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Heldenberichte


Heldenberichte

Erzählungen und kurze Prosa

von: Erik Neutsch

9,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 04.08.2014
ISBN/EAN: 9783965213616
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 379

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Seine bisherigen Erzählungen und seine kurze Prosa —- darunter die Zyklen ,,Die anderen und ich“ und „Bitterfelder Geschichten“ — fasst Erik Neutsch in diesem Band zusammen. Sie alle ergeben die Vielfalt im Heldenbild des Autors, die jede Kanonisierung eines abstrakten schematischen Heldenbegriffes ausschließt. Arbeiter sind es vor allem, die Neutsch in den Mittelpunkt seiner Geschichten rückt, oder Vertreter solcher Schichten, die mit der Arbeiterklasse gehen. Eine illustre Palette von Heldengestalten bietet sich dem Leser dar: große und kleine, historische wie zeitgenössische, durchschnittliche wie außergewöhnliche. Neben Werktätigen, die vorbildliche Produktionstaten vollbringen, neben Intellektuellen und Bauern steht der NVA-Pilot, der eine Stadt vor der Katastrophe rettet und dabei, wie er selbst memoriert, bei „seiner Arbeit verunglückt“.

LESEPROBE:
»Ich möchte gern ein paar Reißzwecken.«
David Rübsamen zog dienstbeflissen ein Schubfach auf . »Die besten und die billigsten Sorten, mein Herr...«
»Ich suche recht starke Reißzwecken. Solche, die sich nicht gleich verbiegen.« Der Fremde musterte die Auslage.
David Rübsamen trippelte wiederum zum Schrank, öffnete eine andere Lade und bot deren Inhalt an.
»Ich rate Ihnen, nehmen Sie Reißnägel. Die dringen in jedes Holz ein und sind klopffest.«
Der Mann betastete sie mit den Fingern. »Was kostet das Stück?«
»Zwanzig Reichspfennig das Schock.« David Rübsamen legte wieder die Handflächen auf die Tischplatte.
»Nein, kein Schock. Ein halbes Dutzend genügt.«
»Bitte sehr, mein Herr.« David Rübsamen wickelte die Reißnägel sorgfältig in Seidenpapier, bevor er sie in eine Tüte tat, und überreichte sie dann seinem Kunden. »Zwei Reichspfennig macht es dann, Herr.«
Der Mann nahm das Päckchen, legte, als zähle er sie vor, zwei einzelne Pfennigmünzen auf den Glasteller mit Pelikan-Reklame, dankte und ging.
David Rübsamen kam zu spät, um ihm vor dem Hinaustreten noch die Tür zu öffnen. Er verstaute die Schubkästen wieder an Ort und Stelle. Als er jedoch zufällig davon aufsah, bemerkte er, wie sich der Mann, dessen Gesicht ihm nicht unbekannt gewesen war, draußen an der Tür zu schaffen machte. Kaum aber entdeckt, entfernte sich der Fremde.
David Rübsamen lief verwundert zur Tür, um nachzuschauen.
Die Glöckchen bimmelten wieder melodisch.
Am Holz des Rahmens hing von außen ein Pappschild.
Mit sechs blinkenden Reißnägeln war es akkurat an der Tür befestigt.
Auf dem Schild stand in fetten schwarzen Lettern: JUDE.
Die anderen und ich
Die anderen und ich
DER HIRT
Drei Tage unseres Lebens
ERSTER TAG
ZWEITER TAG
DRITTER TAG
Akte Nora S.
Bitterfelder Geschichten
Die Straße
Der Dieb
Die Versuchung
Ein Mädchen mit Kind
Die Regengeschichte
Hallemasch
Sensation
Genrebilder in Worten
Eine Selbstverständlichkeit
Vater werden im Kran
Die zweite Begegnung
DER HOF
DIE ERSTE BEGEGNUNG
QUITT
Ein Ding gedreht
Der Neue
Mit den Jahren
Der Scheiterhaufen
Der letzte Kunde
Die Armut
Ein Heldenbericht
Geboren 21. Juni 1931 in Schönebeck/Elbe, Studium der Philosophie und Publizistik an der Universität Leipzig, Diplom 1953, bis 1960 Kultur- und Wirtschaftsredakteur in Halle, Reporter.
Seit 1962 freischaffender Schriftsteller, Mitglied der Akademie der Künste der DDR 1974-1991, Mitglied des Schriftsteller-Verbandes Deutschlands.
Erik Neutsch ist am 20. August 2013 in Halle verstorben.
Veröffentlichungen
Romane:
Spur der Steine, Halle 1964, Bergisch-Gladbach 1991, München 1994, Leipzig 1996 (35 Aufl.)
Auf der Suche nach Gatt, Halle 1973, Benshausen 2009 (15 Aufl.)
Der Friede im Osten, bisher 4 Bände, Halle 1974-1987 (29 Aufl.)
Totschlag, Querfurt 1994 (2 Aufl.)
Nach dem großen Aufstand - Ein Grünewald-Roman, Leipzig 2003, Dößel 2010 (2 Aufl.)
Erzählungen:
Die Regengeschichte, Halle 1960 (3 Aufl.)
Die zweite Begegnung, Halle 1961
Bitterfelder Geschichten, Sammelband, Halle 1961 (3 Aufl.)
Die anderen und ich, Sammelband, Halle 1970 (5 Aufl.)
Tage unseres Lebens, Leipzig 1973
Heldenberichte, Sammelband, Berlin 1976
Akte Nora S., Berlin 1976
Der Hirt, Halle 1978, Berlin 1998
Zwei leere Stühle, Halle 1979 (10 Aufl.)
Forster in Paris, Halle 1981, Querfurt 1994 (3 Aufl.)
Claus und Claudia, Halle 1989 (3 Aufl.)
Stockheim kommt, Berlin 1998
Verdämmerung, Kückenshagen März 2003 (2 Auflagen)
Kinderbücher:
Olaf und der gelbe Vogel, Berlin 1972 (5 Aufl.)
Vom Gänslein, das nicht fliegen lernen wollte, Leipzig 1995.
Bühnenwerke:
Haut oder Hemd, Schauspiel, Urauff. Halle 1971
Karin Lenz, Opernlibretto zur Musik von Günter Kochan, Urauff. Deutsche Staatsoper Berlin 1971
Haut oder Hemd, Text und Dokumentation, Halle 1972
Da sah ich den Menschen, Dramatik und Gedichte, Berlin 1983
Die Liebe und der Tod, Gedichtband, Halle 1999
Mitautor in ca. 70 Anthologien und Sammelbänden.
Filme (nach seinen Texten):
Spur der Steine, DEFA 1966
Die Prüfung, DEFA 1967
Akte Nora S., Deutscher Fernsehfunk 1975
Auf der Suche nach Gatt, DFF 1976
Zwei leere Stühle, DFF 1982
Übersetzungen seiner Texte in über 20 Sprachen.
Verkaufte Bücher (ohne Anthologien): ca. 2,2 Millionen in Deutschland.
Auszeichnungen u.a.:
Nationalpreis der DDR für Kunst und Literatur 1964 und 1981
Heimich-Mann-Preis der Akademie der Künste der DDR 1971
Kunstpreis der Stadt Halle 1971
Händelpreis der Stadt Halle 1973
Darüber war der Mittag vergangen, und die spätherbstliche Sonne balgte sich kraftlos mit Schatten, als David Rübsamen sich entschloß, sein Geschäft nicht länger offen zu halten. Noch nie war ihm, solange er lebte und handelte, ein ähnlicher Gedanke gekommen, auch nicht in den Tagen zuvor, als er vergebens auf Kundschaft gewartet hatte. Im Gegenteil. Nicht selten hatte er sogar die Holzrollos vor dem Eingang wieder hochgeschoben, wenn er auf den Steinstufen nur ein paar Schritte zu hören geglaubt hatte. Doch nichts dergleichen war noch geschehen, und die Hoffnung verließ ihn.
Er ging an die Tür, um sie wie allabendlich zu verriegeln. Da aber gewahrte er, daß vor dem Fenster ein Mann stand. Offensichtlich war es ein Mann, denn deutlich waren Schaftstiefel und Breeches zu sehen. Von der Brust an aufwärts allerdings blieb der Körper verdeckt, da das Fenster, schon unterhalb des Trottoirs beginnend, nicht höher hinausgebaut war.
David Rübsamen spürte sein Herz trommeln. Freude befiel ihn, ließ seine Glieder beben und hatte doch nichts mehr und nichts weniger zum Anlaß als nur ein Paar bestiefelter Beine.
Der Mann vor dem Fenster bewegte sich. David Rübsamen eilte hinter den Verkaufstisch und stützte die Hände flach auf die Platte, wie er stets seine Kunden empfangen hatte. Aber wußte er denn, ob der Mann auch käme? Hatten denn nicht in den letzten Tagen auch andere Passanten in sein Fenster geblickt und waren dann trotzdem achtlos weitergegangen?
Absätze hackten auf den Steintritt. Ein Schatten fiel gegen die Scheiben der Tür, die Klinke wurde niedergedrückt, und das Glockenspiel begann melodisch zu klingen.
Der Mann trat ein. Er trug eine Brille und eine Schirmmütze. »Heil Hitler«, sagte er, wie fast nebenbei.
»Heil Hitler«, entgegnete David Rübsamen. Der Fremde kam ihm so fremd nicht vor, und er verbeugte sich. »Womit darf ich dienen, mein Herr?« Unzählige Male hatte er diesen Satz gesprochen. Wohl überlegt hatte er für sein Geschäft diese Frage gewählt. Für alle Eintretenden sollte sie unverbindlich klingen, ihnen nicht sofort die Absicht zu kaufen unterstellen und sie trotzdem in das Verhältnis versetzen, das jeder Kunde liebte: sich umworben zu fühlen.
Der Mann schaute sich um. David Rübsamen wurde erst jetzt bewußt, daß er in einer Uniform steckte.
»Ich möchte gern ein paar Reißzwecken.«
»Aber bitte. Oh bitte sehr.« David Rübsamen zog dienstbeflissen ein Schubfach auf und breitete die Ware aus. »Die besten und die billigsten Sorten, mein Herr...«
»Ich suche recht starke Reißzwecken. Solche, die sich nicht gleich verbiegen.« Der Fremde musterte die Auslage.
David Rübsamen trippelte wiederum zum Schrank, öffnete eine andere Lade und bot deren Inhalt an.
»Ich rate Ihnen, nehmen Sie Reißnägel. Die dringen in jedes Holz ein und sind klopffest.«
Der Mann betastete sie mit den Fingern. »Was kostet das Stück?«
»Zwanzig Reichspfennig das Schock.« David Rübsamen legte wieder die Handflächen auf die Tischplatte.
»Nein, kein Schock. Ein halbes Dutzend genügt.«
»Bitte sehr, mein Herr.« David Rübsamen wickelte die Reißnägel sorgfältig in Seidenpapier, bevor er sie in eine Tüte tat, und überreichte sie dann seinem Kunden. »Zwei Reichspfennig macht es dann, Herr.«
Der Mann nahm das Päckchen, legte, als zähle er sie vor, zwei einzelne Pfennigmünzen auf den Glasteller mit Pelikan-Reklame, dankte und ging.
David Rübsamen kam zu spät, um ihm vor dem Hinaustreten noch die Tür zu öffnen. Er verstaute die Schubkästen wieder an Ort und Stelle. Als er jedoch zufällig davon aufsah, bemerkte er, wie sich der Mann, dessen Gesicht ihm nicht unbekannt gewesen war, draußen an der Tür zu schaffen machte. Kaum aber entdeckt, entfernte sich der Fremde.
David Rübsamen lief verwundert zur Tür, um nachzuschauen.
Die Glöckchen bimmelten wieder melodisch.
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Mit sechs blinkenden Reißnägeln war es akkurat an der Tür befestigt.
Auf dem Schild stand in fetten schwarzen Lettern: JUDE.

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