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Irdene Zeit


Irdene Zeit

Gedichte
1. Auflage

von: Volker Ebersbach

6,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 16.02.2022
ISBN/EAN: 9783965216259
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 119

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Wann sind diese Gedichte entstanden? Und was soll der Titel „Irdene Zeit“ bedeuten? Worauf bezieht er sich?
Antworten auf diese Fragen gibt Volker Ebersbach in einer diesen lyrischen Texten vorangestellten „Vorbemerkung des Autors“, in der im Januar 1999 schrieb:
„Leser wollen ein Gedicht erleben, als Gegenwart sich aneignen, und wissen doch im nächsten Atemzug: Was die Verse sagen, ist vergangen, nur Boten des Vergangenen finden in Gestalt verbundener Worte in die Gegenwart des Lesens.
Damit ist die Frage nach der Entstehungszeit aufgeworfen. „Irdene Zeit“ ist eine lange gereifte Sammlung, eine Summe. Entstehungszeit heißt für sie nicht ein Jahr, ein Datum, eine Tageszeit, sondern eine Zeitspanne, während der immer wieder daran gearbeitet wurde. Leser haben jeweils die vorläufig letzte von mehreren Fassungen in der Hand. Oft haben sich im Lauf von Jahren nur einzelne Worte, einzelne Verse oder Teile von Versen geändert; manchmal verschwand eine ganze Strophe, ein andermal kam eine neue hinzu. So entstand eine Zusammenfassung von beinahe vier Jahrzehnten, in denen sich überall viel verändert hat, noch mehr aber geblieben ist, wie es war. Über beides mag man sich die Augen reiben, über das Veränderte wie über das Gebliebene. Die Pleiße ist nicht mehr schwarz. Aber die Bäume sterben noch. Bagger sind eine Weile verstummt und brüllen doch wieder. Ich darf meine Meinung sagen, ohne gerügt und benachteiligt zu werden. Aber noch immer denken sich andere mich aus. Sie haben gewechselt und sind doch dieselben. Das Einhorn kommt so wenig zur Ruhe wie die Liebesmühle, die Blätter fallen weiter, und Sisyphos wäre nicht er selbst, fände sein Stein festen Halt. Kolumbus ist unentwegt auf der Suche, denn was er fand, war nie das, was er suchte. Nichts von dem, was wir tun, erreicht genau den Zweck, zu dem wir es beginnen. Manchmal führen wir ein Unheil gerade mit den Mitteln herbei, die es abwenden sollten. Es gibt, wie vieles auch „nicht mehr so“ ist, zu allem noch ein Noch. Irdene Zeit geschieht, solange die Erde dauert. Der Teppich wiedergefundener Zeit fährt endlos davon. Und vielleicht Lehrt Sappho noch einmal wieder?“

Und möge die irdene Zeit noch lange dauern. Vielleicht sogar ewig.
I. GESTAFFELTE ERDE
Damm an der unteren Saale
Halt auf freier Strecke
Altes Schlachtfeld im Herbst
Oktober in Mór
Der Kristallschleifer
Vorweihnacht im Erzgebirge
Bärenlauch
Feldwinkel im Meißnischen
März
Mai
Der Specht
II. KLAFFENDE FLUREN
Der tote Baum
Sägen
Orgelkonzert in Rötha
Die Bagger
Die Pleiße
Spätsommer an der Mulde
III. IRDENE ZEIT
Kosmogonie
Nixe und Schneeschmelze
Lupine
Ungarischer Klatschmohn
Herbstahnung
Baumwipfel
Gedenktag
St. Thekla bei Leipzig
Gefangen
Irdene Zeit
IV. GESTAMMELTES SCHWEIGEN
Abendstimmung
Desertion
Warten
Liebes-Lager
Die Liebesmühle I
Die Liebesmühle II
Denkzettel
Letztes Gespräch
Zauberspruch
Spinnenschloss
Verse I
Verse II
V. ATEMWENDE
Jahrhunderttag
Ankunft
Das Einhorn
Tiere im Sommer
Rückkehr
Anderswerden
September
Spätherbst
VI. LEGENDEN
Herbstlegende
Geburtstag
Zwei Eulen
Der Traum des Kapitäns Charon
Ariadne
Amor und Psyche
VII. BÖSES INTERMEZZO
Gesicht im Fenster
Lied eines indianischen Bettlers
Guerrilla-Ballade
Trachom
VIII. GESTAFFELTE SPIEGEL
Sisyphos I
Sisyphos II
Tacitus
Verse des römischen Kaisers Hadrian
Porträtbüste des Kaisers Gallienus
Eine Kriegslist
Macchiavelli
Kopernikus
Novalis in Freiberg
Gustav Mahler 1911
Georg Trakl
Marcel Proust
Sapphos Wiederkehr
IX. SUITE IM ALTEN STIL
Die Elsteraue bei Knauthain
Apokalyptisches Gebet
Taktische Erwägungen
Spätsommer
Sterbliche Sonette
Volker Ebersbach ist am 6. September 1942 in Bernburg/Saale geboren und dort aufgewachsen. Nach Abitur und Schlosserlehre studierte er von 1961 bis 1966 Klassische Philologie und Germanistik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 1967 promovierte er über den römischen Satiriker Titus Petronius. Danach lehrte er Deutsch als Fremdsprache ab 1967 in Leipzig, 1968 in Bagdad, 1971 bis 1974 an der Universität Budapest, wo er auch mit seiner Familie lebte.
Seit 1976 ist er freier Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber. Er schreibt Erzählungen und Romane, Kurzprosa, Gedichte, Essays, Kinderbücher, Biografien und Anekdoten. Er übersetzte aus dem Lateinischen ausgewählte Werke von Catull, Vergil, Ovid, Petronius, das Waltharilied, Janus Pannonius und Jan Kochanowski. Einzelne Werke wurden ins Slowenische und Koreanische übersetzt.
Von 1997 bis 2002 war er Stadtschreiber in Bernburg. Danach lehrte er bis 2004 an der Universität Leipzig.
Lion-Feuchtwanger-Preis, 1985
Stipendiat des Künstlerhauses Wiepersdorf und des Stuttgarter Schriftstellerhauses, 1993
Die Bagger
Im Braunkohlenkrater fressen sie sich
auf Hörweite heran. Nachts,
wenn die Straßenhahn aussetzt,
die Autos unter Laternen schweigen,
wenn mein Nachbar schnarcht,
jaulen sie hungrig auf:
rostfarbene Riesenhunde.
Ständig sind sie am Fraß.
Unaufhaltsam graben sie sich durchs Land,
verschlingen Wälder und Dörfer, nähren
die Riesenschweißfüße der Chemie.
Mitschuldig wie eine Geisel
schleppe ich hängenden Kopfes
Asche treppab und Briketts treppauf.
In der Elsteraue die Sägen:
Sie knattern und rattern,
sie ächzen und krächzen,
sie schreien, kreischen, stöhnen.
Die Bäume aber neigen
sich sanft und schweigen.
Sie gehen den Weg der Kohle
Die Pleiße
Ach, wie romantisch verschränken die grünenden Eschen und Eichen
Über dem trägen, nach Teer stinkenden Rinnsal ihr Laub!
Ach, wie verständnisvoll spuckt nach dem Jogging der japsende Raucher
schwarz in das spiegelnde Schwarz: Einig sind Mensch und Natur.
Spätsommer an der Mulde
Die Wasser haben ihr Bett,
die Glocken ihren Klang,
die Straßen ihre Maschen.
Nesseln finden zusammen.
Grillen behaupten alle dasselbe.
Schmetterlinge segnen es ab.
Die Sonne feiert
die Feuerbestattung der Blumen.
Ich teile mit Wespen die Birnen.
Wolken wollen nicht bleiben,
Vögel nicht singen. Nur
eine Krähe bestellt Regen.

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