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Kreuzwege


Kreuzwege

Roman
1. Auflage

von: Walter Kaufmann

8,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 31.12.2013
ISBN/EAN: 9783863945633
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 409

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Kreuzwege. Dieses Wort lässt sich auch als Wege verstehen, die sich kreuzen. Da begegnen sich die Lebenswege zweier Menschen, und der Leser darf gespannt sein, was sich aus dieser Begegnung entwickelt – oder eben auch nicht.
In diesem Roman des deutsch-australischen Journalisten und Schriftstellers und Jahrhundertzeugen Walter Kaufmann sind es zwei Menschen sehr unterschiedlicher Herkunft, die sich begegnen, deren Lebenswege sich kreuzen – und zwar auf einem Schiff:
Ron war für sie jetzt nicht mehr irgendein gut aussehender Heizer. Sie hatte einen aufgeschlossenen, fantasiereichen und mutigen Mann kennengelernt, dessen zurückhaltende, leicht trotzige Art eine anziehende Ursprünglichkeit verriet, die zu seiner charakterfesten, männlichen Erscheinung passte.
Dieser junge Seemann konnte wenig Erfahrungen mit Frauen haben, das fühlte sie. Er hob sich stark gegen Jan Borowski ab, für den die Liebe nur ein Schachspiel war. Jeder Zug war berechnet: Rosen, Schallplatten, Whisky, ein vergessenes Zigarettenetui. Der Gedanke an Borowskis Hände, die nach ihrem Körper griffen, empörte sie. „Wir müssen vorsichtig sein. Du weißt, ich bin verheiratet!" Sie verabscheute die Erinnerung, sie hasste ihn und sich selbst, weil er sie bezwungen hatte.
Und jetzt hatte dieser Fremde, der ihr gar nicht mehr fremd war, ihren Weg gekreuzt, und sie verlangte nach seiner Umarmung mit einer Unmittelbarkeit, die sie vorher nie gekannt hatte. Durch ihn könnte sie sich von ihrer Vergangenheit befreien. Dass dieser Seemann da war, heute Abend und hier, war für sie wie klares Wasser aus einem frischen Quell.
Ron hatte gespürt, wie sich der Charakter ihres Beisammenseins veränderte. Im Laufe des Abends hatte er einen Teil seiner früheren Befangenheit überwunden. Und doch fühlte er sich noch fremd in dieser Umgebung - das gedämpfte Licht, die Bücherregale, die seltsamen Ornamente an den Wänden, der ungewohnte Luxus der Möbel. Er war sich der Schranken bewusst, die ihn von dieser Frau trennten. Ihre Neigung zu ihm war unerklärlich.
Er dachte an Ruby, an die dunkelhaarige, lachende, natürliche Ruby Kazakos, dachte an die ersten Tage mit ihr, ehe sie sich ihm hingegeben hatte, und im Vergleich zu Ruby wirkte diese Frau gewandt und selbstbewusst.

Hat Ron, der frühere Farmgehilfe, der nach einer gewalttätigen nächtlichen Auseinandersetzung aus seiner Heimatstadt fliehen musste und ein Seemann geworden ist, eine Chance bei Kath, der Architektentochter? Hat ihre Liebe überhaupt eine Chance?
Walter Kaufmann (eigentlich Jizchak Schmeidler) wurde 1924 in Berlin als Sohn einer jüdischen Verkäuferin geboren und 1926 von einem jüdischen Anwaltsehepaar adoptiert. Er wuchs in Duisburg auf und besuchte dort das Gymnasium. Seine Adoptiveltern wurden nach der Reichskristallnacht verhaftet, kamen ins KZ Theresienstadt und wurden im KZ Auschwitz ermordet. Ihm gelang 1939 mit einem Kindertransport die Flucht über die Niederlande nach Großbritannien.
Dort wurde er interniert und 1940 mit dem Schiff nach Australien gebracht. Anfangs arbeitete er als Landarbeiter und Obstpflücker und diente als Freiwilliger vier Jahre in der Australischen Armee.
Nach 1945 verdiente er seinen Lebensunterhalt als Straßenfotograf, auf einer Werft, im Schlachthof und als Seemann der Handelsmarine. 1949 begann er seinen ersten Roman, der 1953 in Melbourne erschien.
1957 übersiedelte er in die DDR, behielt jedoch die australische Staatsbürgerschaft. Seit Ende der 1950er Jahre ist Walter Kaufmann freischaffender Schriftsteller. Ab 1955 gehörte er dem Deutschen Schriftstellerverband und ab 1975 der PEN-Zentrum der DDR, dessen Generalsekretär er von 1985 bis 1993 war. Er ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.
Walter Kaufmann war außerdem in mehreren DEFA-Filmen als Darsteller tätig, teilweise unter dem Pseudonym John Mercator.
Auszeichnungen
1959: Mary Gilmore Award
1961, 1964: Theodor-Fontane-Preis des Bezirkes Potsdam
1967: Heinrich-Mann-Preis
1993: Literaturpreis Ruhrgebiet
Bibliografie

Werke in englischer Sprache
Voices in the storm
The curse of Maralinga and other stories
American encounter
Beyond the green world of childhood

Werke in deutscher Sprache
Wohin der Mensch gehört
Der Fluch von Maralinga
Ruf der Inseln
Feuer am Suvastrand
Kreuzwege
Die Erschaffung des Richard Hamilton
Begegnung mit Amerika heute
Unter australischer Sonne
Hoffnung unter Glas
Stefan – Mosaik einer Kindheit
Unter dem wechselnden Mond
Gerücht vom Ende der Welt
Unterwegs zu Angela
Das verschwundene Hotel
Am Kai der Hoffnung
Entführung in Manhattan
Patrick
Stimmen im Sturm
Wir lachen, weil wir weinen
Irische Reise
Drei Reisen ins gelobte Land
Kauf mir doch ein Krokodil
Flucht
Jenseits der Kindheit
Manhattan-Sinfonie
Tod in Fremantle
Die Zeit berühren
Ein jegliches hat seine Zeit
Im Schloss zu Mecklenburg und anderswo
Über eine Liebe in Deutschland
Gelebtes Leben
Amerika
Die Welt des Markus Epstein
Im Fluss der Zeit
Schade, dass du Jude bist
Wie in den meisten Häusern hatten sich am Silvesterabend auch in Whiteladys die Familien zusammengefunden, um die letzten Augenblicke des alten Jahres ungestört zu erleben.
Die Gläser waren gefüllt, und eine erwartungsvolle Stille lag über allem. Katharine führte Ron geheimnisvoll zu ihren Eltern.
„Ich möchte euch sagen", flüsterte sie, und ihre Augen und ihr Gesicht glühten, „dass Ron und ich uns verlobt haben."
Ein kaum merkliches Erstaunen furchte die Stirn des Architekten; es war, als husche ein Schatten über sein Gesicht. „Kathy!", sagte er. Da er glaubte, das Schlimmste sei noch abwendbar, zwang er sich, heiter zu sein und einen Vers Shakespeares über ,duldendes Schweigen' und ‚müßiges Vorhersagen' zu zitieren.
„Dad!", rief Katharine.
„Schon gut, mein Mädchen, schon gut", antwortete er, küsste sie und drückte Ron die Hand. „Ich wünsche euch Glück."
In Rons Ohren klangen seine Worte nicht echt. - Und nichts, nicht Sibyl Miles herzliches: „Die Zukunft liegt in euren Händen, und ich freue mich mit euch - besonders für Katharine!" noch der Ton, in dem sie es sagte, konnte diesen Eindruck verwischen.
Die Neujahrsglocken der nahe gelegenen Kirchen begannen zu läuten, und ihre vollen Töne drangen in die Zimmer, die von Gläserklingen und fröhlichen Stimmen widerhallten. Man bildete einen Kreis, fasste sich an den Händen und sang „Auld Lang Syne". Das Lied verband die Gäste in einer neuen und besonderen Art von Geselligkeit. Aber bis zu ihrem Abschied zeigte Mr. Miles keine Absicht, die Verlobung seiner Tochter bekannt zu geben.
„Es war ein Schock für ihn", rief Katharine, als sie durch die lärmerfüllten Vorortstraßen nach Haus fuhren. „Wir müssen ihm Zeit lassen, damit er sich an den Gedanken gewöhnen kann. Ich bin sein einziges Kind."
„Ich weiß nicht, ob es nur eine Frage der Zeit ist", hatte er geantwortet.

Jetzt, im Sonnenlicht, auf dem Kamm des Hügels über Haybrook, wandte er sich zu Katharine.
„Kathy", sagte er zart, „ich wünsche nur, dass du dich in meiner Familie nicht fremd fühlst."
„Das werde ich nicht, das weiß ich."
„Und nichts hat sich geändert?"
„Ich will dich heiraten", antwortete sie. „Ich habe noch nie so sicher gewusst, was ich wollte. Ich liebe dich, Ron."

Der Weg, der vom Hügelkamm durchs Dickicht abwärts bog, führte, ehe er in die Chaussee mündete, auf einigen Umwegen zu den südlichen Ausläufern von Haybrook. Unfehlbar fuhr Ron an dem Stumpf der Eiche, an dem Fleckchen Grasland und an den drei Weiden am Fluss vorbei. An der Kreuzung hinter dem Eingeborenenlager bog er ab und fuhr langsam die vertraute Straße hinunter, an Obstgärten und Gehöften vorüber.
Nur das Geräusch des Motorrads störte die Ruhe, als sie sich der baumgesäumten Auffahrt näherten, die zur Farm von Ed Cox führte. Ron drosselte den Motor.
„... bin hierherum gefahren, um dir das Gehöft zu zeigen. Schau. Hier ist es. Erinnerst du dich?", rief er Katharine zu. Das aufgeregte Gebell eines Hundes hinderte ihn daran, weiterzusprechen. Der Hund setzte, immer noch bellend, über einen Zaun und sprang die Straße entlang, auf das Motorrad zu. Ungeachtet der Gefahr, versuchte er einen Angriff auf die Räder, verfehlte sein Ziel und wurde durch die Kraft der eigenen Geschwindigkeit in den Staub geschleudert. Ron hielt an, der Hund sprang knurrend auf, winselte plötzlich und schnellte Ron entgegen. Mit wedelndem Schwanz sprang er an ihm hoch und leckte ihm Gesicht und Hände.
Die Freude des Erkennens war ergreifend und deutete auf grenzenlosen Mangel an Fürsorge.
„Na komm, du armer Kerl, komm, komm", sagte Ron rau. „Ja, was ist denn, was ist denn?"
Er umschloss den Kopf der Hündin mit den Händen und schüttelte sie derb an den Ohren. Die Augen des Tieres wurden zu Schlitzen, und das Fell straffte sich. Es winselte.
Eine kaum verheilte Narbe über seinem linken Auge brach auf, und winzige Bluttropfen sickerten hervor.
„Hat AI dich wieder geprügelt, du armes Vieh?", fragte Ron den Hund, der sich fester anschmiegte und versuchte, mit den Vorderpfoten Halt in Rons Schoß zu finden.
„Klar, AI hat ihn geprügelt", hörten sie eine Stimme hinter sich.
Der Hund sprang zu Boden und schlich verängstigt zum Zaun zurück. Ron und Katharine drehten sich gleichzeitig um und sahen sich AI Cox gegenüber, der breitbeinig am Rand der Straße stand, die Daumen unter die Hosenträger geklemmt, die straff über seinem weißen Hemd saßen. Die Hutkrempe warf einen schmalen Schatten auf seine Augen. Ron starrte Cox an. Die Haut über seinen Backenknochen spannte sich.
„Willkommen zu Hause", sagte Cox, zog die Hosenträger nach vorn und ließ sie auf seinen breiten Brustkasten zurückschnellen. „Ein frohes neues Jahr, dir und der Dame."
Ron startete das Motorrad. Auspuffgase strömten Cox entgegen. Er trat beiseite. Ron schaute sich nach dem Hund um, der hinter dem Zaun verschwunden war.
„Du weißt doch, wie man Kerle nennt, die ihre Hunde prügeln", rief Ron durch den Motorenlärm.
„Brauchst nicht auf die Dame Rücksicht zu nehmen", schrie AI Cox zurück. „Sag's schon! Sei nicht dein Lebtag ein feiger Hund."
Ron biss sich auf die Lippen. Es war, als wäre seit dem Tag, da er Haybrook verlassen hatte, keine Zeit vergangen. „Feiger Hund, feiger Hund ..."
„Wir sehen uns heut nachmittag bei Kelly", rief er wütend. „Wenn du dann noch was willst, zeig ich's dir."

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