardepräfekt Afranius Burrus überwachte Neros militärische Ausbildung. Wahrscheinlich befand sich auch der Dichter Petronius im Kreis der Erzieher, der dann als Berater in Fragen des feinen Geschmacks in Erscheinung trat und für die künstlerischen Neigungen und die Vergnügungen des jungen Kaisers zuständig war. Ein Freigelassener namens Anicetus gehörte noch dazu. Er übernahm bald eine schmutzige Rolle.
Nero zeigte sich gelehrig, großzügig, leutselig. Die Sympathien der Römer flogen ihm zu. Besonders die Herzen der Künstler schlugen für ihn, denn er machte selbst Gedichte und ließ sie nicht lange in der Schublade. Denunzianten wurden nicht mehr angehört, sondern bestraft. Als Nero die Todesurteile über zwei Raubmörder unterzeichnen sollte, seufzte er: „Hätte ich doch niemals schreiben gelernt!“ Aber diese Nachsicht für Verbrecher klang bald zweideutig. Schon einmal hatte wenig Segen darauf gelegen, dass eine Mutter ihren Sohn zum Kaiser machte. Tiberius war ein reifer Mann und Livia eine Greisin gewesen; da ließ sich Zwist mit Mäßigung austragen. Zwischen dem Jüngling Nero und der noch jungen, schönen Agrippina, die ein Verhältnis mit dem Freigelassenen Pallas unterhielt, kam es zu geschmacklosen Auftritten, als die Kaiserin die Fäden der Macht nicht aus der Hand geben wollte. Sie drohte unverhohlen, Britannicus, Sohn des Claudius und der Messalina, habe ebenfalls Anspruch auf die Kaiserwürde.
Da versicherte sich Nero der alten Locusta. Giftmorde hatten seit Tiberius, Livia und Sejanus ihre Hindernisse: In der kaiserlichen Familie nahm man regelmäßig Theriak, ein Mittel aus angeblich hundert Zutaten, das vor den gefährlichsten Giften schützte. Unter Caligula hatte es den Kopf gekostet, wenn der Mund beim Begrüßungskuss nach einem Gegengift roch. Das bedeutete Misstrauen. Jetzt drückte jeder über den anderen ein Auge zu. Britannicus jedoch, arglos und verträumt, nahm kein Theriak. Agrippina verordnete ihm einen Vorkoster. Aber man umging ihn. Den vorgekosteten Punsch fand Britannicus zu heiß, so dass er nach kaltem Wasser verlangte. Darin war das Gift. Er fiel sofort tot um.
Seneca und Burrus fanden die Beseitigung dieses Rivalen und die Kaltstellung Agrippinas politisch notwendig. Es ging nicht an, dass ein Weib Rom regierte. Nero sah das Gerangel nicht ungern. Die mütterlichen Ermahnungen waren ihm längst lästig. Er gab beiden Seiten recht oder keiner, damit sich die Risse vertieften. So hielt er es auch, wenn seine Berater Meinungsverschiedenheiten austrugen, um plötzlich mit der Faust auf den Tisch zu hauen und klarzustellen, wer der Kaiser sei. Ausleben wollte er sich.
Der Palatin entfaltete einen nie gekannten Luxus. Erstmalig gab es im Sommer Eisgetränke. Dichterlinge, mittelmäßige Schauspieler und Tänzer drängten sich zwischen Nero und seine Berater. Sie geizten nicht wie Seneca und Petronius mit Lobsprüchen. Mit einigen knüpfte er homoerotische Verhältnisse an, sowohl als Pathicus als auch als Pedico. Nachts schwärmte er verkleidet und maskiert mit Saufkumpanen durch Theater, Kneipen und Bordelle. Das gehörte für ihn ebenso zum „Künstlerleben“ wie zum Gebaren eines Volksfreundes. Läden wurden geplündert, Frauen vergewaltigt. Nero schändete eine Vestalin namens Rubria. Nach dem Gesetz hätte ihn dafür der Henker zu Tode peitschen müssen. Aber der randalierende Kaiser hatte immer Leibwächter in der Nähe. Nur einmal gelang es einem beherzten Bürger, ihn durchzuprügeln und unerkannt zu entwischen. Vielleicht hatten ihn seine ehemaligen Erzieher geschickt und gehofft, der Denkzettel werde wirken.
Hinter solchen Nachtschwärmereien steckte Langeweile. Nero und die unscheinbare, zierliche Octavia, die Tochter des Claudius, waren als halbe Kinder verheiratet worden. Für die brutalen Liebesspiele, die Nero mit Leidenschaft verwechselte, hatte Octavia nichts übrig. Wahrscheinlich verweigerte sie sich oft. Die Ehe blieb kinderlos. Die enttäuschten Römer machten aus Octavia bald ein Idol standhafter Sittenreinheit.
Um den Lümmel zu Hause zu halten, führten ihm seine Berater die unwiderstehliche Claudia Acte zu, eine Freigelassene des Claudius. Ihr verfiel Nero tatsächlich für einige Zeit, und sie hielt ihm bis zum Ende die Treue. Agrippina brachte kein Verständnis für solche Kompromisse auf und hielt zu Octavia. Ihre Eifersucht auf alle Frauen, mit denen Nero sich abgab, weckte bei Zeitgenossen den Verdacht, dass nicht nur Mutterliebe im Spiel war. Gerüchte über inzestuösen Verkehr zwischen Mutter und Sohn kamen auf. Man wollte an ihrer Kleidung, als sie aus der Sänfte stiegen, unzüchtige Spuren entdeckt haben. Nun begann ein Kesseltreiben gegen die herrische Frau, die kein Mittel gescheut hatte, ihren Sohn zum Kaiser zu machen. Ihre widernatürlichen Verführungskünste wurden als Versuch ausgelegt, Nero fester an sich zu binden und alle Fäden wieder in die Hand zu bekommen. Aber Nero quartierte sie aus dem Palatium aus und entzog ihr die germanische Leibwache. Eine so exponierte Frau wurde dadurch nahezu vogelfrei. Ihre Lage spitzte sich zu, als Nero unverhohlen um Poppaca Sabina warb, eine stadtbekannt schöne, aber spröde und stolze Frau, die Öl in das Feuer der mütterlichen Eifersucht goss.
Marcus Salvius Otho, ein bewährter Saufkumpan, der später kurze Zeit selbst den Kaiser spielen durfte, hatte sie Nero bekannt gemacht. Über die genaueren Umstände sind die Quellen sich nicht einig. Nach Poppaeas Scheidung von Rufrius Crispinus ist von einer Scheinehe mit Otho die Rede. Oder Nero eiferte Caligula nach und nahm einem Freund die soeben angetraute Gattin weg. Ehrgeizig und berechnend, machte Poppaea den entflammten Nero in langen Wechselbädern aus Willfährigkeit und Abweisung mürbe. Kaum glaubte er sich mit ihr einig, schickte er Otho als Statthalter weit fort in die Provinz Lusitanien, das heutige Portugal. Poppaea war mit einer Nebenrolle nicht zufrieden. Sie gab keine Ruhe, bis sie Agrippina und Octavia weggebissen hatte.

Diese Produkte könnten Sie auch interessieren:

Rom und seine unbehausten Dichter
Rom und seine unbehausten Dichter
von: Volker Ebersbach
PDF ebook
7,99 €