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Der illegale Sprecher


Der illegale Sprecher


1. Auflage

von: Friedrich Wolf

0,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 19.09.2024
ISBN/EAN: 9783689122416
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 16

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Im Sommer 1931 findet in Moskau die Konferenz der allrussischen Schriftstellerverbände statt – ein Schauplatz heftiger Debatten über die Zukunft der Sowjetliteratur. Friedrich Wolf schildert eine packende Szene, in der ein scheinbar unbedeutender Redner, ein Arbeiter aus der tartarischen Minderheit, die Konferenz durch seinen unnachgiebigen Appell aufrüttelt. Was als Diskussion über Literatur beginnt, wird zu einer symbolischen Schlacht um Redefreiheit, Meinungsvielfalt und revolutionäre Traditionen. Mit scharfsinnigen Dialogen und beeindruckender Erzählkunst zeigt Wolf, wie kleine Stimmen in der Geschichte zu großen Veränderungen führen können. "Der illegale Sprecher" ist ein lebendiges Zeugnis eines aufstrebenden Sowjetstaates und eine eindringliche Reflexion über die Macht des Wortes.
Friedrich Wolf (* 23. Dezember 1888 in Neuwied; † 5. Oktober 1953 in Lehnitz) war ein deutscher Arzt, Schriftsteller und Dramatiker, der sich besonders durch seine politische und literarische Arbeit einen Namen machte.
Friedrich Wolf wurde als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren. Er studierte von 1907 bis 1912 Medizin, Philosophie und Kunstgeschichte in verschiedenen deutschen Städten und promovierte 1913 in Medizin. Während des Ersten Weltkriegs diente er als Truppenarzt und entwickelte sich zum entschiedenen Kriegsgegner. Nach dem Krieg engagierte er sich politisch und wurde Mitglied des Arbeiter– und Soldatenrats in Dresden.
Wolf war ab 1928 Mitglied der KPD und verfasste zahlreiche politisch engagierte Werke. Sein bekanntestes Drama, "Cyankali" (1929), prangerte das Abtreibungsverbot des § 218 an und löste eine breite gesellschaftliche Debatte aus. Neben seiner literarischen Tätigkeit arbeitete er als Arzt und engagierte sich für die Rechte der Arbeiterklasse.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierte Wolf 1933 in die Sowjetunion, wo er weiterhin literarisch aktiv war und für Radio Moskau arbeitete. Während des Spanischen Bürgerkriegs versuchte er, als Arzt an den Internationalen Brigaden teilzunehmen, blieb aber in Frankreich. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde er in Frankreich interniert, konnte jedoch 1941 mit sowjetischer Hilfe nach Moskau zurückkehren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Wolf nach Deutschland zurück und engagierte sich in der DDR kulturpolitisch. Er war Mitbegründer der DEFA und der Deutschen Akademie der Künste. Zudem diente er von 1949 bis 1951 als erster Botschafter der DDR in Polen. Friedrich Wolf starb 1953 an einem Herzinfarkt und wurde auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin beigesetzt.
Wolf hinterließ ein umfangreiches literarisches Werk, das durch seinen politischen und sozialen Einsatz geprägt ist. Seine Söhne Markus und Konrad Wolf setzten sein Erbe als bedeutende Persönlichkeiten der DDR fort.
Staatliche Auszeichnungen
1943: Orden Roter Stern
1949: Nationalpreis der DDR II. Klasse für das Theaterstück Professor Mamlock
1950: Nationalpreis der DDR I. Klasse für den Film Rat der Götter.
„Wolodka, fünfzehn Minuten!“, rief jetzt schon Dreiviertel des Saales, und Hunderte von Händen mit Uhren reckten sich gegen Wolodka. Die Lärmwelle war so stark, dass der Redner eine Sekunde innehielt, seine eigene Uhr zog und wohl im Bruchteil einer Sekunde das Missverhältnis der noch übrigen fünf Minuten zu seinem so wichtigen zweistündigen Manuskript erwog.
„Zwei Minuten, Wolodka! Eine Minute!“, droht jetzt der Chor seiner Gegner. Die Redezeit steht vor dem Ende. Wolodka blickt vom Manuskript auf, schaut auf die drohende Übermacht und auf das Häuflein seiner Getreuen. Seine Sache scheint verloren. Er erkennt das wohl selbst. Er greift nach der Wasserflasche des Rednerpultes, füllt mit aller Ruhe das Glas. „Schluss!“ – „Komm zu Ende!“, schallt es von allen Seiten. „Ich komm zum Ende …“, meint Wolodka, „lasst mich das Wasser trinken.“ - „Die Zeit ist um“, ruft man. „Ihr verweigert dem Redner das Wasser?!“, hält Wolodka das Glas in der Hand. „Na, das Wasser sei ihm gewährt!“, lacht Fadejew. „Trink dein Wasser!“, ruft der ganze Saal.
Wolodka schaut auf die Masse seiner Gegner; er nippt mit halbverkniffenen Augen an dem Glas. Dann setzt er ab und beginnt sein Schlusswort. Nur hin und wieder wirft er einen Blick in das Manuskript. Er ist jetzt im Zuge, er hat die Situation in der Hand, die Schläge hageln von seiner Seite nur so gegen die „Schönschreiber“, gegen die Vollstopfer der dicken Bände, gegen die „Ballonfüller“. Man bleibt ihm nichts schuldig. Die Gegner drängen zum Rednerpult. Immer wieder: „Schluss!“ – „Du sprichst schon ’ne halbe Stunde!“ –- „Die Zeit ist längst um.“ Gegen das Trommelfeuer der erregten Zurufe und der vorgestreckten Fäuste mit den Uhren steht Wolodka in eiserner Ruhe auf seinem Pult und hebt nur wie ein geheiligtes Symbol das Glas Wasser. „Trink schon leer!“ – „Sauf schon aus!“, ruft es von allen Seiten. „Wird schon werden, wird schon werden“, lächelt Wolodka, tut einen winzigen Schluck und spricht weiter. „Betrug!“ – „Schiebung!“ – „Sabotage unserer Sitzung!“ – „Das Wort entziehen, Schluss, abstimmen!“

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