Impressum

Alexander Krögerr

Souvenir vom Atair

Wissenschaftlich-fantastischer Roman

 

ISBN 978-3-95655-686-9 (E-Book)

 

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

 

Das Buch erschien erstmals 1985 im Mitteldeutschen Verlag Halle-Leipzig. Dem E-Book liegt die Originalausgabe von 1985 zugrunde.

 

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1. TEIL

1. Kapitel

Ein gedämpftes Gongschwingen beendete den Unterricht. Wenige Minuten danach verließen die Schüler das alte schmucklose Gebäude, verließen es so, wie alle Schüler dieser Erde Schulen verlassen, lachend, schwatzend, gemessen die einen, eilig andere.

In einer sich laut unterhaltenden Gruppe von Mädchen und Burschen schritt ein junger Mann, der auffiel. Er schien ein wenig schlanker noch als andere, schlaksiger. Sein Kopf war deutlich größer als der seiner Altersgenossen. Das Gesicht des jungen Mannes war so glatt, wie es keine, auch nicht die sorgfältigste Rasur zuwege brachte. Ihm fehlte jeglicher Bartwuchs.

Der junge Mann schritt weit ausholend, wiegend. An den Gesprächen beteiligte er sich nur gelegentlich. In der linken Hand trug er den Aufzeichner. Als er mit der rechten ein Insekt von der Stirn strich, tat er das mit einer vierfingrigen und daher überschlanken Hand ...

An einer Kreuzung der Parkwege verharrte die Gruppe. Die jungen Leute verabschiedeten sich mit Floskeln wie: »Bis heute Nachmittag«, »... bis morgen!«, »Nein, ich gehe schwimmen.« Eine Anzahl wollte sich am Strand treffen.

Jemand fragte den jungen Mann: »Luchs, gehst du auch baden?« Nicht am schwarzen schweren Zopf, sondern an der Stimme erkannte man, dass es ein Mädchen fragte.

Er blickte sie aus Augen an, die den Spitznamen sofort verständlich machten. Diese Augen hatten eine goldgeflammte Iris und einen kleinen senkrechten Pupillenschlitz. Aber etwas Gefährliches wie bei einem Raubtier lag nicht im Blick, eher etwas Erhabenes, weit abgewandtes, etwas Anziehendes, Sanftes auch. »Ja«, antwortete er leise, zögernd.

»Holst du mich ab?«

Er schüttelte den Kopf. »Wir treffen uns unten — an unserer Stelle.«

Sie standen sich gegenüber, allein gelassen. Die anderen waren ihrer Wege gegangen.

»Also«, sie fasste flüchtig seine Hand. »Um drei!« Sie lächelte ihn an. »Bis nachher, Mark!« Flott schritt sie davon, schlenkerte mit der Tasche.

Vor Mark erstand das besorgte Antlitz der Mutter. Obwohl er es vorher oft erwogen, aber nie eingehalten hatte, dieses Mal wollte er ihr wirklich nichts von seinem Rendezvous mit Li mitteilen. Dass ich im Vergleich zu meinen Mitmenschen ein wenig anders aussehe, ist kein Grund, mich nicht mit einem Mädchen, mit Li zu treffen! Und ein anderes Argument hat Mutter nicht. Meine Güte — wie viele Menschen haben einen sogenannten Geburtsfehler, und das trotz der ausgefeilten Methoden der Früherkennung. Gegenüber anderen Gebrechen komme ich doch noch sehr gut davon!

Längst grübelte Mark nicht mehr über die Ursachen seiner äußeren Abweichungen von der Norm. Er sah eben anders aus, basta. Es gab eine Zeit, da in der Menschheit allerlei spontane Missbildungen durch Medikamente, Umwelteinflüsse oder Strahlung auftraten. Man hatte das eingedämmt. Aber hie und da trat eben doch noch dieser oder jener Fall zutage. Ich bin einer!

Noch nie habe ich den fünften Finger, den fünften Zeh vermisst. Es soll mir einer sagen, ich sei deswegen ungeschickter als andere. Und sehe ich etwa schlechter? Ägy hat ein braunes und ein blaues Auge. Niemand nimmt Anstoß daran. Und sollte sich morgen die Haarmode ändern, komme ich vielleicht groß heraus, wenn wenig Haar schick ist! Die Hauptsache ist doch wohl, dass Li mich mag — so wie ich aussehe, wie ich bin! Das wird Mutter akzeptieren müssen. Aber sicher ist nicht mein Aussehen der Grund für ihr Verhalten — nicht allein. Li wird schon recht vermutet haben.

Li hatte gemeint, Eifersucht könnte dahinterstecken, weil Mutter zu lange allein mit dem Sohn gelebt hatte, ziemlich abgekapselt von der Umwelt. Freilich, es sei für sie tragisch, in jungen Jahren den Gefährten verloren zu haben, mit dem man sich ein gemeinsames Leben erträumt hatte. Statt sich einen anderen Mann zu suchen, hatte sie sich auf den Sohn orientiert. Und nun, nach so vielen Jahren, in denen sich diese Haltung verhärtet hatte, wird ihr der Gedanke schwer, den Sohn möglicherweise mit einer anderen teilen zu müssen.

Mark litt unter dieser Situation. Seine Mutter und er lebten zurückgezogen. Er hatte zwar die Schule, den täglichen Kontakt zu den Mitschülern, aber Gefährte und Freund war ihm bislang stets die Mutter gewesen. Denn je älter Mark wurde, desto mehr nahm er in seiner Klasse eine Sonderstellung ein. Seine schnelle Auffassungsgabe, sein phänomenales Gedächtnis, gepaart mit Hilfsbereitschaft und Bescheidenheit, führten zu einer allgemeinen Achtung, ja beinahe Scheu, auf jeden Fall zur Dämpfung des altersgemäßen rüden Betragens der anderen ihm gegenüber. Nur im Sport brachte es Mark gerade noch auf durchschnittliche Leistungen. Hänseleien in den unteren Klassen hatte Mark längst verziehen. Sie waren es eigentlich gewesen, die seine Zuneigung zu Li ausgelöst hatten. Li hatte sich oft vor Mark gestellt, hatte Larry und andere geschickt in die Schranken gewiesen. Ihre besondere Zuneigung zu Mark wurde jedoch nicht offenkundig und sie so nicht Zielscheibe gut gemeinten Spotts. Als Mark es bemerkte, begann er ihr Tun zu beobachten. Zunächst belustigte es ihn, dann begann er Li zu bewundern. Er suchte die Nähe des Mädchens.

Eines Tages hatte Li Mark einer Schularbeit wegen zu Hause aufgesucht, was sie bislang vermieden hatte. Mitten im Eifer seiner Erklärungen zu den Neperschen Gleichungen für das Berechnen sphärischer Dreiecke gewahrte Mark, sie hörte ihm offensichtlich überhaupt nicht zu. Stattdessen sah sie ihn unverwandt und lächelnd an. Er stockte, lehnte sich zurück, um sie besser anschauen zu können, und er fragte stark verunsichert: »Li ...?«

Da ergriff sie seine Hand, führte sie an ihr Gesicht, kuschelte ihre Wange hinein und lehnte den Kopf an seine Schulter.

Eine kleine Weile saßen sie so. Mark wurde es heiß und kalt, er war überrascht, wie überrumpelt, es war unbeschreiblich, was er empfand. Er fürchtete, dass Li es spüren müsse. Und Freude, eine ungerichtete Freude durchrieselte ihn.

Mark strich Li sacht übers Haar, rückte behutsam von ihr ab, sah sie lange an, nahm ihr Gesicht zwischen die Hände und lehnte seine Stirn an die ihre. »Li«, sagte er leise. Und in diesem einen Wort, dem Namen, in seiner Stimme schwang beglücktes Staunen ...

Plötzlich umfasste ihn Li, schmiegte sich an ihn, küsste ihn auf die Wange und löste sich ebenso von ihm. Sie sah ihn verschmitzt lächelnd an, strich sich eine Haarsträhne aus dem erhitzten Gesicht und sagte: »Deine sprichwörtliche Auffassungsgabe, Mark, ist aber sehr einseitig entwickelt!« Sie wies nachdrücklich auf den Aufzeichner vor ihnen auf dem Tisch, über dessen Schirm ein von Mark entworfener, von zahlreichen Linien und Großkreisen in Dreiecke zerlegter und mit Symbolen gespickter Globus flirrte.

Wenig später — ein kleines Tablett mit zwei Gläsern Fruchtsaft auf der Hand — betrat Marks Mutter, Wally 327 Esch, forsch das Zimmer. Sie warf beim Absetzen der Gläser verstohlen prüfende Blicke in die geröteten Gesichter der beiden jungen Leute. Flüchtig musterte sie auch den Aufzeichner, auf dem noch immer der Globus leuchtete.

Mark kam sich ertappt vor. Er versuchte, den Faden wieder dort aufzunehmen, wo er ihm durch Li so überraschend und aufregend abgeschnitten worden war. Auch Li konzentrierte sich erneut. Mark sagte, und es klang wie zerstreut und so, als fühle er sich gestört: »Danke, Mutter!«

Einen Augenblick noch stand Wally 327 Esch und blickte ernst auf die beiden jungen Menschen, die die Köpfe über den Aufzeichner hielten.

Man sah es Wally Esch nicht an, dass sie demnächst fünfzig Jahre sein würde. Die zahlreichen silbrigen Fäden im dunklen Haar wirkten interessant, fein, sie gaben ihr Reife. Die Wippfrisur stand ihr gut zu Gesicht, passte zu den breitstehenden Augen, der kleinen Nase und dem volllippigen Mund, dessen weiße Zähne zum Haar kontrastierten. Lachte sie, ein fast lautloses, zurückhaltendes Lachen, fühlte man sich sogleich von offener, rückhaltloser Freundlichkeit umfangen.

»Also«, sagte sie, »ich gehe zum Dienst. Vergiss nicht, Mark, dass du in die Oper wolltest. Essen musst du vorher auch noch.«

Mark sah auf. »Ist gut, Mutter. Wir sind bald fertig.« Er hatte sofort ihren Vorbehalt gespürt, ihr Mahnen verstanden. Bis zum Beginn der Vorstellung blieben mehr als drei Stunden.

Wally Esch nickte grüßend, ging zögernd, so als ließe sie die beiden ungern allein zurück.

 

So hatte es begonnen.

Und seit jenem Tag waren die Beziehungen zwischen Mutter und Sohn verändert, so wie sich der Sohn verändert hatte. Die vordem unbefangene Herzlichkeit war einem freundlichen, aber nicht vorbehaltlosen Nebeneinander gewichen, das auch nicht ganz frei war von einer gewissen Bevormundung des Sohnes durch die Mutter. Und dieser neue Zug ins Autoritäre, ganz fein zwar, aber merklich für Mark, kam dann auf, wenn es um Li ging.

Wally versuchte zu lenken. Doch das, worauf sie bei ihrem Sohn bislang stolz war, was sie stets mit Freude empfunden hatten, kehrte sich jetzt gegen sie: seine Fähigkeit, kleinste Gefühlsregungen des anderen, Stimmungsumschwünge zu verspüren. Wally gewahrte schmerzlich, das alte Vertrauensverhältnis klang ab. Mark wandte sich mehr und mehr Li zu.

Schließlich entschloss sich Wally, dem Sohn zu begründen, weshalb ihr seine Zuneigung zu Li missfiel. Sie wies auf seine körperlichen Abweichungen hin. Dass sie nun plötzlich so argumentierte, schmerzte Mark am meisten und befremdete ihn zugleich. Hatte er als Kind gefragt, weshalb er nur acht Finger habe, hatte das die Mutter stets bagatellisiert, es sei kein Mangel, eine derartige Abnormität sei eine Zeiterscheinung und bedeutungslos für sein künftiges Leben. Was sich auch bestätigte. Alle hatten ihn mittlerweile akzeptiert, niemand nahm Anstoß an seinen Augen, seinem Haarwuchs, seinen Händen. — Ja, im Grunde waren es nur die Augen, die sofort auffielen. Wer zählt schon beim Nebenmann dauernd die Finger. Und dem Phänomen Haarausfall kommen die Mediziner sowieso nicht bei! — So gut wie vergessen schien das alles. Ausgerechnet die Mutter musste nun diese Dinge wieder in den Vordergrund rücken.

Ihr zweites Argument, er sei für eine feste Bindung zu jung, begriff er überhaupt nicht. Er entgegnete ihr unumwunden, Emotionen seien wohl altersunabhängig. Li mochte ihn, wie er sei, was also soll alles Gerede. Schließlich lehnte Mark, je mehr die Mutter in ihn drang, den Dialog über dieses Thema ab. Er verstieg sich sogar zu dem Vorwurf — was Wally sehr schmerzte —, sie könne wohl deshalb nicht nachfühlen, weil sie drei Jahrzehnte ohne Gefährten lebe, andere empfänden anders.

Doch trotz allem bemühten sich beide um ein gutes Verhältnis zueinander. Aber Unausgesprochenes gab es stets zwischen ihnen. Und Wally merkte es dem Sohn natürlich an, wenn er sich mit Li getroffen hatte. Er schien gelöst, verträumt auch, irgendwie glücklich. Das war der Grund, der sie einerseits in die Beziehung der jungen Leute mehr hineininterpretieren, sie intimer sehen ließ, als sie war. Andererseits geriet Wally mehr und mehr in Gewissensnot — von Mark wohl empfunden, obwohl er sich dafür nicht den geringsten Grund vorstellen konnte —, weil sie, natürlich, den Sohn allzu gern glücklich gesehen hätte, sie aber meinte, sich diesem Glück entgegenstellen zu müssen.

 

In diesem Gewirr aus Zuneigung, Respekt und Dankbarkeit der Mutter gegenüber, aus Nichtverstehen ihrer Vorbehalte, wenn es um seine Liebe zu Li ging, verstrickten sich Marks Gedanken, als er an diesem Tag der Heimstatt zuschritt. Und sein Entschluss, der Mutter diesmal nichts zu sagen, um sie nicht weiter zu beunruhigen, festigte sich.

Wally hatte, als sie mit Mark schwanger ging, ihren Beruf als Planetologin aufgegeben, war aus der Großstadt fortgezogen — unverständlich für die Freunde und Kollegen — und hatte eine Arbeit in einer Zweigstelle des Instituts für lunare Metalllegierungen auf der Insel Sankt Kitts angenommen, eigentlich als ungelernte Kraft. Das einzige, was sie ein wenig mit der früheren Tätigkeit verband, war, dass in diesem Institut die auf dem Mond unter dessen geringerer Schwerkraft und fast atmosphärenfrei erschmolzenen Legierungen von Metallen und Kunststoffen auf ihre Eigenschaften und Eignung als effektives Substitutionsmaterial untersucht und ausgewählt wurden.

Wally hatte sich zur Kristallmikroskopie-Laborantin qualifiziert, und diese Tätigkeit befriedigte sie. Ihr freundliches, ausgeglichenes Wesen, ihr Fleiß brachten Wertschätzung, Freunde, einen kleinen Bekanntenkreis. Man respektierte ihre Zurückgezogenheit, hatte sich daran gewöhnt, dass sie Kontakt nur bis zu einer bestimmten Grenze wünschte. Anfangs hatte man gedeutelt, brachte ihr von der Norm abweichendes Verhalten mit der Andersartigkeit des Kindes in Zusammenhang oder mit dem Tod des Gefährten, mit dem sie eine große Liebe verbunden haben soll ...

Das war Jahre, Jahrzehnte her. Man hatte sich in der kleinen Kolonie aufeinander eingestellt. Schließlich hatten sie alle, die auf dieser Insel einer Arbeit nachgingen, mehr oder weniger ihre eigenen Probleme.

 

Mark traf die Mutter zu Hause an. Sie hatte — wie des Öfteren — Unterlagen aus dem Institut mitgebracht und wertete sie aus. Sie saß im Halbdunkel, den Stereoprojektor vor sich, und verglich in zehntausendfacher Vergrößerung Kristallstrukturen unzähliger Metallproben und ordnete sie ein. »Hallo, Mark«, grüßte sie. »Hast du gegessen?«

»Doch«, antwortete er. Er stand vor ihrer Leinwand und versuchte ein System aus den verwirrenden Gitterlinien herauszulesen. »Aber ich könnte noch etwas vertragen, es gab Menga und fad zubereitet außerdem.«

Wally lachte. »Das trifft sich. Ich habe ein paar echte Steaks mitgebracht. Sie sind vorbereitet. Brauchst nur den Grill einzuschalten.«

Während Mark das Fleisch briet, trat Wally zu ihm, sah dem Sohn eine Weile zu, sagte dann obenhin: »Ich muss heute Nachmittag hinüber nach Charleston, dienstlich. Ich denke, wir fahren gegen sechzehn Uhr mit dem Schnellboot. Zu tun habe ich höchstens eine Stunde, dann könnten wir ein wenig bummeln, einkaufen.«

In Mark regte sich sofort Abwehr. Zu oft sorgte die Mutter in der letzten Zeit für eine Beschäftigung. Früher wäre es ihm nicht eingefallen, ihr scharf zu entgegnen. Doch nun musste er sich beherrschen, um nicht aufzubrausen. So erwiderte er lediglich abweisend: »Ich komme nicht mit ...«

Die Mutter fühlte sich durchschaut, biss sich auf die Lippen und sah zu Boden.

Mark befasste sich mit den Steaks.

»Hast du etwas vor«, fragte sie gewollt behutsam und sah ihn von unten her an.

»Ja.«

»Mit Li wieder ...!«

Nur eine Sekunde zögerte Mark. »Ja!« Es klang patzig und verbindlich.

Sie schwieg, kehrte aber nicht wieder an ihre Arbeit zurück. Sie sah dem Sohn zu, wie er das Steak aß, ohne rechte Freude am seltenen Genuss. Und auf einmal tat es ihr leid, diese Unlust verursacht zu haben. In diesem Augenblick wurde es Wally 327 Esch bewusst, sie würde so nichts, gar nichts erreichen, der Spalt zwischen ihr und dem Sohn würde sich vergrößern. Und ein weiteres Mal setzte sie an, sich dem Sohn völlig zu offenbaren, ihm rückhaltlos alles zu erzählen. Er hat das Recht darauf, zu wissen! Aber auch das hatte sie sich schon hundertmal vorgenommen — immer wieder. Stets fielen ihr die gleichen Gegenargumente ein: Der Sohn ist zu jung. An seinem Anderssein hat er ohnehin genug zu tragen.

Und du, Wally, kannst du es noch tragen?

Ich konnte nicht ahnen, dass er bereits in diesem Alter eine Gefährtin wünscht. Musste ich nicht annehmen, dass er wie andere noch fünf bis zehn Jahre damit warten würde?

Nein, Wally! Das sind Ausreden! Gerade dass er sich verhält wie andere, kannst du am allerwenigsten annehmen!

Nichts überstürzen!

Aber wie soll Mark ein Vermächtnis erfüllen, wenn er davon nichts weiß, Wally, wenn du ihm nichts mitteilst? Er kennt nur Versionen, die alle kennen. Die vereinsamte, vergrämte Mutter, das gezeichnete Kind, daraus Zurückgezogenheit ...

Eine Liebelei, etwas Vorübergehendes!

Aber so von Herzen glaubst du nicht mehr daran, Wally. Es wäre deinem Sohn nicht gemäß.

Ich hoffe auf eine Lösung, die mich nicht zum Letzten zwingt ...

Nachdenklich begab sich Wally 327 Esch an ihre Arbeit zurück.

 

Mark kam zu früh zum Treffpunkt, einer Felsgruppe oberhalb des Strandes. Die Steine bildeten eine Einfassung, die so viel Boden festhielt, dass kurzes Gras und Moose gediehen, eine Wanne gleichsam, die den steten Wind von See her abhielt und das Sonnen auch an kühlen Tagen gestattete.

Mark lehnte am Fels, hielt die Augen geschlossen. Die permanenten Vorbehalte der Mutter zermürbten ihn. Er litt unter dem gespannten Verhältnis, wünschte sich die Zeit zurück, als sie nicht wie Mutter und Sohn, sondern wie Freunde lebten. Aber das war vor Li. Und ein Zurück, wenn es das überhaupt gäbe, wäre ein Leben ohne Li. Schmerzhaft wurde er sich bewusst: Wenn zwischen der Mutter und Li zu entscheiden wäre, ohne zu zögern schlüge er sich zu Li. Aber bewusst war er sich auch, er würde dann nie völlig glücklich sein ... Mark wünschte sehr, es möge zu einer solchen Entscheidung nicht kommen, die Mutter gäbe die unverständlichen Vorbehalte gegen Li auf, und sie könnten zu dritt harmonisch leben. Im Augenblick aber wusste Mark nicht, wie sich die Spannung lösen, wie es in diesem Dreieck weitergehen könnte. Er fürchtete, das Missverhältnis zur Mutter würde ihn so belasten, dass darunter auch ungewollt seine Beziehung zu Li litte.

Schon als Lis Gesicht über dem Steinwall auftauchte, glaubte Mark etwas Fremdes zu bemerken, etwas, das er in dem vertrauten Antlitz bisher nicht festgestellt hatte, ein ungewöhnlicher Ernst, Traurigkeit ... Aber in der nächsten Sekunde war dieser Eindruck verwischt, schien Li die alte.

Mark ging ihr einige Schritte entgegen, nahm ihre Hände, und sie zog ihn über den Wall. »Mir ist so warm, komm ins Wasser!« Sie ließ die Kleider fallen und sprang voraus, wäre im Geröll beinahe gefallen, lachte und warf sich in die Wellen, dass das Wasser hoch aufspritzte.

Mark sah Li vor sich gegen die Sonne, eingehüllt in eine silbrige Tropfenaureole. Er dachte: Was ist mit ihr? Ganz selten wirft sie sich so ins Wasser. Im Gegenteil, sie dehnte den Körper, zog ihn in die Länge, dass die Rippenbögen arg hervortraten, um das Wasser möglichst langsam an sich emporkriechen zu lassen.

Beim Hinausschwimmen rekapitulierte Li die Mathematikstunde vom Vormittag, und sie parodierte die Verlegenheit Grapers, des Lehrers, als er in der vierzehnten Zeile einer komplizierten Formelableitung feststellte, ihm wäre in der zweiten ein Fehler unterlaufen.

Mark lachte. Er sagte nicht, dass er diesen Fehler vorzeitig entdeckt, aber Graper nicht aufmerksam gemacht hatte, um die Mitschüler nicht um das Vergnügen zu bringen, den Lehrer verwirrt zu sehen.

Sie tollten ausgelassen im Wasser, und Mark vergaß abermals, dass ihm Li verändert vorgekommen war an diesem Nachmittag.

Nach geraumer Zeit schwamm Li zurück, legte sich auf den Strand und ließ sich von den Wellen umspülen.

Mark setzte sich zu ihr, sie schwiegen, blickten in den Horizont. Mark bohrte mit den Zehen Löcher in den Sand, die die nächste Welle einebnete ...

Dann sagte Li: »Komm ...!« Sie nahm seine Hand, und sie stiegen die Küste hinan.

Als sie den Steinwall überschritten hatten, lehnte sie sich an Mark, legte die Arme um ihn, den Kopf an seine Schulter.

Mark durchrieselte es heiß. Mit jeder Faser seines Körpers spürte er, es war anders als sonst, es war etwas Besonderes geschehen. Er fühlte Lis Erregung. Behutsam zog er sie enger an sich, strich ihr übers Haar, hauchte: »Li ...«

Li flüsterte zurück: »Komm, Mark ...«, und sie ließ sich in das dichte Gras sinken.

Später, als sie gelöst nebeneinanderlagen, sagte Li plötzlich mit rauer Stimme: »Die Eltern wollen es nicht, Mark!«

Und sofort verstand er.

Er drückte Li an sich, küsste sie aufs Haar, und nach einer Weile sagte er: »Wir haben uns, Li!« Er hielt ihre Hand ganz fest, drückte die Finger.

Li richtete sich auf, blickte in sein Gesicht: »Ja, Mark ...« Und sie zog ihn an sich und küsste ihn ...

 

Tags darauf ließ sich Wally 327 Esch beim Leiter des Institutes melden.

411 Kraszan blickte erstaunt, lud Wally in die Sesselecke seines Zimmers, bot ihr Yucci und blickte sie dann erwartungsvoll an.

Wally sagte rundheraus: »Ich will ..., ich muss weg von hier, Rocco!« Und sie fügte erklärend hinzu: »Es ist wegen — Mark. Ich weiß, das ist vielleicht unverständlich ...« Sie brach den Satz ab.

Rocco 411 Kraszan schwieg. Er trank von seinem Fruchtsaft, sah ab und an auf seine Besucherin. »Du hast es dir gut überlegt?«

Wally nickte nachdrücklich.

»Ich brauche dir nicht zu versichern, es tut mir, es tut uns sehr leid, wenn du gehst. Aber wenn du es — musst ... Ich lege dir keinen Stein in den Weg. Doch ich verstehe es wirklich nicht.«

»Danke, Rocco!« Wally räusperte sich. »Es fällt mir nicht leicht, glaube mir!«

Pause.

»Wohin willst du?«

»Ich würde gern im Institut bleiben, wenn es geht. Kannst du mich unterstützen? Mich würde«, Wally zögerte, »eine Arbeit in unserem Stützpunkt auf Gunungapi interessieren ...«

Rocco 411 Kraszan atmete erleichtert auf. »Da verlässt du uns ja gar nicht! Egoistisch darf ich nicht sein, andere brauchen auch gute Mitarbeiter — obwohl, ich betone es noch mal — ich es außerordentlich bedauere. Aber ausgerechnet in «diesen Krähwinkel?« Er schüttelte verwundert den Kopf. »Natürlich unterstütze ich dich, so gut ich kann, und ich denke, es wird gehen. Wann möchtest du?«

»Zum nächsten Ersten. Da versäumt Mark nicht zu viel Unterricht vor den Ferien.«

»Schon!« Rocco Kraszan seufzte. »Gut, ich spreche mit der Leitung.«

»Da ist — noch etwas, Rocco ...« Wally zögerte.. »Entschuldige. Könnte es — nach außen so aussehen, als müsste ich aus dienstlichen Gründen versetzt werden? Als müsstet ihr mich, im Interesse des Instituts, von einem solchen Schritt überzeugen ...? Es läge mir sehr viel daran ...«

Rocco 411 Kraszan zog die Stirn in Falten, wiegte den Kopf hin und her. »Wally, Wally«, sagte er, und es klang wie beschwörend, »hoffentlich machst du das Richtige. Ich — wir haben immer geglaubt, du würdest mehr Vertrauen zu uns finden. Gespürt hat es jeder, dass dich etwas bedrückt. Aber natürlich ist es deine Sache ...« Dann lächelte er. »Ja, auch das lässt sich arrangieren.«

»Danke!« Wally erhob sich, reichte Rocco 411 Kraszan die Hand. »Es geht nicht in erster Linie um mich, es geht um Mark. Verzeih ...«

»Alles Gute, Wally.«

Als sie an der Tür war, rief er von seinem Arbeitstisch her: »Aber um eine kleine Abschiedsfeier kommst du nicht herum!«

Wally lächelte zurück, hob die Hand, nickte. »Versteht sich.«

2. Kapitel

Sie verließen mit der Urlauberjacht des Instituts ihre langjährige Wohnstatt.

Mark hatte zunächst kein Wort verloren, als die Mutter ihm mitteilte, die Institutsleitung hätte sie gebeten zu überlegen, ob sie eine Tätigkeit auf Gunungapi annehmen könnte, man würde sehr viel Wert darauf legen ... Wortreich hatte sie erklärt, wie ihr die neue Tätigkeit dort zusagen würde. Und zum nächsten Ersten wäre es schon so weit ...

Mark war ans Fenster getreten, hatte lange schweigend hinausgestarrt.

»Wohnen werden wir dort ähnlich wie hier, ich habe Fotos gesehen ...«

»Das ist ja sehr wichtig«, hatte Mark dann bitter und traurig zugleich erwidert, ohne sich der Mutter zuzukehren. Mit der Stirn lehnte er am Fensterrahmen.

Wally hatte es einen Stich gegeben, der Zweifel, ob nun dieser Entschluss das Rechte war, ob sie so Mark wieder ganz für sich gewönne oder — gänzlich verlöre, nagte in einem fort an ihr.

Am meisten aber litt sie darunter, dass er von dieser einschneidenden Veränderung überhaupt nicht mehr sprach und sich offenbar nicht im geringsten für die dortigen Verhältnisse interessierte, es schien ihm völlig gleichgültig zu sein. Trotzdem traf er seine Reisevorbereitungen, hielt sich allerdings in der Freizeit kaum zu Hause auf. Er kam abends spät und ging früh lange vor Unterrichtsbeginn aus der Wohnung. Sie sprachen nur das Nötigste miteinander, nicht unfreundlich, aber Mark blieb zurückhaltend.

 

Das Schiff legte bereits um vier Uhr morgens ab. Mark stand wie abwesend am Heck. Wally trat zu ihm, wagte nicht, ihn anzusprechen. Die Maschinen ließen die Jacht zittern. Unten quirlte Wasser.

Sie hatten nach dem Ablegemanöver schon einige Hundert Meter seewärts zurückgelegt, da erst erblickte Wally die einsame Gestalt vor der noch tief stehenden Sonne am Pier. In der Kleidung spielte der Seewind ...

Mark lehnte an der Reling und starrte hinüber, rührte sich nicht, das Gesicht war wie eine Maske.

Wally traten Tränen in die Augen. Sie legte ihre Hand auf die des Sohnes, die das Geländer umkrampfte.

Später, als sich undurchsichtiger Dunst zwischen sie und den Hafen geschoben hatte, der Wind Gischt über das tief liegende Heck trieb, fasste Wally den Sohn um die Schulter und sagte leise: »Komm, Mark ...«

Und sie gingen so umfasst zum Kajütendeck.

 

Als nach zwei Wochen Seereise die Insel vor ihnen auftauchte, Wally und Mark als einzige mit ihrem Handgepäck auf Deck standen und erwartungsvoll nach vorn blickten, schien die alte Herzlichkeit zwischen ihnen wiederhergestellt. Und Wally hoffte, die neuen Eindrücke, die neue Umgebung, neue Freunde würden bald Marks Wunde vernarbt haben.

Wally sah den Sohn von der Seite her an. Er war wohl noch schmaler geworden. Sein Blick hing an den bewaldeten Hängen der erloschenen Vulkane, an der malerischen Insel, die, je näher sie rückte, mehr und mehr den gesamten Horizont einnahm. Es schien, als sei Mark schon jetzt von der Exotik des Eilandes gefangen. »Warane, Mutter, sagst du, leben hier noch wild?«

Wally nickte glücklich. »Wieder. Es ist rigoros alles verbannt worden, was einst die Natur geschädigt und verschandelt hatte. Nicht die geringste Industrie gibt es — ein paar Institute, Wohnungen, Versorgungsstätten und Unterhaltungslokalitäten, mehr nicht. Zwanzig- bis dreißigtausend Menschen leben hier ...«

Die Maschinen der Jacht stoppten. Matrosen machten die Barkasse klar. Deutlich scholl das Tosen der Brandung von Gunungapi herüber.

»Dort oben in den Hängen — siehst du die hellen Flecke? — liegt die Wohnsiedlung.«

Auf Marks erstaunte Bemerkung, sie kenne sich, ohne jemals hier gewesen zu sein, offenbar recht gut aus, gab Wally keine Antwort. Sie nahm eilfertig das Gepäck auf und lud es in das Boot, das sie zur Insel bringen würde.

Später, als die Barkasse um eine Landzunge bog, hielt es Mark nicht mehr auf dem Sitz, aufrecht sah er nach vorn. Ein vorgelagertes Riff brach die Wellen, die sich wie wütend auf dieses Hindernis stürzten. Aus der Bucht heraus streckte sich der Landungssteg weit ins Meer. Palmen wippten im Seewind. Im Schutz der Brücke tummelten sich Menschen mit Brettern auf den noch immer beachtlich hohen Wellen, andere spielten Ball auf dem breiten Sandstrand. Vor einem kräftig blauen Himmel standen plastisch die Vulkankegel. Brächte das ein Maler auf die Leinwand, man würde es für abgeschmackt halten, dachte Mark. Er konnte es nicht erwarten, am neuen Ufer anzulegen.

Erst spät abends in der Wohnung, schon vor dem Einschlafen, dachte Mark sehnsüchtig an Li, und es wollte ihn der Jammer überkommen. Wie sehr viel schöner wäre es, erlebten wir Gunungapi miteinander, kosteten die Schönheit der Insel gemeinsam ... Ein schönes Erlebnis ist erst dann vollkommen, wenn man es mit einem lieben Menschen teilt ...

Aber im Grunde fühlte Mark sich optimistisch gestimmt. Was bedeuten in der heutigen Zeit schon einige Tausend Kilometer. Man muss ja nicht mit dem langsamen Schiff reisen. Das Eiland wird dreimal wöchentlich angeflogen, hatte er erkundet. In weniger als zwanzig Stunden kann ich bei Li sein oder sie bei mir. Und ich stehe zu meinem Versprechen: Wird die Sehnsucht unerträglich, werden wir ein Wiedersehen organisieren. Man kann sich auch auf halbem Wege treffen ... Gleich morgen schreibe ich Li. Und Mark bedauerte, dass man gewisse Errungenschaften der Zivilisation hier so gründlich abgeschafft hatte. Videofonate waren ausgeschlossen, und telefonieren konnte man nur in dringenden Fällen oder zum dienstlichen Informationsaustausch. Auch das wird uns nicht erschüttern! Mit diesem zuversichtlichen Gedanken schlief Mark ein.

 

Wally 327 Esch begann ihre neue Tätigkeit mit zwanzig Tagen Urlaub. Und da Mark Ferien hatte, sollte diese Zeit zum Erkunden der Insel genutzt oder faul verbummelt werden. Beiläufig hatte Wally dem Sohn angekündigt, sie wolle auf einer der Touren gern feststellen, ob sich eine frühere Bekannte noch hier befände. Sie hätte vor Jahren in dieser Gegend eine medizinische Tätigkeit aufgenommen. Crini 187 Kuryn wäre eine amüsante Person gewesen.

Mark sog alles Neue in sich auf. Er konnte stundenlang dem Zirpen und Schnarren der tropischen Tiere lauschen oder nistenden Vögeln zusehen, die Einheimischen beim Ernten der Palmenfrüchte ebenso beobachten wie die geschickten Wellenreiter. Meist abends teilte er in langen Briefen Li seine Eindrücke mit, was Wally zwar mit einigem Unbehagen registrierte, aber sie hütete sich, alte Vorbehalte wieder auszugraben. Es erschien ihr verständlich, dass man sich noch eine Weile aneinander erinnerte, anders hätte sie den Sohn auch nicht erleben wollen ...

 

Wäre nicht all das Neue gewesen, Mark hätte sicher bemerkt, die Suche nach der früheren Bekannten war überflüssig. Wally kannte die medizinische Forschungsstätte, in der jene Crini 187 Kuryn arbeitete, und wusste die Wohnadresse. Mark schöpfte, abgelenkt durch all das Neue, jedoch keinerlei Argwohn.

Wally hatte für die Reise ein Auto besorgt, das ein steinalter einheimischer Mann steuern konnte, und diesem bereitete es offenbar Vergnügen, die Neulinge zu kutschieren. Es traf genau Marks Geschmack, und das allein schon machte ihm Mutters Bekannte sympathisch.

 

Der Elektromotor summte leise, der Fahrtwind spielte in den Haaren. Mark genoss, und Wally, deren Herz bis zum Halse klopfte, ließ sich zeitweise von ihm ablenken. Sie machten sich bald gegenseitig auf allerlei Sehenswertes aufmerksam, das sich auf ihrem Wege zeigte.

Es hatte den Anschein, als würde sich die Straße um einen der Vulkankegel spiralig winden. Schwand rechtsseitig das Randgebüsch, tat sich ein einmaliges Panorama auf, begrenzt vom gischtumhäkelten Ozean ...

Nach zweistündiger Berganfahrt bog der Wagen von der Hauptstraße ab und hielt nach einer Rechtskurve vor einem in den Hang hineingebauten flachen Haus mit großer ausladender Terrasse, die in einen verwilderten Garten ragte.

Mit weit geöffneten Armen stürzte ihnen von dorther eine Frau in einem wehenden Gewand entgegen. Crini 187 Kuryn. Mark erkannte sie nach Mutters Beschreibung sofort. Sie war schlank, hatte ein schmales Gesicht mit großen, weit auseinanderstehenden Augen, dazu gekräuseltes, dunkles Haar.

Die beiden Frauen umarmten, drückten sich, wechselten freudige Worte.

Dann löste sich Crini von Wally, wandte sich Mark zu, fasste ihn an den Schultern, sah ihm aufmerksam ins Gesicht, trat dann einen Schritt zurück, musterte ihn von oben bis unten. »Du bist also Mark«, stellte sie überflüssigerweise fest. »Willkommen, Junge!« Ihre Stimme hatte einen Unterton, mit dem Mark nichts anzufangen wusste. »Gut siehst du aus.«

»Naja«, erwiderte Mark, aber er lächelte. Er hob seine Rechte, dass Crini die vier Finger bemerken musste, deutete auf seine Augen, strich übers schüttere Haar.

Jetzt lächelte Crini vielsagend, hintergründig, und sie winkte ab.

Mark hatte das Gefühl, sie war durch seine Abnormitäten nicht im geringsten überrascht. Sonst zuckte meist den Bruchteil einer Sekunde lang Erschrockenheit über das Gesicht dessen, der Mark zum ersten Mal gegenüberstand. Aber es ist ja möglich, dass sie es gewusst hat, dachte er. Mutter wird es ihr früher einmal mitgeteilt haben ...

Crini bestand darauf, dass die Gäste über Nacht blieben, was Wally sofort annahm. Sie vereinbarten mit dem Autobesitzer einen Zeitpunkt, zu dem er Mark und Wally am nächsten Tag wieder abholen würde.

Erst als sie auf der Terrasse Platz genommen hatten, fragte Wally: »Deine Leute, Crini, wo sind sie?« Die Frage klang ein wenig unangemessen aufgeregt, fand Mark.