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Fahrtwind - Wagnis und Wahn


Fahrtwind - Wagnis und Wahn


1. Auflage

von: Klaus Möckel

1,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 29.07.2024
ISBN/EAN: 9783689121310
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 46

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Heike, eine Dreizehnjährige, pflegt mit ihren Freunden ein außerordentlich gefährliches Hobby, das S-Bahn-Surfen. Vor allem um Thomas zu imponieren, in den sie verliebt ist, schließt sie mit einem sensationslüsternen Reporter eine Wette ab. Für etwas Geld will sie während der Fahrt aufs Wagendach klettern. Das Experiment scheint zu glücken, doch dann geschieht etwas Unerwartetes ...
Ein dramatisches Szenarium, bei dem es um Tod und Leben geht.
Geboren1934 in Kirchberg/Sa., Dr.phil., verheiratet, ein Sohn. Werzeugschlosserlehre, Studium der Romanistik an der Universität Leipzig, Assistent am Romanischen Seminar der Universität Jena, Lektor beim Verlag Volk & Welt Berlin, Promotion über Saint-Exupéry 1963, seit 1968 freier Schriftsteller, Mitglied im VS/Verdi.
Von seinen mehr als 60 veröffentlichten Werken verschiedener Genres (Historische Romane, Erzählungen, Science Fiction, satirische Gedichte und Aphorismen) wurde u. a. Hoffnung für Dan (1983), ein Bericht über ein behindertes Kind, bekannt. Außerdem veröffentlichte er Kinder- und Jugendbücher sowie erfolgreiche Kriminalromane. Mehrere seiner Bücher wurden ins Tschechische und Slowakische übersetzt und auch verfilmt.
Möckel arbeitete häufig, vor allem bei Übersetzungen, mit seiner Frau Aljonna Möckel zusammen und verfasste gemeinsam mit ihr unter dem Pseudonym Nikolai Bachnow mehrere Fortsetzungsbände zu den Märchenromanen Alexander Wolkows. Er lebt in Berlin.
Auszeichnungen:
1987: Drei Monate Stipendium vom Französischen Kulturministerium für Verdienste als Herausgeber, Übersetzer und Nachdichter französischer Literatur
1992: Stipendium der Stiftung Preußische Seehandlung
Sie hatte keinen Blick für den Mann in der grauen Jacke, der zum anderen Brückengeländer gelaufen war und ihr nachstarrte. Offenbar hatte er den Sturz nicht mitbekommen, hielt das Ganze für eins ihrer verrückten, gefährlichen Manöver. Er betätigte den Auslöser der Kamera.
Vor dem Bahnhof wurde der Zug langsamer. Heike schaffte es, zum Waggonende zurückzurutschen und wieder hinunterzuklettern. Sie kehrte nicht in ihr Abteil zurück, sondern stieg in den Wagen davor; zwei junge Leute, die neben der Tür knutschten, blickten sie so fassungslos an, als käme sie geradenwegs vom Mond.
Heike zitterten die Knie, erst jetzt spürte sie den Schmerz in der Schulter und in der Hüfte. Sie schaute niemanden an, humpelte zur Tür gegenüber. Als der Zug hielt, machte sie sich davon, so schnell sie konnte.
Sie ging zum Parkplatz, wartete dort. Der Schmerz klang langsam ab und ein Triumphgefühl überflutete sie. Zwar hatte sie keinerlei Zweifel gehegt, die Kletterei aufs Dach zu schaffen, aber nach diesem Sturz gab sie sich zu, dass es hätte schief gehen können. Ihr war minutenlang ganz schön mulmig gewesen.
Kurz darauf rauschte Enderlein in seinem schnittigen Ford heran. "Du bist wohlauf, mir fällt ein Stein vom Herzen", sagte er, ohne zu ahnen, dass er wirklich allen Grund zum Aufatmen hatte. "Klasse warst du schon, das kann man nicht bestreiten. Anscheinend hab ich mehr gezittert als du. Trotzdem, mach das nicht noch mal. Irgendwann fegt's dich runter."
"Haben Sie alles fotografiert?", fragte Heike.
"Ja, ja. Sobald die Bilder fertig sind, kriegst du sie zu sehn. Und natürlich einige Abzüge zum Herzeigen."
Heike hätte sie am liebsten gleich gehabt, für die Clique und für Tommi. Aber sie erwiderte: "Vorläufig kein Wort zu den andern, das war abgemacht."
"Natürlich. Ganz wie das Fräulein es wünscht."
Er zückte die Brieftasche, zog drei Hunderter heraus. "Hier, dein Lohn. Hast ihn ehrlich verdient."
Heike hielt die drei knisternden Scheine mit dem schönen Antlitz Clara Schumanns auf der einen, dem aufgeklappten Flügel auf der anderen Seite einen Augenblick lang in der Hand. In einem Film kürzlich hatte sie gesehen, wie ein Ganove, oder war's einfach ein kleiner armseliger Schlucker gewesen, einen solchen Schein ehrfürchtig küsste. Das würde noch fehlen, dachte sie und steckte das Geld schnell weg.
Sie rannte nach Hause. Der Vater saß in der Küche und studierte die Anzeigenseite der Zeitung. Er suchte weniger nach einem neuen Job als nach irgendwelchen vielversprechenden Annoncen. Kürzlich war er zu einer Adresse gefahren, wo man angeblich bis zu 4000 Mark im Monat verdienen konnte, wenn man eine bestimmte Reklame ans eigene Auto pinselte und damit herumkurvte. Hunderte waren gekommen, doch nur mit fünf Leuten schloss die Firma einen Vertrag. Ob er wirklich so günstig war, hatte der Vater nicht erfahren. Er war viel zu spät erschienen.
Heike wechselte ein paar flüchtige Worte mit ihm und lief in ihr Zimmer. Eine Wohnung in einem Hochbau, zweieinhalb Räume, eine winzige Küche, das Bad fensterlos. Aber der kleine, schmale Raum mit Liege, Schrank, Bücherregal, Tisch und Stuhl gehörte ihr. Das war schon was. Tommi zum Beispiel musste sein Zimmer mit dem jüngeren Bruder teilen. Heike holte den Recorder aus dem oberen Schrankfach und packte die drei Scheine zu dem schon gesicherten Hunderter. Im Grunde verachtete sie die Jagd nach der Knete, kam selbst mit wenig Geld aus. Aber in diesem Fall war es etwas anderes. Wenn sie an Holland dachte, an Tommi, den Onkel und die Tanzschule, begann ihr Herz echt zu springen. Ein Gefühl wie vorhin, als sie auf dem Dach der S-Bahn dahinraste.

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