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Lilith - oder: Wie kam die Untreue in die Welt?


Lilith - oder: Wie kam die Untreue in die Welt?

Ein Essay
1. Auflage

von: Volker Ebersbach

3,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 03.03.2022
ISBN/EAN: 9783965216310
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 44

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Sie wollte oben liegen. Wer? Lilith. Wer ist Lilith? Vielleicht weiß nicht jeder (Mann/Mensch), dass Adam, der erste Mensch im Paradies, alten Überlieferungen nach zwei Frauen hatte – allerdings nicht gleichzeitig, sondern nacheinander. Soviel Ordnung muss sein. Die erste seiner Frauen war nicht Eva, wie man immer hört, sondern sie hieß Lilith. Zumindest in einer Variante, wie Ebersbach in seinem kenntnisreichen Essay (Essay ist das französische Wort für Versuch) zu berichten weiß:

Es ist Lilith. Die mythische Überlieferung der Juden, aus der auch der unter christlichen Aspekten zusammengestellte Kanon der Bibel, des Alten Testaments, zusammengestellt worden ist, kennt sie in einer Variante der Schöpfungsgeschichte. Das „Alphabet des Ben Sira“ vermutlich zwischen 700 und 1100 n. Chr. für die Kabbala aufgezeichnet, erzählt ihre Geschichte. Lilith verdankt ihre Erschaffung wie Eva der Einsamkeit des ersten Mannes.
„Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“, sprach der HERR, nachdem er Adam erschaffen hatte. „Und er schuf“, so heißt es weiter in der Fassung von Micha Josef bin Gorion (der die Schreibweise „Lilit“ bevorzugt), „ein Weib aus der Erde, aus der Adam gebildet war, und hieß ihren Namen Lilit. Alsbald hatten die beiden Streit miteinander, und Lilit sprach: Bist doch nur meinesgleichen, beide sind wir von der Erde genommen! – Und eins hörte nicht auf das Wort des andern.“ In dieser Fassung ist der patriarchalische Gegenstand des Streites schon erkennbar: Lilith mahnt ihre Gleichrangigkeit an. Doch ohne dass es ausdrücklich erwähnt würde, sieht Adam seinen Vorrang darin, dass er zuerst geschaffen wurde. Die gleiche Herkunft ist für Adam kein Grund, seiner Gefährtin gleiche Rechte zu gewähren. Im Wortlaut der „Genesis“ wird die ersterschaffene Frau als „Gehilfin“ oder als „Hilfe“ deutlich patriarchalisch in die dienende Rolle verwiesen. „Wie nun Lilit sah, dass kein Friede war, sprach sie den wahrhaften Namen Gottes aus und flog davon in die Lüfte“.
Die Küsse des schönen Weibes, die Adam aus seiner Einsamkeit erlösen, mischen sich also, wie man sich leicht vorstellen kann, bald mit Ohrfeigen. Der Streit lässt sich nicht schlichten, denn Wort steht gegen Wort, Aussage gegen Aussage. Im Buch Sohar, dem Hauptteil der Kabbala, findet sich jedoch eine Variante, die Lilith recht gibt: Den ersten, hermaphrodisischen oder noch ganz geschlechtslosen Mensch spaltet Gott auf in Mann und Weib. Für diesen Fall wäre die Rangfrage wirklich nicht zu entscheiden.
1. Geschlecht als Schicksal
2. Lilith: Küsse mit Ohrfeigen
3. Die gezähmte Verführerin: Eva
4. Paarungen
5. Liliths Geheimnis
Literaturhinweise
Volker Ebersbach ist am 6. September 1942 in Bernburg/Saale geboren und dort aufgewachsen. Nach Abitur und Schlosserlehre studierte er von 1961 bis 1966 Klassische Philologie und Germanistik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 1967 promovierte er über den römischen Satiriker Titus Petronius. Danach lehrte er Deutsch als Fremdsprache ab 1967 in Leipzig, 1968 in Bagdad, 1971 bis 1974 an der Universität Budapest, wo er auch mit seiner Familie lebte.
Seit 1976 ist er freier Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber. Er schreibt Erzählungen und Romane, Kurzprosa, Gedichte, Essays, Kinderbücher, Biografien und Anekdoten. Er übersetzte aus dem Lateinischen ausgewählte Werke von Catull, Vergil, Ovid, Petronius, das Waltharilied, Janus Pannonius und Jan Kochanowski. Einzelne Werke wurden ins Slowenische und Koreanische übersetzt.
Von 1997 bis 2002 war er Stadtschreiber in Bernburg. Danach lehrte er bis 2004 an der Universität Leipzig.
Lion-Feuchtwanger-Preis, 1985
Stipendiat des Künstlerhauses Wiepersdorf und des Stuttgarter Schriftstellerhauses, 1993
Wieder allein, wird der erste Mann vom Herrgott, in dessen Brust schließlich auch ein Männerherz schlägt, mit einer neuen Frau versorgt: Eva. Adam, der erste Mensch, hat in der außerbiblischen Überlieferung des jüdischen Mythos also zwei Frauen. Die „Ehe“ mit der windigen bis stürmischen Lilith wurde ja nie im modernen Sinn „geschieden“. Der Tatbestand des böswilligen Verlassens nach dem ersten Ehekrach der Menschheit scheint einer patriarchalischen Sicht der Dinge aber erfüllt. Die Ursache dafür war nicht etwa Gottes Wille, sondern ein Priesterstreit. Zwei verschiedene Überlieferungen, die „Jahwistische“ und die „Elohistische“, gaben der „Genesis“ im Ersten Buch Mose jene unterschiedliche Gestalt, noch bevor die Kirche Teile davon zum Alten Testament kanonisierte. Die Jahwistische Überlieferung ging als I. Mose 2, 21f. in die Bibel ein. Die etwa 500 Jahre jüngere „Priesterschrift“ war es, die in I. Mose 1, 27f. die Elohistische Überlieferung so schlecht vertuschte.
Der Grund für den Streit zwischen Adam und Lilith liegt auf der Hand. Beide sind „von der Erde genommen“, also gleich. Darauf beruft sich die erste Frau. Der erste Mann, „fromm und rechtschaffen“, will davon freilich nichts wissen. Er wurde zuerst geschaffen, den Elohisten zufolge sogar aus „reiner“ Erde, die Frau nach ihm aus „schmutziger“ Erde. Mythen sind Legitimationsmodelle, Modelle für die Legitimation einer Macht von Menschen über Menschen. Schöpfungsmythen vom ersten Menschenpaar modellieren die Legitimation der Macht eines Geschlechts über das andere. Der Streit, in dem „eins nicht auf das Wort des anderen“ hört, der erste Zwist zwischen Mann und Frau, ist keine Eifersucht, sondern eine Machtfrage, und diese Machtfrage ist in patriarchalischer Überlieferung bereits entschieden: Lilith setzt sich selbst ins Unrecht, indem sie fortgeht, sich mit bösen Geistern verbündet. Ihr Fluch gefährdet die weibliche Nachkommenschaft länger als die männliche.
Nur auf diesem Hintergrund wird der ganze Sinn der mythischen Variante sichtbar, in der Eva aus einer Rippe Adams erschaffen wurde: „Da ließ Gott der HERR einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen, und er schlief ein. Und er nahm eine seiner Rippen und schloss die Stelle mit Fleisch. Und Gott der HERR baute ein Weib aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm. Da sprach der Mensch: Das ist doch Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch; man wird sie Männin nennen, weil sie vom Manne genommen ist. Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen, und sie werden sein ein Fleisch. Und die waren beide nackt, der Mensch und sein Weib, und schämten sich nicht“ (I. Mose 2, 21-25).

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