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Der Meeraner Bote


Der Meeraner Bote

Geschichten aus einer kleinen Stadt
1. Auflage

von: Wolfgang Eckert

6,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 07.12.2022
ISBN/EAN: 9783965218123
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 130

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

In diesen Texten geht es um eine doppelte Ermutigung. Dazu müssen wir uns zunächst in den November des Wendejahres 1989 zurückbegeben:
In Meerane wurde ein kleines Wochenblatt, das Meeraner Blatt, gegründet. Es bot mir die Chance, regelmäßig dazu eine Unterhaltungsbeilage zu schreiben gegen eine bescheidene Geldprämie, die es mir gestattete, wenigstens von der Hand in den Mund zu leben. Mehr noch aber erwies sich als lebenserhaltend die Tatsache, dass ich aus meiner geistigen Lähmung erwachen und mich wieder zur Zeit äußern konnte.
Der Autor, ein zu DDR-Zeiten nicht unbekannter und einigermaßen erfolgreicher Schriftsteller, der wie alle anderen seiner Kollegen auch, nach dem gesellschaftlichen Umbruch vom Schreiber zum Unternehmer mutieren muss, ist froh, eine neue Aufgabe gefunden zu haben. Wöchentlich kann er jetzt Feuilletons über die kleine Stadt Meerane, seine Geburtsstadt, schreiben und seinen Leserinnen und Lesern Entdeckungen präsentieren. Und noch etwas: Mir wurde beim Schreiben bewusst, dass viele Meeraner von mir eine Ermutigung erhofften. Aber ich habe solche wohl selber dabei dringend gesucht. Vielleicht war diese Suche das Motiv.
Sein Prinzip beschreibt der Autor so:
An dieser Stelle möchte ich jetzt immer mit Ihnen ein bisschen durch die Stadt bummeln, mich an Meeraner Persönlichkeiten erinnern, heiter-besinnlich in Nebengassen verlieren oder hart in eines der zahlreichen Schlaglöcher sacken, mich tief in die Vergangenheit der Stadt verirren, um uns wiederzufinden. Wenn bei Ihnen dann das Gefühl entsteht, die Stadt sei ein guter alter Hund, dem man gerührt über das graue Fell streicheln muss, so ist das keine Tierliebe, sondern Stadtliebe und hoffentlich das Wachsen eines Verständnisses füreinander. Wir wollen zunächst ganz allgemein durch die Stadt schlendern – hoppla, hier sträubt sich schon die Feder! Es geht keiner allgemein, er geht immer subjektiv, denn er sieht nur das, was er sehen will, und er übersieht, was er hätte sehen müssen. Also gut, gehen wir trotzdem …

Zu den Entdeckungen im „Meeraner Boten“ gehören unter anderem eine „Meeranische gott geheiligte Friedens Feyer“ am 21. Martii 1763, die Geschichte des Meeraner Markplatzes und die Erklärung, was ein Blattergrübscher ist, aber auch die Erinnerung an mit Meerane verbundene Persönlichkeiten wie August Bebel, der dort seinen Wahlkreis hatte, an den Schriftsteller Erich Knauf und an den Komponisten Werner Bochmann. Von beiden stammt der Film-Hit „Heimat, deine Sterne.“
Vorbote
Liebe Meeranerinnen, liebe Meeraner!
Friedens Feyer zu Meerana
Meeraner Marktbilder
Zum Gedenken an Erich Knauf
Husch um die Eck und andere
Werner Bochmann wird neunzig
Als die Koffer flogen
Himmelfahrtsnachlese
Tatü, tata, tatü!
Hallo, Wessi!
Und es bleibt doch nur die Zeit
Wird Meerane Fußballweltmeister?
Augustus-Bebel-Straße?
Suche Couch und Herrenhut, Größe 58
Willibald Krause – ein Chronist Meeranes
Hart an Sachsenlandes Rand …
Letzter Sommer
Drei Meeraner Tage
Am hohen Anger
Meeraner und Miraner
Auf dem Weg zur Toleranz?
Auf der Rennbahn abends halb acht
Der Mann mit dem Räuspern im Hals
Hausieren fürs Blatt
Ein Licht in der Nacht
Botschaft an uns
Weihnachtsgedanken
Durch diese hohle Gasse …
Die Natur war mein Leitstern
Ein Mann der Straße
Post aus der Backstube
Modernes Glasperlenspiel
Wunderlichs Bäume
Vom Klimmzug zum Sackhüpfen
Sei stolz, weil du Mensch, demütig, weil du Mitmensch bist!
Ein Pferd auf dem Bahnhof
Meerane – ein Reiseverführer
Es blühe eures Städtleins Flor …
Geboren am 28. April 1935 in Meerane.
Nach der Grundschule Besuch der Meeraner Webschule mit dem Abschluss als Wollstoffmacher und arbeitete anschließend in Webereien.
Von 1960 bis 1963 studierte er am Leipziger Literaturinstitut „Johannes R. Becher“. Danach leitete er die Gewerkschaftsbibliothek im VEB „Palla“. Neben der Halbtagstätigkeit widmete er sich seinem schriftstellerischen Schaffen.
Er gründete einen Literaturklub, war künstlerischer Betreuer des Zirkels Schreibender des Kulturbundes des Kreises Glauchau.
Von 1989 bis 1992 war er Redakteur beim „Meeraner Blatt“ und von 1992 bis 1993Referent des sächsischen Landtagsabgeordneten Joachim Schindler (SPD).
Seit 1970 schrieb Eckert als freiberuflicher Schriftsteller zwei Fernsehspiele, ein Theaterstück, zwei Romane, Erzählungen, Feuilletons, Geschichten, Aphorismen, Autobiografien, eine Biografie und Gedichte. Außerdem verfasste er Beiträge für 24 Anthologien sowie Artikel für zahlreiche Zeitungen. Eckerts Erzählweise reicht von humoristischen, ironisch-satirischen, politisch bissigen bis hin zu ernsten Tönen.
Auszeichnungen:
Förderpreis des Institutes für Literatur „J. R. Becher“ Leipzig und des Mitteldeutschen Verlages Halle 1972
Hans-Marchwitza-Preis der Akademie der Künste der DDR 1974
Kurt-Barthel-Preis des Bezirkes Karl-Marx-Stadt 1983
Johannes-R.-Becher-Medaille in Silber und Bronze des Kulturbundes der DDR
Bürgermedaille der Stadt Meerane 2016
Das „Meeraner Blatt“ hatte schon 1945 einen älteren Bruder, das „Mitteilungsblatt“. Ich besitze eine Ausgabe vom 20. November, einem Dienstag. Im amtlichen Teil erfahren wir, dass an diesem Tag der Schulunterricht wieder begonnen hat. Kinder, die das heute lesen, werden ausrufen: „Die hatten es aber schön!“ Denn sie wissen nicht, dass damals seit April der Krieg nun auch in das, zwar durch einen zufälligen Bombenabwurf verletzte, sonst aber stille Meerane eingezogen war und die Lehrer herumrätselten, was sie jetzt zum Unterricht erzählen sollen. Im Rechnen und Schreiben null Problemo, aber schon in der Erdkunde, wie das damals hieß, haperte es. Wie groß war das Großdeutsche Reich nun wirklich noch? Immer, wenn wir größer werden sollten, wurden wir kleiner. Dies als Faustregel knüppeldick hinter unsere deutschen Ohren geschrieben. Jetzt rätseln die Lehrer wieder. Meerane hatte übrigens damals einen Oberbürgermeister, und der hieß Asser. Ob er auch ein As war, weiß ich nicht. Suchen wir weiter im „Mitteilungsblatt“, was früher geschah. Der Bußtag wurde auf den Totensonntag verlegt. Arbeit war dringend erforderlich. Trotzdem durften an dem nun bußfreien Mittwoch keine Lustbarkeiten stattfinden. Was ist eine Lustbarkeit –? Damals gab es doch nur die eine, mehr noch nicht. Die Buslinie Meerane – Glauchau fuhr seit 19. November wieder. Unter der Nr. 105 genau wie heute. Aber sie fuhr zum Beispiel von Härtels Hotel bis zum Leipziger Platz/Kaffee Seidel eine Minute schneller als 1990! Wie haben die Burschen das bloß gemacht mit ihren alten Kisten? Ich weiß: Es gab ja eine Schaffnerin im Bus mit einer Kasse am Hals und einer Kurbel für die Fahrkartenkontrolle – da waren die Leute erst einmal schnell drin, und die Kiste orgelte zügig weiter. Sonntags allerdings nicht, und wer abends sieben Uhr noch nach Glauchau wollte, hatte keine Chance mehr. 18.30 Uhr war für die Busse in Meerane Polizeistunde. Apropos Polizei –, das Polizeiamt Meerane wies erneut auf eine Verfügung hin, wonach Brot beim Verkauf an die Bevölkerung durch den Verkäufer vorzuwiegen ist. Die Bevölkerung wird dringend ersucht, Gewichtsunterschreitungen unnachsichtig zur Anzeige zu bringen. Alle heutigen Bäcker von Meerane mögen mir verzeihen, dass ich so etwas notiere. Ausnahmen bestätigen die Regel. Unser damaliger Bäcker hieß Max Büchold. Er schrieb uns das durch Marken rationierte Brot immer wieder an, obwohl er wusste, dass wir es nie gutmachen konnten. Gemüse gab es ab 1. November auch nur auf Lebensmittelkarten. Ich stand dort, wo jetzt die Verkaufsstelle „Gesunde Ernährung“ ist, in einer Schlange nach Dörrgemüse an. Eine Tüte gab es pro Kopf. Die gehäckselte Masse wurde in Wasser aufgebrüht, gewürzt und, wenn man hatte, mit Mehl sämig gemacht. Dann mampfte man das Ganze mit verzweifeltem Appetit hungrig hinein. In den Adler-Lichtspielen an der Poststraße lief „Der weiße Traum“. Für Jugendliche über 14 Jahre waren Wolf Albach-Retty, Rudolf Carl, Oskar Sima und das Eisballett erlaubt. Vielleicht als Entschädigung fürs Dörrgemüse. In der „Libelle“ war außer mittwochs und sonntags täglich Dielentanz. Auf vielseitigen Wunsch wieder Schallplattenmusik und kleinere Preise. Eintritt frei! Da haben wir also doch noch andere Lustbarkeiten. „Auf alle Fälle in die Libelle!“ stand damals gegenüber vom Bahnhof auf einem Plakat, gewissermaßen als Symbol für das Meeraner Nachtleben. Das Bekleidungshaus Ernst Sorge fertigt Ihnen Damen-Mäntel, Herren-Anzüge, Herren-Sakkos und Herren–Hosen an. Liefern Sie uns Ihren Stoff und sämtliche Zutaten. Wenn einer aber nun keinen Stoff oder Zwirn hatte? Dann musste er auf Tauschgeschäfte gehen. Da sucht jemand eine Couch und einen Herrenhut, Größe 58. Vielleicht wollte er Modell sitzen? Einer verkauft Ski-Stöcke und gut erhaltene Gummistiefel. Na dann: Ski Heil beim Wolkenbruch! Am vergangenen Sonntag zwischen 8 und 9 Uhr ist auf dem Wege Ortskrankenkasse, Rotenberg, Augasse ein Ferkel aus dem Wagen gesprungen und noch nicht wieder aufgefunden worden. Versteht sich 1945. Das wird ein Schmaus gewesen sein! Es gab nichts zu essen, es gab nichts auf die Haut: Wer näht meinem Kinde einige hübsche Sachen? – Wer schneidert mir bis Frühjahr Kostüm? – Wer näht mir ein Kleid? – Biete neuwertige Männerschuhe, Gr. 41, suche gleichwertige Damenschuhe. – Biete hohe Herrenschuhe, Gr. 40, suche Kinderstiefel. – Biete guterhaltene Herrenhalbschuhe, Gr. 42, suche Damenhalbschuhe, Gr. 40, mit Blockabsatz. – Und hier der Knüller: Biete rechten Herrenschuh, 41, suche einen linken. – Warum so reichlichen Schuhtausch? Hier sollte uns das Lachen vergehen. Vielleicht brauchte einer nur noch einen linken, und die einstigen Träger der anderen Schuhe lagen irgendwo in einem Land verscharrt, wo sie nie hingehörten. Nun fehlten sie auch auf den Tanzsälen. Am Dienstag, dem 20. November 1945 war in den Reichshallen der beliebte Sonder-Tanzabend mit Damenwahl. Die Damen suchten gleich selber verzweifelt die wenigen Männer. Die Berufsschule suchte unterdessen geübte Fachkräfte, die nicht der NSDAP oder der NS-Frauenschaft angehörten. Solche wurden ausgegrenzt ohne die Frage, ob sie ehrlich bereuten, ob sie nachweislich keinem Menschen Schaden zugefügt haben, ob man sie dort hineingezwungen hatte oder ob sie aus Liebe zu ihrem Beruf sich dazu durchgerungen hatten. Es konnte ja auch sein, dass jemand faschistischer Beziehungen verdächtigt wurde aus ganz persönlicher Rache. Leicht ist es, einen zu verdächtigen. Denn eine der meistverbreiteten Krankheiten, auch in Meerane, ist das Vorurteil. Es ist die Anfangsstufe zur Ungerechtigkeit. Der erste Stein wird immer aus der Menge geworfen. Man erkennt den Werfer nicht, es sei denn, die Menge, die in seiner Nähe steht, hat dazu den Mut und die Moral. Das Meeraner „Mitteilungsblatt“ vom 20. November 1945 zeigt uns: der Mensch hat Schwächen, der Mensch will leben und tätig sein. Und in diesem Bemühen ist das Gute in ihm nicht kleinzukriegen.

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