Impressum

Rudi Czerwenka (Rudolf Wenk)

Magellans Page

ISBN 978-3-86394-078-2 (E-Book)

 

Die Druckausgabe erschien 1959 bei
Prisma-Verlag Zenner und Gürchott, Leipzig

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

 

© 2011 EDITION digital®
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EIN FREMDER TAUCHT AUF

Huelva ist eine kleine Stadt an der spanischen Südküste. Etwa fünfzig Kilometer weiter westlich trennt die Grenze das hügelige Gelände zwischen Spanien und Portugal. Früher war Huelva ein Dorf, eine Ansiedlung von Fischern und Bauern. Erst die Mauren gaben Huelva ein städtisches Gepräge. Weiße Steinbauten mit schlanken Säulen und Türmchen zeugen an verschiedenen Stellen der Stadt von der jahrhundertelangen Herrschaft der Mohammedaner.

In Huelva ließ sich das Leben Zeit. Der Seewind brachte wenig Kühlung in die sommerliche Hitze. Wenige Menschen zeigten sich auf den staubigen Straßen. Kinder spielten vor den Häusern und wirbelten beim Laufen und Jagen Staubwolken auf. Aus einer Schmiede klang der Schlag der Hämmer. Irgendwo sang eine Frauenstimme ein schwermütiges Lied.

Die Umgebung der Stadt hatte sich in Jahrhunderten kaum verändert. Schlechte Straßen schlängelten sich durch das Land, das häufig ungenutzt und unbebaut liegenblieb. In den sanften Ebenen leuchteten Weizenfelder und betupften das schmutzige Grün der Landschaft mit gelben Flecken. Olivenpflanzungen belebten einige Berghänge. Schafherden krochen über die Bodenwellen und suchten sich kümmerliche Nahrung. Über allem glühte eine unbarmherzige Sonne. Es war das Jahr 1517.

Ein Fuhrwerk quälte sich auf dem Landweg voran, der von Westen her die Stadt erreichte. Die vier Pferde schnauften. Die Fahrgäste unter dem geschlossenen Verdeck des klobigen Reisewagens schwitzten. Straßenstaub drang durch die feinsten Ritzen ins Wageninnere. Eine neunstündige Fahrt hatte die Reisenden müde und schläfrig gemacht. Auch der behäbige Fuhrmann auf dem Bock hielt die Augen geschlossen. Sein Kopf wackelte hin und her. Der Kutscher verließ sich auf seine Pferde. Sie kannten den Weg. Die Fahrt zwischen der Grenze und Huelva war ein gutes Geschäft. Meist waren es verdächtige, finstere Gestalten, die auf den harten Wagensitzen saßen, politische Flüchtlinge, Schmuggler oder Verbrecher. Der Fuhrmann fragte nicht viel, wenn sie nur bezahlten.

Der Bürger, der an der Wagentür Platz gefunden hatte, schien nicht zu seinem Vergnügen zu reisen. Er war ein Mann in mittleren Jahren. Unter seinem dunklen Bart verbarg sich ein scharf geschnittenes Gesicht mit nachtschwarzen Augen. Der Mann schien die Hitze nicht zu spüren. Sein enges Wams blieb am Halse fest geschlossen. Untadelig gerade saß der steife Hut auf dem Kopf. Auf den schwarzen, eng anliegenden Beinkleidern lag Staub in einer dünnen, grauen Schicht.

Der Reisende kümmerte sich nicht um die anderen Fahrgäste. Sein Blick ging starr geradeaus und streifte nur zeitweise einmal über die Landschaft am Wegrand.

Die beiden Bauernmädchen auf den Plätzen gegenüber tauschten leise ihre Meinung über den sonderbaren Fremdling aus.

Hinter einer kleinen Steigung lag jetzt in der Ebene das Ziel der Reise, Huelva. Die Pferde warfen die Köpfe, schnoben ein paarmal heftig und stampften dann mit frischer Kraft weiter.

In den Straßen der Stadt begann das Fahrzeug zu rumpeln und rüttelte die Insassen wach. Scharen von Kindern liefen neben dem Wagen her. Fremde waren immer eine willkommene Abwechslung in der Öde des Alltags. Der Fuhrmann knallte mit der Peitsche, um die Kinder zu verjagen und seinen Pferden den Weg freizumachen. Noch ging es ein Stück Weges bergan. Dann hielten die Tiere selbständig vor der Herberge. Sie schüttelten sich im Geschirr und blickten mit großen Augen zu dem maurischen Brunnen auf dem Platz, der frisches Wasser sprudelte. Der Fuhrmann kletterte von seinem Hochsitz und klappte die Treppe an der Wagentür herunter. Ein dicker Bürger stieg prustend aus dem Wagen, klopfte den gröbsten Staub von seiner Kleidung und half seiner Frau beim Versuch, dem weiten, langen Kleide zum Trotz die Treppe zu finden. Die Ankömmlinge wurden erwartet. Verwandte oder Bekannte umarmten und begrüßten sie. Dann zog die Gesellschaft mit ihrem Besuch und dem Gepäck lärmend davon.

Der dunkelgekleidete Fremde stand auf der Straße und sah sich um. Er musste den Bauerndirnen weichen, die große Körbe aus dem Wagen zogen und dazu viel Platz brauchten. Misstrauisch stand der Gastwirt auf der Treppe seiner Herberge und schaute nach Gästen aus. Er blies seine Backen geringschätzig auf. Er kannte die Menschen. Mit dem Mann dort am Wagen, so vornehm er aussah, konnte man seine Schwierigkeiten haben. Die "Heilige Hermandad", die Polizei, war überall. Der Wirt verschwand im Haus und lugte durchs Fenster.

Der Fuhrmann lud das Gepäck des Fremden ab, ein rundes Paket und zwei große Ledertaschen, denen man ihr Alter und ihren weiten Lebensweg ansah. Sofort stürzten einige Knaben auf die Gepäckstücke los. Die kleinen Gelegenheitsarbeiter kämpften mit Schreien und Püffen um den Verdienst, der zu erwarten war. Ein etwa Fünfzehnjähriger hielt das Paket bereits fest zwischen den Beinen. Mit den Taschen schlug er um sich und verscheuchte die schimpfenden Nebenbuhler. Der kleine Sieger stellte die Taschen ab und wischte den Schweiß von der Stirn.

"Darf ich Ihnen das Gepäck ins Haus tragen?", fragte er in dem singenden Dialekt Andalusiens.

"Ich brauche dich nicht", hieß die kurze Antwort des Mannes. Aber weil der Bursche gar so enttäuscht war und ihm die Tränen schon hinter den Lidern hingen, fuhr er versöhnlich fort: "Ich habe hier kein Haus und fahre heute Abend weiter nach Sevilla". Der Knabe wandte sich langsam weg. Sein struppiger Schopf sank nach unten. Der Mann empfand Mitleid. Das Kerlchen hatte so tapfer um die paar Münzen gekämpft. Es war arm, das sah jeder. Die zerlumpte Hose fiel bald auseinander, und durch das Hemd lugte an mehreren Stellen der braune Oberkörper.

"Bring mein Gepäck ins Wirtshaus!", befahl der Fremde. "Dann kannst du mich zum Hafen führen. Ich habe noch Zeit."

Schnell hatte der Junge das Gepäck untergebracht. Mit leichter Verbeugung nahm er die Entlohnung entgegen und steuerte dem Hafen zu. Der Mann folgte mit einem Schmunzeln um die Lippen. Der kleine Führer ließ den Fremden neben sich und beobachtete ihn. Schön war der dunkle Mann wahrhaftig nicht, auch in keiner Weise freundlich. Aber böse, nein, böse sah er auch nicht aus. Er war klein, nur eine Fingerspanne größer als der Junge, und mochte fünfunddreißig oder vierzig Jahre alt sein. Ein Bein schleifte er beim Gehen leicht nach, dadurch bekam der Körper eine seitlich gewandte, schiefe Haltung. Ein dichter, lockiger Vollbart verdeckte die untere Hälfte des gebräunten Gesichtes. Nur die feuchte, breite Unterlippe ragte aus dem schwarzen Haargewirr heraus. Die Augen waren groß, dunkel und von bezwingendem Glanz. Starke Brauen beschrieben darüber einen hochgewölbten Bogen. Die fleischige Nase saß zwischen den beiden scharfen Falten, die sich zu den Mundwinkeln hin im Bart verloren. Über die linke Wange lief eine breite Narbe. "Ein alltäglicher Mann", dachte der Knabe. "Woher mochte er kommen, wer mochte er sein? Sicher ein Flüchtling, wie sie zu Dutzenden nach Huelva kamen. Er sollte lieber hierbleiben und nicht nach Sevilla reisen, in die Residenz. Hier konnte man leichter unterschlüpfen."

Durch ein Gewirr von engen Gassen erreichten sie den Hafen. Kleine Boote lagen an der Mauer, Fischerboote mit mehrfarbigen, geflickten Segeln. Der Ausblick zum Meere wurde durch eine Landzunge versperrt. Jetzt am Nachmittag war es ruhig im Hafen. Die Fischer lagen und saßen in ihren Booten oder in deren Nähe, schlummerten an einem schattigen Fleckchen oder erzählten leise. Ihr Arbeitstag begann früh und war früh beendet. Kreischende Möwen kreisten in der blauen Luft. Die Maste der Boote schwankten leicht im Winde.

Der Fremde ließ sich auf einer Taurolle nieder und sagte; "Du kannst nun gehen. Ich finde mich allein zurück." "Ich bin hier zu Haus", antwortete der Knabe und setzte sich neben den Mann auf die heißen Steine.

Eine Weile saßen sie still. Der Fremde schien die Anwesenheit des Jungen nicht zu bemerken. Sein Blick schweifte in die Runde. Er nahm den Hut ab und ließ die Haare im Winde flattern. Seine Stirn war weiß und hob sich von dem gebräunten Gesicht scharf ab. "Ist dein Vater Fischer", fragte er leise, "oder Händler?"

"Mein Vater war Fischer."

"Draußen geblieben?"

Ein Nicken war die Antwort.

"Und deine Mutter?"

"Mutter ging fort vor vier Jahren. Ich bin allein." Der Knabe schwieg und blinzelte in die Sonne. Nachdenklich warf er Steinchen ins Wasser, die er vor seinen nackten Füßen fand. Dann erzählte er ohne Aufforderung weiter: "Ich lebe hier am Hafen, fahre mit den Fischern auf Fang. Dafür bekomme ich zu essen. Ein Nachtlager findet sich immer. Bloß im Winter ist's schlecht."

Um seinen Mund lief ein Zucken. Plötzlich rollten Tränen über die schmutzigen Wangen. Er stand auf und wollte weglaufen.

Aber der Mann hielt ihn fest.

"Setz dich hierher!"

Widerstrebend nahm der Knabe den alten Platz wieder ein.

"Wie heißt du?" fragte der Mann.

"Vasco Gomez Gallego, Herr."

"Und wie alt?"

"Bald sechzehn, Herr."

"Also fünfzehn Jahre."

Wieder war es still. Die Fischer bereiteten ihr Fanggerät für den nächsten Tag vor. Das Wetter würde ruhig bleiben. Der Fremde sah mit halbgeschlossenen Augen über den Hafen. Als ob er jedes Wort überlegen müsste, sagte er: "Höre zu, Vasco Gomez Gallego! Ich fahre nach Sevilla. Dort werde ich eine Flotte rüsten, nicht Fischerboote, sondern große, starke Karavellen. Damit werde ich über das Meer segeln, viel weiter als du mit den Fischern gekommen bist. Aber die Mannschaft muss ich mir noch zusammensuchen. Wenn du willst, nehme ich dich mit. Das Meer ist groß und schön. Entscheide dich, Vasco!"

Vasco überlegte. Hier war er zu Haus. Aber was hielt ihn? Das Meer ist groß. Starke Schiffe würden es sein, solche, wie sie manchmal am Horizont vorüberglitten. Vasco hatte oft zugehört, wenn die Matrosen erzählten von den Niederlanden, von Italien, von den Türken. Wie oft waren seine Träume mit diesen großen Schiffen auf Fahrt gegangen!

Dann sah er den Mann an. Seine Augen waren gut. Vasco gewann Vertrauen. Er sprang auf. "Herr, ich komme mit!"

Der Fremde griff nach seinem Hut. Er lächelte. Die breite Narbe spannte beim Lachen die Haut. Der Mann legte seine Hand schwer auf Vascos Schulter.

"Dann komm!", sagte er.

Vasco wollte dem Fremden um den Hals fallen. Er hob die Arme, ließ sie jedoch wieder sinken. Er drehte sich um, überschaute noch einmal den Hafen, der seine Heimat war. War es recht, ihn zu verlassen? Dann sah er den Mann an, der ihm ermutigend zunickte. Sie gingen.

Am Abend saßen im Wagen nach Sevilla zwei Reisende, ein alter und ein junger, wie Vater und Sohn. Der Mann hatte seinen Arm schützend um die Schulter des Knaben gelegt. Er starrte in die sternlose, finstere Nacht. Die Hufe der Pferde klapperten. Der Wagen ächzte. Vasco war dem Rumpeln zum Trotz fest eingeschlafen in seiner Ecke. Er war geborgen und träumte friedlich. Er träumte von seinem Vater. Der Vater war ein großer Mann. Er hatte einen schwarzen Bart und eine Narbe im Gesicht.

EINFLUSSREICHE BESUCHER

Sevilla war die Residenz Karls I., des achtzehnjährigen Königs von Spanien, dem die deutschen Kurfürsten zwei Jahre später die Kaiserkrone aufs Haupt setzten. Sevilla war durch Handel reich geworden. Der Guadalquivir verband die Hauptstadt mit dem Seehafen Sanlucar. Hofadel und Kaufmannschaft beherrschten das Stadtbild. Emsiges Treiben entfaltete sich auf Straßen und Plätzen. Von den Hügeln im Norden der Stadt leuchteten, umrahmt von ausgedehnten, schattigen Parkanlagen, die weißen Steinpaläste der höchsten Beamten des Königshauses. Hier wohnte der Bischof von Sevilla, der eigentliche Machthaber Spaniens. Hier besaß auch Gonzala de Espinoza eine prachtvolle Villa. Er war Leiter des "Indischen Amtes" und übte in seiner Stellung einen großen Einfluss auf die spanische Überseewirtschaft aus. Und hier wohnte auch Sebastian Alvarez, der portugiesische Gesandte.

Einem dieser Häuser näherten sich der Fremde aus Huelva und Vasco. Das Gebäude gehörte dem Gouverneur von Sevilla, Diego Barbosa. Der Gouverneur hatte früher in portugiesischen Diensten mehrere Expeditionen an die afrikanische Westküste geleitet und kannte ein Stück dieser Welt. Nach Spanien geflohen, hatte er es in der neuen Heimat bald wieder zu Ehren gebracht und war nun Gouverneur der Residenzstadt.

Vor dem säulengeschmückten Portal standen zwei baumlange Neger, bekleidet mit weißen Pumphosen und weiten weißen Hemden. Weiße Turbane zierten die dunkelhäutigen Köpfe. Ohne die Köpfe zu bewegen, fragten sie den Fremden nach Namen und Begehr. "Ich heiße Fernando de Magellan. Diego Barbosa ist mein Freund seit Jahren."

Einer der Neger verschwand wortlos. Nach kurzer Zeit kehrte er zurück und gab mit einer tiefen Verbeugung den Eintritt frei.

Die beiden Gäste fanden sich in einer hohen, kühlen Halle. Die Wände waren mit afrikanischen Jagdandenken geschmückt. Weiße Stoßzähne von Elefanten leuchteten vor einem dunklen Wandteppich. Von der Decke baumelte ein kleines, ausgestopftes Krokodil. Der geöffnete Rachen zeigte die spitzen Zähne. In den Ecken der Halle waren Waffen aufgestellt, Lanzen mit steinernen Spitzen, geschnitzte Wurfkeulen, buntverzierte Köcher. Daneben hingen Gesichtsmasken, buntbemalt und schrecklich anzusehen. Vasco staunte mit offenem Munde.

Der Hausherr, ein rundlicher Mann mit grauem Haar, trat ein und eilte mit ausgebreiteten Armen auf Magellan zu.

"Alter Freund, was führt dich nach Sevilla? Hat man dich fortgelassen?"

Magellan erwiderte die Umarmung seines Freundes. Bei dessen Worten blieb er ernst.

"Fortgelassen! Fortgelassen hätte man mich sicher nicht. Magellan ist geflohen, verstehst du, zum ersten Mal in seinem Leben geflohen!"

Er schlug mit der geballten Rechten durch die Luft.

Vasco spitzte die Ohren, aber er wurde enttäuscht. Barbosa beruhigte seinen Gast.

"Gerate nicht gleich aus dem Häuschen! Du bist noch wie früher! Jetzt erholt ihr euch erst einmal von der Reise! Morgen ist auch noch ein Tag."

Barbosa rief seine Diener. Vasco wurde in ein Zimmer geführt. Die Tür fiel hinter ihm zu. Er sah sich um. An der Wand stand ein breites Bett. Noch nie hatte Vasco in einem Bett gelegen. Ubermütig sprang er hinein, schmutzig wie er war. Das machte Spaß, auf den weichen Decken herumzutanzen. Zu spät erkannte er die Abdrücke seiner schwarzen Finger an der weißen Wand, wo er sich beim Springen festgehalten hatte. Er ging zum Waschtisch. Eine kleine Schüssel, nicht größer als sein Kopf, war mit Wasser gefüllt. Wie sollte man sich in diesem Näpfchen waschen? Aber was half's. Vasco zog sein Hemd vom Körper und spülte den Schmutz ab. Als er vom Waschtisch zurücktrat, hatte er den Fußboden arg vollgespritzt. Vasco erschrak, nahm sein Hemd und wischte das Wasser wieder auf. Das nasse Hemd legte er über die Fensterbrüstung. Oh, wie staunte er! Sein Blick fiel auf einen herrlichen Obstgarten. Wenn man dort einmal schmausen dürfte, wie man wollte! Doch die schwarzen Diener kamen ihm in den Sinn, und traurig trat er vom Fenster weg. Es war eine anstrengende Fahrt gewesen. Vasco legte sich aufs Bett und streckte die Glieder, dass die Gelenke knackten. Die Augenlider wurden ihm schwer. Bald war er eingeschlafen.

Am nächsten Tage wich er nicht von Magellans Seite. Am Abend spät kam Barbosa nach Haus. Dann saßen sich die Freunde gegenüber. Auf dem Tisch stand eine Karaffe, in der ein roter Wein glühte. Vasco war auch bedacht worden. Er wählte sorgfältig aus den Früchten, die in einer geflochtenen Schale vor ihm aufgebaut waren. Magellan holte tief Luft und sagte: "Ich will nach den Gewürzinseln fahren!"

Barbosa setzte das Glas, das er in der Hand hielt, zurück auf den Tisch. Er schloss die jugendlichen Augen unter der hohen Stirn zu einem Spalt, beugte den Körper nach vorn und begann schallend zu lachen.

"Das ist ein Irrtum, lieber Freund. Da hättest du in Portugal bleiben sollen! Die Gewürzinseln, gesehen hat sie zwar noch kein Europäer, sollen in der Nähe Indiens liegen. Und Indien gehört Portugal!" Seine Hand fuhr flach in die Luft, als sagte er "basta!".

"Dieses Indien! Wenn ich das schon höre!", brummte Magellan zornig und schnaubte durch die Nase. "Nichts anderes als Indien hat man in Lissabon im Sinn. Dieses Indien ist ihnen genug für alle Ewigkeit."

"Ich verstehe", warf Barbosa ein. Er war ernst geworden, als er erkannte, wie verbissen sein Freund war. "Du bist auf Widerstand gestoßen. Hm, sie haben an Indien genug. Bedenke, solch eine Reise kostet Geld. Und wer weiß, ob die Inseln gefunden werden? Kannst du dafür einstehen? Aber Indien ist ihnen sicher. Denke daran, seit fünfundzwanzig Jahren bemüht sich Spanien in Amerika, el dorado zu finden. Wo ist das Goldland? Besteht es vielleicht nur in den Träumen der Menschen? Und so kann es auch mit den Gewürzinseln sein, mit den Molukken. In Afrika war das anders!"

"Ach", schnitt Magellan seinem Partner die Rede ab, "du mit deinem Afrika!" Verbissen schwieg er.

Und nun glaubst du, der König von Spanien übernimmt die Fahrt", fuhr Barbosa fort, "nach den Fehlschlägen in Amerika?" "Das glaube ich. Das muss ich glauben. Der König von Spanien wird die Molukken haben wollen, weil er Indien nicht besitzt. Verstehst du? Und du musst mir helfen, an den König heranzukommen. Deshalb bin ich hier."

Barbosa goss die Gläser voll. Seinem Gesicht war anzumerken, dass er angestrengt nachdachte. Er schüttelte mehrmals den Kopf und sah zum Fenster hinaus. Dann schürzte er die Lippen und schüttelte wieder den Kopf.

"Nun hör einmal gut zu!", sagte er und neigte sich nach vorn. " Du hast allerhand vergessen. Zunächst einmal kennst du deine Unüberlegtheit und deinen blinden Eifer nicht mehr. Mir sind beide wohl bekannt. Weiterhin wird der König zunächst seine Berater fragen, und das sind gerissene Geschäftsleute. Bei einer unsicheren Sache werden sie dem König abraten. Und wie willst du die Inseln erreichen? Der Papst hat die Meere geteilt zwischen Spanien und Portugal. Fährst du um Afrika, verletzt du portugiesische Gewässer. Dafür droht Spanien der Kirchenbann. - Unterbrich mich jetzt nicht! Ich weiß, was du sagen willst. - Die Erde ist eine Kugel. In der Westrichtung kommt man auch nach Indien. - Ja, aber dort versperrt Amerika die Durchfahrt. Was willst du tun? - Nun sage es, wenn du eine Antwort weißt."

Diego Barbosa lehnte sich zurück und fuhr sich mit der Hand über die gerötete Stirn.

Fernando de Magellan war sehr ruhig, als er antwortete. Ein Lächeln war um seine Lippen.

"Nun höre mir zu!", sagte er. "Deine Worte und die Anstrengung der Rede hättest du dir sparen können. Der Plan, zu den Molukken zu segeln, ist in mir seit Jahren gereift. Ich diente in Indien, als eines Tages einer meiner Kameraden, mein Freund Serrao, verschwand. Niemand wusste, wo er geblieben war. Jahre darauf, ich war längst wieder in Portugal, schrieb mir dieser Serrao einen Brief. Er schrieb ihn - von den Molukken. Verstehst du? Er lebt heute noch auf den Gewürzinseln. Dort gibt es Nelken, Ingwer, Zimt, und niemand nutzt diese Reichtümer. So entstand mein Plan, die Molukken zu finden und ihre Reichtümer zu gewinnen. In Portugal fand ich taube Ohren. Niemand half mir, niemand unterstützte mich bei meinem Versuch, den Hof von Lissabon zu gewinnen. Jetzt bin ich hier. Spaniens König muss mich empfangen. Doch höre weiter! Aber behalte diese Mitteilung für dich! In Lissabon unterrichtete mich der Hofastronom des Königs in der nautischen Kunst. Der Mann hieß Behaim, Martin Behaim, ein Deutscher. Er zeigte mir einmal eine Landkarte. Ich habe sie nie wieder zu sehen bekommen, aber ich trage sie im Gedächtnis. Auf dieser Karte war im Süden Amerikas eine Meerenge eingezeichnet, die unser Meer mit dem indischen verbindet. Durch diese Straße werde ich die Molukken finden, ohne Portugals Gewässer zu berühren. Behaim ist tot. Ich bin der einzige lebende Mensch, der von dieser Wasserstraße weiß. Ich muss diesen Weg finden, und du musst mir dabei helfen, du wirst alle wichtigen Männer hier zu mir bringen, die Einfluss auf den König haben." Barbosa hatte aufmerksam zugehört und war selbst in Begeisterung geraten. Ohne langes Zögern stimmte er zu. "Ich will dir helfen, Fernando de Magellan!"

 

Barbosa hielt Wort. Nur wenige Tage waren·vergangen. Magellan stand mit Vasco im Zimmer und weihte den Knaben in die Geheimnisse des Globus ein.

Hier sind wir jetzt", sagte er und zeigte mit dem Finger auf einen viereckigen braunen Fleck der Erdkugel. "Und hier sind die Molukken. Hier ist zwar nur Wasser gezeichnet. Aber wenn wir die Inseln gefunden haben, werden sie hier erscheinen."

"Das ist nicht weit von Sevilla", meinte Vasco und maß geringschätzig die kurze Entfernung mit gespreizten Fingern nach.

Magellan lachte. Ein leises Geräusch veranlasste ihn, sich umzuwenden. Ein Diener stand im Zimmer. Er meldete Gonzala de Espinoza, den Leiter des "Indischen Amtes".

"Führt ihn herein!", befahl Magellan zuversichtlich.

Aber die Verhandlung dauerte länger, als Magellan ursprünglich erwartet hatte.

Excelencia Espinoza fand tausend Wenn und Aber.

"Ich kann Ihnen nun nicht in allen Fragen antworten", sagte Magellan schließlich. "Aber wenn Sie mir eine Audienz beim König vermitteln, soll das nicht Ihr Schaden sein."

Espinoza war für solche Sachen empfänglich.

"Und - wieviel?", fragte er vorsichtig.

"Zwei bis drei von je hundert", antwortete Magellan, "aber darüber können wir, denke ich, später sprechen."

Der dicke Spanier war empört. Er hatte einen hochroten Kopf und war sichtlich beleidigt.

"Für solch einen - Hundelohn können Sie Halunken werben, nicht mich! Sie scheinen zu vergessen, wer ich bin!"

Magellan blieb ruhig. Er durfte sich hier in Spanien nichts verscherzen, das wusste er. Hier war seine letzte Hoffnung. Die Aufregung des Spaniers kam ihm recht. Mit gespielter Höflichkeit erhob er sich. "Verzeihen Sie, Excelencia! Aber ... Ich habe mich gefreut, Sie kennenzulernen."

Magellan verbeugte sich und drehte sich um.

"Einen Augenblick noch!" rief Espinoza und vergaß seine Würde.

Magellan hatte darauf gewartet. Langsam kam er an den Tisch zurück.

Espinoza war wieder Herr seiner Worte.

"Sie werden mich brauchen. Bei solchen Expeditionen habe ich eine gewichtige Stimme im Rat!", drohte er.

"Es gibt mehr Männer aus der Nähe seiner Majestät, die meine Bitte gern erfüllen werden", antwortete Magellan unbewegt.

Der Spanier ging einen Schritt zurück.

"Wenig ist, was Sie bieten, Magellan. Mein Auftrag ist schwierig. Missgunst und Neid schwelen in den Herzen der Hofleute. Sie werden schon deshalb dem König abraten, sich mit Ihnen einzulassen. Der König ist jung und leicht zu beeinflussen. Bedenken Sie das!"

"Gut", entgegnete Magellan, "einigen wir uns! Sie erhalten fünf Teile auf je hundert von dem, was ich als Anteil von der Expedition bekomme."

Espinoza stimmte zu. Bald danach verließ er zufrieden das Haus. Magellan hatte noch kein einziges Wort mit seinem Pagen gewechselt, als der Diener bereits den nächsten Besucher meldete, der seinen Namen nicht nennen wollte.

"Dank sei Barbosa!", rief Magellan. "Er hat sich Mühe gegeben! Wenn es so weitergeht, kann ich mich der hilfreichen Gönner kaum erwehren."

Ein kleiner, unscheinbar gekleideter Mann trat ins Zimmer. Er hatte ein schmales Gesicht und trug einen sauber geschnittenen Spitzbart. Seine Bewegungen waren langsam, überlegt, vornehm. Der Besucher wartete, bis der Diener den Raum verließ. Dann verbeugte er sich steif.

"Alvarez, Gesandter Seiner Majestät des Königs von Portugal am Hof von Sevilla", stellte er sich vor.

Mit einer eleganten Handbewegung staubte er den angebotenen Stuhl ab und setzte sich, wobei er die spinnendünnen Beine übereinander schlug. Er lächelte, seitdem er den Raum betreten hatte. "Ich fühle mich verpflichtet, mich um die Kinder meines Königs, die in der Fremde weilen, ein wenig zu kümmern", begann Alvarez. "Ich habe gehört, Sie seien Portugiese. Ich begrüße in Ihnen meinen Landsmann. Sicherlich fühlen Sie sich in dieser schönen Stadt wohl."

Dann plauderte er ohne Stockungen munter fort. Zeitweise stellte er eine bedeutungslose Zwischenfrage, ließ aber seinem Gegenüber keine Zeit zu antworten. Sein Redeschwall glich einem fröhlich sprudelnden Bächlein. Er berührte vielerlei Themen, plapperte über Spanien und seine Menschen, seine Sitten und Besonderheiten und wusste den neuesten Hofklatsch witzig zu berichten.

Magellan hörte höflich zu. Je länger das Gespräch dauerte, desto größer wurde seine Ungeduld. Mehrmals holte er Luft und wollte den Gesandten unterbrechen. Aber dieser sprach dann mit besonderer Ausdauer. Mitten ins Wort des anderen zuckten plötzlich Magellans Worte:

"Senor, ich möchte Sie bitten, zum eigentlichen Zweck Ihres Besuches zu sprechen. Ich vermute, Sie sind nicht nur hier erschienen, um sich mit mir zu unterhalten."

Alvarez schien den Einwurf Magellans überhört zu haben und sprach lustig und unbefangen weiter. Er war ein Schlaukopf. Nicht zufällig hatte er das schwierige Amt des portugiesischen Gesandten in Spanien inne. Er würde diesen Magellan schon mürbe machen.

Jedoch die Geduld des Zuhörers war erschöpft. Schroff unterbrach er den Gesandten: "Sicher haben Sie von meiner Absicht erfahren, für den spanischen König die Molukken zu finden und zu erschließen."

Alvarez verstummte. Darauf hatte er gewartet. Er zog die Augenbrauen hoch und schüttelte ungläubig den Kopf. "Aber! - Nein, das habe ich noch nicht gehört! Das kann auch nicht Ihr Ernst sein! Sie sind ein treuer Sohn der portugiesischen Krone und würden das nie tun! Das kann ich nicht glauben!"

Der Gesandte begleitete seine Worte mit zierlichen Bewegungen seiner ringgeschmückten Hände und wackelte dann mit dem Oberkörper und dem Kopf hin und her.

"Ich werde es tun", erwiderte Magellan kurz. "Portugal hat meine Treue schlecht belohnt. Meine gesunden Glieder habe ich für den König von Portugal geopfert. Aber als es um mein Gehalt ging, hat keiner von ihnen danach gefragt, was ich geleistet hatte. Diesen Plan der Fahrt zu den Molukken habe ich in Lissabon so oft vorgetragen, dass ich nicht mehr schlafen konnte, weil ich nichts anderes mehr dachte. Spott, Gelächter, Ablehnung, Verleumdung habe ich geerntet. So hat mich mein König belohnt!"

"Sie sind erregt", unterbrach Alvarez. "Ihnen soll Recht werden. Sie tun mir leid. Der König wurde falsch unterrichtet über Sie." "Ich habe genug", schrie Magellan, "habe - ein - für - alle - Mal - genug!" und schlug bei jedem Wort mit der Faust auf den Tisch, so dass der Gesandte bei jedem Schlag zusammenzuckte.

"Aber man kann doch nicht sein Volk verraten, wenn man mit einigen Personen Streitigkeiten hat", besänftigte Alvarez.

"Das Volk hat damit nichts zu schaffen", entgegnete Magellan scharf. "Dem portugiesischen Volke werde ich Ehre machen. Aber ich erkläre hier in allem Ernst: Von der portugiesischen Krone sage ich mich los!"

Alvarez nahm diese Worte mit dünnem Lächeln entgegen. Hinter der freundlichen Miene bedauerte er, dass er hier nicht die Macht besaß, diesen Kerl wegen seiner Frechheit hinter Kerkermauern zu bringen.

Magellan war warm geworden. Jetzt konnte ihn niemand halten. "Ich will die Molukken finden. Und ich werde sie finden, gleichgültig, wer mir hilft, gleichgültig, wer mich hemmt!"

Alvarez nützte die sichtliche Erregung Magellans aus und fragte schnell: "Wie wollen Sie die Inseln erreichen? Land und Meer auf dem Wege dahin gehören Portugal."

"Magellan erreicht, was er will!"

Alvarez war ernst geworden. Er räusperte sich und stand auf. "Ich gehe. Ich möchte Ihnen noch sagen, dass Sie jederzeit in die Heimat zurückkehren können, falls Sie in diesem Lande auf Schwierigkeiten stoßen sollten. Dafür steht das Wort meines Königs. Seine Majestät werden alles für Sie tun, in Portugal jedenfalls, hier natürlich nicht." Und mit einem warnenden Unterton in der Stimme fügte er hinzu: "Allerdings - ich möchte mich berichtigen - unser Arm reicht weit, unter Umständen bis nach Spanien. Leben Sie wohl!" Ein stechender Blick flog zu Magellan. Der Gesandte verbeugte sich und ging mit hochgezogenen Schultern aus dem Raum.

In Magellan kochte die Wut auf. In diesem Alvarez hatte er einen Todfeind, das war ihm klar.

Vasco hatte dem Gespräch von Anfang an zugehört. Aber was da von König hier und König dort gesagt worden war, verstand er nicht. Er wollte seinen Herrn fragen. Aber Magellans Augen sprühten Feuer. Vasco zog seinen Kopf ein und verschwand schleunigst nach draußen.

Hinter den Obstbäumen hockte er sich ins Gras und zupfte gedankenvoll an den Halmen.

DIE ERDE IST RUND

Der Schein der Frühlingssonne drang zögernd durch die hohen Fenster. Blühende Bäume schwankten draußen im Winde und führten die Sonnenstrahlen auf dem Steinfußboden spazieren.

Im kleinen Audienzsaal des königlichen Schlosses waren einige Herren beieinander. Sie standen in zwei Gruppen und unterschieden sich deutlich in ihrer Sprache und ihrem Aussehen. Die Gelehrten der Schule für Seefahrt in schlichten, schwarzen Kleidern blieben bescheiden in der Nähe der großen Flügeltür an der Längsseite des Saales. Zwischen ihnen fielen wenige Worte. Die meisten dieser weißhaarigen Männer hielten die Hände auf dem Rücken und warteten der Dinge, die kommen sollten. In der prunkvollen Umgebung, in die sie nicht recht passen wollten, kamen sie sich fremd und verloren vor. An der Fensterfront standen die Mitglieder des spanischen Thronrates, die Minister, Heerführer und vertrautesten Berater des Königs. Man unterhielt sich zwanglos, lachte über den neuesten Hofklatsch und bemühte sich, an den stillen Gelehrten vorbeizusehen. Die farbige Pracht ihrer Röcke, das blendende Weiß der feingefältelten Halskrausen und Spitzenmanschetten, der schwarze Glanz des Schuhwerks, das Rot der Westen, das Gold der Schärpen und Orden, alles prunkte und prahlte. Es waren die Männer, die über das Wohl und Wehe der spanischen Lande mitzureden hatten.

Die hohe Decke fing die Gespräche. Schließlich ging das Gespräch auf Magellan über. Seine plötzliche Vorladung zum König kam allen unerwartet. Der Leiter des Indischen Amtes musste Näheres wissen. Er wurde mit Fragen bestürmt.

Abwehrend stand Espinoza da.

"Ich kann Ihnen auch nichts sagen, meine Herren. Ich bin allerdings einmal vor längerer Zeit mit Magellan bekannt geworden. Damals hat er mir von seinen Plänen erzählt und mich gebeten, ihm beim König eine Audienz zu vermitteln. Der König jedoch lehnte ab. Inzwischen muss ihn jemand umgestimmt haben, er hat seine Ansicht geändert. Das ist alles, was ich weiß."

"Seit einiger Zeit bemüht sich Portugal wieder um Magellan", sagte einer der Minister, "vielleicht ist das der Grund, warum Seine Majestät nun selbst ..."

"Das ist möglich", unterbrach Espinoza. "Der König mag erkannt haben, dass die Molukken auch unserem Lande Geld bringen können, riesige Gewinne."

"und Ruhm!"

"und Ruhm, selbstverständlich, gar nicht zu übersehen!", vollendete Espinoza ohne Verlegenheit.

"Sie sind doch sicherlich an dem Unternehmen beteiligt?", wagte sich einer zu erkundigen.

"Ich unterstütze alles, was unserm Herrscher und unserm stolzen Spanien dient", trompetete Espinoza aufgeblasen.

Die anderen lächelten sich verständnisvoll zu.

Die Flügeltür begann im Luftzug zu schwingen und zog die Aufmerksamkeit der Versammelten auf sich. Alle wandten sich dem Eingang zu. Pagen öffneten die Tür und erstarrten in tiefer Verbeugung.

Der niederländische Kaufmann van Geerden schritt herein. "König des Geldes" wurde er am spanischen Hofe genannt. Die Mitglieder des Thronrates verneigten sich ebenso ehrfürchtig wie die Gelehrten der Seefahrtsschule. Wo dieser Mann erschien, gab es immer etwas zu verdienen.

"Sie sind erstaunt, mich hier zu sehen", wandte er sich an die verblüfften Männer.

"Durchaus nicht, durchaus nicht!", versicherte Espinoza. "Ich möchte fast behaupten, dass ich Sie erwartet habe. Weiß ich doch, wie Sie um Spaniens Wohl besorgt sind."

"Die Sorge um mein eigenes Wohl führt mich hierher", lächelte van Geerden verschmitzt. "Ich bin reich genug, diese Wahrheit aussprechen zu können. Mich lockt das Geschäft. Ich will verdienen - wie andere auch!", fügte er spöttisch hinzu. Espinoza lief rot an, lächelte aber tapfer. Unterwürfig stieß er durch die Zähne: "Sie haben recht wie immer. Es wäre unhöflich, zu widersprechen."

Der Leiter des Indischen Amtes wischte unsichtbaren Schweiß von der Stirn und trat zur Seite.

*

Ein Gefährt des Königs hatte Magellan und Vasco abgeholt. Der Knabe durfte nicht neben seinem Herrn sitzen. Er verstand das nicht. Es war das erste Mal, dass er auf den Bock steigen musste. Duarte, der Neffe Barbosas, hatte Vasco gestern erklärt, wie man sich am Hof des Königs und in Gegenwart des Herrschers zu verhalten habe. Da war so vieles zu merken, dass man das auf einmal gar nicht im Gedächtnis behalten konnte. Er hatte ein wenig Angst bekommen vor dieser Fahrt. "Denke daran! Immer verbeugen, dann ist alles in Ordnung!", hatte ihm Duarte nachgerufen, als der Wagen bereits rollte.

Ein gutes Fuhrwerk war es, weicher gefedert und schneller als die Wagen der Fuhrleute in Huelva. Leicht ging es über die Unebenheiten des abschüssigen Weges hinunter zur Stadt. Rhythmisch trommelten die Hufe der vier Rappen. Vasco suchte nach einer Melodie, die im Takt zur Gangart der Pferde passte. Er summte vor sich hin. Auf dem Bock schaukelte man wie auf einem Schiff. Zwischen den trabenden Hufen und dem Vorderteil des Wagens floss die Straße dahin wie ein endloses Band.

Fernando de Magellan saß hinten im Wagen und musste den aufgewirbelten Straßenstaub schlucken. Der feinkörnige Schmutz knirschte auf den Zähnen. Aber Magellan merkte nichts davon. Er dachte an den König. Wie würde er entscheiden? Ob seine Berater zustimmen würden, ob Kardinal Ebora? Fort mit den Zweifeln! Es musste gelingen. Einige einflussreiche Männer waren schon gewonnen und standen auf seiner Seite. Die anderen würden den Nutzen der Fahrt einsehen. Und die Wankelmütigen waren nicht gefährlich. Sie schlossen sich der Mehrheit an. Allen Versuchen zum Trotz, seine eigenen Zweifel abzuschütteln, spürte aber Magellan eine Unruhe, die ihm sonst fremd war. Immer hatte er einen kühlen Kopf bewahrt, bei Kämpfen in den fernen Erdteilen, bei Vorstößen in unerforschte Gebiete Afrikas und Indiens. Damals war er allerdings jünger. Und diesmal stand mehr auf dem Spiel. Über seine ganze Zukunft würde in den nächsten Stunden entschieden werden. Stieß er auf das Nein des Königs, dann war er in Zukunft ein armer, vaterlandsloser, überflüssiger Geselle, eine Last für seine Mitmenschen. Lehnte der König ab, an wen sollte er sich dann noch wenden?

Vasco auf dem Bock kannte diese Sorgen nicht. Er hielt den Globus auf den Knien. Das war unbequem. Er hätte ihn gern zu Haus gelassen. Aber Magellan hatte auf Vascos Einwände geantwortet: "Der Globus muss mit! Ich brauche die Erdkugel, um meine Reise zu erklären. Der Globus ist die Welt im Kleinen. Zwar wird der Kardinal aufbegehren, wenn er dieses Abbild der Erde sieht. Vor zwanzig Jahren hätte mich der Besitz des Globus noch der Inquisition ausgeliefert. Heute kann man es wagen, und ich wage es. Wagen macht groß und mutig, Vasco!"

Der Page konnte sich auf dem schmalen Wagensitz kaum festhalten. Was mochten die Leute auf den Straßen denken, die ihn mit der großen Kugel vor dem Bauch auf dem Wagen sahen, der das königliche Wappen trug? Und seine schmucke Kleidung mochten sie bewundern! Vasco trug sie heute zum ersten Mal. Weiß waren Kragen, Stulpen, Strümpfe, schwarz das Wams und die enge Kniehose. Aber die Menschen, an denen sie vorüberfuhren, achteten kaum auf ihn. Vasco war darüber etwas gekränkt. Doch dann freute er sich wieder über die stattlichen Pferde und über den herrlichen Frühlingstag.

Zu schnell fand die Fahrt ihr Ende. Am Auslauf einer schönen Allee lag das Schloss, in dem König Karl residierte. Vor dem Portal verstummte das Rollen der Räder. Vasco sprang leichtfüßig auf die Erde. Jetzt musste er sich nach Duartes Anweisung immer hinter Magellan halten. Türen öffneten sich. Dienernde Pagen wiesen den Weg. Sollte man mit einer Verbeugung antworten? Magellan tat's nicht. Deshalb schritt auch Vasco so stolz und aufrecht, wie es der Globus vor seinem Bauch nur zuließ. In jedem Raum, den sie betraten, erwartete Vasco den König. Doch es ging immer weiter! Wie mochte der König von Spanien aussehen? Sicher war er groß und schlank und reich gekleidet, hatte eine goldene Krone auf dem Haupt und ein scharfes, blitzendes Schwert an der Seite. Seine Augen blickten streng, aber gütig. Er brauchte nur mit dem kleinen Finger zu winken, und viele Menschen folgten seinem Befehl. O der König! Mein König und Herr!

Sie kamen in den Audienzsaal und wurden von den Anwesenden mit kalten Blicken empfangen. Vasco wollte sich recht tief verneigen, wurde aber leider vom Globus behindert. Dann schaute er sich die Gesichter der alten Männer an und entdeckte zu seiner großen Freude einen Bekannten, Espinoza. Freundlich grüßte er den Mann mit einem Kopfwerfen, wie es unter den Jungen in Huelva üblich war. Doch Espinoza schien ihn nicht mehr zu kennen. Oder wollte er ihn nicht kennen? Das war aber ein hochnäsiger Kerl! Vasco ließ seine Augen umherschweifen. Der Raum gefiel ihm nicht, er war ebenso eisig wie die Gesichter der Männer, die hier herumstanden. Die Fensterfront des Saales war bis auf die langen, schweren Stoffbehänge kahl. Auf der gegenüberliegenden Seite standen hochlehnige Stühle, steif wie Soldaten. Und an der Vorderfront des Raumes entdeckte Vasco vor einem kunstvollen Wandteppich einen schweren Tisch mit ein paar Stühlen dahinter. An der Decke hing ein glitzernder Leuchter. Er war sehr schön. Wie mochte das erst funkeln, wenn alle Kerzen brannten!

Wieder öffneten Lakaien eine Tür. Zwei Männer traten ein. Der eine war noch jung, schlicht gekleidet und hatte ein blasses, schmales, ernstes Gesicht. Zwei dunkle Augen huschten schnell durch den Saal. Der andere Mann war alt, wohl der älteste im Saal. Das Auffallendste an ihm war die knochige, spitze Nase. Ein roter Mantel umgab die schlanke Gestalt, auf dem Kopf saß ein rotes Käppchen.

"Seine Majestät, der König von Spanien!", meldete eine Stimme. Das hätte Vasco jetzt nicht erwartet. Überrascht rief er: "Caracoles! Potztausend!"

Wie ein Schlag fuhr der Ruf über die Männer. Sie zuckten zusammen und erstarrten in Verbeugung. Zornig reckte sich die lange Nase des rotgekleideten Alten. Vasco schickte einen Blick nach vorn, der um Verzeihung bat. Und es schien ihm, als ob um den Mund des jungen Mannes dort vorn ein kurzes Lächeln spielte. Vasco sah sich um und merkte erst jetzt: Alle knieten vor dem König. Nur er, ein kleiner Page, er stand. Schnell kniete er nieder und blickte krampfhaft zu Boden.

"Der König empfängt gnädig eure Ehrerbietung und gestattet euch, euch zu erheben", leierte der Alte mit dünner, aber scharfer Stimme.


Dann schrieb Magellan seinen Namenszug nieder.

Der Sekretär trug die Mappe mit dem Schriftstück auf vorgestreckten Händen hinaus, als wüsste er, welchen Schatz er da hielt.