Impressum

Gerhard Branstner

Die Reise zum Stern der Beschwingten

Schilderung der galaktischen Erfahrungen etlicher Erdenmenschen, die versehentlich in die Milchstraße geraten, nach mancherlei erlittenem Ungemach aber glücklich wieder daheim angelangt sind

 

ISBN 978-3-95655-727-9 (E-Book)

 

Die Druckausgabe erschien erstmals 1968 im VEB Hinstorff Verlag Rostock.

 

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

 

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Die Bommel startet zum letzten Flug

Muttchen Schimanksy stemmte die Arme in die Seiten und stampfte mit dem Fuß auf. Mit dem rechten. Wäre es der linke gewesen, hätte ihr Mann noch einen Widerspruch gewagt. Sie stampfte aber mit dem rechten auf, und damit war die Sache entschieden. Paul Schimansky klemmte das Stullenpaket unter diesen und die Filzpantoffeln unter jenen Arm und schob ab. Seine Frau hielt nichts von Weltraumverpflegung. Deshalb packte sie ihm jedes Mal ein Stullenpaket ein. Und die Filzpantoffeln sollten ihn an die Wärme des häuslichen Herdes erinnern. Sie winkte ihrem Manne nach. Der nickte nur mit dem Kopf, denn unter diesem Arm hatte er das Stullenpaket und unter jenem ...

 

Piccolomini blickte auf die Uhr, die sich über der Tür des Vorzimmers befand, und setzte sich. Als er zum zweiten Mal auf die Uhr blickte, waren fünf Minuten vergangen. Die Tür öffnete sich und ein Mann trat heraus. „Corinna?“ Piccolomini nickte.

Der Mann gab ihm einen Schnellhefter. „Da sind die technischen Daten.“

Piccolomini stand auf.

„Ich wünsche Ihnen eine gute Reise“, sagte der Mann. Piccolomini bedankte sich und trat auf die Straße. Der wolkenlose Himmel war blau. Logisch, dachte Piccolomini. Er blinzelte in die Sonne, bis er niesen musste.

„Zum Wohle!“, rief da einer.

„Mensch, Paul!“, rief Piccolomini, „lange nicht gesehen. Wo willst du denn hin?“

„Zur Milchstraße“, sagte Paul Schimansky.

„Wie, du auch?“ Piccolomini war nicht wenig überrascht. „Aber du bist doch seit Jahren nicht mehr geflogen.“

„Eben“, sagte Schimansky. „Die Bommel ist ja auch seit Jahren nicht mehr geflogen.“

„Die Bommel?“

„Genau“, sagte Schimansky.

„Dieser alte, abgetakelte Kahn?“

„Sie haben ihn wieder aufgetakelt“, erklärte Schimansky. „Nur steuern kann ihn keiner von den jungen Leuten, weil die an den neuen Schiffen ausgebildet worden sind. Deshalb haben sie auf mich zurückgegriffen.“

Piccolomini schob die Unterlippe vor und nickte mehrmals mit dem Kopf. „Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass man sich höhern Orts nicht viel von dieser Expedition verspricht. Dass man uns aber die alte Bommel gibt, ist geradezu bedenklich.“

„Lass dir deswegen keine grauen Haare wachsen“, sagte Schimansky und kletterte in einen der umherstehenden Flitzer. „Bis zur Milchstraße kommen wir mit ihr noch allemal.“

Piccolomini setzte sich zu ihm. Schimansky stellte auf Geradeaus und drückte den Fahrknopf. Das Gefährt surrte davon.

„Aber die wissenschaftlichen Geräte“, sagte Piccolomini, „wir bringen nur den geringsten Teil unter.“

„Das ist wahr“, gab Schimansky zu, „es wird ziemlich eng werden. Wir müssen eben ein bisschen zusammenrücken.“

Piccolomini lachte und hieb dem andern auf die Schulter. „Dich kann auch nichts erschüttern, wie?“

„Nee“, sagte Schimansky.

Er rückte die Schulter wieder zurecht und warf einen besorgten Blick auf sein Stullenpaket. Piccolomini bemerkte erst jetzt das Paket und die ineinander gesteckten Filzpantoffeln.

„Und deine Frau? Was sagt sie dazu?“

„Was soll sie schon sagen? Seemannslos …“

Piccolomini drückte nochmals auf den Fahrknopf. Der Flitzer verdoppelte die Geschwindigkeit.

„Immerhin kann es zwei, drei Jahre dauern, bis wir zurück sind. Eine lange Zeit für eine Frau ...“

 

Sie waren am Raumschiffhafen angelangt, einem akkuraten Quadrat von zehn mal zehn Kilometern, unterteilt in Quadrate von je hundert mal hundert Metern. Auf jedem der Quadrate stand eine riesige weiße Nummer, von eins bis neuntausendneunhundertneunundneunzig. Auf dem zehntausendsten stand das Hafenbüro. Als Schimansky und Piccolomini vom Flitzer stiegen, warteten die übrigen Expeditionsteilnehmer schon vor dem Büro.

Professor Hedderich, Leiter der Expedition, lag in einem Sonnenstuhl und gähnte.

„Schimansky?“, fragte er, als Schimansky vor ihm stand. „Genau“, sagte Schimansky.

„Jupiter oder Venus?“

„Neptun“, sagte Schimansky.

„Erinnere mich“, sagte der Professor, „erinnere mich“, sagte er, „war eine kuriose Tour, damals auf den Neptun. Hab jetzt noch einen steifen Daumen davon.“ Er reckte den steifen Daumen der rechten Hand hoch.

„Das war auf der Venus“, sagte Schimansky, „aber da hat Matschinske Sie geflogen. Auf dem Neptun, wo ich Sie geflogen habe, ist nichts passiert.“

„Also nichts.“ Der Professor schüttelte den Kopf und betrachtete verwundert seinen steifen Daumen. „Na schön. Und jetzt fliegen Sie uns zur Milchstraße. Waren Sie schon mal dort?“

„Ja.“

„Mit mir?“

„Nein.“

Hedderich nickte. „Erinnere mich. Mit Professor Busch. Wegen der Rotverschiebung. War eine große Pleite damals. Erst großer Spektakel und dann große Pleite.“

„Genau“, sagte Schimansky.

„Wie?“

„War eine große Pleite damals“, sagte Schimansky.

Der Professor nickte.

„Ich war’s aber nicht“, sagte Schimansky, „Kazmierek war’s, der Professor Busch geflogen hat.“

Hedderich nickte abermals.

„Erinnere mich. Und jetzt fliegen Sie uns zur Milchstraße. Waren Sie schon mal ...“

Piccolomini drückte Hedderich den Schnellhefter, auf dem das Ziel der Reise stand, in die Hand.

„Corinna“, sagte der Professor und strich sich über die spärlichen Haare. Sie waren von einem ausgeblichenen Gelb und befanden sich an seinem Kinn. Im übrigen war er haarlos, einsneunzig lang und leicht gekrümmt. Nur der Daumen nicht, der war steif und stand seitlich ab, wenn der Professor sich den Kinnbart strich, und er strich ihn fast immer.

Piccolomini hatte tiefschwarzes Haar, und es befand sich dort, wohin es gehörte, nämlich auf der Schädeldecke. Im Verein mit der edel gebogenen Nase und der bleichen Stirn machte es ihn zum bestaussehenden Mann der Expedition. Trotzdem strich er nicht mit der Hand darüber.

„Möchte wissen, was ich auf der Corinna soll“, warf Weynreich ein. „Ich komme zu dem Unternehmen wie die Jungfer zum Kind.“

Weynreich hätte wie ein Bierbrauer ausgesehen, sähe er nicht wie ein pensionierter Schauspieler aus; er besaß nur einen Haarkranz, lockig zwar, aber spärlich trotz seiner mittleren Jahre.

Rinstone sagte nichts. Rinstone sagte stets nichts. Aber nicht allein deshalb wirkte er blass. Wirkte Piccolomini blass, weil er schwarzes Haar hatte, so wirkte Rinstone noch blasser, weil er überhaupt keine Haare hatte, nicht einmal Wimpern.

Der Professor sah seine Gefährten der Reihe nach an, den bestaussehenden Piccolomini mit dem schwarzen Haar, den haarkranzgeschmückten Bierbauch Weynreich, den haarlos schweigsamen Rinstone und den grau melierten Schimansky, der gerade mit der angefeuchteten Kuppe seines Ringfingers über sein schmales Lippenbärtchen strich.

„Komisch“, sagte der Professor, „weshalb fliegen wir überhaupt?“

Piccolomini sagte: „Ich dachte, Sie wüssten es.“

„Ich?“ Der Professor blickte den andern erstaunt an. „Wie kommen Sie darauf?“

„Sie sind der Leiter der Expedition“, sagte Piccolomini.

„Richtig!“ Hedderich schlug sich an die Stirn. „Erinnere mich.“ Er blätterte in dem Schnellhefter. „Aber da stehen doch nur technische Daten.“

Einer blickte den andern an. Nachdem jeder jeden angeblickt hatte, hoben alle die Schultern.

Schimansky war unterdessen zum Hafenbüro gelaufen und kam jetzt zurück. Die gehobenen Schultern senkten sich. „Was ist“, sagte er, „fliegen wir nun, oder wie?“ Die Schultern hoben sich wieder.

„Wir haben keinen wissenschaftlichen Auftrag“, sagte Piccolomini, „wir wissen nur, dass wir zur Corinna sollen. Aber keiner hat eine Ahnung, weshalb.“

„Ich denke, wegen der Marsmenschen“, sagte Schimansky, „Genaueres wird wie üblich per Funk nachkommen.“

„Richtig!“, rief Hedderich und schlug sich abermals an die Stirn, „wegen der Marsmenschen!“

„Genau“, sagte Schimansky.

 

Die Bommel hatte die Form einer Kugel und einen Durchmesser von siebenundzwanzig Metern. Von rosafarbenem Anstrich, der an etlichen Stellen schon arg zerkratzt und vernarbt war, harrte sie auf dem Quadrat 3711 der Dinge, die da kommen sollten. Sie kamen, allen voran Schimansky, eine kleine Metallscheibe, ähnlich einer Garderobenmarke, in der Hand. Als er das Quadrat 3711 betrat, blieb er stehen, und eine Träne glänzte in seinem Auge.

„Liebe, gute Bommel“, sagte er, „woll‘n wir’s noch mal miteinander versuchen auf unsere alten Tage?“

Er trat an die Kugel heran und tätschelte ihre narbige Haut. Dann schob er die Marke in einen Schlitz, der in Augenhöhe im Schiffskörper angebracht war. Und wie bei einer Personenwaage, in die man oben ein Geldstück einwirft, kam einen halben Meter weiter unten ein Pappkärtchen heraus. Schimansky fing es auf und las den Schlüssel. Dann betätigte er den neben dem Schlitz befindlichen grünen Knopf in dem auf der Karte angegebenen Rhythmus, und die Einstiegluke schob sich langsam auf. Die Expeditionsteilnehmer standen um die Öffnung herum und blickten sich an. Dabei bemerkten sie, dass der Professor fehlte.

Piccolomini griff sich an den Kopf. „Wer ist bloß auf die Idee gekommen, den Mann auf den Weltraum loszulassen, wenn er sich schon auf der Erde nicht zurechtfindet.“ Piccolomini teilte die Leute ein, und sie kämmten den Flughafen ab. Jeder hatte sich in einen der in genügender Anzahl vorhandenen Flitzer gesetzt und gleich dreimal auf den Fahrknopf gedrückt. Glücklicherweise standen zu dieser Stunde nicht mehr als etwa sechshundert Raumschiffe auf dem Flughafen, kugelrunde und zigarrenlange, ringförmige und nach dem Bauhausstil konstruierte, blaue und grüne, gestreifte und gewürfelte, Zwergschiffe und solche, die drei oder vier Quadrate Standfläche benötigten.

Nach mehr als einer Stunde kehrten die Männer von ihrer Suche zurück. Der Schweiß perlte ihnen von der Stirn, doch den Professor hatte keiner gefunden.

„Aber in eines der Raumschiffe muss er doch aus Versehen geklettert sein“, sagte Piccolomini, „wo soll er denn sonst stecken?“

Die Männer wischten sich den Schweiß von der Stirn und hoben die Schultern. Die Sonne brannte unbarmherzig. Sie stiegen in das Raumschiff, um in des Schattens Kühle die weiteren Maßnahmen zu beraten. Im Raumschiff saß Professor Hedderich.

„Sie hier?!“, rief Piccolomini, „und wir suchen Sie die ganze Zeit draußen!“

„War aber die ganze Zeit drin“, sagte Hedderich, „war nur, als Sie alle um die Luke herumstanden, schnell mal hinter das Raumschiff getreten, um ..., nun, Sie wissen schon.“

Schimansky kletterte wortlos in den Sessel des Piloten und drückte der Reihe nach die ersten drei der auf der linken Seite des Steuerpults befindlichen grünen Knöpfe. Nach dem ersten Druck schloss sich die Einstiegluke, nach dem zweiten fuhr die Hubschraube aus, und nach dem dritten setzte sich die Schraube in Gang und hob das Raumschiff senkrecht in die Lüfte. Die Bommel schickte sich zu ihrem letzten Flug ins Weltall an.

Eine gemütliche Kugel

Die Bommel war nach dem Dreimal-neun-System gebaut. Sie bestand aus drei konzentrischen Schalen. Die innere hatte einen Durchmesser von neun, die mittlere von achtzehn und die äußere von siebenundzwanzig Metern. Der Abstand zwischen ihnen betrug an allen Punkten genau vier Meter und fünfzig. Die innere, Magen genannt, war durch einen Zwischenboden in zwei Halbkugeln geteilt, die eine diente als Wohnraum, die andere als Schlafraum. Der Zwischenboden war von beiden Seiten mit einem den irdischen Verhältnissen entsprechenden künstlichen Schwerefeld überzogen und wies in seiner Mitte eine kreisrunde Öffnung von genau einem Meter Durchmesser auf, gemeinhin das Loch genannt. Wollte jemand von einem Raum in den anderen, brauchte er nur einen Kopfsprung durch das Loch zu machen und auf der anderen Seite die Beine zu spreizen.

Die Expeditionsteilnehmer hatten im Wohnraum Platz genommen. Über ihnen wölbte sich wie ein Planetarium die Halbkugel, deren Zenit sich wiederum genau vier Meter fünfzig über dem Loch befand.

„Erinnere mich, solch einem Loch schon mal in einem Raumschiff begegnet zu sein“, sagte der Professor und molk seinen dünnen Bart, den steifen Daumen seitwärts gestellt. „Diente seinerzeit als Tür.“

„Es dient auch hier als Tür“, erklärte Weynreich, „wozu sonst sollte es dienen?“

Rinstone sagte nichts; das war selbstverständlich. Piccolomini sagte ebenfalls nichts. Aber nicht, weil er Rinstones Schweigsamkeit teilte. Vielmehr war der Professor eben durch das Loch gesprungen, um in den Schlafraum zu gelangen, und hatte vergessen, auf der anderen Seite die Beine zu spreizen. Nun wurde er von den entgegengesetzt wirkenden Schwerekräften der beiden Räume wie ein Weberschiffchen hin- und hergezogen, bis er ausgependelt war und in der Mitte des Lochs hängen blieb.

Piccolomini fasste den Professor um die Knöchel, zog ihn um ein weniges in den Wohnraum zurück und stieß ihn dann mit Wucht in den Schlafraum. Die leicht gekrümmten Einmeterneunzig vergaßen jedoch auch diesmal, die Beine zu spreizen. Piccolomini wartete geduldig, bis die Schwerekräfte sich wieder auf Unentschieden geeinigt hatten. Diesmal schob er den Professor jedoch sachte durch das Loch und legte ihn auf der anderen Seite quer. Nachdem Hedderich zur Seite gekrochen war, sprangen auch die anderen durch die Öffnung, denn Schimanskys Stimme mahnte zum Anschnallen. Anschnallen konnte man sich aber nur in den Kojen, und die befanden sich im Schlafraum.

Schimansky saß am Steuerpult, das sich zwischen der inneren und der mittleren Schale befand. Dieser Raum, in dem außer der Steuereinrichtung die Laboratorien untergebracht waren, hieß der Gürtel, während der Raum zwischen mittlerer und äußerer Schale der Unterbringung aller übrigen Geräte, der Vorräte und Reserven diente und Mantel genannt wurde.

Schimansky strich sich mit der angefeuchteten Kuppe des rechten Ringfingers über sein Lippenbärtchen. Dieses und sein grau meliertes Haupthaar ließen ihn auf den ersten Blick ein wenig geckenhaft erscheinen. Das verlor sich aber bei näherer Bekanntschaft. In diesem Augenblick drückte er gelassen auf den vierten der grünen Knöpfe, worauf die Hubschraube ihre Tätigkeit einstellte und die Raumtriebwerke an ihre Stelle traten. Sobald die gewünschte Geschwindigkeit erreicht war, drückte er auf den in der Mitte des Steuerpults befindlichen gelben Knopf, der die Geschwindigkeit konstant hielt, und begab sich in den Magen, wo er die Schuhe aus- und die Filzpantoffeln anzog, sein Stullenpaket aus dem Spind nahm und sich in einen der bequemen, wenn auch schon abgebrauchten Sessel niederließ. Er kaute gemächlich. Einer nach dem andern kamen auch die übrigen Herren in den Wohnraum zurück, als letzter Hedderich. Diesmal vergaß er nicht, die Beine zu spreizen.

„Erinnere mich“, sagte er, „hatte vorhin kleine Gedächtnisstörung.“

„Genau“, sagte Schimansky, „was man nicht im Kopf hat, hat man auch nicht in den Beinen.“

Der Professor molk seinen Bart und schaute Schimansky an. Dieser befeuchtete die Kuppe seines rechten Ringfingers und strich über die Härchen auf der Oberlippe. Piccolomini räusperte sich. „Wollen wir nicht lieber über den Zweck unseres Unternehmens sprechen? Ich denke, es ist an der Zeit.“

Hedderich molk wieder seinen Bart. Vielleicht molk er ihn auch noch immer. Keiner wusste es mit Sicherheit zu sagen, denn niemand hatte darauf geachtet, weshalb auch keinem bewusst wurde, dass er es nicht zu sagen wusste. Auch der Professor nicht.

„Erinnere mich“, sagte er, „sollen die Marsmenschen verfolgen. Weiter nichts.“

„Weiter nichts ist gut!“, rief Weynreich, „die Welt ist groß, genau genommen unendlich.“

„Genau“, sagte Schimansky.

Er wickelte die restlichen Stullen wieder ein und trug das Paket zum Spind, der wie ein altmodischer Küchenschrank aussah und grün gestrichen war. Die Farbe blätterte schon ab und ließ die vorige sehen, diese schien gelb gewesen zu sein. Schimansky brachte das Stullenpaket in dem gelb gefleckten grünen Spind unter. Die anderen Herren saßen um einen Klubtisch herum. Allein Professor Hedderich hatte es sich auf der Couch bequem gemacht, die auf der anderen Seite des Lochs stand.

„Genau“, sagte Schimansky und kehrte zu seinem Sessel zurück. „Die Welt ist unendlich groß, woran soll sich einer da halten. Wenn sie auf der Corinna nicht sind, klappern wir die Milchstraße ab. Haben wir sie dann nicht gefunden, ist es auch kein Schade.“

„Schimansky hat recht“, sagte Weynreich und faltete die Hände über dem Bauch, „alles muss seine Grenze haben. Und die Milchstraße ist die äußerste. Weiter sollten wir keinesfalls vordringen.“

Rinstone sagte nichts.

„Erinnere mich“, sagte Hedderich, „die Milchstraße ist sehr lang, wird eine lange Reise werden.“

„Die Milchstraße ist seit Kurzem als Schnellstraße freigegeben worden“, warf der Pilot ein, „da können wir die Bommel voll ausfahren. Wenn sie“, fügte er hinzu, „uns dabei nicht aus dem Leim geht.“

Der Professor molk seinen Kinnbart. „Schön“, sagte er schließlich, „Milchstraße, einmal rauf und einmal runter. Wollen seh‘n.“

Danach zog er seine langen Beine auf die Couch und bettete den Kopf auf das Kissen. Das Kissen steckte in einem geblümten Bezug, der seit Jahren nicht mehr gewechselt worden war. Jedenfalls ließ sein verschossener Zustand drauf schließen.

Schimansky machte einen Kopfsprung, um in den Schlafraum zu gelangen. Dabei verlor er einen Pantoffel. Piccolomini ergriff ihn, als er zurückschnellte, und warf ihn dem Piloten hinterdrein. Der fing ihn auf und bedankte sich. Danach legte er sich für ein Stündchen aufs Ohr.

Auf dem Saturn klappt etwas nicht

Sokol hüpfte aufgeregt hin und her. Jeder Schritt trug ihn zwanzig bis dreißig Meter weit, denn die Phoebe hatte eine sehr geringe Anziehungskraft. Sokol achtete nicht darauf, er war aufgeregt. Die am gestrigen Tage für heute angekündigte Durchsage von der Erde ließ auf sich warten. Er hatte es vor Ungeduld in der Nachrichten-Station nicht ausgehalten, er hüpfte um das Gebäude herum und blickte immer wieder zur Signalkugel auf dem Dach, die ankommende Funksprüche anzeigte. Doch die leuchtete nicht. Er hüpfte noch einige Male um das Gebäude herum und trat dann wieder ein.

„Immer noch nichts?“, fragte er.

„Nichts“, sagte Pulicke.

Pulicke war der dienstälteste der beiden Nachrichtenmänner auf der Phoebe, dem kleinsten und entferntesten Mond des Saturn. Da außer der Phoebe weder ein anderer Mond des Saturn noch dieser selber menschlichen Zwecken diente, nannte man die Nachrichtenstation auf der Phoebe gemeinhin die Nachrichtenstation auf dem Saturn. Der Mensch neigt nun einmal zur Vergröberung und verwischt, wenn es sich um weiter abliegende Dinge handelt, die feineren Unterschiede. Die Nachrichtenstation auf der Phoebe also hieß die Nachrichtenstation auf dem Saturn. Und auf dem Saturn klappte etwas nicht. Die angekündigte Durchsage blieb aus. Nachdem Sokol auf der Phoebe herumgehüpft und wieder in das Gebäude der Station eingetreten und Pulicke gefragt und von diesem eine nichtssagende Antwort erhalten hatte, verließ er neuerlich das Gebäude und hüpfte wieder draußen herum. Als er endlich die Kugel aufleuchten sah, rannte er zurück. Da er jedoch erst wenige Tage auf der Phoebe lebte und noch nicht an ihre Schwereverhältnisse gewöhnt war, trat er zu heftig auf und flog über das Gebäude hinweg. Er kehrte um, war aber jetzt zu vorsichtig gewesen und landete auf dem Dach. Er klammerte sich an der Kugel fest und verbrannte sich, da sie gerade leuchtete, die Finger. Fluchend sprang er vom Dach und trat in das Gebäude ein, die Finger abwechselnd am Ohrläppchen kühlend.

„Was ist?“, fragte er.

„Nichts“, erwiderte Pulicke, „meine Frau rief vom Mond an, sie macht mit den Kindern einen Ausflug. Wollen das Mondmuseum besichtigen.“

„Also noch immer keine Durchsage von der Erde.“

„Nein“, sagte Pulicke.

Die Phoebe wurde vor allem zur Vermittlung von Nachrichten zwischen der Erde und im Sonnensystem unterwegs befindlichen Raumschiffen benutzt. Heute sollte sie eine Durchsage von der Erde an die Bommel weiterleiten. Die Durchsage jedoch kam nicht, während die Bommel jeden Augenblick vorbeikommen musste.

Da Pulicke ein alter Nachrichtenmann war, nahm er die Ereignisse oder vielmehr ihr Ausbleiben, wenigstens was Durchsagen anbelangte, gelassener hin als sein junger Kollege. Um diesen zu beruhigen, sagte er: „Es betrifft gewiss nur die Spule, die Professor Busch auf dem Mars gefunden hat.“

„Aber das ist doch eine wichtige Sache“, meinte Sokol. „Dann hätten sie nicht die Bommel genommen“, gab Pulicke zu bedenken, „und nicht Hedderich.“

„Weshalb leitet nicht Busch die Expedition, wenn er doch die Spule gefunden hat?“, fragte Sokol.

„Das ist es eben“, sagte Pulicke.

 

Nachdem seine Hypothese von der Rotverschiebung, genauer gesagt, seine Hypothese ihrer kosmogenetischen Bedeutung, ein völliges Fiasko erlitten hatte, war es um Busch recht still geworden, und er erhielt nur noch zweitrangige Aufgaben. Zu diesen zählte seine Expedition auf den Mars, der durch zahlreiche vorangegangene Expeditionen schon hinlänglich erforscht war; der Rest war Arbeit für den Hungerrechen. Und dabei fand Busch die Spule. Sofort war er wieder im Gespräch. Die Spule enthielt die Nachricht von einem Aufenthalt von Menschen auf dem Mars. Da die Nachricht in einer auf der Erde unbekannten Sprache abgefasst war, musste man annehmen, dass sie entweder von auf dem Mars gelandeten Menschen eines anderen Planeten oder von einstigen Marsbewohnern stammte. Sofort erhielt die längst ad acta gelegte Annahme, dieser Planet sei einmal bewohnt gewesen, neuen Auftrieb. Seinerzeit war sie durch die beiden Marsmonde angeregt worden. Phobos und Deimos umkreisen den Mars verhältnismäßig nahe, sind verhältnismäßig groß oder, genauer gesagt, im Verhältnis zu ihrer Größe unverhältnismäßig leicht. Da sie überdies stark reflektieren, war vor Jahrzehnten einmal die Theorie aufgekommen, sie seien künstlichen Ursprungs und hätten die Funktion gehabt, durch ihre Sonnen reflektierende Eigenschaft die Lebensbedingungen auf dem Mars zu verlängern, indem sie seiner Abkühlung entgegenwirkten. Die erste Landung auf dem Mars hatte diese Theorie jedoch ins Reich der Fantasie verwiesen, da bei Gelegenheit dieser Landung der natürliche Ursprung von Phobos und Deimos handgreiflich erwiesen wurde. Und nun hatte die Spule alle Legenden und alten Theorien wieder ins Gespräch gebracht, und einen Haufen neue dazu. Eine erste Prüfung ihres Alters blieb so gut wie ohne Ergebnis, da sie aus einer Legierung bestand, die erst nach etwa fünfzigtausend Jahren Verwitterungserscheinungen zuließ, von denen man auf ihr Alter hätte schließen können. Auch die in ihr enthaltene Nachricht gab keinen Aufschluss darüber. Professor Busch hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Text mithilfe der modernsten Apparate nach der Methode der kybernetischen Dechiffrierung übersetzen zu lassen.

„Die Methode der Dechiffrierung“, erklärte Pulicke, um seinen jungen Kollegen, der ungeduldig die Durchsage erwartete, abzulenken, „die Methode der Dechiffrierung geht davon aus, dass jede Sprache nichts anderes als eine Chiffre jeder beliebigen anderen Sprache ist.“

„Aha“, sagte Sokol, der nur mit halbem Ohr zuhörte. „Ganz recht“, sagte Pulicke. „Auf die in optische Einheiten zergliederte unbekannte Sprache werden, wie beim Kreuzworträtsel, so lange versuchsweise Begriffe einer bekannten Sprache gelegt, bis ein durchgängig sinnvoller Text entstanden ist. Natürlich unter der Bedingung, dass gleichartigen Einheiten gleiche Begriffe zugeordnet wurden. Hat der zu entschlüsselnde Text eine genügende Länge, sodass gleiche Einheiten genügend oft wiederkehren“, schloss Pulicke sein Privatissimum, „so kann er mittels dieser Methode mit absoluter Sicherheit dechiffriert werden.“

„Die Methode der kybernetischen Dechiffrierung ist wohl die schnellste?“, fragte Sokol, um irgendetwas zu fragen.

„Nein, sie ist die langsamste und deshalb erst möglich, seit sie von Automaten übernommen werden kann. Dafür ist sie aber bei jeder unbekannten Sprache anwendbar.“

Sokol nickte. „Ermittelt der Automat auch, wie man die unbekannte Sprache spricht?“

„Nein“, entgegnete Pulicke, „die Lautsprache kann nicht von der Schriftsprache abgeleitet werden, da zwischen beiden keine zwingende Beziehung besteht.“

„Die Bommel!“, rief Sokol.

Sie sprangen zum Fenster. Die Bommel schwebte, mit bloßem Auge sichtbar, an der Phoebe vorüber, zartrosa und scheinbar kaum dreißig Zentimeter im Durchmesser. Sie wirkte wie ein Kinderluftballon, man suchte unwillkürlich nach dem herabhängenden Faden.

„Und die Durchsage von der Erde ist noch nicht da“, ereiferte sich Sokol und hüpfte um die in der Mitte des Raumes stehende Nachrichtenapparatur herum, als wollte er sie durch einen rituellen Tanz beschwören, endlich einen Ton von sich zu geben. Doch sie schwieg.

Der Funkspruch kam erst später, und da war es zu spät. Wäre er rechtzeitig gekommen, hätte die Reise der Bommel ein vorzeitiges Ende genommen, denn er lautete kurz und bündig: Bommel sofort umkehren!

„Was nun?“, fragte Sokol, „die Bommel ist schon außerhalb unserer Peilfeder. Sollen wir die Nachricht an Pluto weitergeben? Von dort könnte das Schilf noch erreicht werden.“

Pulicke winkte ab. „Aussichtslos. Der Empfänger der Bommel ist zu schwach. Überaltertes System.“

Schimanskys Filzpantoffeln bleiben im Sonnensystem

Die Bommelanten flogen unbekümmert dahin, denn sie wussten nichts von Sokols Tanz auf der Phoebe und von der verspäteten Durchsage. Schimansky erwachte aus seinem Nickerchen. Mit einem gekonnten Kopfsprung versetzte er sich in den Wohnraum. Die Pantoffeln hatte er im Schlafraum zurückgelassen, er wollte sie nicht dauernd nachgeworfen bekommen. Professor Hedderich lag noch auf der Couch, die Hand am Kinnbärtchen. Es war die rechte, den Daumen seitab.

„Na, Paul, schon wieder frisch?“, fragte Piccolomini.

Der Pilot ließ sich neben Weynreich nieder, der sich aus der Bordbibliothek, die in einem neben dem Küchenspind aufgestellten Schränkchen untergebracht war, versorgt hatte. Auf dem Schränkchen stand das Fernsichtgerät, mit dessen Hilfe die Bommelanten besser als durch ein Fenster, da das Gerät wie ein Fernglas auf verschiedene Vergrößerungen einstellbar war, ihre äußere Umgebung beobachten konnten. Weynreich beobachtete sie jedoch nicht, und er las auch nicht, denn er schlief, das Buch auf dem Bauch.

Rinstone schlief nicht, obwohl er die wimpernlosen Lider geschlossen hatte.

„Ja“, sagte Schimansky, „bin wieder frisch.“

„Dann auf zur Corinna!“, sagte Piccolomini.

„Welchen von den fünfen soll ich zuerst anfliegen?“, fragte der Pilot, denn die Corinna war ein Fünfgestirn.

„Den kleinsten“, sagte Rinstone.

Schimansky fuhr erschrocken hoch. Unfassbar! Rinstone hatte gesprochen. Auch Weynreich war aufgeschreckt und machte große Augen. Und selbst der Professor ließ seinen Bart fahren und rappelte sich hoch.

Piccolomini hatte sich als erster gefasst, doch seine Stimme vibrierte, als er Rinstone fragte, weshalb der kleinste Stern den Vorzug habe.

Rinstone schwieg jedoch. Und er schien auch nicht die Absicht zu haben, in diesem Leben noch einmal den Mund aufzumachen. Er ließ die wimpernlosen Augenlider wieder sinken und schwieg.

Schimansky, der besser als jeder andere wusste, wer mit wem wann wohin geflogen war, erinnerte sich, dass Rinstone seinerzeit Professor Busch begleitet hatte, als dieser der aus der Rotverschiebung abgeleiteten Hypothese von der Urzeugung des Weltalls aus einem Punkt nachgejagt war. Und die Corinna hatte auf ihrer Reiseroute gelegen, allerdings nicht als im Forschungsprogramm vorgesehene Station. Der Forschungsbericht hatte, soweit Schimansky wusste, auch nichts über eine Landung auf einem Planeten des Fünfgestirns gesagt. Und doch kam Schimansky ein bestimmter Verdacht.

„Weshalb fliegt Professor Busch eigentlich nicht mit?“, fragte er, „seine Frau hatte sich doch schon einfrieren lassen.“

„Hähähä“, machte Weynreich, „und als man sie wieder aufgetaut hatte, glaubte sie, die Reise habe stattgefunden und ihr Mann sei wieder da. Er war aber noch da. Sie merkte es an den Blumen. Es waren die Abschiedsblumen, und sie waren noch nicht verwelkt. Seitdem hat sie was gegen Gefrierobst. Hähähä!“

„Merkwürdig“, meinte Piccolomini, „demnach wurde erst in letzter Minute anders entschieden.“

„Genau“, sagte Schimansky.

Und er hieb Rinstone unerwartet, aber kräftig auf die Schulter.

Rinstone zuckte nicht mit der Wimper.

Du wirst schon noch zucken, dachte Schimansky, und lehnte sich in seinem zerschlissenen Sessel zurück, die Beine weit von sich gestreckt. Da sah er mit Entsetzen seinen linken großen Zeh, der sich durch die Socke gebohrt hatte. Mit einem Satz verschwand der Pilot im Schlafraum und tauchte gleich danach wieder auf, diesmal die Pantoffeln an den Füßen.

„In Pantinen die Milchstraße lang, das nenne ich Geschmack“, sagte Weynreich.

Schimansky erwiderte nichts, er blickte nur auf Weynreichs Bierbauch.

„Jedenfalls“, sagte Weynreich, der Schimanskys Blick bemerkt hatte, „verliere ich ihn nicht, wenn ich durchs Loch springe. Und es muss ihn mir auch keiner hinterdrein werfen.“

„Das ist unbestreitbar“, warf Piccolomini ein.

Schimansky stand schweigend auf und verschwand aus dem Magen. Als er nach geraumer Zeit zurückkam, trug er Bordschuhe, die er sich aus dem Mantel, wo die Vorräte und Reserven untergebracht waren, geholt hatte. Die Pantoffeln hatte er aus dem Fenster geworfen. Nicht etwa, weil er Weynreichs Spötteleien nicht vertragen konnte, sondern weil er sich ausgerechnet hatte, dass bei Weynreichs Geisteszustand die Pantoffeln ausreichten, für die gesamte Dauer der Reise den einzigen Gesprächsgegenstand zu bilden. Und das waren sie ihm nicht wert. Doch als er wieder den Magen betrat, erblickte er als erstes seine Pantoffeln. Auf dem Bildschirm. Weynreich hatte, als der Pilot verschwand, dessen Absicht erraten und das Fernsichtgerät eingeschaltet. Und nun sahen die Bommelanten, wie die Pantoffeln einträchtig durch den interstellaren Raum trudelten. Das Gesicht, das Schimansky machte, ließ die übrigen in ein nicht endenwolIendes Gelächter ausbrechen. Mit Ausnahme Rinstones natürlich.

Schimanskys Verblüffung war, als das Gelächter verstummt war, in stille Rührung umgeschlagen. Waren doch die Pantoffeln nicht schlechthin Pantoffeln, sondern eine beziehungsvolle Mitgabe von Muttchen Schimansky gewesen. Das wurde ihm erst jetzt so recht bewusst. Und nun trudelten sie durch den Raum, einträchtig zwar, als hätten sie sich geschworen, auf ewig beieinanderzubleiben, aber einsam doch in ihrer fußlosen Wanderung durch die Unendlichkeit. Schimansky stieg eine Träne ins Auge. „Wie im orientalischen Märchen“, rief Weynreich ungerührt, und sein Bauch hüpfte noch immer vor Lachen, „fliegende Pantoffeln! Bei günstiger Drift könnten sie durchaus vor Frau Schimanskys Füßen landen.“

„Peinlich, sehr peinlich“, krächzte Professor Hedderich und molk seinen Kinnbart, „erinnere mich, Pantoffeln haben unerklärliche Vorliebe, dauernd zu fliegen. Gewöhnlich jedoch nicht vor die Füße, sondern an den ...“ Hedderich schlug sich mit der flachen Hand an den Kopf, denn er konnte sich nicht mehr erinnern, wohin Pantoffel gewöhnlich fliegen.

Weynreich nickte mit dem Körperteil, der dem Professor so plötzlich aus dem Gedächtnis gefallen war. „In unserem Falle werden sie aller Wahrscheinlichkeit nach, wie der Ewige Jude, ziellos im All umherirren oder womöglich, wie das berühmte Sandkorn im Getriebe, das ganze Sonnensystem zum Stillstand bringen.“

„Wir werden sie auf dem Rückweg wieder aufsammeln“, schlug Piccolomini vor, dem Schimanskys Rührung nicht entgangen war.

Überdies dachte er an die Folgen, wenn der Pilot, von der Reise zurückgekehrt, ohne Pantoffeln vor seine Frau treten würde, denn er kannte Muttchen Schimansky.

Ein schlimmer Verdacht keimt auf

Nachdem Schimansky dem Sonnensystem gleichsam als Abschiedsopfer seine Pantoffeln dargebracht hatte, bog die Bommel in die Milchstraße ein und raste mit erhöhter Geschwindigkeit die galaktische Hauptverkehrsader entlang. Erstaunlich, was die alte Kugel noch hergab. Zwar krachte sie in allen Nähten, und die Tassen klirrten im Spind, doch war das ohne tiefere Bedeutung. Das System der Bommel galt nach wie vor als praktisch und auch als zuverlässig. Und so kugelte die Bommel, ihrem guten Ruf getreu, brav durch den Weltraum.

Weniger zuverlässig schienen ihre Insassen zu sein, zumindest Rinstone. Schimansky vermutete in dessen Schweigsamkeit keine natürliche Eigenschaft, sondern hinterhältige Vorsicht. Und gegenüber vorsichtigen Menschen muss man vorsichtig sein.

Schimansky gab Piccolomini ein Zeichen und verließ den Magen. Piccolomini folgte ihm zum Steuerpult, wo er sich neben Schimansky in den Sessel des Kopiloten setzte.

Der Pilot fuhr sich mit der angefeuchteten Fingerkuppe über das Lippenbärtchen. „Mir schwant“, begann er, „wir schlittern mit Lichtgeschwindigkeit in ein Abenteuer, dessen eigentlicher Zweck nur Rinstone bekannt ist.“

„Wir sollen die Spuren der Marsmenschen verfolgen, das ist der Zweck unseres Abenteuers“, sagte Piccolomini. „Gewiss erhalten wir, wie üblich, über Funk noch genauere Angaben.“

„Wir sind schon außerhalb des Sonnensystems“, erklärte der Pilot, „die Empfänger der Bommel sind zu schwach, um jetzt noch einen Funkspruch aufzufangen.“

Piccolomini machte ungläubige Augen. „Wenn das wahr ist, müssen wir sofort umkehren. Ich werde Professor Hedderich unterrichten.“

Er sprang auf, doch der Pilot zog ihn wieder auf seinen Sitz zurück. „Wenn wir umkehren, werden wir niemals herausbekommen, was Rinstone vorhat.“

„Und was Busch vorhat.“ Piccolomini hatte wieder Platz genommen. „Ohne Zweifel arbeitet Rinstone in Buschs Auftrag.“