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Der Granitschädel


Der Granitschädel

Erzählung
1. Auflage

von: Kurt David

4,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 25.04.2023
ISBN/EAN: 9783965219038
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 59

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Birkenbach ist ein DDR-Dorf mit einer noch jungen LPG. In freiwilligen Arbeitsstunden haben die Bewohner die Waldlichtung als Koppel eingezäunt. Doch am nächsten Morgen sind alle Pfähle herausgerissen. Riedel-Radel ärgert sich, denn mit seinen 70 Jahren fiel es ihm nicht leicht, beim Setzen der Pfähle zu helfen. Auf eigene Faust macht er sich auf die Suche nach dem Täter und ertappt ihn dabei, wie er nachts heimlich die Pfähle wieder einsetzt. Es ist Alois Heckenbock, dem die Wiese einst gehörte, bevor sein Sohn in die LPG eintrat. Und genau der LPG wollte er schaden.
Am 13. Juli 1924 in Reichenau in Sachsen geboren. Kurt David absolvierte nach dem Besuch der Handelsschule eine kaufmännische Ausbildung. Von 1942 bis 1945 nahm er als Soldat der Wehrmacht am Zweiten Weltkrieg teil. Von 1945 bis 1946 war er in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Den Plan einer Ausbildung zum Musiker musste er wegen einer Kriegsverwundung aufgeben. David gehörte vier Jahre der Volkspolizei der DDR an und war anschließend zwei Jahre lang Kreissekretär beim Kulturbund der DDR. Seit 1954 lebte er als freier Schriftsteller zuerst in Oberseifersdorf/Zittau, danach bis zu seinem Tod in Oybin. In den 1960er Jahren unternahm er mehrfach Reisen in die Mongolei und durch Polen. 1970 erhielt er den Alex-Wedding-Preis, 1973 den Nationalpreis, 1980 den Vaterländischen Verdienstorden und 1984 den Lion-Feuchtwanger-Preis. Er starb am 2. Februar 1994 in Görlitz.
Davids frühe Werke haben die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit unter dem Nationalsozialismus und im Zweiten Weltkrieg zum Thema. Es folgten Bände mit Reiseberichten. Den größten Teil in Davids Werk bilden die Kinder- und Jugendbücher, von denen vor allem der humoristische Band „Freitags wird gebadet“ in der DDR ein großer Publikumserfolg, auch in der Fassung als Fernsehserie, war. Eine weitere Facette in Davids Schaffen bilden historische Romane, die Themen aus der Geschichte der Mongolen behandeln. Außerdem schrieb David Biografien über die Komponisten Beethoven und Schubert.
Riedel-Radel saß in der ‚Linde’ und aß eine Suppe zu Mittag. Das kam einer Sensation gleich. Der Wirt war deshalb sehr darum bemüht, von Gustav zu erfahren, was diesen ausgerechnet an einem Wochentag zum Mittagessen in die ‚Linde’ lockte; denn das war einfach noch nie dagewesen. Hier aßen täglich zwei Leute zu Mittag, die im Dorfe arbeiteten, aber in der Stadt wohnten. Der Wirt, er hieß Heinrich Tietze, war auf Sondergäste nicht vorbereitet. Und dass ein Bewohner des Dorfes mittags in der ,Linde’ aß, nein, das geschah ganz selten, und dazu waren schon besondere Umstände nötig, wie etwa Krach mit der Frau oder das Umsetzen eines Ofens und ähnliche Dinge.
Gustav dagegen, der dem Wirt die Neugierde vom Gesicht las und seine Freude darüber nicht ganz verstecken konnte, sagte unbekümmert: „Hatte heut keine Lust zum Kochen. Immer selber den Fraß brutzeln, das langweilt, Heinrich.“ Der Wirt glaubte ihm das natürlich nicht. Wenn Gustav sich 364 Tage im Jahr das Essen selber braute, warum ausgerechnet an diesem Tage nicht? Misstrauisch beäugte er den sonderbaren Gast.
„Gibt’s was Neues?“, fragte Gustav und löffelte gemächlich seine Suppe.
„Nein!“ (Es gab etwas. Der Pastor war von den letzten vier Stufen der Kanzel gestolpert und hatte sich den Fuß verknackst. Aber der Wirt dachte: Gerade nicht!)
„Wie war denn der Skat gestern Abend?“, fragte Riedel-Radel, fischte mit dem Löffel Speckstückchen aus der heißen Suppe und vermied, den Wirt anzusehen.
„Wie immer!“
Der Wirt zündete sich eine Zigarre an und blies den Rauch durch die Nase.
„War der Grundelmann-Bauer da, hat er mitgeskatet?“
„Weiß ich nicht. Meine Frau hat bedient!“
„Der Heckenbock-Alois?“
„Weiß ich nicht, Gustav.“
Der will mir’s bloß nicht sagen, dieser verdammte Bierhahnwächter, dachte Gustav und aß noch langsamer. Er blies den Dampf vom Suppenteller und rührte immer wieder im Teller herum.
„Wenn der Skat wie immer war, musst du es ja wissen, nicht?“, bohrte Riedel-Radel.
„Meine Frau hat mir’s erzählt.“
Das lügt er, dachte Gustav. Das wäre ja der erste Skat gewesen, an dem er nicht teilgenommen hätte.
Von Heinrich Tietze, dem Wirt der ‚Linde’ in Birkenbach, stammte nämlich der Ausspruch: Wenn ihr an meinem Begräbnis nicht einen anständigen Skat kloppt, stehe ich wieder auf und spiel mit euch Ludern um die Ganzen!
„Der Schmetterlings-Gribolin hat auch mitgespielt?“, fragte Gustav und schob den leeren Teiler beiseite.
„Warum willst du das nun wieder wissen?“
„Weil der immer heult, wenn er verliert!“
„Er war nicht hier“, sagte Tietze und meinte, der Gribolin sei sicher im Walde gewesen. „Der jagt doch seit Wochen schon nach so einem Santamifangomorfino oder wie das Zeug heißt.“
„Nach wem?“
„Na, nach so einem Schmetterlingsvieh, so einem Santamifangomorfino, halt so ein lateinisches Biest!“ Der Wirt räumte den Teller vom Tisch. Riedel-Radel wollte bezahlen und sagte: „Eine Suppe – und dann bring mir noch einen Leichenzug – was macht der Schaden?“ „Einsdreiundsechzig.“
Unter ‚Leichenzug’ verstand man in Birkenbach ein helles Bier, einen weißen Korn und einen Kräuterschnaps.
„Kommst du morgen wieder zu Mittag? Da richt’ ich mich drauf ein!“, foppte der Wirt.
„Das kann sein oder auch nicht sein, je nach – na ja, also, wenn ich wieder keine Lust habe zum Kochen, da komme ich!“
Gustav ging.
Gribolin – du Aas!
Nein, also meine Vermutungen sind immer richtig.
Er beachtete nicht die Leute, die an ihm vorübergingen und grüßten. Und er grüßte vor lauter Gedankenwirrwarr nicht wieder.

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