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Pardon, sagen wir du?


Pardon, sagen wir du?

Heitere Erzählungen
1. Auflage

von: Wolfgang Eckert

6,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 06.12.2022
ISBN/EAN: 9783965218079
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 156

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Wo spielen diese Geschichten eigentlich? Es sind jedenfalls keine Gegenwartsgeschichten, keiner gegenwärtigen Gegenwart, sondern die einer vergangenen Gegenwart – gewissermaßen gegenwärtige Vergangenheitsgeschichten. Sie spielen zu einer Zeit in einem Land, in dem ihr Verfasser offenbar gern gelebt und gut beobachtet hat, wie andere Leute in diesem Lande lebten. Und einige seiner Beobachtungen hat er mit meist heiter-ironischem Blick aufgeschrieben. So dass wir uns heute noch einen kleinen Eindruck von den Leuten und ihrem Leben in dem damaligen Land machen können.
Insgesamt 6 solcher Heiteren Erzählungen präsentiert der Autor hier seinen Leserinnen und Lesern. Und sie können sich dann überlegen, ob sie den Schriftsteller anschließend duzen wollen.
Diese Eisenbahn-Passagiere in „Mit Ehrwürden fing alles an“ sind besondere Leute: Das einzige, was uns allmählich sicher machte, waren die Klopfzeichen des Schienenstranges. Wir spürten jede Schraube, jede Schwelle und konnten sogar das Alter des Gleises schätzen, wenn einer 'ne Wette mit uns darüber abgeschlossen hätte. Plötzlich grölte die Lok und drosselte scharf das Tempo. Wie klug, dass wir immer unsere Flaschen schließen. Denn nichts in der Welt können wir schwerer verwinden als vergossenes Bier.
Es handelt sich um eine verschworene Truppe, Gleisarbeiter. Zu ihnen war eines Tages ein Neuer gekommen, ein Tischler, ein Sargtischler, den sie Ehrwürden nannten. Und der krempelt die ganze Brigade um. Und nicht nur das.
„Kistentruschka“ ist ein Spitzname für einen, der etwas von seiner Arbeit versteht. Allerdings bekommt er trotzdem Probleme mit Frau und Sohn. Und auch in der Unterwelt gibt es Schwierigkeiten.
In „Ganzfoto erwünscht“ geht es um die Vorliebe, gern zum Friseur zu gehen, und um die Erwiderung auf eine Zeitungsannonce sowie um eine Münzsammlung.
In „Ein Ereignis namens Elsbeth“ taucht auf einmal eine Ausreißerin auf, eine tierische Ausreißerin. Und zudem geht es um Liebe – zu Büchern und zu einem Mädchen sowie um die Wahrheit in Geschichten.
„Als sie wieder einmal Wüstlinge waren“ erzählt von Damenjägern, auch Chasseurs genannt.
„Die Entdeckung Transustaniens“ hat für zwei junge Kfz-Schlosser ungeahnte Folgen. Ein Wolga spielt dabei auch eine Rolle. Und wissen Sie, was Offert-Ingenieure sind?
„Pardon- sagen wir du?“ ist keine Geschichte, sondern eine Art Nachwort seines Lektors Klaus Walther, der über den Autor noch einiges Wissenswertes mitzuteilen hat. Pardon, sagen wir du? Warum nicht?
Mit Ehrwürden fing alles an
Kistentruschka
Ganzfoto erwünscht
Ein Ereignis namens Elsbeth
Als sie wieder einmal Wüstlinge waren
Die Entdeckung Transustaniens
Pardon- sagen wir du?
Geboren am 28. April 1935 in Meerane.
Nach der Grundschule Besuch der Meeraner Webschule mit dem Abschluss als Wollstoffmacher und arbeitete anschließend in Webereien.
Von 1960 bis 1963 studierte er am Leipziger Literaturinstitut „Johannes R. Becher“. Danach leitete er die Gewerkschaftsbibliothek im VEB „Palla“. Neben der Halbtagstätigkeit widmete er sich seinem schriftstellerischen Schaffen.
Er gründete einen Literaturklub, war künstlerischer Betreuer des Zirkels Schreibender des Kulturbundes des Kreises Glauchau.
Von 1989 bis 1992 war er Redakteur beim „Meeraner Blatt“ und von 1992 bis 1993Referent des sächsischen Landtagsabgeordneten Joachim Schindler (SPD).
Seit 1970 schrieb Eckert als freiberuflicher Schriftsteller zwei Fernsehspiele, ein Theaterstück, zwei Romane, Erzählungen, Feuilletons, Geschichten, Aphorismen, Autobiografien, eine Biografie und Gedichte. Außerdem verfasste er Beiträge für 24 Anthologien sowie Artikel für zahlreiche Zeitungen. Eckerts Erzählweise reicht von humoristischen, ironisch-satirischen, politisch bissigen bis hin zu ernsten Tönen.
Auszeichnungen:
Förderpreis des Institutes für Literatur „J. R. Becher“ Leipzig und des Mitteldeutschen Verlages Halle 1972
Hans-Marchwitza-Preis der Akademie der Künste der DDR 1974
Kurt-Barthel-Preis des Bezirkes Karl-Marx-Stadt 1983
Johannes-R.-Becher-Medaille in Silber und Bronze des Kulturbundes der DDR
Bürgermedaille der Stadt Meerane 2016
Dann aber döste er wieder vor sich hin. Seine Knochen schmerzten noch von der Fahrt mit dem gemeindeeigenen Büslein, das die Urlauber von Brüttelshau nach Klingerbach klapperte. Er dachte an die quälende Wartezeit, weil der Fahrer erst einmal zum Friseur gegangen war. Danach hatten sie ihm, Dietrich Dräuling, noch zwei leere Milchkannen und sechs Waldarbeiterhacken untergeschoben. Schließlich aber kam er doch donnernd und scheppernd in Klingerbach an, zu einer Wirtin, die Rosa Kneipke hieß, und ihrem Mann, der sich Lob nannte. Das Zimmer war klein und sauber. Überm Bett hing ein Holzbrett, die Ränder verschnörkelt, und in der Mitte stand: Bleib dir treu stets aufs neu'.
Vorm Fenster stieg der Berg in die Lüfte, der Berg, an dessen Bauchseite er jetzt lag und auf zitronengelbe Falter wartete, während er sich vornahm, die vierzehn Tage mit keinem Bauern und keinem Buch zu sprechen. Er schloss die Augen. Das leise Sirren der Waldgräser war in seinem Ohr und manchmal noch die Straßenbahn Nummer sieben, wenn sie um die Ecke Rudolf-Herrmann-Allee zum Postplatz kreischte.
Manchmal noch raschelten die Gräser wie Buchseiten.
Nach einer Weile sah er ein Mädchen auf dem Kammweg. Sie trug ein kurzes geblümtes Kleid, gürtellos, das aus seiner Sicht noch kürzer wirkte. Das Gesicht erregte im Moment nicht seine Aufmerksamkeit. Das Mädchen blieb etwa sechs Meter vor ihm stehen und begann in einer Landkarte zu suchen.
„Wohin wollen Sie denn?“, fragte er durch die Gräser.
Das Mädchen stieß einen Schrei aus, der ihn an bestimmte Fernsehfilme erinnerte, fing sich aber schnell und sagte: „Haben Sie mich erschreckt. Ich wollte wissen, ob Klingerbach südlich liegt.“
„Klingerbach ist schön“, sagte er und sah sie an.
„Das weiß ich“, erwiderte sie, „ich komme ja von dort. Ich habe mich nur in diesem Wald verfitzt.“
Sie setzte sich neben Dietrich, und nun sah er, dass sie ein schmales Gesicht hatte und glattes, bis auf die Schultern fallendes Haar. Die Flaumstriche ihrer Augenbrauen verwunderten ihn, und die Tatsache, dass er ihre leicht gewölbten Nasenflügel interessant fand, machte ihn unruhig.
Sie aber merkte nichts davon. Sie zauberte aus einem arg strapazierten Touristenbeutel ein Päckchen Kekse und hielt es Dietrich hin.
„Sie sind auch hier im Urlaub?“, fragte er.
Das war eine dumme Frage, denn sie trug weder einen Rechen zum Heuwenden noch einen Krug Bier für irgendwelche Feldarbeiter.
Sie schlang ihre Arme um die Knie, vielleicht wollte sie damit die fehlende Kleidlänge ersetzen. Aber das half nichts. Dietrich fühlte, wie seine Aufmerksamkeit immer mehr von diesen runden, leicht gebräunten Knien in Anspruch genommen wurde, und er tat sich direkt Gewalt an, als er wieder einmal zu den Wasser messenden Bauern hinunterblickte.
„Ich bin erst seit Montag da“, sagte sie.
„Dann sind wir ein Durchgang“, sagte er.
„Wie bitte?“
„Ich meine, da sind wir zur gleichen Zeit angekommen. Ein schöner Zufall.“
„Finde ich nicht“, sagte sie, „außer uns kamen ungefähr noch dreißig Leute.“
„Natürlich“, sagte er.
Nun hätte er sagen müssen, dass es trotzdem ein schöner Zufall sei, denn mittlerweile gefiel ihm auch ihre Stimme, die anscheinend das Lachen gewohnt war. Aber da, wo die Routine begann, versiegten seine Einfälle. Wie sollte ihm auch etwas Brauchbares einfallen, wenn ein Mädchen aus heiterem Himmel auftauchte und Kekse knabberte.
Er setzte zum zweiten Mal an und begann ein Gespräch über Täler. Täler hatten Perspektive. In Täler bauten die Leute Siedlungen, Dörfer und Kurorte. In den Kurorten gab es Cafés, und in den Cafés gab es Tische, die manchmal so klein waren, dass nur zwei Menschen daran Platz fanden. Je häufiger er das Mädchen ansah, desto sicherer wusste er, das Ende der Perspektive waren diese kleinen Tische.
„Täler“, sagte er deshalb mit einer Begeisterung, die jeden Fremdenführer gelb gefärbt hätte, „Täler sind nach meinem Geschmack. Wissen Sie, ich komme aus dem Flachland, da will man schon mal rechts und links Hänge haben.“
„Möchte man da aber nicht hinaufsteigen?“, fragte sie.
„Wo denken Sie hin!“, rief er schnell, „heutzutage will man anders aufsteigen. Und übrigens muss ich das schon im Beruf.“
„Dann sind Sie wohl Schornsteinfeger?“
„Bibliothekar“, sagte er, „unsere Regale reichen bis zur Decke.“
Sie warf ihren Kopf zurück und lachte. Der Witz hatte ihr gefallen, und Dietrich fand, dass die Sache nun ganz gut lief.
„Glauben Sie mir“, sagte er, „es gibt nichts Schöneres als eine Talwanderung. Alle Quellen fließen ins Tal. Wasser erfrischt. Dann ein kühler Trunk, natürlich in einer Gaststätte. Es gibt nichts Schöneres als einen kühlen Trunk. Versuchen Sie's doch.“
Das letzte betonte er so, dass ein unausgesprochenes „Mit mir“ hintendran schwang.
„Danke“, erwiderte sie lachend, „jeder hat eben seine Ansichten.“
Sie stand auf und gab ihm die Hand. Beinahe hätte er sich daran hochgezogen.
„Ich bin mehr für die Berge. Im vorigen Jahr war ich mit einer Touristengruppe im Rila-Gebirge. Diesmal geht's eben nicht so hoch hinaus. Da muss der Klingerberg ausreichen. Guten Urlaub noch!“
„Jaja, Petri Heil“, sagte er plötzlich zerstreut.
Sie stieg langsam den Hang hinauf. Er sah ihr nach und fand auf einmal, dass sie etwas zu mager war. Auch die Beine hätten mehr Form haben können. Und überhaupt: Wo hatten die Hüften ihren Schwung?
Er warf sich ins Gras zurück und starrte in den Himmel, weil er nicht mehr ins Tal blicken konnte. Trotzdem: Beine hin, Hüften her, er hätte erzählen sollen, dass die schönsten Cafés auf den höchsten Bergen standen. Eine Viertelstunde ging ihm ihr Lachen nicht aus den Ohren. Er gab sich schon dem Gedanken hin, bis zum Einbruch der Dämmerung hier liegenzubleiben. Vielleicht kam sie denselben Weg zurück, und er konnte ihr erzählen, dass er Vorsitzender eines zweitausend Mitglieder umfassenden Touristenvereins war, und das mit den Tälern sei ein Spaß und so. Da vernahm er dumpfe Schritte. Für Sekunden hoffte er, sie hätte ihre Keksschachtel vergessen. Mit heruntergefallenen Taschentüchern oder Handschuhen ging es ja immer los.
Er warf sein Hemd drüber, knöpfte es bis zum Hals zu und sprang auf. Auf dem Kammweg, diesmal von der anderen Seite, näherte sich eine Kuh. Sie sah dunkler aus als Dietrich. Bei jedem Stoß ihrer Hinterschenkel schaukelte ein erstaunlich pralles Euter, und von ihrem Hals hinterwärts schleifte sie eine Kette, wie er sie bisher nur in der Stadt an manchen Baugerüsten gesehen hatte.
Überrascht hielt er die Arme nach vorn, als wollte er die Kuh mit Handschlag begrüßen. Ohne Zweifel, er hatte eine Ausreißerin vor sich. Menschen konnten sich im Wald verirren. Sie sahen dann einfach nach der Sonnenstellung, der Uhr, ihrer Landkarte, und alles war geklärt: Kühe aber wussten nichts mit eingezeichneten Waldwegen anzufangen. Darin unterschied sich der Mensch wohl vom Tier …
Bevor er seine philosophischen Betrachtungen zu Ende führen konnte, waren die Stummelhörner der Kuh so bedrohlich nahe, dass er einen Ausfallschritt nach rechts unternahm. Hier liefen vielleicht wer weiß wie viel Liter Milch jährlich ins Verderben! Entschlossen packte Dietrich das Kettenende. Es gab einen Ruck in seinem Körper, wie er ihn nie zuvor gespürt hatte. Die Kuh lief weiter mit Dietrich an der Kette, der um eine mannhafte Haltung bemüht war, obwohl ringsum außer den Fliegen, die zu der Kuh gehörten, kein Zeuge war. Endlich gelang ihm der Stillstand. Die Kuh brummte ärgerlich. Langsam richtete sich ein braunes sanftes Auge auf Dietrich, und er glaubte einen Schimmer grenzenloser Verwunderung darin wahrzunehmen.
„Na“, sagte er, „du kannst doch nicht einfach davontrotten, so mir nichts, dir nichts.“

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