Impressum

Günther Krupkat

Als die Götter starben

Utopischer Roman

 

Das Buch erschien erstmals 1967 im Verlag Das Neue Berlin

 

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

 

ISBN 978-3-96521-135-3 (E–Book)

 

© 2019 EDITION digital
Pekrul & Sohn GbR
Godern
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Erster Teil: ENDYMION

Kein Weg ist so weit

„Sie fliegen zum ersten Mal nach Endymion?“, fragt Wera die junge Frau des Arztes Perko.

Genia, schmal und zart, sitzt etwas verloren im schweren Konturensessel. Ihr Blick ruht auf dem Telebild, das noch immer nicht mehr zeigt als felsiges Land in sonderbar fahlem Schein. Sie träumt mit offenen Augen. Von der Zukunft, von all dem, was sie in wenigen Stunden sehen und erleben wird.

Und da ist nun plötzlich diese dunkle weiche Stimme an ihrem Ohr, die sie behutsam in die Wirklichkeit zurückführt.

Sie richtet sich mit leerem Lächeln auf und nickt Wera zu. „Ja, es ist das erste Mal. Entschuldigen Sie, ich war in Gedanken. All das Neue, Ungewohnte …“

„Ich verstehe“, sagt Wera.

„Werden wir bald landen?“

„Der Flug kann nicht mehr lange dauern. Und dann sind Sie von den Strapazen der Reise erlöst.“

Wie selbstsicher sie das sagt! Genia mustert sie unter gesenkten Lidern.

Wera ist groß, schlank. Zwanglos lehnt sie mit übereinandergeschlagenen Beinen im Sessel. Über das kurze, kupferfarbene Haar tanzen goldene Lichtreflexe.

Schon bald nach dem Start hatte Genia Weras Bekanntschaft gesucht. Wera ließ sich jedoch selten im Gemeinschaftsraum des Flugschiffs sehen, und wenn, dann stets in Begleitung dieses rotblonden Ingenieurs Riggs, dessen polternde Art der empfindsamen Genia zuwider ist.

Wera Lyssowa und Douglas Riggs tragen sandfarbene Fliegerkombinationen. An den Ärmeln schimmern silberne Abzeichen.

Die beiden reisen in dienstlichem Auftrag nach Endymion. Genia will das Gespräch mit Wera fortsetzen; aber sie fühlt sich matt, erschöpft. Vielleicht wird sie Wera in Endymion wieder sehen. Endymion! Mit einem kleinen Seufzer sinkt sie in die Polster zurück.

Jons Perko, ein Mann von dreißig Jahren mit festen Händen und starken Nerven, beugt sich über seine Frau. Besorgt greift er nach ihrem Puls. Zwischen seinen Brauen steht eine Falte, die aber sofort verschwindet. „Nichts von Bedeutung. Ein bisschen überfordert durch die Reise“, murmelt er.

„Ich habe es vermutet“, sagt Wera. „Fälle leichter Benommenheit kommen beim Fluge öfter vor.“

„Solch ein Persönchen sollte darauf verzichten, die Landung am Bildschirm zu erwarten. Das ist nicht jedermanns Sache“, polterte Riggs dazwischen. „Ihre Frau täte besser daran, sich niederzulegen.“

Die meisten Passagiere haben sich in ihre Kabinen zurückgezogen. Genia aber will um keinen Preis den Augenblick versäumen, in dem das Ziel der langen Reise endlich auftaucht. Die kleine Schwäche hat sie bereits überwunden. Sie wirft Riggs einen unfreundlichen Blick zu. Und zu ihrem Mann sagt sie bestimmt: „Ich bleibe, Jons!“

Er blinzelt ihr zu. „Schon gut, Genia. Wir werden sehen.“

„Sie sind Arzt, nicht wahr?“, fragt Wera.

„Ja. Ich habe eine Berufung in die Hauptklinik von Endymion. Meine Frau wird in der biologischen Versuchsanstalt arbeiten.“

„Zum Vergnügen fliegt niemand nach Endymion“, stellt Riggs fest. „Noch nicht!“

„Es ist gewiss die merkwürdigste Stadt, die je erbaut wurde“, sagt Perko.

Auf dem sommersprossigen Gesicht des Ingenieurs erscheint ein breites, stummes Lachen. „Wir werden noch mehr solcher Städte bauen. Noch merkwürdigere.“

Perko schaut skeptisch auf. „Meinen Sie? Ich kann mir vorstellen, dass wir schließlich einen toten Punkt erreichen.“

„Darüber hinwegzukommen wäre nur eine Frage der Zeit“, erwidert Riggs.

Alf Curtius mischt sich in das Gespräch ein. Er ist der fünfte Passagier im Gemeinschaftsraum; ein freundlicher Mann mit bleigrauem Haar, von dem an Bord kaum jemand mehr weiß als seinen Namen. Ohne den Kopf vom Polster der hohen Rückenlehne zu heben, spricht er schleppend, grüblerisch. „Vor fünfzig Jahren noch, um die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, hätten die meisten Menschen Ihre Worte belächelt und Sie einen Fantasten genannt.“

„Es fehlte die wissenschaftliche Erkenntnis“, bemerkt Riggs. Curtius schüttelt den Kopf. „Nein, mein Freund. Die Erkenntnis hatte man auch damals schon. Um sie aber in vollem Umfange anwenden zu können, fehlte jener Welt die Reife. Heute ist das anders. Die damaligen gesellschaftlichen Widersprüche sind überwunden.“

„So erklärt sich das immer schnellere Tempo unserer Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten“, sagt Perko,

„Ganz recht!“, bestätigt Curtius. „Nehmen wir nur ein Beispiel: Im Jahre neunzehnhundertfünfzig etwa schien das Problem echter Weltraumfahrt noch kaum lösbar. Viele hielten die damaligen Raketenversuche für kostspieligen Unsinn, andere sahen darin bestenfalls strategische Chancen.“

„Und heute …“ Perko lässt den Blick rundum schweifen, als nehme er seine Umgebung jetzt erst bewusst wahr. „Heute reisen wir mit einem Raumschiff der Mondroute nicht unbequemer als Menschen der sechziger Jahre in ihren Düsenflugzeugen.“

„Ja, die pessimistischen Propheten der Alten Welt haben nicht recht behalten“, sagt Curtius. „Die Menschheit ist nicht am Atom zugrunde gegangen, sie wendet es mit Nutzen an. Aus dem All ist keine ,letzte Waffe' auf die Erde gestürzt, die Raumfahrt dient friedlichen Zwecken. Und die den Mond besiedelten, waren nicht irrsinnige Strategen, sondern Pioniere, die unter tausend Gefahren und schweren Opfern der Forschung einen Brückenkopf schufen.“ Curtius fährt mit der Hand über die Augen. „Ich habe die Entwicklung der letzten fünfzig Jahre miterlebt. Glauben Sie mir: Kein Weg ist so weit und so schwer, dass die Menschheit ihn nicht früher oder später um der Erkenntnis willen gehen wird, wenn er ihrem Wohl, ihrem Fortschritt dient.“

„Jedes Ziel, das sie erreicht, ist immer der Beginn eines neuen Stück Weges“, bemerkt Wera.

Curtius wendet ihr sein frisches, glattes Gesicht zu. „Natürlich, es ist der Weg in die Unendlichkeit“, antwortet er mit feinem Lächeln. „Wer wüsste das besser als Sie?“ Er blickt dabei auf das silberne Emblem an Weras Ärmel, das Pilotenabzeichen des interplanetaren Flugdienstes.

Wera mustert den scharf profilierten Kopf des alten Mannes. Wahrscheinlich ist es ein Gelehrter. Nach seinen Worten wird er mindestens siebzig Jahre alt, wenn nicht sogar älter sein. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist dank dem biologisch-hygienischen und technischen Fortschritt bereits auf fünfundneunzig Jahre gestiegen, und wer die bewegte Jugendzeit der Väter glücklich überstanden hat, kann damit rechnen, über hundert Jahre alt zu werden oder besser – jung zu bleiben, „Endymion!“, ruft Genia plötzlich. „Siehst du die Lichter, Jons?“ Ihre dunklen Augen sind groß und starr auf das Telebild gerichtet, wo ein paar grellleuchtende Pünktchen erschienen sind.

„Wirklich! Aber …“ Perko zieht den Taschenatlas hervor und blättert hastig in den Mondkarten.

„Sie irren sich“, sagt Wera zu Genia. „Es sind die Signalfeuer von Letronne. Haben Sie noch etwas Geduld, bald werden Sie mehr sehen.“

„Letronne? Das verstehe ich nicht“, brummt Perko. Sein Finger gleitet über das Register des Buches.

Riggs schaut ihm zu. „Gestatten Sie!“ Er nimmt Perko den Atlas aus der Hand und schlägt die richtige Karte auf. „Wir fliegen den Mond von der Nachtseite her an, und zwar in Richtung Südost. Dort, am Südrand des Ozeans der Stürme, liegt die Bucht von Letronne. Ein wichtiger Stützpunkt!“

„Und Endymion?“

„Hier, das ist die Landschaft Endymion. Die Stadt befindet sich nicht weit davon.“

„Also entgegengesetzt von Letronne, einige hundert Kilometer nördlich des Mare Crisium.“

„Sie können auch den äußeren Bogen der Mondapenninen und des Mondkaukasus verfolgen. Wo das Mare Frigoris nach Süden hin offen ist, würden Sie die Stadt genau erkennen.“

„Wir landen bei Nacht?“

„ln Endymion wird erst übermorgen Tag.“

Genia lacht leise.

„Komisch klingt das.“

„Eine Nacht auf dem Monde dauert nun mal etwa zwei Wochen nach irdischer Zeitrechnung, genauso lange wie ein Tag. Sie werden sich daran gewöhnen.“

„Warum wurde die Stadt eigentlich dicht am Mondrande gebaut?“

Lachend fährt Riggs mit gespreizten Fingern durch den rotblonden Schopf. „Und nicht lieber mitten auf der ,Scheibe‘, meinen Sie?“

„So etwa.“

„Vergessen Sie nicht, dass der Mond eine Kugel ist. Wenn Sie in kurzer Zeit auf dieser Kugel stehen werden, können Sie sich davon überzeugen, dass es dort genauso wie auf der Erde nur einen scheinbaren Rand, den Horizont, gibt.“ „Binsenwahrheit!“, murrt Genia.

„Die Sie eben übersehen haben“, stellt der Ingenieur fest. „Endymion liegt gerade noch im Sichtbereich der Erde. Das war wichtig, solange keine Funksatelliten den Mond umkreisten. Heute ist es ohne Belang. Das Forschungszentrum braucht eine günstige – sagen wir mal – Verkehrslage. Verstehen Sie? Und die ist in Endymion gegeben, auch im Hinblick auf Exkursionen zur erdabgewandten Mondhälfte.“

Die Tür der Führerkabine wird in diesem Augenblick aufgestoßen. In ihrem Rahmen erscheint ein junger Mann. Es ist der Zweite Navigator. Vergnügt blinzelnd, schaut er auf die fünf Passagiere. Hinter seinem Rücken blitzen Lichtkolonnen eines Rechenautomaten. Eine monotone Stimme kommt von weither. Endymion ruft das anfliegende Schiff über die Funksatelliten. „Die Landeoperationen werden bald beginnen“, erklärt der Navigator. „Halten Sie sich bereit.“

Wera fragt: „Wann werden wir in Endymion eintreffen?“

„In knapp zwei Stunden. Wir haben eben die Außenwerft passiert.“

Der junge Mann nickt Wera zu und verlässt den Raum.

„Bei der Außenwerft liegt die ,Rhea‘„, sagt Curtius, sich an Wera wendend. „Sind Sie von der Besatzung des Großraumschiffs?“

Sie deutet auf Riggs. „Wir gehören zur Ablösung.“

Curtius lasst den Sessel herumschwenken, sodass er die beiden Piloten im Auge hat. „Gratuliere! Die ,Rhea‘ ist ein vorzügliches Schiff. Neueste MHD-Konstruktion!“

„Was bedeutet MHD?“, erkundigt sich Perko interessiert. „Magnetohydrodynamischer Antrieb“, erläutert Riggs. Als Perko ihn verdutzt ansieht, setzt er hinzu: „Plasma im elektrischen Feld mit magnetischer Steuerung. Effektive Strahlgeschwindigkeit bis tausend Kilometer je Sekunde. Genügt Ihnen das?“

„Ich denke, ja“, wehrt Perko lachend ab.

„Eine Spitzenleistung, gewiss“, fährt Riggs fort. „Aber wie lange noch? Die Raumsonde, die wir zum Jupitermond Kallisto gestartet haben, ist mit Photontriebwerken ausgestattet. Gelingt der Versuch, dann werden wir bald die Zeitmauer überspringen.“

Um Weras Mund zuckt ein feines, fast wehmütiges Lächeln. „Kein Weg ist so weit …“, sagt sie leise.

Curtius hat diese Worte wohlverstanden, er nickt stumm.

Ein unerträglich greller Blitz flammt über die Fernsehscheibe. Gerda reißt die Hände vor das Gesicht. Die Sonne! Das Raumschiff hat den Mondschatten verlassen. Die Teleobjektive schwenken zur Seite. Auf dem Bildschirm sind die Lichter von Letronne verschwunden. Jetzt glühen Punkte, Zacken und Bogen inmitten tiefster Finsternis. Es sind Gipfel und Grate hoher Berge im Feuer des untergehenden Tagesgestirns.

Das Raumschiff überholt den Zeitablauf auf dem Monde. Bald ist es früher Abend, dann Mittag. Gleißend liegen zahllose Krater und Ringgebirge unter sengenden Strahlen.

Im Passagierraum ist es still geworden. Man betrachtet die Landschaft, die wie eine unübersehbare Felsmauer dem Schiff entgegenzustürzen scheint. Mit brennenden Augen verfolgt Genia den Vorgang. Ihr Gesicht leuchtet kalkweiß im blendenden Widerschein und ihr Herz jagt unter kurzen Atemstößen. Perko drückt beruhigend Genias Hand, doch er ist selber erregt. „Siehst du den riesigen Krater dort oben?“, fragt er mit rauer Stimme. „Es muss der ,Kopernikus‘ sein. Dahinter taucht die Kette der Mondapenninen auf.“

„Nun haben Sie die Orientierung aber gänzlich verloren“, sagt Wera. „Wir befinden uns längst über der erdabgewandten Mondseite. Soeben passierten wir das Jules-Verne-Gebirge am Meer des Traumes. Was Sie für den ,Kopernikus‘ halten, sind die Wallringe des ,Ziolkowski‘. Wir haben direkten Kurs …“

Ein dumpfer Warnton heult auf. Zugleich blinken gelbe Signale und durch den Raum hallt eine Lautsprecherstimme: „Achtung, Achtung! Hier spricht die Schiffsleitung. Nehmen Sie bitte sofort Ihre Plätze ein. In sechzig Sekunden Bremsstufe eins!“

Curtius erhebt sich als Erster. „Kommen Sie!“, sagt er zu den anderen. „Es ist höchste Zeit, sich in Sicherheit zu bringen.“ Die fünf Passagiere verlassen den Raum, um ihre Kabinen aufzusuchen. Dort werden sie sich auf die Ruhebetten legen und sich festgurten. So verlangt es die Sicherheitsvorschrift.

Genia taumelt ein wenig beim Hinausgehen, Perko muss sie stützen.

Riggs wendet sich an den jungen Arzt. „Ich hab’s ja gleich gesagt. Ihre Frau hätte sich den Anflug nicht mit ansehen sollen. Dabei sind schon ganz andere schwach geworden.“

Der Heulton setzt aus. Die Signalzeichen zucken weiter. Sekundenlanges Schweigen, selbst das Summen der Gravitationsmaschine verstummt. Die Landemanöver laufen an. Das Schiff schwenkt um seine Längsachse. Wieder eine Pause. Leichtes Vibrieren durchfliegt den Schiffskörper. Die Triebwerke schleudern zerflatternde Flammen dem Monde entgegen. Wie ein Karussell beginnt sich der Erdtrabant zu drehen. Die Landschaft rollt vorüber. Ihre Konturen zerfließen, werden zu grauen Strichen.

Die Lämpchen blinken noch immer, jetzt in rotem Licht. Bremsstufe zwei! Eine Feuerwolke umhüllt das Schiff. Kein Hirn vermag mehr in diesen Augenblicken zu reagieren. Jedes Leben an Bord scheint erloschen zu sein. Doch die Steuerungsautomaten folgen geheimnisvollen Befehlen.

Der Schatten

Von der Erde aus, durch ein Teleskop betrachtet, erscheint die Landschaft Endymion als schwärzlicher Strich von zwei Millimeter Länge. In Wirklichkeit ist sie eine mit Lavablöcken und vulkanischer Schlacke bedeckte Ebene, die sich hundertfünfundzwanzig Kilometer weit erstreckt. Sie wird von steilen Gebirgszügen umschlossen und durchzogen. Außerhalb dieses gewaltigen Kessels, in einer seinen Südosthängen entspringenden offenen Wallebene, liegt die Mondstadt.

Die lebensfeindlichen Verhältnisse auf dem Weltkörper haben das Bild der Stadt einschneidend beeinflusst. Mit keinem Ort auf Erden ist Endymion zu vergleichen. Inmitten ewigen Schweigens, unter lähmender Kälte und sengender Hitze steht sie als Denkmal menschlicher Herrschaft über die Natur.

Wo der Felsenwall um Endymion sich öffnet und die scharfgratigen Wände abfallen, glühen die Signalfeuer des Flughafens. Aber kein Lichtdom wölbt sich zum nächtlichen Himmel, es fehlt die lichtstreuende Luft. Nur dort ist es hell, wohin die Strahlen treffen.

Die Start- und Landeplätze sind spiegelglatte Flächen aus künstlich geschmolzenem Mondgestein. Zwischen Gerüsten und Kränen schimmern die Leiber von Raumschiffen und Raketen des lunaren Verkehrs im Scheine zahlreicher Lampen. Abseits stehen die Kuppelbauten der Flugleitung, der Werkstätten und der Magazine.

Männer in weißen Skaphandern kommen und gehen. Ihre Schritte sind federnd, verhalten, der geringen Schwerkraft angepasst. Jeeps und Raupenschlepper rollen gespenstisch lautlos dahin.

Hermetisch geschlossene Personenwagen eilen über die zwei Kilometer lange Straße aus schwarzglänzendem Obsidian zur Stadt, vorbei an Fabrik- und Förderanlagen, an den Parabolspiegeln des Sonnenkraftwerks, das während der Tagesperiode Energie für die vierzehntägige Nacht speichert.

Am Ende der weiten Ebene ragen Berggipfel wie hohe Türme. Davor wölbt sich eine uhrglasförmige Kuppel von hundert Meter Höhe und mehreren Kilometern im Durchmesser. Sie besteht aus Silunit, dem „gläsernen Stahl“, und ist von milchigem Licht erfüllt.

Die Obsidianstraße führt direkt darauf zu; sie endet in einer tiefen Luftschleuse. Wenn sich das letzte Schott öffnet, bietet sich den Blicken eine märchenhafte Welt dar: die Äußere Stadt. Während die Thermometer draußen eine Temperatur von minus hundertfünfzig Grad Celsius registrieren, herrscht subtropische Wärme unter dem gläsernen Himmel.

Weit dehnen sich Gärten und Plantagen im milden Glanz der selbstleuchtenden Kuppelwände. Die Pflanzen und Bäumchen wurzeln nicht in Erde, sondern in einer Nährsalzlösung, die Karbonate, Stickstoffverbindungen und Phosphate enthält. Am Rande der Äußeren Stadt liegen Betriebe der Landwirtschaft, auch künstliche Fischteiche.

Zwischen dem Grün glitzern die Steinfassaden ferngesteuerter, vollautomatischer Industriewerke. Nahezu alles, was die Bewohner von Endymion zum Leben benötigen, wird hier erzeugt. Sogar die Luft und das Wasser.

Ein radiales Straßennetz durchzieht die Anlagen, zu denen auch die Bäder und das Stadion gehören. Sein Mittelpunkt ist der Sternplatz mit dem Monument. Es stellt drei Menschen in Raumanzügen dar, die ersten auf dem Monde.

Die Basis der durchsichtigen Kuppel ist im Hintergrunde mit den Wallhängen verschmolzen, die in Terrassen ansteigen. Von dort flimmern Lichtreihen durch die künstliche Atmosphäre. Unterhalb der Terrassen führen mehrere Schleusentore in den Berg, zur Inneren Stadt.

Wenn auch die Gefahr einschlagender Meteoriten auf dem Monde längst nicht so groß ist, wie man zu Beginn der Raumfahrt noch glaubte, und die mehrschichtige Silunitkuppel weitgehend Schutz bietet, so hatte man sich doch entschlossen, das Wohnzentrum für die dreihundert Menschen von Endymion und verschiedene zentrale Einrichtungen ins Mondinnere zu verlegen.

Mit Plasmastrahlern in den Fels gebrannte Stollen laufen als breite Straßenzüge durch das ringförmige Gebirge. Sie sind gesäumt von Wohnungen, Versorgungsmagazinen, Restaurants, von Kulturstätten und wissenschaftlichen Instituten. Auch die Hauptklinik, das Sanatorium und das Gästehaus befinden sich hier.

Oberhalb der Innenstadt, mit ihr durch Lifts verbunden, glänzen die Kugeldächer des Observatoriums, wo die Teleskope auf ferne Welten gerichtet sind. Die Leitstelle für Erdbeobachtung mit dem meteorologischen Kontrolldienst hingegen hat ihren Sitz in Letronne.

Die Menschen, die in Endymion leben, führen nicht mehr das harte, entbehrungsreiche Dasein der ersten Pioniere. Sie würden lächeln, wenn man sie bedauerte, und sagen, dass eine größere Ehre als die Versetzung zur Mondstadt nicht denkbar sei.

So ist Endymion die Erfüllung eines alten Menschheitstraumes, doch schon nicht mehr Ziel, sondern nur Meilenstein.

 

Das Archiv des Selenografischen Instituts in Endymion ist ein großer, fensterloser Raum. Stahlschränke stehen rundum an den Wänden. Sie schützen den kostbaren Fundus des Instituts: Tausende von Filmen, Fotos und Diapositive, auf denen jeder Quadratkilometer der Mondoberfläche in allen Einzelheiten festgehalten ist. Die Aufnahmen stammen von Exkursionen der selenodätischen Abteilung und von den regelmäßigen Flügen unbemannter Aufklärungsraketen. Sie sind die Grundlage für genaue Mondkarten und dienen zur Kontrolle von Veränderungen des Mondreliefs.

Hier arbeitet seit Monaten der Naturwissenschaftler und Archäologe Erik Olden gemeinsam mit der Französin Li Sartou und dem Afrikaner Percy Gombare im Auftrag des Weltforschungsrats an der Lösung einer ungewöhnlichen Aufgabe.

Die Deckenleuchten des Saales sind ausgeschaltet. Der Raum ist erfüllt vom Widerschein des scharfen Lichtkegels, der auf eine Projektionswand gerichtet ist. Am Bildwerfer glimmt ein Lämpchen. Es erhellt ein herbes, verschlossenes Frauenantlitz. Wie kräftige Kohlestriche stehen die Brauen zusammengezogen über den Augen, sie geben dem Blick einen Ausdruck starker Konzentration. Das blauschwarze Haar ist glatt und streng gescheitelt.

Die kleine, zierliche Li legt mit flinken Händen einen Film ein. „Fertig!“, sagt sie. Ihre Stimme hat einen harten, spröden Klang.

Der Apparat läuft an. Li rafft den weißen Kittel und setzt sich neben Gombare, der gespannt zur Bildfläche schaut, Sein Kopf mit dem grau-melierten Kraushaar ist leicht zur Seite geneigt. Das ebenholzfarbene Gesicht glänzt im Lichtspiel des abrollenden Films.

An einem mit Papieren, Büchern und Fotos bedeckten Tisch lehnt Erik Olden. Er ist ein großer, kräftiger Mann, achtunddreißig Jahre alt. Der offene Blick, die festgeschlossenen Lippen, das vorgeschobene Kinn verraten Kühnheit und Energie. Seine Gedanken sind immer von weltweiter Fantasie beflügelt und ganz den großartigen Perspektiven zugewandt, die das eben begonnene einundzwanzigste Jahrhundert der Menschheit bietet. Wer Olden genauer kennt, bewundert die Ausdauer, mit der er ein Ziel zu verfolgen pflegt.

Wenn er geht, fällt auf, dass seine linke Schulter etwas hängt. Ursache dafür ist ein Unfall, den er vor einigen Jahren erlitt. Bei Ausgrabungsarbeiten im Sudan traf ihn ein stürzender Steinblock. Die Ärzte konnten ihm zwar den Arm erhalten, aber eine Deformierung des Schultergelenks blieb zurück. Damals lernte er Gombare kennen, der zu jener Zeit als Professor für Geschichte des Alten Orients an der Universität Khartum wirkte. Seither verbindet die beiden herzliche Freundschaft.

Der Projektor surrt leise. Auf der Bildfläche zieht eine Mondlandschaft nach der anderen vorüber. Von Bord einer ferngelenkten Rakete aufgenommen, zeigt der Film jede Einzelheit: Gebirgszüge, die ihre Spitzen fünf- und sechstausend Meter hoch der Kamera entgegen recken, glitzernde Felshänge, die senkrecht in unergründliche Tiefen stürzen, endlose wüste Ebenen, erkaltete Lavameere, unzählige Krater wie Spuren einer erbitterten Schlacht. Eine Welt der Erstarrung, zertrümmert, zerrissen, zerspalten, erschreckend und faszinierend zugleich.

„Auch in dieser Gegend werden wir nichts finden“, sagt Gombare mit weichem Bass.

Olden schweigt. Er lässt den Blick nicht vom Bild. Seine Lider sind gerötet und zucken. Die Muskeln über den Backenknochen spielen nervös.

Der Film ist abgelaufen. Olden schließt die brennenden Augen. „Genug für heute!“, entscheidet er.

Li Sartou erhebt sich und greift zur nächsten Filmkassette. „Der letzte Streifen aus diesem Planquadrat“, sagt sie.

„Gut, sehen wir uns den noch an.“

Nach ein paar Handgriffen rollt der neue Streifen über die Bildwand. Wieder Berge, Wälle, Schluchten, Spalten ohne Ende.

Es wird nicht gesprochen. Drei Augenpaare verfolgen mit zäher Aufmerksamkeit und geübtem Blick die Landschaft. Bald muss auch dieser Filmstreifen zu Ende sein. Und dann ist wieder ein ergebnisloser Tag verstrichen.

Olden presst die Zähne aufeinander. Sollte sich seine Hypothese als falsch erweisen? Nein, tausendmal nein! Er wird nicht aufgeben. Punkt für Punkt wird er den Auftrag des Weltforschungsrats durchführen, und schließlich wird er Beweise in Händen halten, unanfechtbare Beweise!

„Halt!“ Oldens Stimme zerreißt schneidend die Stille.

Li stoppt den Apparat. „Was ist, Erik?“

Gombare beugt sich vor. „Ich habe nichts Außergewöhnliches bemerkt.“

Olden gibt Li einen Wink. „Rücklauf, bitte! Etwa zehn Meter.“ Langsam rollt der Film zurück. „Genug!“

Das Bild steht. Es zeigt ein wildes Gebirgsmassiv, durchzogen von einem schmalen Tal, das in eine Hochebene mündet. Die Schatten der Bergkämme fallen lang und scharf auf die staubgraue Fläche, die im Schein der Morgensonne liegt.

„Na, und?“, fragt Gombare.

Mit langen Schritten geht Olden zur Projektionswand. Er deutet auf einen Schatten, der im Gegensatz zu den tiefschwarzen Spitzen quer verläuft und einem Bogen gleicht. „Was ist das?“, stellt er betont die Gegenfrage.

Li Sartou und Percy Gombare treten heran.

„Es sieht dem Schatten einer Brücke ähnlich“, sagt Li zögernd. „Meinen Sie nicht auch, Percy?“

Da er nicht sogleich antwortet, wendet sie sich Olden zu. Ihr Blick sucht in seiner Miene, die ihr seltsam maskenhaft erscheint. Vielleicht liegt das nur am Licht. Vielleicht narrt sie auch die Erregung, die sie eben wie eine Lawine überrannt hat. Könnte das dort in der steinernen Öde etwas sein, was nicht natürlichen Ursprungs ist?

Für Sekunden berauscht Li der Gedanke, endlich einen greifbaren Erfolg nach monatelanger Arbeit zu sehen; aber dann löscht ihr kühler Verstand den Traum aus. Schon mehrmals hatten sich ähnliche Erscheinungen als Phantome dieser bizarren Welt entpuppt. Sie streicht eine Haarsträhne aus der Stirn und sagt zu Olden: „Wir sollten Norbert Brenck hinzuziehen.“

Olden nickt, während er die Deckenbeleuchtung einschaltet. „Bitten Sie ihn gleich herüber.“

„Welche Gegend ist das?“, ruft Gombare Li Sartou zu, die schon am Telefon steht.

„Großes Alpenquertal, nordöstliches Randgebiet des Mare Imbrium“, antwortet sie.

„Danke! Wir wollen einmal sehen, was die Einzelaufnahmen von diesem Gebiet zeigen.“ Gombare geht zu den Karteischränken.

Wenige Minuten später erscheint Brenck im Archiv. Er gehört zum wissenschaftlichen Stab des Selenografischen Instituts und steht auf Anordnung des Weltforschungsrats der Gruppe Olden als Berater zur Verfügung.

Brenck ist ein Mann in mittleren Jahren, von kleiner Statur. Alles ist schmal an ihm, der Kopf, die Schultern, die Hände. Er kneift die Augen zusammen, als trete er gerade aus dem Dunklen hervor. Niemand wird ihm auf den ersten Blick hin zutrauen, dass er ein ausgezeichneter Bergsteiger ist, der den Mount Hadley bezwang, einen Fünftausender im Gebiet der Mondapenninen.

Olden empfängt ihn mit den Worten: „Sehen Sie sich das an, Norbert!“

Er deutet auf die Bildwand.

Brenck folgt blinzelnd Oldens Finger. „Nordalpen“, sagt er sofort.

„Was halten Sie von dieser gewölbten Querlinie? Sieht aus wie eine Brücke, die jene beiden Steilhänge verbindet.“

„Hm …“ Brenck mustert nachdenklich den seltsamen Schatten, „Brücke, sagen Sie?“ Um seinen Mund zuckt ein Lächeln. „Geben Sie sich nur keinen Illusionen hin, Erik.“

Li wirft Norbert Brenck einen strengen Blick zu. „Wenn es aber doch eine Brücke wäre?“

„Ich kenne ähnliche Felsbogen“, antwortet Brenck ruhig. „Zum Beispiel beim Ringgebirge Hyginus.“

Gombare kommt hinzu. Er hält mehrere Fotos in der Hand, „Hier sind Aufnahmen dieser Gegend. Keine Spur von einer Brücke.“

Olden betrachtet die Bilder, reicht sie Brenck.

„Typisch!“, sagt der. „Schatten spielen auf dem Monde eine große Rolle. Von einem Tag zum anderen verändern ganze Landschaften ihr Aussehen infolge der unterschiedlichen Lichtverhältnisse. Dabei können Schattenwirkungen auftreten, die uns weiß was vorgaukeln. Das haben Sie ja selber schon erlebt.“

„Dies ist zweifellos kein Schattenspiel!“, betont Li.

„Ich habe es auch nicht behauptet. Im Gegenteil, ich halte es durchaus für möglich, dass wir hier eine eigenartige Gesteinsbildung vor uns haben. Zumindest ihren Schatten.“

„Wie erklären Sie sich dann die Exaktheit des Bogens?“, fragt Gombare.

Brenck hebt die Schultern, „Wissen Sie, die ganze Geschichte erinnert mich an die ‚Mondbrücke', die im Jahre neunzehnhundertdreiundfünfzig am Ostrand des Mare Crisium entdeckt wurde. Sie sollte eine Länge von zwanzig Kilometern haben und ein rätselhaftes Kunstwerk sein. Sogar das große Spiegelteleskop der Mount-Wilson-Sternwarte wurde dafür in Gang gesetzt. Aber – die Brücke existierte nicht, und auch vom Monde aus haben wir sie nicht gefunden.“

Li beißt sich auf die Lippen. Sie betrachtet Olden, der mit undurchdringlicher Miene zu Boden sieht. „Diese Alpenbrücke könnte nur ein paar Meter lang sein“, gibt sie zu bedenken. „Das ist möglich, aber nicht ohne Weiteres festzustellen“, entgegnet der Selenologe. „Wir können allein nach dem Schatten urteilen und seine Dimensionen hängen bekanntlich vom Lichteinfallswinkel ab.“

„Ich möchte das an Ort und Stelle sehen“, sagt Olden verbissen.

„Bis zur Alpenpassage werden es rund tausend Kilometer sein“, bemerkt Gombare. „Und übermorgen fliegen wir zum Südmeer.“

Oldens Blick wandert über die Gesichter. „Wollen Sie deswegen darauf verzichten, ein derart auffallendes Objekt zu überprüfen?“

Li wirft den Kopf in den Nacken. „Nein, Erik. Wir glauben nur, dass Norbert Brenck recht hat und an dem Objekt nichts dran ist.“

Lächelnd legt Gombare die Hände auf Oldens Schultern. „Warum so heftig, lieber Freund? Natürlich werden wir der Sache nachgehen.“

„Schon gut. Ich wollte Sie nicht kränken, Percy. Auch Sie nicht, Li. Doch sagen Sie, was Sie wollen: Diese Brücke ist mehr als ein zufälliges Gebilde.“

Brenck weiß, Olden wird nicht lockerlassen. Man muss ihn überzeugen, dass er irrt. Seine Augen richten sich suchend auf das Landschaftsbild. „Dort kann keine Rakete landen, aber mit einem Panzerfahrzeug …“ Er sieht Olden überlegend an. „Eine Expedition startet übermorgen nach dieser Gegend. Es handelt sich um die Erweiterung der Alpenpassage. Sprechen Sie mit Alf Curtius! Das wäre eine Gelegenheit für Sie.“

Oldens Miene hellt sich auf. „Gute Idee!“

„Was wird aus dem Flug zum Südmeer?“, fragt Gombare. „Der Start ist von der Flugleitung schon festgesetzt.“ „Könnten Sie nicht allein mit Li zum Südmeer fliegen?“ „Selbstverständlich.“

„Geben Sie den Film bitte ins Labor. Man soll sofort eine Vergrößerung dieser Aufnahme anfertigen.“

Begegnung

Olden verlässt das Institut. Den Kopf voller Gedanken, geht er die Hauptstraße der Inneren Stadt hinunter. Wie jeder, der sich zeitweilig und sei es für Monate, in Endymion aufhält, wohnt er im Gästehaus. Bis dorthin hat er einen Weg von wenigen Minuten.

Es ist vierzehn Uhr nach Ortszeit. Die Zeitverhältnisse in Endymion sind nicht ganz einfach, sie bereiten jedem Neuling einige Schwierigkeiten. Die eigentliche Mondzeit läuft in vierzehntägigem Wechsel von Tag und Nacht ab. Der Ortszeit hingegen liegt mit Rücksicht auf den menschlichen Lebensrhythmus die vierundzwanzigstündige Tageszeit zugrunde.

Dieser Ortstag hat stets einen völlig gleichmäßigen Verlauf. Mit Beginn seiner ersten Stunde, also um null Uhr, setzt eine scheinbare Morgendämmerung ein. Die Leuchtelemente in den Straßenüberwölbungen der Inneren Stadt erglühen zur vollen Tageslichtstärke. Wenn die sechzehnte Stunde verstrichen ist, erlischt der Schein allmählich, es wird Nacht. Für die Äußere Stadt gilt das Gleiche bis auf einen Unterschied. Sobald draußen die vierzehntägige Tagesperiode angebrochen ist, dringt sechzehn Stunden lang das Sonnenlicht durch die gläserne Kuppel. Es wird gefiltert, damit Menschen, Tiere und Pflanzen vor der kurzwelligen Strahlung bewahrt bleiben. Um siebzehn Uhr verfärbt sich die Kuppel automatisch, und es beginnt auch hier die Nacht wie in der Inneren Stadt.

Die Länge der Tageshelle hat sich aus der Erfahrung ergeben. In Endymion verspüren die Menschen ein geringeres Schlafbedürfnis als unter gewohnten Bedingungen. Die künstliche Atmosphäre – zwar dünner als die irdische, dafür aber viel sauerstoffreicher – verhindert eine rasche Ermüdung, und die geringe Mondschwere schont die Körperkräfte erheblich.

Im Allgemeinen beginnt der Mondstadtbewohner den Tag mit dem Hellwerden, das heißt um null Uhr. Je nach Beruf wird er dann seine gesellschaftliche Arbeit leisten. Etwa zwölf Stunden stehen ihm in der Freizeit für persönliche Interessen zur Verfügung, der Rest bleibt der Nachtruhe vorbehalten.

Ohne im Geringsten eintönig zu sein, geht das Leben in Endymion seinen geregelten Gang. Hast hat es hier nie gegeben, schon deshalb nicht, weil ein jeder ohne Bezahlung erhält, was er braucht oder nach seinen Bedürfnissen zu besitzen wünscht. Olden schlendert die belebte Hauptstraße entlang. Sie ist in das matte, milchige Tageslicht getaucht, das aus unsichtbarer Quelle herniederströmt, als dringe es durch einen leichtbedeckten Sommerhimmel. Sanfter Wind, künstlich erzeugt, streicht über die Köpfe der Passanten hinweg. Immer weht dieser Wind, er trägt reine, sauerstoffreiche Luft bis in den letzten Winkel der Inneren Stadt.

Auf beiden Seiten der Straße erheben sich die Mondsteinfassaden der Wohnungen, der Büros, des Klubs, der Zentralbibliothek, des Theaters. Schaufenster gewähren Einblick in die Versorgungsmagazine, in Speiseautomaten und andere Einrichtungen. Lichter in zarten Farben, Blumen aus den Gärten, von irgendwoher gedämpfte Musik und überall Menschen, die gemächlich-heiter ihrer Wege gehen.

Es ist fast wie auf der Erde. Gewiss, nicht so weitläufig, nicht so vielfältig, nicht so reich und doch ein Stückchen Heimat, von Menschenhand in eine fremde Welt hineingezaubert.

Olden benutzt die Rolltreppe zum oberen Teil der Stadt. Eine gläserne Flügeltür schwingt automatisch vor ihm auf. Er tritt in die Vorhalle des Gästehauses.

Um diese Zeit ist es hier ruhig. Zwei Fremde warten vor der Anmeldung. Bei dem großen Mondglobus aus Messing, einem Geschenk des Forschungsrats, steht eine junge Frau. Olden streift sie mit flüchtigem Blick. Sie hat ihm den Rücken zugekehrt. Neue Gäste, denkt er, und dabei fällt ihm ein, dass das planmäßige Raumschiff bereits gelandet sein muss.

Er erkundigt sich bei der Anmeldung. „Ist Post für mich mitgekommen?“

Die Frage wird verneint. Olden wendet sich dem Gang zu, der zu seinem Appartement führt.

Mit einem Mal steht die Frau vor ihm. Groß, schlank, mit kurzem, kupferfarbenem Haar. Er blickt in blaugraue Augen. Über sein Gesicht fliegt freudiges Erkennen. „Wera!“ Er fasst ihre Hände. „Sie hier? Das ist eine Überraschung!“

„Wir sind heute erst eingetroffen“, sagt Wera Lyssowa. „Montageauftrag?“, fragt er interessiert.

Sie lacht. „Aber, Erik! Ich habe doch seit Jahren schon nichts mehr mit Kybernetik zu tun. Zumindest nicht direkt.“

„Richtig, Sie sind zur Raumfahrt gegangen.“ Er entdeckt das Abzeichen an ihrem Ärmel. „Interplanetarer Flugdienst? Nicht zu glauben! Wera auf Fernflug im Kosmos!“ Er fasst ihren Arm und führt sie zu einer von Blattpflanzen umrankten Sitzecke. „Sie müssen mir erzählen, wie es Ihnen ergangen ist.“

„Zuerst aber verraten Sie mir den Grund Ihres Aufenthalts in Endymion. Was sucht ein Archäologe auf dem Mond?“

„Das ist in wenigen Worten nicht zu sagen. Ich werde es Ihnen gelegentlich erklären.“

Besorgt mustert sie ihn. „Sie sehen überarbeitet aus, Erik. Und was ist mit Ihrer Schulter?“

Er winkt lässig ab. „Unfall. Vor Jahren schon. Es ist nichts von Bedeutung. Oder hat meine Schönheit sehr gelitten?“

Wera schüttelt lächelnd den Kopf. Ihre Gedanken eilen in jene Zeit zurück, als sie ihn an der Universität kennenlernte.

Die Physikstudentin Wera Lyssowa war von dem jungen Dozenten Erik Olden begeistert. Seine zielbewusste Art, Ideen und Probleme anzupacken, faszinierte sie. Es gab schließlich Stunden, Tage, da sie die Arbeit über ihn vergaß und träumend liegenließ. So wäre gleich ihr erstes Examen ein Fiasko geworden, wenn er ihr nicht geholfen hätte.

Ob sein Interesse an ihr mehr als Kameradschaft bedeutete, war nie offenbar geworden. Später schien es so, dass er sie meide. Dann trennten sich ihre Wege und lange hörte sie nichts von ihm.

Nach Jahren erst tauchte sein Name im Zusammenhang mit erfolgreichen Ausgrabungsarbeiten auf, die der Forschungsrat in Vorderasien durchführen ließ. Olden als Archäologe? Das war überraschend. Er musste inzwischen ein zweites Studium absolviert haben. Wie sie ihn kannte, stand dahinter gewiss ein fest umrissener Plan, eine ganz bestimmte Absicht.

In der Folgezeit erschienen einige Schriften und Bücher von ihm. Sie bezogen sich auf seine neue Tätigkeit, verrieten jedoch seine Pläne nicht.

Bei den Jubiläumsfeierlichkeiten der Universität sah sie ihn wieder. Sie hatte inzwischen ihre Arbeit als Programmtechnikerin für elektronische Steuerungsautomaten mit dem Dienst in der Raumfahrt vertauscht. Das Wiedersehen kam damals ebenso unerwartet wie jetzt in Endymion, und es war eigentlich nur ein kurzes Gespräch. Sie fragten sich nach dem Woher und Wohin. Als sie sich nach seinen Vorhaben erkundigte, antwortete er, dass er über unausgereifte Gedanken nicht sprechen wolle.

So schieden sie wieder voneinander. Sie hatte das Gefühl, ihm weit entrückt zu sein, und sie war es bald auch tatsächlich. Kurz darauf begannen ihre Reisen zur Satellitenstation Venus und zum Mars. Nach der Rückkehr erhielt sie das Patent als Navigatorin für interplanetare Flüge.

Über Olden las sie später, dass er ein hervorragender Gelehrter wäre, und es war in der Welt die Rede von einer Oldenschen Hypothese, die ebenso kühn wie umstritten zu sein schien. Nie hatte sich Wera näher damit befasst, denn ihre Arbeit nahm sie ganz und gar in Anspruch.

„Unsere Wege sind weit auseinandergegangen“, sagt sie leise. „Sehr weit!“ Es ist, als ziehe sie einen Schlussstrich unter die Erinnerung.

Er blickt sie versonnen an. „Und plötzlich stehen Sie vor mir. Wie eine Göttin, die vom Himmel gestiegen ist.“

„Göttin in Fliegerkombination!“ Sie wirft sich lachend zurück.

Er bleibt völlig ernst. „Warum nicht?“

„Lassen Sie die Götter aus dem Spiel, Erik“, sagt sie. „Wir haben mit ihnen nichts mehr zu schaffen,“

„Vielleicht doch.“

„Na, hören Sie!“ Wera richtet sich erstaunt auf. „Haben die Götter etwa jemals gelebt?“

„Ich weiß es nicht.“

Sie sucht in seiner Miene. Es liegt kein Spott darin. „Das sagen Sie, ein Wissenschaftler des einundzwanzigsten Jahrhunderts?“

„Ja“, antwortet er einfach.

In diesem Moment kommt Riggs.

Wera macht die Männer miteinander bekannt. „Douglas Riggs ist Chefingenieur der ,Rhea‘.“

„Wohin soll der nächste Flug gehen?“, erkundigt sich Olden. Riggs hebt die Schultern. „Das Reiseziel ist noch nicht bekannt. Das heißt, vielleicht weiß der neue Kommandant schon mehr als ich.“ Er deutet auf Wera.

Überrascht wendet Olden den Kopf. „Sie, Wera?“

„Ja, ich bin erster Pilot der ,Rhea‘„, sagt sie, über sein Staunen amüsiert. „Aber mehr als Doug weiß auch ich vorläufig nicht. Das Raumschiff bleibt einstweilen auf der Außenwerft.“

„Es ist Zeit, Wera!“, mahnt Riggs. „Man erwartet uns bei der Flugleitung.“

Olden schaut auf die Uhr. „Und ich muss sofort Alf Curtius anrufen.“

„Alf Curtius?“, fragt Wera.

„Er ist der Bevollmächtigte des Weltforschungsrats in Endymion.“

„Oh! Wir trafen ihn im Raumschiff.“ Wera erhebt sich. Sie reicht Olden die Hand. „Auf baldiges Wiedersehen!“

„Ich werde für einige Tage verreisen. Wenn ich zurück bin, verbringen wir einen gemütlichen Abend im Klub. Einverstanden? Dort werde ich Sie mit meinen Freunden bekannt machen. Das wird sehr interessant für Sie sein.“

„Das Interessanteste auf dem Mond, scheint mir, sind Sie selber, Erik.“

„Revanche für die – Göttin?“

„Aber nein! Ich meine es genauso ernst wie Sie vorhin.“

Olden betritt sein Arbeitszimmer. Wände und Decke leuchten in sanftem Rot auf. Er reguliert das Licht, bis es über die Regenbogenskala den Farbton sonnigen Laubgrüns annimmt. Das tut den angestrengten Augen wohl.

Ein Weilchen steht er grübelnd vor dem Fernsprecher. Dann drückt er eine Taste nieder.

Curtius meldet sich.

„Erik Olden?“

„Entschuldigen Sie die späte Störung. Ich hörte, dass die Alpenexpedition bald aufbrechen wird.“

„Das stimmt. Mit Beginn der Tagesperiode sollen zwei Großpanzer abrücken.“

„Wir haben heute ein Objekt registriert, das überprüft werden müsste. Es liegt im Alpengebiet.“

„Ein Objekt? Was ist es denn?“

„Nur ein Schatten. Man kann noch nichts sagen.“

„Wollen Sie mit der Expedition fahren? Sie haben einen Flug zum Südmeer gemeldet.“

„Den übernehmen Li Sartou und Percy Gombare.“

„Gut. Ich werde veranlassen, dass ein Fahrzeug für Sie bereitgestellt wird, mit dem Sie sich der Expedition anschließen können. Norbert Brenck soll Ihnen zur Seite stehen. Noch etwas?“ „Nein. Das genügt für die erste Untersuchung.“

„Dann viel Glück! Halten Sie mich bitte stets auf dem Laufenden.“

„Danke!“

Olden nickt befriedigt. Er greift nach einem Schaltknopf.

Die vordere Silunitwand des Raumes versinkt lautlos. Vor Olden liegt eine Terrasse.

Von hier aus schweift der Blick weit über die Äußere Stadt mit ihren Gärten, aus denen würziger Blütenduft emporsteigt. Das künstliche Tageslicht des gläsernen Himmels ist erloschen. Hinter der Kuppel stehen Sterne, und dicht über den Graten der Berge hängt die Erdkugel. Sie erscheint der Fläche nach vierzehnmal größer als der Mond am irdischen Firmament. Ihr starker bläulicher Glanz fällt auf die schlafende Stadt.

Olden lehnt mit verschränkten Armen an der Brüstung. Tausend Gedanken gehen ihm durch den Kopf. Auf einmal wird ihm bewusst, dass er zur Erde hinaufstarrt und – an Wera denkt.

Spuren im Staub

Die Sonne ist über Endymion aufgegangen. Sie wird nun vierzehn Erdentage lang scheinen, und wo ihre Lichtflut die Mondwelt trifft, wird bald eine Hölle sein.

Beim jähen Aufflammen des Tagesgestirns hat sich die Kuppel der Äußeren Stadt gefärbt. Ihre gläsernen Wände sind rauchbraun geworden. Dennoch bleibt das orangefarbene Licht so intensiv, dass Pflanzen und Früchte üppig gedeihen. Erst nach der sechzehnten Stunde eines jeden Ortstages verdunkelt sich die Kuppel vollends, und für acht Stunden herrscht künstliche Nacht.

Bald nach Anbruch des Mondtages ist die Alpenexpedition zur Abfahrt bereit. Am „Stern“, dem zentralen Platz, stehen drei Kettenfahrzeuge. Die beiden vorderen, die auf silbergrauem Anstrich die Bezeichnung „P 19“ und „P 20“ tragen, haben eine Höhe von fünf Metern. Sie sind hermetisch verschließbar und durch doppelte Panzerung gegen Steinschlag und Meteoriten geschützt.

Jeder dieser Großpanzer hat Platz für eine fünfköpfige Besatzung und ist mit allem ausgestattet, was zu einer längeren Forschungsreise notwendig ist. Da sind Schlafkojen, Vorrats- und Materialräume, ein Labor, die Funkkabine und natürlich der Steuerstand für die starken Motoren. Das dritte Fahrzeug mit dem Zeichen „P 5“ ist kleiner. Es nimmt nur drei Personen auf.

In einer halben Stunde soll die Fahrt beginnen. Mason, der Expeditionsleiter, hält auf Pünktlichkeit. Vor den geöffneten Luftschleusen der Fahrzeuge stehen in Gruppen die Reiseteilnehmer. Es sind vorwiegend Selenologen und Ingenieure. Sie tragen weiße Skaphander ohne Schutzhelm.

Zubringerwagen kommen an, fahren ab. Noch werden Kisten und Geräte verladen. Mechaniker überprüfen ein letztes Mal Ketten, Getriebe und Motoren. Mason geht von Fahrzeug zu Fahrzeug. Vor der Schleusentür des „P5“ steht Olden. Auch er ist mit einem Schutzanzug bekleidet.

Mason tritt heran. „Alles klar?“

„Ich warte nur noch auf Norbert Brenck.“

„Hoffentlich wird Ihre Fahrt nicht umsonst sein.“

„Hoffen wir’s!“

Ein junger Mensch erscheint in der Tür. Es ist Ingenieur Arenz, der Führer des „P 5“.

„Wird sich das Wetter halten?“ Mason schaut blinzelnd zur Kuppel, als suche er nach Wolken.

„Für Nachmittag ist Regen angesagt“, erwidert Arenz und lacht.

Brenck kommt. „Von mir aus kann’s losgehen.“

Mason wirft einen Blick über das Fahrzeug. „,P5‘ fahrbereit?“

„Ist fahrbereit!“, meldet Arenz.

Er steigt ein. Olden und Brenck folgen. Die Luke schnappt zu.

An der Stirnseite der beleuchteten Kabine, vor den Skalen des Armaturenbretts und dem Bildschirm, ist der Platz des Fahrers. Dahinter haben Olden und Brenck ihre Sitze. Ein Klapptisch und zwei Liegen vervollständigen die nüchterne Einrichtung. Im rückwärtigen Teil befinden sich ein paar Nebenräume.

Arenz lässt das „Auge“ des Panzers aufblenden. Die Fernsehkamera zeigt den Platz und die beiden anderen Fahrzeuge. Auch deren Mannschaften sind bereits eingestiegen. Antennen spielen tastend über den Panzerrücken.

Mason meldet sich im Lautsprecher. Die Funkverbindung ist in Ordnung. Der Expeditionsleiter gibt den Befehl zur Abfahrt. Motoren heulen auf. Die Giganten setzen sich in Bewegung. „P 5“ schließt sich an.

Langsam rollt die Kolonne der großen Außenschleuse entgegen, vorbei an den hydroponischen Gartenkulturen und Plantagen. Brenck und Olden haben noch einmal Proviant und Ausrüstung durchgesehen. Nun sitzen sie wieder in ihren Sesseln und verfolgen die Fahrt auf dem Bildschirm.

Olden ist in Gedanken längst am Ziel.

„Sagten Sie nicht, Norbert, Sie wären schon einmal im Alpengebiet gewesen?“

„Ich habe die erste Durchquerung des Großen Tals mitgemacht und auch einige Gipfel der Südalpen erstiegen. Es ist eine der wüstesten Gegenden, die ich bisher auf dem Mond gesehen habe.“

„Wir wollen ja zum nördlichen Teil.“

„Dort ist’s wahrscheinlich nicht besser.“

„Sie machen mir angst“, sagt Olden. In seinen Worten liegt Ironie.

„Hören Sie nicht auf ihn!“, ruft Arenz über die Schulter hinweg, „Norbert Brenck ist ein ausgemachter Pessimist.“

„Das glaube ich nicht. Ein Bergsteiger muss ebenso optimistisch sein wie ein Archäologe“, erwidert Olden heiter. „Was meinen Sie, Norbert?“

Brenck schaut blinzelnd geradeaus. „Wenn Ihnen nur an der Bergtour etwas läge, hätten Sie recht.“

Die Schleuse wird passiert. Mit einem Schlag verändert sich das Bild. Stechend grell steht die kahle Landschaft in der Sonne, tintenschwarz dazwischen die harten Schatten. Die Männer schließen geblendet die Augen, aber schon schieben sich die Filter vor die Kameraobjektive.

Die Panzer fahren über die Obsidianstraße. Die „Vororte“ von Endymion tauchen auf: die Fabriken, die Heliowerke, in denen jetzt Sonnenenergie für die nächste Mondnacht gespeichert wird. Bald erscheinen auch die Kuppeln der Flughafenzentrale, der Werkhallen und dann die Startflächen. Monteure in bleigrauen Skaphandern heben die Arme zum Gruß.

Bei den Raketenflugplätzen endet die Straße. Einige Blinkfeuer noch, die letzten Spuren menschlicher Tätigkeit verschwinden hinter den Berghängen. Vor der Panzerkolonne liegt nun die unberührte Mondwelt, ein Ozean erstarrter Lava, den Jahrmillionen alter Staub bedeckt.

Bis an den Horizont zieht sich die gewellte Ebene des Mare Frigoris hin. Am schwarzen Himmel hängt der Erdball, sein östlicher Rand ist in nächtlichem Dunkel verborgen. In dem Maße, wie sich die Sonne über dem Mond erhebt, wird die leuchtende Scheibe des Planeten schwinden, bis eine schmale Sichel bleibt und schließlich nichts mehr sichtbar ist.

In der Kabine des „P 5“ steigt die Temperatur merklich. Die Klimaanlage schaltet sich ein.

Arenz dreht die Wählscheibe des Radios. „Mal hören, was uns Mutter Erde zu bieten hat.“

Eine Lautsprecherstimme verkündet: „Hier ist der Hörfunk angeschlossen, der Sender Endymion. Wir übertragen ein Konzert aus Berlin.“

„Als es noch keine Funksatelliten gab, waren wir unterwegs gänzlich auf uns angewiesen“, erzählt Brenck. „Eine Verbindung mit der Erde gelang nur unter besonders günstigen Verhältnissen.“

„Hatten Sie nicht ständig Kontakt mit dem Stützpunkt?“, fragt Olden.

„Keineswegs. Infolge der starken Krümmung der Mondoberfläche ist die direkte Funkverbindung höchstens über wenige Kilometer möglich.“

Olden lehnt sich zurück und lauscht den Klängen.

Die Fahrzeuge haben die Geschwindigkeit gesteigert. Ihre schweren Ketten wirbeln über den glitzernden Boden und hinterlassen kleine Staubfontänen.

 

Nach zehnstündiger Fahrt stoppt die Kolonne vor einem langgestreckten Tal, das von Ausläufern des „Aristoteles“ gebildet wird. Über dem südlichen Horizont erhebt sich das Massiv des Ringggebirges, dessen Hänge mehr als siebentausend Meter tief ins Wallinnere abstürzen.