Impressum

Alexander Kröger

Der Geist des Nasreddin Effendi - Originalausgabe

 

ISBN 978-3-95655-755-2 (E-Book)

 

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

 

Das Buch erschien erstmals 1984 im Verlag Neues Leben, Berlin (Band 186 der Reihe „Spannend erzählt“). Dem E-Book liegt die Originalausgabe von 1984 zugrunde. Es wurde lediglich auf neue Rechtschreibung umgestellt.

 

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In Chiwa

Ganz langsam drang da etwas in sein Bewusstsein. Es war, als zersprängen Wassertropfen auf heißem Stein und jedes Kügelchen verzischte mit eigenem Geräusch. Da murmelten Stimmen, ein Esel schrie, von dorther scholl das Knirschen eisenbeschlagener Räder auf Kies. Auch undefinierbares Brummen war zu hören. All das aber klang wie unter einem Tontopf hervor, gedämpft, entfernt, unwirklich.

Und dann war alles wieder vorbei, bis auf ein dumpfes Rauschen vielleicht, von dem man nicht wusste, ob es von außen oder von innen aus dem Kopf kam. Es schien, als bildete sich irgendwo einer jener Tropfen neu, würde schwerer und schwerer, bis er sich schließlich löste und abermals auf dem Stein zerschellte; denn wieder und wieder sprangen die Geräusche auf.

Zu irgendeinem Zeitpunkt wurde ihm bewusst, dass sich der Abstand zwischen den Tropfen verringerte, als bahnte sich das Wasser mehr und mehr Durchgang durch ein löchriges Gefäß.

Und plötzlich gellte eine schrille Frauenstimme: „Willst du wohl den Apfel zurücklegen, du Schlingel!“

Ein Kind rief: „Aua!“

Gelächter kam auf.

Dann drängte ein Mann: „He, Onkelchen, wach endlich auf. Dein Zeug ist sonst verschwunden, bevor du eine einzige Kopeke dafür eingenommen hast.“

Und wieder die Frau: „Dieser Gottlose wird sich einen angetrunken haben. Und Allah straft ihn mit einem Brummschädel, kein Auge kriegt er auf. Schaut ihn euch an, Leute, diesen Taugenichts.“

Auf einmal rief der Mann in einem anderen Tonfall: „Komm, kauf! Der beste Wein, die besten Granatäpfel von Chiwa. Süß und billig, eingefangene Sonne!“ Und nach einer kleinen Weile murmelte er: „Der Scheitan soll dich holen!“

„He, wach auf, du Taugenichts!“ Diesmal war die Stimme des Mannes barscher, vielleicht vor Ärger, weil ein Käufer seine Ware verschmäht hatte.

„Dummkopf!“, sagte die Frau gedämpft. „Seine Granatäpfel sind viel schöner als unsere, und er hat angeschrieben, dieser Esel, dass er fürs Kilo nur zwei Rubel haben will. Der schnappt uns die Käufer weg. Lass ihn also in Ruhe, wenn Allah ihn schon mit Dummheit geschlagen hat.“

Basar, ich bin auf dem Basar!

Das Dumpfe im Kopf war geschwunden. In aller Schärfe drangen die Geräusche der Umgebung auf den Mann ein. Gefeilsche in der Nachbarschaft. Anpreisen von Granatäpfeln, wie sie schöner auf Gottes Erdboden nie gewachsen sind, Melonen, Gewürze ... Ah! Gewürze! Und sofort verspürte er ihren Duft, glaubte die Aromen zu schmecken. Und einmal gerochen, gab’s da noch mehr: Tabakrauch, Eselsdung und ein wenig Schweiß. Über dem Ganzen lagen dumpfes Gemurmel, das Schlurfen unzähliger Schritte und Staub, den man ebenfalls roch. Basar!

Basar?

Eine siedende Welle durchfloss den Mann, gab Kraft, die schweren Augenlider hochzureißen und sich kerzengerade aufzurichten. Gleichzeitig, wie im Reflex, flogen die Hände an den Hals, als wollten sie würgen ...

Eine Flut von Eindrücken ergoss sich über den, der da, gelehnt an eine Mauer, inmitten bester, ausgebreiteter Früchte saß.

Das nahm der Mann zuerst wahr, aber auch eine wogende Menge Menschen, die zwischen den Ständen und Waren, Eseln und Karren auf und ab defilierten, bunt gemischt, wie stets auf einem großen Basar!

Wie stets?

Da gab es etwas Störendes, Fremdes ...

Ah, aus der Menge zwei Frauenaugen — Frauenaugen! —, umrahmt von einem bunten russischen Kopftuch. Augen, die sich sofort von ihm wandten, als ihr Blick den seinen traf. Ihm war noch, als lächelte das Gesicht, zu dem diese Augen gehörten, lächelte befreit, glücklich ...

Aber was im Augenblick alles überwog, Basar und Menschen, Früchte und, o Allah, unbedeckte, liebliche Frauengesichter, was alles zu einem flüchtigen Streiflicht, einer Traumsekunde, machte, war die Bewusstheit: Ich lebe ja, ich lebe!

Sein Hals saß fest auf den Schultern; er hörte, sah und konnte riechen!

Kaum hatte er den freudigen Schreck genossen, kam mit niederschmetternder Wucht die Angst. Er riss den Kopf nach links, nach rechts, gewärtig, dass dieser vielleicht doch noch herunterfiele, aber mehr darauf gefasst, die Faltstiefel und Pluderhosen der Häscher neben sich zu erblicken, Männer, die sich — wie die Katze mit der Maus — mit ihm einen Spaß, einen letzten Spaß, verschafften.

Aber noch gewahrte er diese typischen Kleidungsstücke nicht, sah keine Spitze eines herabhängenden Krummsäbels. Rechts neben ihm kauerte das ältere Ehepaar hinter einer sehr niedrigen Bank, auf der die Ware lag. Links ein Karren, dahinter die Hufe eines Esels, dazwischen ein Haufen Heu.

Ein ungeheurer Drang, aufzuspringen, zu laufen, davonzulaufen, erfasste den Mann. Sein Blick ging auf einmal wie bei einem gehetzten, in die Enge getriebenen Tier, heiß und kalt überlief es den Körper. Übermenschlich der Wunsch, das auf so wunderbare Weise erhaltene Leben festzuhalten, zu retten. Ein Irrtum des Emirs, eine Unachtsamkeit der Häscher. Das alles war gleichgültig.

Ich lebe! jubelte es in ihm, ich will leben! Und fieberhaft jagten die Gedanken.

Eine Sekunde wurde er sich bewusst, dass er nicht an sein lumpiges Leben gedacht hatte, als sie ihn gebunden zum Richtplatz führten, als er zusehen musste, wie das Haupt der Geliebten in den Sand rollte. Und es war, als wollte der Schmerz den Mann erneut überfallen. Nilufar — du bist gestorben, weil wir uns liebten. Glaube mir, ich bin dir gern in den Tod gefolgt. Es ist Allahs Wille, muss Allahs Wille sein, dass ich lebe ...

Wieder sah er sich erschrocken um. Wie, bei Allah, bin ich vom Richtplatz auf den Basar geraten? Und weshalb sind hier unverschleierte Frauen, ebenso viele wie Männer? Ah, es ist ein Traum, du träumst, Nasreddin, du bist in der Welt der Toten. Einen Augenblick war ihm nach diesem Gedanken leicht.

Ein Granatapfel, der ihm mit ausgestrecktem Arm entgegengereckt wurde, brachte ihn in die momentane Wirklichkeit zurück. Es war ein Apfel aus seinem — weshalb eigentlich meinem? — Bestand, und ihn hielt eine sehr schöne hellhäutige Frau, und der Arm war nackt bis zur Schulter. Diese Frau redete in einer fremden Sprache auf ihn ein.

Der Mann blickte sich noch einmal um, aber nach wie vor zeichnete sich keine Gefahr ab. Mit der Rechten wehrte er die zudringliche Nachbarin ab, nahm den Apfel verwirrt aus der Hand der Frau und sagte sanft und wunderte sich über seine wohlklingende tiefe Stimme: „Ein Akscha.“

Die Nachbarin lachte hell auf, wies mit ausgestrecktem Arm auf den Verkäufer, tippte sich mit der anderen Hand nachdrücklich an die Stirn und ermutigte andere, in ihr schrilles Lachen einzustimmen. „Ein Akscha“, gluckste sie nachäffend mit zahnlückigem Mund.

Verunsichert blickte der Mann, sah auf den Apfel in seiner Hand, in das Gesicht der schönen Käuferin, die dem Geschehen offenbar ebenfalls nicht folgen konnte, und zur Nachbarin.

Da lächelte die Kaufwillige, die zu einer Gruppe eigenartig angezogener hellhäutiger Passanten — zu denen noch viele Frauen gehörten — zählte.

Und als wurde es dem Mann erst jetzt bewusst: In der Tat, die Frauen zeigten ihre Gesichter ohne Scham, als sei es für sie etwas Alltägliches. O Allah! Und er blickte in den Himmel, der blau war, und sah über die niedrigen Schuppendächer jenseits der Straße die schlanke Spitze des Minaretts, eines Minaretts. Ja, bin ich denn nicht in Chiwa? Er blickte die Straße hinunter, und dort sah er, zwischen den Körpern der Leute hindurch, das Eingangstor zur Karawanserei. Also doch Chiwa! Aber das Minarett? Was war geschehen? Die Frauen ohne Schleier, ein falsches Minarett? Also doch tot, in einer anderen Welt.

Aber in einer, die nicht minder schön ist. Und er sah in das Gesicht der Frau und nickte ihr zu.

Die Frau steckte den Apfel in einen Beutel und legte ein braunes, zerknittertes und eingerissenes Scheinchen auf das Brett.

Dann drängten andere aus der Gruppe vor, hielten ebensolche Papierchen oder auch Münzen hin, und der Mann, verwirrt, aber dennoch ein wenig geschmeichelt ob des regen Zuspruchs, verteilte seine Waren mit beiden Händen. Auf das ausgebreitete Tuch purzelten Scheine und Münzen, er achtete nicht darauf.

Er fand zunehmend Gefallen an seinem Tun, begann sogar die Früchte zu preisen, obwohl es nicht notwendig war; und das Gekeife der Nachbarin, die ihm die Pest an den Hals wünschte, belustigte ihn.

Fast jeder der Gruppe nahm etwas. Und als der letzte die letzte Melone erwarb, war kaum eine Viertelstunde verflossen. Lachend und schnatternd zogen sie weiter. Die, die zuerst den Apfel gekauft hatte, hielt dem Händler etwas in Silber und Grün Eingepacktes, das nach Pfefferminz roch, hin und bedeutete ihm, es als Geschenk anzunehmen. Er nahm es, roch daran, und als sie ihm durch Gesten zu verstehen gab, dass es etwas Essbares sei, nickte er dankend und lächelte.

Der Mann achtete nicht auf das schadenfrohe Gelächter anderer Händler, die seinem Schnellverkauf zugesehen hatten. Er raffte das Tuch mit den Scheinen und Münzen zusammen und versuchte, was natürlich bei der Aufmerksamkeit, die man ihm im Augenblick schenkte, nicht möglich war, sich unauffällig hinwegzustehlen. Schließlich befand er sich in dem Strom der Passanten, das Tuch verkrampft in der Linken, als der Nachbarhändler aufsprang, den Esel hinter dem Karren hervorzerrte und hämisch rief: „Hier, vergiss deinen Lehrmeister nicht, du Narr aller Narren!“ Und er warf unter erneutem Gelächter Umstehender dem Mann den Strick über die Schulter.

Der also Verspottete griff mit der Rechten den Zügel, drängte sich, den widerstrebenden Vierbeiner zerrend, durch die Menge und hatte den Ort des für ihn so unrühmlichen Geschehens bald hinter sich. Einmal, als er sich umsah, meinte er unter denen, die in seine Richtung zogen, wieder jene schöne Frau zu sehen, das Gesicht von dem russischen Tuch umrahmt.

 

Nach etlichen Hundert Schritten jedoch war der Ärger über die Schmach von dem Mann gewichen. Mehrmals fuhr er sich verstohlen mit der Hand, die das Tuch hielt, über den Nacken. Ich habe meinen Kopf, jubelte es in ihm, meinen Kopf! Ein Wunder ist geschehen, o Allah, Allah, sei gepriesen!

Einige Male sah er sich noch um, doch niemand folgte ihm. Aber immer klarer wurde ihm in der Freude, dass etwas mit ihm und um ihn herum geschehen sein musste. Tot? In einer anderen Welt, in der Allahs? Zweifel kamen auf. Auch wenn sie fremde Sprachen sprechen, hellhäutig sind und ohne Schleier gehen, die Schamlosen. Es ist die Welt, die ich kenne. Das Pflaster, grob und holprig, das ist Chiwa! Und er fuhr mit der Hand die Lehmmauer entlang, die zum Eingangstor der Karawanserei führte. Und das keifende Weib vorhin, die Schadenfreude, der Spott? Nichts hat sich verändert. Das alles hat nicht Platz in Allahs Reich, so sagt Mohammed, der Prophet.

Der Mann war, obwohl, wie er sich immer wieder vergewisserte, niemand ihm folgte, bemüht, schnell voranzukommen, darauf bedacht auch, dass der Esel keinen Menschen rempelte, damit nicht etwa neuer Ärger provoziert wurde und abermals Leute aufmerksam würden. Er blickte wenig nach links und rechts, eilte gesenkten Kopfes, durchquerte die Karawanserei. Kauflustige, Händler und Passanten drängten sich. Gelegentlich hörte man unwillige Bemerkungen, weil wohl Esel diesen Weg nicht benutzen sollten. Da wären dann die Gewölbe leer, dachte der Mann einen Augenblick in einem Anflug von Spott. Aber er beschleunigte noch den Schritt, als er den Ausgang sonnengleißend vor sich sah.

Das wenige, was er so von der Umgebung wahrnahm, war Bekanntes und wieder nicht Bekanntes, eine Tatsache, die durchaus nicht dazu angetan war, seine Gedanken zu entwirren. Mit aller gebotenen Scheu blickte er in offene, lachende oder auch verschlossene, besorgte junge und alte Gesichter, in solche von Männern und ebenso oft in die unverschleierter Frauen.

Als er das neue Mausoleum Pachlawan-Machmuds erreicht hatte, fiel er in leichten Trab. Unbewusst nahm er wahr, dass etliche der im vorigen Jahr erst verlegten Keramikfliesen fehlten. Schlechte Arbeit, dachte er. Aber dieses Verwunderliche wurde von anderem, noch weniger fassbarem verdrängt. Plötzlich merkte er, dass er völlig anders bekleidet war als zu dem Zeitpunkt, da er den Kopf auf den Richtklotz legte. Lediglich ein sackähnliches, ärmelloses Hemd hatte man ihm dort übergestülpt, schön halsfern ... Trotzdem hatte dieses Gewand im Nacken heftig gescheuert, und er erinnerte sich, wie er dem Henker zugerufen hatte, dass davon wohl der Hals wund werden würde ...

Dann stellte er fest, dass er kräftiger auszuschreiten vermochte als früher, dass auch sein Körperumfang zugenommen hatte, und das bei der mehr als mageren Kost der letzten Tage im Verlies.

Und der Zahn, der Eckzahn! Er verhielt, fühlte mit der Zunge. Beim Handgemenge im Garten vom Sommersitz des Beis, dort, wo das Unglück begann, war er verloren gegangen. Der Stumpf hatte die Zunge wund gerieben ... Aber dieser Zahn befand sich an seinem Platz!

Trotz all dieser Wunder war das Bestreben des Mannes darauf gerichtet, die Stadt so schnell wie möglich zu verlassen, weg von den Menschen, weg von einer erneut drohenden Festnahme, sich sammeln, alles überdenken ...

Als er so überlegte, schwang sich wieder Jubel in ihm auf, Freude darüber, dass er lebte. Selbst der schmerzliche Gedanke, dass die Geliebte vor seinen Augen starb, trübte das Frohlocken nur wenig. Es war nach Allahs Willen geschehen. „Maschallah“, murmelte er. Trotz dieses wehen Verlustes, trotz der Wirrnis in seinem Kopf und all des Unverständlichen und Wunderbaren, der bekannten, unbekannten Welt um ihn her fühlte der Mann seinen alten Elan, seine Lebensbejahung, die ihm in vielen, manchmal ausweglosen Situationen schon den rechten Pfad gewiesen hatte, wiederkehren. Und das in dem Maße, in dem er sich dem nördlichen Tor näherte und ihm immer weniger Menschen begegneten.

Auf dem groben Pflaster ging es bergab dem Tor zu. Selbst der Esel schien die Weite draußen zu wittern, denn er ließ sich nicht ziehen und mahnen, sondern trabte flott einher, brachte seinen Herrn außer Atem. Überhaupt, dieser Esel! Ich hatte ihn doch an den Zaun des Parks am Sommerpalast gebunden?

Links gewahrte der Mann den blau gefliesten Fuß eines abgebrochenen Minaretts gewaltigen Umfangs, und die Zellen der anschließenden Medrese waren auf einmal mit hölzernen Türen und mit von ganz durchsichtigen Häuten bespannten Fenstern, hinter denen sich schillernde Waren befanden, zugebaut. Davor Menschen, die diese Auslagen betrachteten oder aus und ein gingen ... Und hier haben sie mich vor zwei Wochen hineingezerrt, die Hände mit einem Strick gebunden und diesen an einen Esel ...

Und wie sieht die Festung aus! O Allah! Der Mann hatte den Blick nach rechts gewandt. Er gewahrte die Korrosionsrillen in den Lehmmauern, die ausgewaschenen Zinnen. Da hast du stets angenommen, Nasreddin, dass dich so leicht nichts aus der Fassung bringen könnte. Und oft hat dein Leben an einem Faden gehangen. So lange war es nicht her, dass mich der erzürnte Bayazid auf den Baum jagte, den seine Soldaten umwerfen sollten, damit er mich Bocksprünge machen sähe ... Da noch hast du die Kaltblütigkeit besessen, die Hosen fallen zu lassen und die Soldaten von oben zu bekleckern. O Sultan, wie hast du gelacht, lebensrettend ...

Aber das erhobene Schwert ist doch etwas anderes. Vorher sehen müssen, wie der Kopf der Geliebten in den Sand rollt ... Das, Nasreddin, hat dir die Sinne verwirrt, die Angst, das Erkennen, dass kein Ausweg ist ...

Einen Augenblick blieb er stehen und drückte verzweifelt das Gesicht in die Mähne des Esels. „O Allah, Allah, erleuchte einen Unwürdigen, gib ihm zum Leben auch die Sinne wieder ...“

Aber es ist Chiwa, die göttliche!

Sein tränennasser Blick glitt zurück zum Mausoleum, die Festungsmauer entlang zum nahen Tor. Wären die Rillen im Lehm nicht gewesen, er hätte jeden einen Lügner genannt, der behauptete, dieses sei nicht Chiwa. Aber warum nur gehen diese gottlosen Frauen ohne Schleier? Und er sah sich um nach einer solchen Frau.

Das Tor, das unmittelbar vor ihm wie eh und je seine Bögen gegen den blauen Himmel wölbte, ergoss soeben eine Gruppe jener eigenartig bekleideter hellhäutiger Leute auf die Straße wie jene freundlichen, die ihm im Handumdrehen die Waren abgekauft hatten. Die Waren. Wie, zum Teufel, bin ich zu Waren gekommen?

Die ersten dieser Menschen blieben stehen, einer rief etwas. Nasreddin grüßte. „Salam aleikum!“ Einige nahmen kleine Kästen, die sie an Riemen über der Schulter trugen, richteten sie auf den Mann mit Esel, es klickte mehrmals, und sie winkten dankend. Da sie freundlich waren, lächelte und winkte er zurück. Und natürlich befanden sich in der Gruppe auch viele Frauen, einige mit dunklen Scheiben vor den Augen, die sie eulig aussehen ließen. Aber sie waren unverschleiert, nicht nur unverschleiert, sondern, o Allah, beinahe durchsichtig angezogen ...

Und wenn bei diesem Anblick die Verwirrung in Nasreddins Kopf auch nicht eben geringer wurde, er begann Gefallen an dieser unerklärlichen Neuheit zu finden. Der Gedanke, dass der Prophet gegen solchen Frevel sein könnte, störte ihn im Augenblick nicht im Geringsten. Schließlich waren es Ungläubige. Der Emir wird sich etwas dabei gedacht haben, wenn er seine Stadt für solche Leute öffnete. Allah sei Dank!

Aber das von gestern auf heute? Als sie mich vorhin, heute früh, zum Richtplatz führten, standen sie vermummt an den Türen. Und diese Leute waren nicht in der Stadt ... Ja, es war Vormittag, als sie mich aus dem Verlies zerrten, jetzt steht die Sonne hoch, es ist Mittag, also stimmt die Zeitfolge ..., das einzige, was bisher wirklich stimmt.

Der Menschenstrom durch das Tor ließ nach, als verhinderte die stechende Sonne den weiteren Zugang zur Stadt.

Nasreddin Chodscha zog mit seinem Esel weiter durch das Nordtor der Itschan-Kala, der Innenstadt Chiwas, ins Freie. Der Hufschlag des Esels dröhnte von den Gewölben wider.

Nasreddin blieb stehen, breitete die Arme. Ja, das war es, sein Land! Erst jetzt hatte ihn das Leben wieder. Im Augenblick fiel alles Wirre, Unklare, auch Wunderbare ab von ihm. Sonnenüberglüht lag die Ebene da, gelb, baumlos und dennoch fruchtbar und lieblich, die Oase Choresm, die er im Gefolge Timurlenks, des Gewaltigen, bereist und in der er die glücklichen Stunden mit Nilufar erlebt hatte ...

Als nun Nasreddin den Kopf drehte, die Arme noch immer weit geöffnet, erstarrte er in dieser Pose. Was, zum Scheitan, bedeutete das schon wieder? Aufgereiht wie die Kamelreiter des Bayazid, standen da im Schatten des Festungswalls langgestreckte Häuser, glänzend und bunt bemalt, mit Reihen großer Fenster an den Seiten. Und unten hatten sie wulstige Räder.

Eine Weile starrte er auf das abermals unfassliche. Dann ließ er die Arme sinken. Langsam kehrte Gleichmut in sein Denken. Er wandte das Gesicht erneut der Ebene zu. In der Ferne stieg aus einem Kischlak Rauch. Allah ist groß, seine Wege sind unerforschlich. Wenn es ihm also eingefallen ist, dass die Menschen, seine Kinder, Häuser auf Rädern bauen sollen, dann bauen sie eben. Aber warum habe ich sie unlängst nicht gesehen? Na, sie haben Räder! Also werden sie daher gekommen sein, wo ich nicht war. Die Erde und das Reich Timurs sind unermesslich!

Nasreddin fasste den Strick des Esels fester; zögernd, aber stetig trat er an die Kolosse heran, klopfte mit dem Knöchel an die Außenhaut. Aus Lehm waren sie nicht. Es hörte sich an wie der eherne Gong des Muezzins. Welche Verschwendung. Und außerdem roch es in der Nähe dieser Merkwürdigkeiten nicht gut.

Er stellte sich auf die Zehenspitzen, spähte in das Innere eines solchen Hauses. Eigenartig, dachte er. Wo sie wohl schlafen mögen, und eine Feuerstelle besitzen sie auch nicht. Ob auf den wulstigen Thronen ein angenehmes Sitzen sei, wusste man auch nicht.

Nasreddin runzelte unentschlossen die Stirn, dann setzte er sich auf den harten Boden, mit dem Rücken gegen eins der dicken Räder gelehnt, faltete das Tuch auseinander und sortierte die kleinen Scheine und unbekannten Münzen. Einen Augenblick dachte er daran, diesen unbrauchbaren Plunder wegzuwerfen, aber irgendetwas sagte ihm, dass das töricht wäre. Schließlich hatte sich der Handel auf dem Basar zugetragen wie auf jedem Basar. Er hatte etwas gegeben — auch wenn er sich nicht erinnern konnte, dass ihm das jemals gehört haben sollte —, und er hatte dafür etwas bekommen. Diese Scheine und Münzen, als seien es Goldstücke. Also verstaute er die Dinge in seinem Gewand, das sich, nun bei näherer Betrachtung, als äußerst neu herausstellte und aussah, als sei er wohlhabend.

Neugierig geworden, durchsuchte er die in den Chalat eingenähten Säcke und die Taschen der Unterkleider. Er war schon gar nicht mehr überrascht, dass er noch etliche solcher und anders gefärbter Scheine zutage förderte. Was ihm aber einen Schreck einjagte, war ein zusammengefaltetes Papier, aus dem ihm, als er es auseinanderklappte, das Abbild eines männlichen Gesichts entgegenschaute, das ihm bekannt vorkam. Es befanden sich darauf ferner unbekannte Schriftzeilen und das sehr blasse Petschaft mit einem fremden Wappen. Doch plötzlich stutzte er. Da stand auf einer solchen Zeile „Omar Anoraew“ in der Schrift, die er gelernt hatte. Ein Name! Anoraew? Und wie überhaupt komme ich zu diesem Papier?

Nasreddin wiegte den Kopf. Er sah nach oben, über den Zinnen der hohen Lehmmauer gleißte die Sonne. Aber dennoch wurde sehr deutlich, dass ebendiese Zinnen — verfallen, verwaschen — die Anlage säumten. Gleichzeitig aber ging von diesem hohen Wall etwas Bedrohliches aus. Dem Mann fiel ein, dass der Herrscher nicht selten beim Bau von Wällen dieser Art Gefangene, an Pfähle gebunden, als Bewehrung mit einstampfen ließ. „Es wird besser sein“, murmelte er, „wenn zwischen mir und diesem Chiwa ein gut Stück Weges liegt!“

Mit einem Seufzer stand er auf, blickte noch einmal in das Räderhaus hinter seinem Rücken, stutzte, als er sein Spiegelbild in der harten, durchsichtigen Haut des Fensters erblickte. Er zog das Papier aus der Tasche, verglich das Bild dort mit dem, was er sah, und stellte verwundert fest, dass sich die Abbildungen glichen. Er wiegte erneut den Kopf, strich sich den Bart, rollte die Augen. Kein Zweifel, nicht nur um ihn her hatte sich vieles verändert, auch er selbst war auf einmal ein anderer.

„Nein!“ Er sprach langsam. „Mein Ich ist hier drin“, und er tippte sich an den Kopf. „Aber der Bart ist dichter und schwärzer, das Gesicht dicker und runder, und niemals, Nasreddin, hattest du solche schönen Zähne! Ach, Teufelszeug!“ Und er hieb mit der flachen Hand gegen das Fenster, dass es dröhnte und das Bild verzitterte. „Dieser Unboschi, der aufgeblasene Wachführer, wird mir in den Trank etwas gemixt haben, den er mir als Gruß des Beis so großherzig kredenzte. Und ich Esel habe ihn mit Genuss getrunken!“ — Ach, warum, Nasreddin, solltest du nicht? Es war dein letzter Trank. Eben nicht! Er blickte noch einmal in das Fenster, strich sich über das Gesicht, fletschte die Zähne. Es war gut, dass ich getrunken habe. Er betrachtete sich nun wohlgefällig. Das hat er nun davon, dieser Unboschi, einen schönen Nasreddin hat er aus mir gemacht. Er hob die Arme an und wiegte sich auf Zehenspitzen vor dem Fenster.

„Seht euch den an!“

Erschrocken hielt Nasreddin ein, wandte sich der Stimme zu. Im Tor stand eine kleine Gruppe von Leuten. Ein Mann, der sich in der Kleidung deutlich von den anderen unterschied — er trug eine Pluderhose, darüber einen kurzen Chalat, der sich über dem Bauch spannte, und auf dem Kopf eine Kappe mit einem lächerlichen Rand ringsum —, wies mit ausgestrecktem Arm herüber und lachte breit. Die anderen, unter denen sich abermals Frauen befanden, lächelten freundlich.

Nasreddin streckte, einer plötzlichen Eingebung folgend, die Zunge heraus, drehte sich um, reckte dem Mann sein Hinterteil zu, ergriff den Esel und machte sich davon, der Sonne abgewandt, nach Norden, den Weg, den er vor einigen Wochen in Fesseln gekommen war.

Zunächst trottete er im Schatten des Walls schnell und ohne sich umzublicken. Er hatte auf einmal Bedenken, ob sein ungehöriges Verhalten nicht vielleicht Folgen haben könnte. Dann, als die Mauer winklig nach Süden abwich, er in die blendende Helle trat, verhielt er doch den Schritt. Das ist nicht der Weg, dachte er, den du gekommen bist. Nur zu gut erinnerte er sich des spannentiefen Lehmstaubs, in den seine wunden Füße eintauchten wie in heißes Wasser. Ihm war, als spürte er zwischen den Zähnen das Knirschen des Sandes, den die Hufe der Esel, an deren einen er gebunden war, aufwirbelten, oder das Brennen in den Augen von Hitze, Schmutz und Helle. Statt dessen schritt er auf einer schwärzlichen, reinlichen, harten, aber nicht zu harten breiten und ebenen Fläche, die dem Hof des Sultanspalastes alle Ehre gemacht hätte, einer Fläche, die sich im flachen Land bis zum Horizont erstreckte, dort flimmernd in den Konturen von Büschen und einem fernen Kischlak verschwand.

Nasreddin blickte sich um. Vor ihm lag Chiwa, wie er es kannte.

Ein Lehmwall aus der flachen Ebene heraus. Chiwa, das Kleinod der Oase Choresm, der sagenhaften. Erst wenn du das Tor durchschreitest, umfangen sie dich, Wanderer, die himmelblauen Kuppeln, die hohen Bögen der Gewölbe, machen dich die Minarette schwindlig.

Ganz anders hast du es gesehen, dieses Chiwa, Nasreddin Chodscha. Als sie dich durchs Tor schleiften, der du lechztest nach einem Schluck Wasser, versuchtest, einen letzten Blick der Geliebten zu erhaschen, die im schwankenden Korb des Kamels nicht weniger litt als du, Nilufar, die dir im Mondlicht die Schönheit dieser Stadt gepriesen hatte ...

Nasreddin straffte sich! Ha, dachte er. „Ha!“, rief er. „Noch lebt er, der Chodscha. Und ich werde im Anblick deiner Schönheit, Chiwa, der Geliebten gedenken, und dir sage ich, Bei, der du sie köpfen ließest, ich werde, wenn Allah mir die Kraft gibt, dein Scheitan sein, so wahr ich Chodscha Nasreddin bin und lebe!“ Dann drehte er sich brüsk um, riss den Esel vorwärts, und kräftig schritten sie aus gegen Norden.

Es war noch keine Stunde vergangen, als Nasreddins Schritte kürzer, sein Elan kleiner geworden waren, das um so mehr, als der Mann immer stärkeren, schon quälenden Hunger und noch mehr Durst verspürte. Dem Esel schien es nicht anders zu ergehen, denn immer fester spannte sich der Strick zwischen den beiden, und oft wandte das Tier den langen Kopf nach rechts, wo auf unüberschaubaren Feldern der Mais in der Frucht stand.

Die Straße, auf der sie zogen, rollte unter den Füßen hinweg, als sei sie ein zu einem Reif gebogener endloser Streifen. Das Vorankommen ließ sich eigentlich nicht mehr recht feststellen; Chiwa, im Rücken liegend, war längst den Blicken entschwunden. Und der Kischlak, den Nasreddin meinte vom Tor aus gesehen zu haben, lag nun weit links vom Weg, von diesem nicht berührt.

Gesenkten Kopfes trotteten sie dahin, Nasreddin weitgehend unentschlossen, aber sich doch gewiss, dass irgendwann, bald, etwas geschehen müsse. Ihm schien, als sei sein Blick vor Hunger, Durst und Erschöpfung bereits mit einem Schleier verhangen. Und noch immer wies die Straße, gesäumt vom Mais, in die Unendlichkeit.

Plötzlich klang von hinten ein Brummen auf, das, den Eindruck hatte Nasreddin, bevor er sich umzuwenden imstande war, sehr schnell näher kam.

Er hatte dann auch kaum mehr Zeit, das Tier in den Graben zu drängen und sich selber dorthin in Sicherheit zu bringen, als das Ungetüm heranbrauste.

Nasreddin duckte sich hinter den Grauen. Er konnte nicht verhindern, dass Angst ihn förmlich schüttelte. Der Esel blieb, und das überraschte Nasreddin, völlig gleichmütig.

Ein solches Haus auf Rädern kam herangebraust, hinter sich eine aufwallende Staubwolke.

Wäre der Esel nicht so ausstrahlend ruhig geblieben, Nasreddin hätte sich mit aller Macht rückwärts in das Maisfeld geschlagen und wäre gelaufen ... So aber schämte er sich in einem Augenblick klaren Denkens vor dem Tier, krampfte die Hände in dessen Fell und harrte zähneklappernd aus.

So ließ er das, was da auf sie zukam, stoisch über sich hereinbrechen, wunderte sich dann aber doch, dass es so schnell ging, er dabei nicht den kleinsten Schaden erlitt und nicht die geringste Rolle spielte, weil dieses Ding keinerlei Notiz von ihm nahm.

Das Haus rollte vorbei, und zwischen diesem Vorbeifahren und der Staubwolke konnte Nasreddin hinter den Fenstern lachende Gesichter sehen. Und zwei Menschen, die ihn und das Tier im Graben entdeckt hatten, winkten freundlich.

Nasreddin hustete, schüttelte den Kopf vor grenzenloser Verwunderung und schickte sich gerade an, den Esel aus dem Graben zu lotsen, als er wieder einen mächtigen Satz über den Streifen zwischen Straße und Feld machte, dort etliche der mannshohen Pflanzen dabei niederriss.

Aus dem Staub vor ihnen, also dorther, wo das Haus hin entschwunden war, rollte plötzlich eine merkwürdige — ja — Hütte heran, rollte deutlich auf ebenfalls wulstigen Rädern, besaß Fenster, die das Sonnenlicht reflektierten, und hinter diesen saßen abermals drei Menschen, drei oder vier.

Langsam legte sich der Staub, und langsam kam Nasreddin wieder zu klarerem Denken.

Der nach wie vor gleichmütige Esel rupfte Gras, vergriff sich am Mais, und es war, als vertieften das Mahlen der Zähne und das Abbissgeräusch Nasreddins eigenen Hunger ins Unermessliche.

Noch immer ein wenig wie in Trance, strich er die Körner von einer Maisdolde, rieb in den Händen die Spelzen ab und warf sich die linsenförmigen Früchte in den Mund. Es schmeckte milchmehligsüß, und er hatte das Gefühl, dass ihm, äße er mehr davon, zum Sterben übel werden würde.

Dann hatte Nasreddin seinen Schreck überwunden. Er überlegte: So wie diese fahrenden Häuser könnten auf dem Weg natürlich auch die Soldaten des Beis einherkommen, mich festnehmen, erneut ins Verlies werfen, das Ganze noch einmal ...

Aber je intensiver er so dachte, um so weniger wahrscheinlich schien es ihm. Irgendetwas Unfassliches war geschehen, das stand fest — mit dem Bei in Chiwa und vielleicht sogar mit dem großen Timur selbst. Schließlich passierte das alles in seinem Reich, und das hatte er weiß Gott mit grausamer Strenge in der Hand. Das wichtigste aber: Über alldem, was da unbegreiflich eingetreten sein musste, waren Nasreddin und Nilufar — vergessen. Andere Ereignisse, größere sicher, verlangten offenbar die volle Aufmerksamkeit des Herrschers. Vielleicht sind fremde, mächtige Völker ins Reich gedrungen, haben es ganz und gar erobert? Das aber musste sehr schnell gegangen sein. Einen halben Mond nur war ich im Kerker ...

Nasreddin zog den Esel, der sich nur schwer vom Grünfutter trennen ließ, auf den Weg, kratzte sich unter dem Fez am Kopf, schnallte den Gürtel enger und — schwang sich schließlich auf das Tier. „Der Dampf meines Hungers macht mich leicht, und du hast dich gestärkt. Also nützt es uns beiden, wenn ich auf dir sitze. Du hast es nicht so schwer, ich brauche nicht zu laufen, und du vertust deine Kräfte nicht umsonst.“

Kaum dass er saß, dem Tier die Fersen in den Leib gedrückt hatte, hieb er sich mit der flachen Hand an den Kopf, dass es bis weit in die Felder schallte. „Es scheint, der größere Esel von uns beiden bin ich“, rief er laut. Unten in den schmalen Tragekörben, die links und rechts am Zaumzeug des Esels baumelten, lagen in dem einen große saftige Birnen und Gurken und in dem anderen auf einem Pergament ein Gebäck, dessen Aussehen sofort das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Daneben gluckste in einem durchsichtigen Behälter eine Flüssigkeit.

Nasreddin drehte die Augen gegen den blendenden Himmel, breitete die Arme und rief mit unernster Inbrunst: „O Allah — was bin ich für ein Unwürdiger. Wie konnte ich einen Augenblick annehmen, dass du mich in deiner Weisheit vom Tode durch das Schwert erretten könntest, um mich dann in der Unendlichkeit dieses Höllenbands von einer Straße verhungern zu lassen?“ Schon bei den letzten Worten tastete Nasreddins Linke, ohne dass er den Blick vom Firmament gewandt hätte, nach einer Birne. Im Hineinbeißen ließ er sich vom Esel gleiten, löste die Riemen der Körbe und machte es sich am Feldrand gemütlich. Nur zu gern folgte ihm der Esel, um das unterbrochene Mahl genüsslich fortzusetzen.

Nasreddin schien es, dass er noch niemals so gut und fürstlich gegessen hatte wie in dieser Stunde zwischen Chiwa und nirgendwo.