Gerhard Branstner
Das Verhängnis der Müllerstochter
Sänge und Reime
Aus etlichen Jahrhunderten deutscher Volksdichtung ausgebuddelt und fürwitzig zurechtgemacht oder füglich neu erdacht
ISBN 978-3-96521-173-5 (E–Book)
Titelbild: Ernst Franta
Scherz und Ernst sind wenig nütze ohne Heiterkeit als Stütze
© 2019 EDITION digital
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»1«
Gar wohl auf einem Tanz
verlor sie ihren Kranz.
Was mag das für ein Kranz gewesen sein?
Was mag das für ein Tanz gewesen sein?
» 2 «
Der Obstgärtner:
Was hab ich nicht versucht,
die Stare zu verscheuchen.
Doch jetzt, so will mir deuchen,
sind sie aus meiner Welt.
Ich habe meine Frau
als Scheuche aufgestellt.
Der Lagerhalter:
Mein Weib, das ist drei Zentner schwer
und misst dasselbe längs wie quer.
Drum teilt man es in Zonen,
will man die Augen schonen.
Der Kopf ist einem Kürbis gleich,
die Augen sind verquollen,
das Kinn hat Kinn und Kinneskinn,
da ist der Hals verschollen.
Der Busen ist kein Busen mehr
und auch kein Meeresbusen,
da können ganze Völkerscharn
zur gleichen Zeit dran schmusen.
Dieses Massenmedium
hängt gewaltig lang herum,
was beim Tanz Verdruss erregt,
weil es an die Schenkel schlägt.
Vor den Beinen muss ich warnen,
denn was zwischen diesen klafft,
hat schon manchen unerfahrnen
Mann samt Hut dahingerafft.
Ja, mein Weib, das ist ’ne Tolle,
wo du’s greifst, greifst du ins Volle.
Ja, mein Weib, das ist ein Trumm.
Und ich hüpfe um es rum
und ruf andermal ums eine:
Alles meine! Alles meine!
Der Totengräber:
Auch wenn es unbegreiflich ist,
ich lieb mein Frauchen sehr.
Und wenn es erst gestorben ist,
dann lieb ich es noch mehr.
So sprachen die drei Männer
als wahre Frauenkenner.
Und auch zum guten Schluss
spricht jeder (weil er muss):
Ich lobe mir die meine
und brauche weiter keine.
» 3 «
Hat deine Frau ein schiefes Maul
und eine krumme Seele,
dann drücke ihr die Gurgel zu,
dass sie sich nicht mehr quäle.
nach einem Witz
» 4 «
Der Schneider, jäh im Zorne,
will‘s dem Lehrling weisen
und wirft das Bügeleisen
nach dem armen Tropf.
Der duckt sich, und das Eisen
trifft die Meisterin am Kopf.
»Na, auch gut«, brummt der Schneider
und näht besänftigt weiter.
» 5 «
Ich kann nicht widerstehen:
Ich stürze mich in wahrer Wut
ins Fressen und ins Saufen.
Ich rülpse gern und furze gut
aus sämtlichen Kaldaunen.
Da schweigen die Posaunen.
Wie lang mag das noch gehen!
Ich kann nicht widerstehen.
Ich stürze mich in wahrer Wut
in jeden noch so dummen Streit
und schüre ihn zum großen Krach.
Ich dresche alle Nasen breit
und brülle wie ein Stier.
Da zittern Mensch und Tier.
Wie lang mag das noch gehen!
Ich kann nicht widerstehen.
Ich stürze mich in wahrer Wut
auf meine kleine Stute
wie ein wildgewordner Hengst
und gebe ihr die Rute,
bis dass der Tag erwacht.
Da sag ich gute Nacht.
Wie lang mag das noch gehen?
Wir werden es ja sehen.
Eheabratung
» 6 «
Mädchen, nimm dir nie und nimmer
einen Ehemann.
Was er von Berufes wegen,
höre dir jetzt an:
Der Uhrenmacher zieht dich auf,
der Drechsler dreht dir Spindelbeine,
der Kutscher nimmt dich ins Geschirr,
der Schneider plättet dir gleich eine,
der Schornsteinfeger schwärzt dich an,
der Klempner redet dauernd Blech,
der Nagelschmied schlägt auf den Kopf,
der Schuster bringt dir nichts als Pech,
der Schindeldecker hockt nur oben,
der Maurer denkt nur an den Durst,
der Seiler dreht dir einen Strick,
dem Fleischer bist du völlig Wurst.
Nun weißt du, was dir blühen kann,
nimmst du dir einen Ehemann.
nach P.W. Hensler
»7«
Bedrängt in ihrer Ehre
rief Doritte
Gott um Hilfe an
in stummer Bitte.
Der war der nächste ihr von allen,
denn vor Angst war ihr entfallen,
dass nebenan ihr Gatte saß
und in der Zeitung las.
»8«
Ich möchte deine Kleidung sein,
da wär ich immer um dich.
Am Tag das Halterchen zu zwein,
das Höschen selbstverständlich,
und nachts dein Flatterhemde.
Spricht das nicht Liebesbände?
» 9 «
Amint und Doris waren Hirten,
doch fanden beide es gescheiter,
statt Schafe hüten Scherz zu treiben
und so weiter, und so weiter.
Nur scherzte Doris nicht umsonst.
Da zahlte er als nobler Streiter
einen Gang mit einem Schäfchen
und so weiter, und so weiter.
Amintens Herde schrumpfte schnell.
Am Ende bat der flotte Reiter:
„Lass mich ohne Schaf noch einmal!“
und so weiter, und so weiter.
„Erwirb die Herde dir zurück,
jetzt zahle ich!“, rief Doris heiter,
und sie küsste ihm das Sterzchen
und so weiter, und so weiter.
Er holte Schaf für Schaf zurück
und überdies noch ihre - leider:
Nun muss wieder er bezahlen
und so weiter, und so weiter,
und so weiter …
»10«
Ein Jäger hat ein Horn, gib acht!
Das bläst er nur bei Nacht tirilü
das bläst er nur tirilütütü, das bläst er nur
bei Nacht.
Und er versteht sich auf das Horn
von hinten und von vorn tirilü.
Von hinten und tirilütütü, von hinten und
von vorn.
Und als sich ihm ein Mägdlein naht,
was glaubt ihr, was er tat tirilü,
was glaubt ihr, was tirilütütü, was glaubt ihr, was
er tat?
Er zeigte ihr das Instrument
und fragt’, wie sie es fänd’ tirilü,
und fragt’, wie sie tirilütütü, und fragt’, wie sie
es fänd’.
Das Mägdlein nahm’s in Augenschein
und in die Hände zwein tirilü,
und in die Händ’ tirilütütü, und in die Hände
zwein.
„Das Horn find’ ich gar recht“, sprach sie,
„wenn Ihr auch kennt das Spiel tirilü,
wenn Ihr auch kennt tirilütütü, wenn Ihr auch kennt
das Spiel.“
Der Jäger sprach: „Ich kenn’ es wohl“,
und stieß mit großer Kunst
die Töne, dass die Ader schwoll –
tirilütutü! Tirilü!
Und auch die Zwischentöne,
die weichen und die andern,
lässt er in schnellem Wechsel
durch alle Lagen wandern –
tirilütutü! Tirilü!
Noch manch verschlungne Wendung
und unverhofften Sprung
vollführt sein Instrument.
Da naht die Morgendämmerung –
tirilütütü! Tirilütütü!
Sprach sie: „Ach schnell noch mal von vorn,
es ist ein Wunderhorn tirilü, tirilü,
es ist fürwahr tirilütütü, fürwahr ein Wunderhorn.
Ach schnell noch mal tirilütütütütü,
ach schnell noch mal von vorn!«
»11«
Sie war Nähmamsell,
er bei der lnfant‘rie.
Sie stach ihn mit der Nadel,
er schoss mit dem Gewehr.
Da war sie tief verletzt
und schnitt ihn mit der Scher.
Nun stieß er mit dem Bajonett,
und das fand sie nun wieder nett.
»12«
Sie war so abergläubisch,
dass sie, ungelogen,
erschrak, wenn sie an einem Freitag
ihren Mann betrogen.
nach A. L. Karsch
»13«
Ein Ehemann von sanftem Wesen
ertrug sein Weib mit viel Geduld.
„Ich bring mich um“, so rief sie ständig,
„und daran hast nur du die Schuld!“
Er bat sie stets in sanftem Ton:
„Hör auf mit dieser dummen Grille.“
Doch sie schrie immer heftiger:
„Das ist mein absoluter Wille!“
Da blieb ihm keine andre Wahl:
Er trug sie an ein nahes Wasser.
Sie hörte bald zu schreien auf
und wurde blass und blasser.
Er ließ sie, ganz in seiner Art,
sanft fallen in das kühle Fließ
just da, wo es am tiefsten war,
damit sie sich nicht unten stieß.
„Das“, sprach er, „war doch nur dein Wille.
Da rief sie in der Wassernot:
„Mein lieber Mann, mach mich nicht tot,
glaub mir, es war nur eine Grille!“
Dann war sie endlich stille.
Die Wahrheit ist die:
Das Weib schweigt nie.
nach einer echten Moritat
»14«
In einem grünen Tale,
nicht weit vom tiefen Wald,
steht eines Müllers Mühle,
darin ein Kindlein lallt.
Und am Ende von dem Tal
rauscht ein großer Wasserfal.
Nach sechzehn, siebzehn Jahren,
da lallt das Kind nicht mehr.
Da ist’s ’ne ranke Jungfer,
die trällert froh umher.
Und am Ende von dem Tal
rauscht ein großer Wasserfal.
Ein Förster wollt’ sie freien,
der ihr die Liebe bot.
Ein Wilddieb kam gegangen
und schoss den Förster tot.
Und am Ende von dem Tal
rauscht ein großer Wasserfal.
Der Wilddieb, schön und heftig,
nahm sie in seinen Arm.
Da endigte sein Leben
ein Schuss von dem Gendarm.
Und am Ende von dem Tal
rauscht ein großer Wasserfal.
Sie glaubt’, mit dem Gendarme
war sie aus allem Leid.
Doch in einem Gemenge
schlug ihn ein Räuber breit.
Und am Ende von dem Tal
rauscht ein großer Wasserfal.
Der Räuber nahm sie mit sich
auf seine Lagerstatt.
Da stahl sie ihm das Messer
und dolcht’ ihn, bis er matt.
Und am Ende von dem Tal
rauscht ein großer Wasserfal.
Nun sitzt sie bei der Mühle
und weint in sich hinein.
Wie kann nach so viel Liebe
man so alleine sein.
Und am Ende von dem Tal
rauscht ein großer Wasserfal.
Und am Ende …
»15«
Ihr zarten Herzen, hört ein Trauerlied,
wenn mir dabei nicht Stimm’ und Atem flieht.
Ein Lied von all dem Kummer, Gram und Schmerz,
der traf der ungetreuen Linda Herz.
Fort ging der Gatte, und der Buhle kam.
Sie öffnet ihm, er in den Arm sie nahm.
Da kommt zurück, kommt schneller als er soll,