Details

Ich kam und sah und lachte


Ich kam und sah und lachte

Balladen, Anekdoten und Aphorismen
1. Auflage

von: Gerhard Branstner

5,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 06.09.2022
ISBN/EAN: 9783965217522
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 173

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

In einer der in diesem Buch nachzulesenden „Neulichkeiten“ geht es um eine Nonne in einem Wahllokal in Jena, wo sie zur Zeit der ersten Wahl zur Volkskammer für ein besonderes Vergnügen und herzliches Gelächter sorgte. Und damit sind wir schon bei den beiden großen Themen dieses Autors, der sich immer wieder mit der menschlichen Heiterkeit und deren Voraussetzungen sowie mit dem Lachen befasst hat – und zwar mit dem Lachen zur richtigen Zeit.
Um das besser verstehen zu können, sei hier die vollständige Nonnen-Heiterkeit zitiert:
Von einer Nonne, die sich der Polizei überliefern wollte; sie wurde aber nicht genommen
Während der ersten Wahl zur Volkskammer erlebten die Wähler in einem Wahllokal in Jena ein besonderes Vergnügen. Eine junge und hübsche Nonne hatte ihren Stimmzettel in einer der Kabinen ausgefüllt und trat an die Urne heran. Nach einem Blick gen Himmel steckte sie den Stimmzettel in die Öffnung der Urne und rief bewegt: „So, jetzt könnt ihr mich verhaften.“
Sie hatte nämlich mit „Nein“ gestimmt und dachte nicht anders, als dass sie nun unvermeidlich hinter Gittern schmachten müsse. Als die übrigen Wähler die Situation begriffen hatten, brachen sie in ein herzliches Gelächter aus, das sich an der Verlegenheit der hübschen Nonne immer aufs Neue entzündete. Die Nonne blickte sich im Raume um, ihre Augen suchten den „Geheimpolizisten“, der nach ihrer Meinung unbedingt anwesend sein musste. Doch es wollte sich keiner blicken lassen. Weitere in das Wahllokal eintretende Wähler umringten die Nonne und stimmten in das Gelächter ein, sobald sie unterrichtet wurden. Die Nonne sah sich noch immer nach der Polizei um, ihr Blick hatte jetzt aber etwas Hilfesuchendes an sich. Es schien, als ob sie den Polizisten als Retter aus höchster Not erwarte. Aber auch jetzt trat er nicht auf die Bildfläche.
Schließlich machte ein Angehöriger des Wahlausschusses die Nonne darauf aufmerksam, dass sie durch ihr Verhalten den ernsthaften Fortgang der Wahlaktion störe, und sie ging blutübergossenen Gesichts aus dem Raum.
Das Bemerkenswerte an dieser Geschichte ist aber, dass die Nonne eine tiefe Enttäuschung über diesen Ausgang ihrer Wahlhandlung im Herzen nach Hause trug. Einige der Umstehenden jedenfalls wollten es so gesehen haben.
Und zum Schluss noch zwei andere spannende Aphorismen von Gerhard Branstner:
Manche Leute sind, wie sie sagen, nur deshalb gegen die Revolution, weil sie unhöflich sei.
Worüber man sich nicht einigen kann, darüber kann man nicht streiten.
Ich kam und sah und lachte
I Nepomuk‘s
Später Genuss
Vorsorge
Das Ding an sich
Medizin und Politik
Das Vermögen des Menschen
Das Paradoxon der Lebenskunst
Der heilige Martin
Die unmoralische Tugend
Schnupfen und Schnupfen lassen
Die dritte Seite
Dilemma der Kritik
Bilanzierte Dichtung
Autorenschicksal
Das Streitgespräch
Möglichkeiten der Kritik
Gefährdete Helden
Die förmliche Nachfrage
Der stille Teilhaber
Der Knalleffekt
II Balladeskes
Beschreibung einer Weitumfahrt aus dem Jahre 1798
Da kam der Ritter Waterlo
Ach, Liebster, lass uns eilen
Des Jägers Wunderhorn
Ein schöner Mann liebt’ einst ein Weib
Moritat von den schwarzen und von den grauen Haaren
Spiegelduett
In Erwartung des Liebsten
Nora oder das Puppenheim
Klage um einen verdienten Toten, der im Leben nichts getaugt hat
Ein deutsches Schicksal
Schnakenballade
Das Lied vom kleinen Feigenbaum
Dschungelballade
Ballade vom lachenden Affen
Die umgekehrte Todesangst
Die Zwickmühle Gottes
Höhere Metaphysik
Gut ist jede Jahreszeit
Elf Liebchen und eins
Die kleine Liebelei
Hinterhofballade
Unsere Oma, die ist gut
Das Lied von der ernsthaften Heiterkeit
III. Neulichkeiten
Wenn die Frau zu lange kein Fleisch bekommt
Von hölzernen Beinen – und Menschen
Von einer Warze, die sich forterbte, obwohl sie an einer gefährlichen Stelle saß
Wie eine Straßenbahn einen Schwanz bekam und wie sich verschiedene Leute dazu verhielten
Eine Geschichte, die zeigt, welches aller Übel das größte ist
Wie Friedrichs Pfeife zerbrach und unter welcher Bedingung er sie hätte retten können
Von einem nächtlichen Einbruch, und warum der eine stehenblieb, als der andere schneller rannte
Von einer Nonne, die sich der Polizei überliefern wollte; sie wurde aber nicht genommen
Wie ein Kapitalist seine Arbeiter dazu brachte, gebückt zu gehen
Von einem Manne, der keine Angst hatte, sich aufzuhängen, wohl aber, dabei vom Baum herunterzufallen
Eine Geschichte, in der die Sorge um den Inhalt 500 Mark weniger wert ist
Von einem nützlichen Missverständnis
Von einem, der gerne gewusst hätte, wie es sich dagegenstimmt
Vom Dichten und vom Trachten
Davon, wie die Kunst nichts bewirkt, auch wenn sie wirkt
Die Klugheit des Leibes
IV. Aphoristisches
Geboren am 25.Mai 1927 in Blankenhain/Thüringen, Volksschule, drei Jahre Verwaltungslehre.
1945 Soldat im 2. Weltkrieg, bis 1947 in amerikanischer, französischer und belgischer Kriegsgefangenschaft.
1949 – 1951 Abitur an der ABF Jena, 1951 bis 1956 Studium der Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin, 1963 Promotion (Dr. Phil.).
1956 - 1962 Dozent an der Humboldt-Universität, 1962 – 1964 Lektor, 1966 - 1968 Cheflektor Eulenspiegelverlag/ Das Neue Berlin.
Ab 1968 freiberuflicher Schriftsteller.
2008 in Berlin verstorben.
Ach, Liebster, lass uns eilen
Ach, Liebster, lass uns eilen,
es schadet uns Verweilen
nur beiderseit.

Der edlen Schönheit Gaben
und alles, was wir haben,
entschwindet mit der Zeit.
Drum lass uns jetzt genießen,
eh dass wir folgen müssen
des Alters Dürftigkeit.
Drum lass uns jetzt genießen
der Jugend schönstes Glück.
Was du mir gibst, das gebe
ich doppelt dir zurück.
Drum lass uns jetzt genießen,
eh dass wir folgen müssen
des Alters Dürftigkeit.
Ach, Liebster, lass uns eilen,
es schadet uns Verweilen
nur beiderseit.
Des Jägers Wunderhorn
Ein Jäger hat ein Horn, gib acht!
Das bläst er nur bei Nacht tirilü,
das bläst er nur tirilütütü, das bläst er nur
bei Nacht.

Und er versteht sich auf das Horn
von hinten und von vorn tirilü.
Von hinten und tirilütütü, von hinten und
von vorn.

Und als sich ihm ein Mägdlein naht,
was glaubt ihr, was er tat tirilü,
was glaubt ihr, was tirilütütü, was glaubt ihr, was
er tat?

Er zeigte ihr das Instrument
und fragt, wie sie es fänd’ tirilü,
und fragt, wie sie tirilütütü, und fragt, wie sie
es fänd’.

Das Mägdlein nahm’s in Augenschein
und in die Hände zwein tirilü,
und in die Händ’ tirilütütü, und in die Hände
zwein.

„Das Horn find‘ ich gar recht“, sprach sie,
„wenn Ihr auch kennt das Spiel tirilü,
wenn Ihr auch kennt tirilütütü, wenn Ihr auch kennt
das Spiel.“

Der Jäger sprach: „Ich kenn‘ es wohl“,
und stieß mit großer Kunst tirilü
die Töne, dass die Ader schwoll –
tirilütütü! Tirilü!
Und auch die Zwischentöne,
die weichen und die andern,
lässt er in schnellem Wechsel
durch alle Lagen wandern –
tirilütütü! Tirilü!
Noch manch verschlungne Wendung
und unverhofften Sprung tirilü
vollführt sein Instrumentum.
Da naht die Morgendämmerung –
tirilü! Tirilütütü! Tirilü!

Sprach sie: „Ach schnell noch mal von vorn,
es ist ein Wunderhorn tirilü,
es ist fürwahr tirilütütü, fürwahr ein Wunderhorn.
Ach schnell noch mal von vorn!“
Ein schöner Mann liebt’ einst ein Weib
Ein schöner Mann liebt’ einst ein Weib
und sie liebt’ ihn von Herzen.
Er hat sie bald darauf gefreit,
der schöne Mann das schöne Weib.
Sie liebte ihn von Herzen.

Doch seine Liebe wurde kalt, sie wurde kalt.
Sie liebte ihn mit Schmerzen.
So wurde ihre Liebe alt, sie wurde alt –
sie wurde alt mit Schmerzen.
Moritat von den schwarzen und von den grauen Haaren
Ein jedes Alter hat auch sein Beschwer,
und wer es hat, empfindet es dann sehr.
Der Jüngling wünscht, dass er schon älter wär.
Und ist er alt, sehnt er die Jugend her.
So lebt ein jeder in sich selbst halbiert –
und keiner weiß davon, wohin der Zwiespalt führt.

Hört nun die haarsträubende Geschichte von dem Manne, der es mit zwei Frauen hielt, einer älteren und einer jungen.
Aber es ist ihm schlecht ausgeschlagen.

Der Mann befand sich in den besten Jahren noch
und hatte wunderschönes schwarzes Haar – jedoch
auch graue warn zu sehn.

Die Frauen liebte er (versteht sich) wechselweis.
Sie zupften ihm dabei ganz zart im Haar mit Fleiß.
Und schließlich wars geschehn.

Mit kahlem Kopf steht er vor einem Rätsel.
Die Lösung ist voll Narretei.
Die Junge liebte seines Haares Schwärze
und zog die grauen by and by.
Die schwarzen zog die Alte ihm vom Dezel,
damit er ihr mehr ähnlich sei.

Auf diese Art erweist sich das Gemetzel
als klassische Haarspalterei.

Und von dem Manne sei nur soviel noch gesagt:
Er hat verdient den kahlen Schlag.
Wer sich halbiert, um so sein Glück zu gründen,
an dem ist nichts verlorn, der kann sich selbst nicht finden.

Der Weisheit Schluss hat Raum in einem Satze:
Wer sich in sich nicht kann zusammenfassen,
wird nie er selbst und muss nur Haare lassen.

Und du stehst da – mit Glatze!

Diese Produkte könnten Sie auch interessieren:

Neue Farm der alten Tiere
Neue Farm der alten Tiere
von: Sonja Voß-Scharfenberg
EPUB ebook
7,99 €
Der Narrenspiegel
Der Narrenspiegel
von: Gerhard Branstner
EPUB ebook
6,99 €
Neue Farm der alten Tiere
Neue Farm der alten Tiere
von: Sonja Voß-Scharfenberg
PDF ebook
7,99 €