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Paradiesgärtlein


Paradiesgärtlein

Ein Tagebuch
1. Auflage

von: Renate Krüger

6,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 13.12.2015
ISBN/EAN: 9783956555732
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 138

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Unter dem Datum des 2. Januar vermerkt das Tagebuch eine traurige Nachricht: Die 1. Post des neuen Jahres: verspätete Weihnachts- und Neujahrsgrüße, ein Kontoauszug und ein amtliches Schreiben, in dem mir nicht mehr und nicht weniger mitgeteilt wird, als dass bis Jahresende die Nutzungsrechte an meinem Garten erlöschen. Bis dahin könne ich noch säen und ernten nach Herzenslust. Aber dann ... Das Grundstück sei zum Baugelände erklärt worden. Für das Gartenhäuschen könne ich keine Entschädigung erwarten, es befände sich ohnehin in Treuhandverwaltung, und ich habe es nur zur Nutzung erhalten. Ebenso verhalte es sich mit den Obstbäumen.
Der Titel dieser tagebuchartigen Aufzeichnungen leitet sich von einer farbigen Reproduktion ab:
Die Darstellung des Paradiesgärtleins war in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts verbreitet, besonders in Deutschland. Man gab dem Thema auch noch andere zärtliche Namen: Maria in der Rosenlaube, Maria im Rosenhag. Solche anrührenden Bilder entstanden in einer Zeit besonderer Verfeinerung, während einer kulturellen Hochblüte. In der Kunstgeschichte prägte man für diesen Zeitabschnitt den Begriff des Weichen Stils, der Schönen Madonnen.
Das Bild lebt noch aus der Mystik des 14. Jahrhunderts, aus dem Bewusstsein, dass sich Gott und Mensch in Liebe und Einssein begegnen, dass der Mensch ganz in Gott aufgeht und das Paradies zum Geschenk erhält. Solch mystischer Höhenflug ist hier freilich herabgemildert zum religiösen Idyll.
PARADIESGÄRTLEIN - es präsentiert mystische Bilder, die man aus den Visionen der Propheten entwickelt hatte, Sinnbilder und Vorbilder Mariens. Der verschlossene Garten, die versiegelte Quelle.
PARADIESGÄRTLEIN - eine Utopie, eine Illusion und doch unausrottbar. Nimmt man dem Menschen diese Illusion, raubt man ihm ein Stück Herz.
Für die Autorin bedeutet dieses Bild jedoch mehr als der Gegenstand einer kunstwissenschaftlichen Betrachtung. Es verbindet sich mit Sehnsucht auch im Alltag, mit der Fahndung nach sich selbst, mit Freude und Kreativität – eine lebenslange Haltung.
Dazu passt die Tagebuchnotiz vom 2. Februar:
Ich werde trotz allem den Garten noch einmal umgraben. Es wäre schade um Kartoffeln und Gemüse, auch um die Erdbeeren. In diesem Jahr könnte ich ja noch einmal ernten. Und trotz allem: ich werde eine Reise nach Ungarn planen. Immer unterwegs, niemals fertig, niemals ein Abschluss. Immer ein Kampf zwischen Idyll und Realität, Träumen und Abmachungen, zwischen der großen Welt und meinem kleinen Leben.
Geboren 1934 in Spremberg/Niederlausitz. Seit 1939 in Schwerin ansässig.
Studium der Kunstgeschichte und klassischen Archäologie in Rostock.
Tätigkeit am Staatlichen Museum Schwerin. 1965 Verlust des Arbeitsplatzes aus politischen Gründen, seither freiberuflich als Publizistin und Schriftstellerin tätig:
Sachbücher (Die Kunst der Synagoge 1966, Das Zeitalter der Empfindsamkeit 1972, Biedermeier 1979, Spurensuche in Mecklenburg 1999, Aufbruch aus Mecklenburg. Die Welt der Gertrud von le Fort, 2000),
Belletristik (Licht auf dunklem Grund, Rembrandt-Roman, 1967, Der Tanz von Avignon, Holbein-Roman 1969, Saat und Ernte des Joseph Fabisiak, 1969, Nürnberger Tand 1974, Malt, Hände, malt, Cranach-Roman 1975, Jenseits von Ninive, 1975, Aus Morgen und Abend der Tag, Runge-Roman, 1977, Wolfgang Amadés Erben, 1979, Türme am Horizont, Notke-Roman 1982, Die stumme Braut, 2001, Paradiesgärtlein, 2008),
Jugendbücher (Geisterstunde in Sanssouci, Menzel-Erzählung 1980, Das Männleinlaufen, Alt-Nürnberger Geschichte 1983, Des Königs Musikant, Erzählung über Carl Philipp Emanuel Bach 1985).
Nach 1989 Mitarbeit am Aufbau der parlamentarischen Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern, Archivarbeiten.
Die Landvermesser haben sich angesagt, der Garten soll vermessen werden, sobald der Frost vorüber ist. Auch Bodenproben sollen entnommen werden. Und man wolle bereits jetzt schwere Technik zur Untersuchung des Baugrundes einsetzen.
Zufall ist das, was mir zufällt. Ich lebe von dem, was mir zufällt, seien es Informationen oder Impulse. Echte Zufälle oder Impulse nehmen auf die Umgebung keine Rücksicht. Kreative Gedanken überfluten mich unabhängig von der Beleuchtung, sei es gleich nach dem Aufwachen, sei es beim Spazierengehen.
Wer Heimat nicht besitzt, ist arm. Wer sie niemals verlässt, wird nicht reich. Aus dem Bewusstsein von Heimat erwachsen neue Kräfte. In der Verabsolutierung von Heimat werden sie zerstört. Heimat konnte zum Blut- und Bodenmythos verkommen und zum Reservoir des Verbrechens werden. Am Heimatbegriff haben sich schon ungezählte kräfteverzehrende Tümeleien hochgerankt, schwarze, braune, rote, grüne. Wer den Heimatbegriff nicht verinnerlichen kann, wird nie aus seinen Wurzeln leben. Um die Lebensmitte, spätestens aber mit dem 50. Lebensjahr beginnt eine neue Beziehung zu den eigenen Wurzeln.
Welche Gärten habe ich schon verinnerlicht? Die Vorgärten meiner Kindheit. Sie garantierten Distanz zwischen dem diskret zurückliegenden Haus und der öffentlichen Straße. Man verbarg sich hinter Tulpen, Jasmin und Tränenden Herzen und zeigte seine Gefühle nicht in der Öffentlichkeit. Als nach Kriegsende in den Vorgärten Kohl und Kartoffeln angebaut werden mussten, schien eine Welt zusammenzubrechen.
Der Nachbargarten war nicht zum Beobachten und Träumen geeignet, sondern nur die Fortsetzung des gebohnerten Hausinneren, man durfte nicht von den abgezirkelten Wegen abweichen und ja nicht auf die rechtwinkligen Beete treten. Als Kind fand ich es schrecklich, nur in einem sauber gehaltenen Gehege zu spielen und machte meinem Unmut über die ganze wohl gepflegte Langeweile dadurch Luft, dass ich die niedlich aufgeputzte Tochter des Hauses in ein winziges, niedlich gemauertes Wasserbecken stieß.
Der Garten meiner Großeltern hatte nicht einmal mit der untersten Stufe der grünen Kunst etwas zu tun. Er bestand aus einigen Quadratmetern Erde von magerster Bodenbeschaffenheit. Einige Kartoffeln und Mohrrüben quälten sich zur Mindestgröße empor, und der Biss in einen Apfel zwang zu sauren Grimassen. Aber die aus weißen Latten gezimmerte Laube war mit Feuerbohnen berankt, und dieser Farbendreiklang - weiß, grün, rot - klingt mir noch heute nach.

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