Impressum

Gerhard Branstner

Das Verhängnis der Müllerstochter

Sänge und Reime

Aus etlichen Jahrhunderten deutscher Volksdichtung ausgebuddelt und fürwitzig zurechtgemacht oder füglich neu erdacht

 

ISBN 978-3-96521-173-5 (E–Book)

 

Titelbild: Ernst Franta

 

Scherz und Ernst sind wenig nütze ohne Heiterkeit als Stütze

 

© 2019 EDITION digital

Pekrul & Sohn GbR

Godern

Alte Dorfstraße 2 b

19065 Pinnow

Tel.: 03860 505788

E–Mail: verlag@edition–digital.de

Internet: http://www.edition-digital.de

Liebe im Scherz

Jungfer ade!

»1«

Gar wohl auf einem Tanz

verlor sie ihren Kranz.

Was mag das für ein Kranz gewesen sein?

Was mag das für ein Tanz gewesen sein?

Ein Obstgärtner, ein Lagerhalter und ein Totengräber loben ihre Frauen

» 2 «

Der Obstgärtner:

Was hab ich nicht versucht,

die Stare zu verscheuchen.

Doch jetzt, so will mir deuchen,

sind sie aus meiner Welt.

Ich habe meine Frau

als Scheuche aufgestellt.

 

Der Lagerhalter:

Mein Weib, das ist drei Zentner schwer

und misst dasselbe längs wie quer.

Drum teilt man es in Zonen,

will man die Augen schonen.

Der Kopf ist einem Kürbis gleich,

die Augen sind verquollen,

das Kinn hat Kinn und Kinneskinn,

da ist der Hals verschollen.

Der Busen ist kein Busen mehr

und auch kein Meeresbusen,

da können ganze Völkerscharn

zur gleichen Zeit dran schmusen.

Dieses Massenmedium

hängt gewaltig lang herum,

was beim Tanz Verdruss erregt,

weil es an die Schenkel schlägt.

Vor den Beinen muss ich warnen,

denn was zwischen diesen klafft,

hat schon manchen unerfahrnen

Mann samt Hut dahingerafft.

Ja, mein Weib, das ist ’ne Tolle,

wo du’s greifst, greifst du ins Volle.

Ja, mein Weib, das ist ein Trumm.

Und ich hüpfe um es rum

und ruf andermal ums eine:

Alles meine! Alles meine!

 

Der Totengräber:

Auch wenn es unbegreiflich ist,

ich lieb mein Frauchen sehr.

Und wenn es erst gestorben ist,

dann lieb ich es noch mehr.

 

So sprachen die drei Männer

als wahre Frauenkenner.

Und auch zum guten Schluss

spricht jeder (weil er muss):

Ich lobe mir die meine

und brauche weiter keine.

Liebesdienst

» 3 «

Hat deine Frau ein schiefes Maul

und eine krumme Seele,

dann drücke ihr die Gurgel zu,

dass sie sich nicht mehr quäle.

Der geplättete Zorn

nach einem Witz

» 4 «

Der Schneider, jäh im Zorne,

will‘s dem Lehrling weisen

und wirft das Bügeleisen

nach dem armen Tropf.

Der duckt sich, und das Eisen

trifft die Meisterin am Kopf.

»Na, auch gut«, brummt der Schneider

und näht besänftigt weiter.

Wie lang mag das noch gehen

» 5 «

Ich kann nicht widerstehen:

Ich stürze mich in wahrer Wut

ins Fressen und ins Saufen.

Ich rülpse gern und furze gut

aus sämtlichen Kaldaunen.

Da schweigen die Posaunen.

Wie lang mag das noch gehen!

Ich kann nicht widerstehen.

 

Ich stürze mich in wahrer Wut

in jeden noch so dummen Streit

und schüre ihn zum großen Krach.

Ich dresche alle Nasen breit

und brülle wie ein Stier.

Da zittern Mensch und Tier.

Wie lang mag das noch gehen!

Ich kann nicht widerstehen.

 

Ich stürze mich in wahrer Wut

auf meine kleine Stute

wie ein wildgewordner Hengst

und gebe ihr die Rute,

bis dass der Tag erwacht.

Da sag ich gute Nacht.

Wie lang mag das noch gehen?

Wir werden es ja sehen.

In jedem Mann steckt ein Tyrann

Eheabratung

» 6 «

Mädchen, nimm dir nie und nimmer

einen Ehemann.

Was er von Berufes wegen,

höre dir jetzt an:

 

Der Uhrenmacher zieht dich auf,

der Drechsler dreht dir Spindelbeine,

der Kutscher nimmt dich ins Geschirr,

der Schneider plättet dir gleich eine,

der Schornsteinfeger schwärzt dich an,

der Klempner redet dauernd Blech,

der Nagelschmied schlägt auf den Kopf,

der Schuster bringt dir nichts als Pech,

der Schindeldecker hockt nur oben,

der Maurer denkt nur an den Durst,

der Seiler dreht dir einen Strick,

dem Fleischer bist du völlig Wurst.

 

Nun weißt du, was dir blühen kann,

nimmst du dir einen Ehemann.

Verständliche Vergesslichkeit

nach P.W. Hensler

»7«

Bedrängt in ihrer Ehre

rief Doritte

Gott um Hilfe an

in stummer Bitte.

Der war der nächste ihr von allen,

denn vor Angst war ihr entfallen,

dass nebenan ihr Gatte saß

und in der Zeitung las.

Umkleideter Wunsch

»8«

Ich möchte deine Kleidung sein,

da wär ich immer um dich.

Am Tag das Halterchen zu zwein,

das Höschen selbstverständlich,

und nachts dein Flatterhemde.

Spricht das nicht Liebesbände?

Das Schäfchenspiel

» 9 «

Amint und Doris waren Hirten,

doch fanden beide es gescheiter,

statt Schafe hüten Scherz zu treiben

und so weiter, und so weiter.

 

Nur scherzte Doris nicht umsonst.

Da zahlte er als nobler Streiter

einen Gang mit einem Schäfchen

und so weiter, und so weiter.

 

Amintens Herde schrumpfte schnell.

Am Ende bat der flotte Reiter:

„Lass mich ohne Schaf noch einmal!“

und so weiter, und so weiter.

 

„Erwirb die Herde dir zurück,

jetzt zahle ich!“, rief Doris heiter,

und sie küsste ihm das Sterzchen

und so weiter, und so weiter.

 

Er holte Schaf für Schaf zurück

und überdies noch ihre - leider:

Nun muss wieder er bezahlen

und so weiter, und so weiter,

und so weiter …

Des Jägers Wunderhorn

»10«

Ein Jäger hat ein Horn, gib acht!

Das bläst er nur bei Nacht tirilü

das bläst er nur tirilütütü, das bläst er nur

bei Nacht.

 

Und er versteht sich auf das Horn

von hinten und von vorn tirilü.

Von hinten und tirilütütü, von hinten und

von vorn.

 

Und als sich ihm ein Mägdlein naht,

was glaubt ihr, was er tat tirilü,

was glaubt ihr, was tirilütütü, was glaubt ihr, was

er tat?

 

Er zeigte ihr das Instrument

und fragt’, wie sie es fänd’ tirilü,

und fragt’, wie sie tirilütütü, und fragt’, wie sie

es fänd’.

 

Das Mägdlein nahm’s in Augenschein

und in die Hände zwein tirilü,

und in die Händ’ tirilütütü, und in die Hände

zwein.

 

„Das Horn find’ ich gar recht“, sprach sie,

„wenn Ihr auch kennt das Spiel tirilü,

wenn Ihr auch kennt tirilütütü, wenn Ihr auch kennt

das Spiel.“

 

Der Jäger sprach: „Ich kenn’ es wohl“,

und stieß mit großer Kunst

die Töne, dass die Ader schwoll –

tirilütutü! Tirilü!

Und auch die Zwischentöne,

die weichen und die andern,

lässt er in schnellem Wechsel

durch alle Lagen wandern –

tirilütutü! Tirilü!

Noch manch verschlungne Wendung

und unverhofften Sprung

vollführt sein Instrument.

Da naht die Morgendämmerung –

tirilütütü! Tirilütütü!

 

Sprach sie: „Ach schnell noch mal von vorn,

es ist ein Wunderhorn tirilü, tirilü,

es ist fürwahr tirilütütü, fürwahr ein Wunderhorn.

Ach schnell noch mal tirilütütütütü,

ach schnell noch mal von vorn!«

Die Gefechtsordnung

»11«

Sie war Nähmamsell,

er bei der lnfant‘rie.

Sie stach ihn mit der Nadel,

er schoss mit dem Gewehr.

Da war sie tief verletzt

und schnitt ihn mit der Scher.

Nun stieß er mit dem Bajonett,

und das fand sie nun wieder nett.

Treu und Glauben

»12«

Sie war so abergläubisch,

dass sie, ungelogen,

erschrak, wenn sie an einem Freitag

ihren Mann betrogen.

Die nasse Wahrheit

nach A. L. Karsch

»13«

Ein Ehemann von sanftem Wesen

ertrug sein Weib mit viel Geduld.

„Ich bring mich um“, so rief sie ständig,

„und daran hast nur du die Schuld!“

 

Er bat sie stets in sanftem Ton:

„Hör auf mit dieser dummen Grille.“

Doch sie schrie immer heftiger:

„Das ist mein absoluter Wille!“

 

Da blieb ihm keine andre Wahl:

Er trug sie an ein nahes Wasser.

Sie hörte bald zu schreien auf

und wurde blass und blasser.

 

Er ließ sie, ganz in seiner Art,

sanft fallen in das kühle Fließ

just da, wo es am tiefsten war,

damit sie sich nicht unten stieß.

 

„Das“, sprach er, „war doch nur dein Wille.

Da rief sie in der Wassernot:

„Mein lieber Mann, mach mich nicht tot,

glaub mir, es war nur eine Grille!“

Dann war sie endlich stille.

 

Die Wahrheit ist die:

Das Weib schweigt nie.

Das Verhängnis der Müllerstochter

nach einer echten Moritat

»14«

In einem grünen Tale,

nicht weit vom tiefen Wald,

steht eines Müllers Mühle,

darin ein Kindlein lallt.

Und am Ende von dem Tal

rauscht ein großer Wasserfal.

 

Nach sechzehn, siebzehn Jahren,

da lallt das Kind nicht mehr.

Da ist’s ’ne ranke Jungfer,

die trällert froh umher.

Und am Ende von dem Tal

rauscht ein großer Wasserfal.

 

Ein Förster wollt’ sie freien,

der ihr die Liebe bot.

Ein Wilddieb kam gegangen

und schoss den Förster tot.

Und am Ende von dem Tal

rauscht ein großer Wasserfal.

 

Der Wilddieb, schön und heftig,

nahm sie in seinen Arm.

Da endigte sein Leben

ein Schuss von dem Gendarm.

Und am Ende von dem Tal

rauscht ein großer Wasserfal.

 

Sie glaubt’, mit dem Gendarme

war sie aus allem Leid.

Doch in einem Gemenge

schlug ihn ein Räuber breit.

Und am Ende von dem Tal

rauscht ein großer Wasserfal.

 

Der Räuber nahm sie mit sich

auf seine Lagerstatt.

Da stahl sie ihm das Messer

und dolcht’ ihn, bis er matt.

Und am Ende von dem Tal

rauscht ein großer Wasserfal.

 

Nun sitzt sie bei der Mühle

und weint in sich hinein.

Wie kann nach so viel Liebe

man so alleine sein.

Und am Ende von dem Tal

rauscht ein großer Wasserfal.

Und am Ende …

Der Gatte ging – der Buhle kam oder Lindas Tränen

»15«

Ihr zarten Herzen, hört ein Trauerlied,

wenn mir dabei nicht Stimm’ und Atem flieht.

Ein Lied von all dem Kummer, Gram und Schmerz,

der traf der ungetreuen Linda Herz.

 

Fort ging der Gatte, und der Buhle kam.

Sie öffnet ihm, er in den Arm sie nahm.

Da kommt zurück, kommt schneller als er soll,