Impressum

Steffen Mohr

Ich und die Frauen

Vom prickelnden Liebesglück und der empfindlichen Bestrafung eines sächsischen Casanova

 

ISBN 978-3-96521-048-6 (E-Book)

 

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

 

Das Buch erschien erstmals 2000 im Verlag Antonym Kommunikation.

 

2020 EDITION digital
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Die in diesem Buch enthaltenen tolldreisten Geschichten erschienen im Jahr 1999 als Fortsetzungen im Sachsen Sonntag

Vorspruch im Freiheitsentzug …

Ich werde nicht verraten, an welchem Ort dieser Welt ich mein jetziges Domizil bezogen habe.

Nur so viel sei angedeutet, dass es sich im Bundesland Sachsen befindet. Es ist nicht gerade üppig möbliert und erfüllt auch nicht alle Ansprüche auf eine bürgerlich situierte Unterkunft. Der Eimer für die Notdurft befindet sich direkt hinter der Tür. Immerhin werde ich, was Speis und Trank betrifft, vom Personal des Hauses mit geschulter Höflichkeit bedient.

Ich sitze wegen Betruges ein, genauer gesagt wegen Heiratsschwindelei. In Erwartung meines Prozesses gestattete mir die Direktion des Hauses den Erwerb eines Schreibblocks samt Stiften. Und so sitze ich hier an einem schmalen Tisch, meine Erinnerungen zu notieren.

Schreibend muss ich mir klarwerden darüber, wie mein Prozess ausgehen könnte. Dabei bin ich mir noch völlig im Ungewissen, welche der von mir geprellten Frauen gut, welche abfällig über mich reden wird, wenn es darauf ankommt.

Das ist ein schwieriges Stück Denkarbeit, das mich den ganzen Tag vollauf beschäftigt und meinen empfindsamen Charakter hin und her reißt.

Immerhin handelt es sich um eine ganze Handvoll, also fünf Damen, die ich hinters Licht führte. Alle hätten ein gutes Recht darauf, mich abgrundtief zu verachten.

Welche aber wird mich durch ihre gerichtliche Aussage empfindlich strafen? Ich wüsste es gern.

Bah! Wie ich den Tag des Prozesses schon vor mir sehe! Mir gruselt vor der kaum vorstellbaren Peinlichkeit, fünf untereinander völlig unbekannte Frauen vor die Schranken treten zu sehen und von meinen Abenteuern reden zu hören.

Welche nimmt mich verständnisvoll in Schutz? Auch das herausfinden ist der eigentliche Grund, warum ich in diesem nüchternen Appartement zum Stift gegriffen habe. Nun gut. Fange ich am besten damit an, wie alles begann und ich durch einen reinen Zufall zum Liebesschwindler wurde. Ich beginne mit jener unvergleichlich verführerischen Dame, der ich in meinen intimstem Gedanken den Beinamen gab:

Conny, treu wie Gold

Die Geschichte hat sich bereits vor drei Jahren ereignet. Ich – damals Vertreter für eine fernsehbekannte Entkalkerchemiekalie – betrat in dem üblichen smarten Anzug und Schlips das Café. Die vorgeschriebene Dienstkleidung stand mir recht gut, wie meiner männlichen Figur überhaupt jegliche Maßkleider vorzüglich passen.

Es war die Zeit meiner freiwillig gewählten Mittagspause. Das Café stellte das übliche Sammelzentrum kleinstädtischer Hausfrauenkultur an einem Wochentage vor. Schwül drückte die Luft auf Stirn und Brust.

Ich hatte an diesem Vormittag keinen einzigen Entkalker abgesetzt und befand mich deshalb in einer entsprechenden missmutigen Laune. Außerdem hing mir der Magen in der Kniekehle. Zum Besuch des gegenüberliegenden Ratskellers jedoch, in dem ich ein ordentliches Mittagessen hätte bestellen können, reichte mein Kleingeld nicht.

Als ich, ohne die Kellnerin großartig anzublicken, mit leiser Stimme einen Milchkaffee bestellte, packte die Frau mich unverhofft an der linken Schulter.

„Mensch, Karsten!“, rief sie überlaut. „Wo hast du bloß so lange gesteckt?“

Damit rückte sie ihr nicht unschönes, aber von häufigem Likörgenuss leicht verquollenes Pausgesicht dicht in die Nähe von meinem frechen Antlitz.

Ich möchte bemerken: Ich heiße nicht Karsten. Diese Korrektur ließ ich in dem Moment jedoch stecken, einmal aus Höflichkeit, denn man widerspricht einer impulsiven Dame nie sofort. Andererseits zog eine Ahnung in mir auf, die Ahnung auf ein vielleicht doch noch sättigendes Mahl.

Für sie, die rundliche Conny mit den Klavierstampferbeinen und dem kurz geschorenen Nackenhaar, war ich der längst verschollene Kinderfreund Karsten. Aus ihrer überquellenden Rede vernahm ich, dass ich als junger Kerl über die Berliner Mauer nach dem Westen abgehauen war, irgendwann in Marseille gesichtet wurde und dann meine Spur in Nordafrika bei der Fremdenlegion für immer verwischt hatte.

Alles klang für mich natürlich nach provinzieller Übertreibung. Und natürlich war es auch der blanke Unsinn, soweit es meine Person betraf.

Doch schon entfernte sich diese Conny mit energischen Schrittchen zur Küche. Sie rief einen hochgradig alkoholisierten Kollegen heraus, band ihm ihre grüne Kellnerschürze um, hakte sich derb bei mir unter, das war alles eins. Danach schleppte sie mich freudestrahlend quer über den Markt.

Bereits die Essendüfte, die mir aus dem sommerlichen offenen Gasthaus entgegen drangen, brachten meine gesamte Anatomie ins Trudeln. So hungrig, wie ich war, wagte ich nicht den geringsten Versuch einer Richtigstellung.

Während wir kräftig gegessen und anschließend noch einige herzhafte Getränke zu uns genommen hatten, hatte sich ganz nebenbei herausgestellt, dass ich Conny in meiner Jugendzeit glühend verehrt hatte. Ja, ich hatte sogar um ihre kleine, feste Hand angehalten.

Diese wurde mir von ihren Eltern ausgeschlagen, was einer der Gründe für mich gewesen sein sollte, in den Westen zu fliehen.