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Licht auf dunklem Grund


Licht auf dunklem Grund

Ein Rembrandt-Roman
1. Auflage

von: Renate Krüger

8,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 07.07.2014
ISBN/EAN: 9783863943226
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 328

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Wer kennt nicht die berühmten Bilder Rembrandts, Szenen aus der Bibel und dem Alltag, Porträts und Landschaften, die unverwechselbar das Leben im Goldenen Zeitalter der Niederlande widerspiegeln und deuten? Die Autorin folgt in ihrem Roman nicht der gewohnten Methode, das gesamte Leben Rembrandts zu erzählen, sondern fängt wichtige Abschnitte wie in einem Brennspiegel ein: im Tagebuch von Rembrandts jüdischem Freund, dem Diplomaten, Schriftsteller, Drucker und Verleger Manasse ben Israel (1604-1657) von der Portugiesischen Synagoge in Amsterdam. Diese Abschnitte empfangen Motivation und Deutung aus Rembrandts Bildern, die somit ihren besonderen Platz im Leben erhalten, zumal in der Auseinandersetzung mit dem strengen jüdischen Bilderverbot.
Eines Tages steht Manasse be Israel vor der „Nachtwache“ und wird in Zweifel gestürzt, ob die Gesetze des Judentums, in denen es heißt: „Du sollst dir kein Bildnis machen“, zu Recht bestehen. Er beginnt sein Leben und damit seine Wandlung aufzuschreiben. Aus den Aufzeichnungen erleben wir sowohl das Schaffen Rembrandts als auch das Herauswachsen des Weisen der Portugiesischen Synagoge in Amsterdam aus den alten Traditionen, das sie, die Nachbarn Rembrandts, zu treuen, helfenden Freunden werden lässt. Der Titel erschien auch in japanischer Sprache.

LESEPROBE:
In langer Reihe zogen hochbeladene Fuhrwerke in die Markthalle und zu den städtischen Warenlagern. Pferdegetrappel, Peitschenknallen. In malerischer Kleidung die Fuhrknechte. Hatten ihnen die Landsknechte, die weiter östlich, in Deutschland, nun schon seit vielen Jahren, ihr Unwesen trieben, als Vorbild gedient?
Noch malerischer aber wirkten die fremden Kaufleute, die hier und da auftauchten und sich durch ihre lebhaften Reden und Bewegungen auffällig von den schwerfälligen, bedächtigen Holländern unterschieden. Es waren Pelzhändler aus Nowgorod, das am Ende der Welt, kurz vor dem ewigen Eis lag. Sie trugen lange blaue oder rote Gewänder, die mit Pelz verbrämt und mit unzähligen Knöpfen verziert waren.
Dort stolzierten türkische Seidenhändler mit gewaltigen Turbanen und Schnurrbärten, krumme Säbel in den Seidenschärpen und krummgebogene Pantoffeln an den Füßen. Ich sah Gewürzhändler aus unseren brasilianischen Kolonien mit ihren schwarzen und braunen Sklaven. Welch ein Bild! Das war Amsterdam!
Auch Rembrandt schaute sich angeregt um.
„Ein herrliches Bild, nicht wahr? Mir ist es nicht gegeben, solche Bilder zu malen. Leider.
Die Nachtwache
Unerwartete Freundschaft
Saskia van Uijlenburgh
Gerard Dou
Die Anatomie des Dr. Tulp
Der verlorene Sohn und der barmherzige Vater
Geertje Dircx und das zerstörte Bild
La Piedra Gloriosa
Der Mann mit dem Goldhelm
Hendrickje Stoffels
Die Botschaft der Bettler
Unter dem Hammer
Die Staalmeesters
Das letzte Gesicht
Geboren 1934 in Spremberg/Niederlausitz. Seit 1939 in Schwerin ansässig.
Studium der Kunstgeschichte und klassischen Archäologie in Rostock.
Tätigkeit am Staatlichen Museum Schwerin. 1965 Verlust des Arbeitsplatzes aus politischen Gründen, seither freiberuflich als Publizistin und Schriftstellerin tätig:
Sachbücher (Die Kunst der Synagoge 1966, Das Zeitalter der Empfindsamkeit 1972, Biedermeier 1979, Spurensuche in Mecklenburg 1999, Aufbruch aus Mecklenburg. Die Welt der Gertrud von le Fort, 2000),
Belletristik (Licht auf dunklem Grund, Rembrandt-Roman, 1967, Der Tanz von Avignon, Holbein-Roman 1969, Saat und Ernte des Joseph Fabisiak, 1969, Nürnberger Tand 1974, Malt, Hände, malt, Cranach-Roman 1975, Jenseits von Ninive, 1975, Aus Morgen und Abend der Tag, Runge-Roman, 1977, Wolfgang Amadés Erben, 1979, Türme am Horizont, Notke-Roman 1982, Die stumme Braut, 2001, Paradiesgärtlein, 2008),
Jugendbücher (Geisterstunde in Sanssouci, Menzel-Erzählung 1980, Das Männleinlaufen, Alt-Nürnberger Geschichte 1983, Des Königs Musikant, Erzählung über Carl Philipp Emanuel Bach 1985).
Nach 1989 Mitarbeit am Aufbau der parlamentarischen Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern, Archivarbeiten.
„Nun, Senor Mordechai? Was bringt Ihr heute? Leider werde ich Euch nichts abkaufen können, denn ich habe augenblicklich wenig Geld."
„Ich möchte Euch nichts verkaufen, ich will kein Geld von Euch. Ich brauche Euren Rat, Mijnheer van Rijn."
„Meinen Rat?"
Rembrandt war verwundert.
„Ja, wenn Euch damit gedient ist ... Kommt doch bitte herein."
Wir gingen in Rembrandts Atelier. Argwöhnisch blickte die Magd, die den kleinen Titus auf dem Arm trug, uns nach. Heute hatte ich für Rembrandts Bilder und Requisiten keinen Blick. Ich stellte ihm sogleich mein Anliegen vor.
„Mijnheer van Rijn, ich bin in arger Gewissensnot. Es ist gewiss eine Zumutung, Euch damit zu belästigen, aber ich habe zu Euch Vertrauen. Ihr seid ein gebildeter Mann und wisst mehr von uns Juden als andere Christen."
„Das mag sein. Doch ich weiß längst nicht alles, denn Eure Religion ist manchmal etwas schwer zu verstehen - oder irre ich mich?"
„Nein, Mijnheer van Rijn, Ihr irrt Euch nicht. Unsere Religion ist in der Tat oft eigenartig, und ihre Forderungen sind manchmal hart, selbst für uns. Denn Israel soll sich radikal in allen seinen Lebensformen von anderen Völkern unterscheiden, damit es nicht von ihnen aufgesogen wird. Nur so ist es zu erklären, dass Israel als Volk am Leben geblieben ist nach so vielen Gefangenschaften, Tempelzerstörungen und blutigen Verfolgungen.
Und so beten wir beim Sabbatausgang diesen Segensspruch: ,Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, der du unterscheidest zwischen Nacht und Tag, zwischen heilig und unheilig, zwischen Israel und den Völkern ...’
Und wir alle beugen uns dieser Unterscheidung, wenn es auch oft sehr schwer ist, sich immer von den ,anderen` unterscheiden zu müssen ... Ihr achtet uns; Mijnheer van Rijn, und deshalb wagte ich, zu Euch zu kommen.
Mein Bruder Abraham hat den Unterschied vergessen. Er will sein wie alle anderen. Und so geht er ins anatomische Theater des Dr. Tulp und studiert geschändete Leichen. Kennt Ihr, Mijnheer van Rijn, unsere strengen Vorschriften über den Umgang mit Toten? Wisst Ihr, dass wir durch diesen Umgang unrein werden?
Wisst Ihr, was Moses über die Unreinen sagte? ,Naht sich einer von euren Nachkommen in euren Geschlechtern den heiligen Gaben, die Israels Söhne dem Herrn weihen, im Stande der Unreinheit, soll er weggetilgt werden vor meinem Angesicht: Ich bin der Herr!‘"
,Ja, aber wozu soll ich Euch da raten, Senor Mordechai?"
Ich wusste es selbst nicht. Langsam kam mir zum Bewusstsein, was ich eigentlich von Rembrandt erwartete, und ich erschrak. Rembrandt sollte mir sagen, ob der Umgang mit Leichen tatsächlich unrein macht. Doch das war ja längst entschieden! Unser Lehrer Moses hatte es für alle Zeiten festgelegt! Er hatte bis in die Einzelheiten aufgezeichnet, wodurch der Mensch unrein wird: Glaubte ich das etwa nicht?
Rembrandt blickte mich durchdringend an.
„Ihr seid Jude, Mordechai, und Euer Vater ist ein Rabbiner. Ihr müsst wissen, wie Ihr Euch zu entscheiden habt - oder? Zweifelt Ihr an der Richtigkeit Eurer Entscheidung?"
Es klang nicht spöttisch, eher ein wenig besorgt oder gar mitleidig. Ich stöhnte.
„Ja, Mijnheer van Rijn, ja! Ich zweifle. Zum ersten Mal, dem Ewigen sei es geklagt!"
„Dankt Gott, dass Ihr noch zweifeln könnt, Senor Mordechai! Habt Ihr Lust, mich auf einem kleinen Spaziergang zu begleiten? Vielleicht kann ich Euch helfen. Ich will Eure Hoffnung und Euer Vertrauen nicht enttäuschen."
Rembrandt warf seinen schwarzen Mantel um, setzte den Schlapphut auf und trat dann in die Diele des Hauses. Mit lauter Stimme rief er: „Geertje Dircx!"
Sogleich kam die mürrische Magd. Noch immer trug sie den kleinen Titus auf dem Arm. Sie blickte Rembrandt unterwürfig, ja fast ein wenig liebevoll an.
„Mijnheer?"
„Geertje Dircx, ich gehe mit Mijnheer Mordechai fort. Ich werde nicht zum Essen zurück sein. Hüte unterdessen gut das Haus und den kleinen Titus. Leb wohl."
„Nicht zum Essen?"
Es klang enttäuscht.
„Ich habe Eure Lieblingsspeise vorbereitet, einen saftigen Kalbsnierenbraten. Ihr müsst zurückkommen!“
„Nein, Geertje Dircx, es ist unmöglich. Leb wohl!"
Wütend maß mich die Magd von Kopf bis Fuß. Sie hielt mich für schuldig, dass sie um die Anerkennung ihrer Kochkünste durch den Hausherrn kam. Und - ich war es ja auch. Schon wollte ich Rembrandt bitten, unsern Gang zu verschieben. Aber er hatte bereits die Haustür geöffnet, und so traten wir auf die Straße.
Ein heller, leuchtender Amsterdamer Herbsttag empfing uns. Der Himmel war durchsichtig und von einem so intensiven Blau, wie ich ihn auf den Bildern unserer Maler noch nicht gesehen habe.
„Das Jahr nimmt Abschied", sagte Rembrandt.
Auf den Grachten fuhren die kleinen Boote wie jeden Tag. Wir mussten vielen Fuhrwerken ausweichen, die über die gepflasterten Straßen donnerten. Überall Arbeit, allenthalben Fleiß und Anstrengung.
„Wohin gehen wir?", fragte ich.
„Ins Rathaus, Senor Mordechai!"
Ich war erstaunt. Was wollte Rembrandt im Rathaus?
Noch nie hatte ich den stolzen Bau am Damplatz betreten. Hier war der Mittelpunkt Amsterdams, hier schlug das Herz Hollands. Hier war der Sitz des Stadtparlaments, dessen Entscheidung als Maßstab für das ganze Land galt. Hierher kamen die bedeutendsten und fähigsten Männer Amsterdams, um über Wohl und Wehe der Stadt zu beraten. Schon überquerten wir den Damplatz.
Wie immer schlug mein Herz erregt, wenn ich mich auf diesem belebten Platz befand. Was gab es hier nicht alles zu sehen! Da standen Amsterdamer Handelsherren in ihrer schwarzen, vornehmen Kleidung im eifrigen Gespräch beieinander. Wurden hier Geschäfte abgeschlossen? Es ging ruhig und gemessen zu.
In langer Reihe zogen hochbeladene Fuhrwerke in die Markthalle und zu den städtischen Warenlagern. Pferdegetrappel, Peitschenknallen. In malerischer Kleidung die Fuhrknechte. Hatten ihnen die Landsknechte, die weiter östlich, in Deutschland, nun schon seit vielen Jahren, ihr Unwesen trieben, als Vorbild gedient?
Noch malerischer aber wirkten die fremden Kaufleute, die hier und da auftauchten und sich durch ihre lebhaften Reden und Bewegungen auffällig von den schwerfälligen, bedächtigen Holländern unterschieden. Es waren Pelzhändler aus Nowgorod, das am Ende der Welt, kurz vor dem ewigen Eis lag. Sie trugen lange blaue oder rote Gewänder, die mit Pelz verbrämt und mit unzähligen Knöpfen verziert waren.
Dort stolzierten türkische Seidenhändler mit gewaltigen Turbanen und Schnurrbärten, krumme Säbel in den Seidenschärpen und krummgebogene Pantoffeln an den Füßen. Ich sah Gewürzhändler aus unseren brasilianischen Kolonien mit ihren schwarzen und braunen Sklaven. Welch ein Bild! Das war Amsterdam!
Auch Rembrandt schaute sich angeregt um.
„Ein herrliches Bild, nicht wahr? Mir ist es nicht gegeben, solche Bilder zu malen. Leider. Ich bin dazu aufgerufen, mit meinen Bildern Anstoß zu erregen."
Schon standen wir vor dem großen Portal des Amsterdamer Rathauses, das weit geöffnet war. In ununterbrochenem Zuge strömten Menschen hinein und heraus. Auch wir gingen hinein. Wir kamen zuerst in die große Toreinfahrt, die fast wie eine Straße wirkte. Nach beiden Seiten zweigten sich endlos wirkende Gänge ab.
Rembrandt bog in den Gang zu unserer Rechten ein. Wir gingen ihn bis zum Ende. Dann hielten wir vor einer mächtigen zweiflügeligen Tür, vor der ein buntgekleideter Ratsdiener stand. Rembrandt nannte seinen Namen, und der Ratsdiener verbeugte sich ehrerbietig. Wir durften eintreten.
„Hier seht Ihr den Sitzungssaal der Amsterdamer Chirurgengilde. Ihr wundert Euch, dass er sich im Rathaus befindet? Das hat seine Ursache! Das Oberhaupt der Chirurgengilde, Professor Tulp, ist, wie Ihr vielleicht wisst, viermal hintereinander Bürgermeister von Amsterdam gewesen. Das ist fast 15 Jahre her, doch die Stadt gewährt ihm wegen seiner großen Verdienste manche Sonderrechte, darunter auch, dass er mit seiner Gilde hier im Rathaus zusammenkommen darf!
Er ist heute hochbetagt, aber so frisch und rüstig wie kaum einer! Er lebt nur für seine Wissenschaft und seine Schüler, zu denen sich auch Euer Bruder zählen darf ... Vor nunmehr zehn Jahren erhielt ich den Auftrag, Dr. Tulp mit den berühmtesten Mitgliedern seiner Chirurgengilde zu malen. Seht, dort hängt das Bild!"
Rembrandt wies auf die Stirnwand des Raumes. Dort hing ein großes, breites Gemälde, von dem ich sofort erschrocken meine Augen abwandte. So also sah es im anatomischen Theater aus! Rembrandt spürte mein Entsetzen, ja meinen Abscheu.

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