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Heitere Dramatik


Heitere Dramatik

Vom Talisman zum Schwitzbad
1. Auflage

von: Gerhard Branstner

6,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 30.09.2022
ISBN/EAN: 9783965217669
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 255

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Worum geht es dem Autor in dieser Sammlung eigentlich? Wie schon der Titel seines Buches anzeigt, vor allem um zwei Dinge – um Texte für die Bühne und um Heiterkeit – zusammengefasst um Heitere Dramatik, wozu Branstner alte Stücke neu schreibt.
Und in diesem Zusammenhang lohnt sich ein Blick in das ebenso kenntnisreiche wie ausführliche Nachwort zu diesem Band, in dem sich der Literatur- und Theaterwissenschaftler Peter Reichel „Zum theoretischen und literarischen Schaffen Gerhard Branstners“ äußert:
Die im vorliegenden Band vereinten Stücke rechtfertigen den Sammeltitel „Heitere Dramatik“ zunächst durch ihre Genre-Zugehörigkeit: „Der Talisman“ ist eine Posse mit Gesang, „Schwitzbad“ eine satirische Groteske, „Die Schnaken“ sind ein Lustspiel. Variation und Modifikation des Genres entsprechen allemal Branstners strategischer Absicht, sie zeigen ihn als einen spielenden Autor. Darüber hinaus aber wird Heiterkeit nicht nur praktiziert, sondern auch thematisiert. Der Stückeschreiber lässt sich keine Gelegenheit entgehen, das eigene Handwerk theatralisch zu reflektieren. Miteinander verwoben, werden Literaturdebatte und Heiterkeitsdiskussion zu Elementen, gelegentlich sogar zu fabel- und strukturbildenden Faktoren des szenischen Vorgangs. Je organischer das innerhalb der dramatischen Geschichte geschieht, desto eher lassen sich Darsteller und Zuschauer darauf ein. Dabei wird vom Autor durchweg eine herausgehobene, markante personale oder kompositorische Konstellation gesucht, um dieses sein spezifisches Anliegen zu realisieren.

Und etwas später fügt der Nachwort-Verfasser noch hinzu:
Die hier versammelten drei dramatischen Texte sind – wie die meisten literarischen Arbeiten Branstners – Produkte der zweiten Verarbeitungsstufe. Der Autor, in den Gefilden der literarischen Überlieferung seit je Sammler und Jäger, hat sich im überkommenen Material nach Stoffen und Motiven umgesehen, deren Anverwandlung geeignet erschien, seinen theatertheoretischen Hypothesen praktisch zuzuarbeiten. Nicht Ausgrabungen, Entdeckungen hatte er im Visier, sondern Spielmaterial, das sich hin und her wenden ließ, ohne durch den Zwang zur Entschlüsselung komplizierter sozialer, thematischer und struktureller Zusammenhänge allein schon die Zuschauerenergie aufzubrauchen. Ein bestimmter Bekanntheitsgrad des Stoffes oder seiner Motive war also eine der Voraussetzungen, weitere Vereinfachung bei gelegentlicher, durchaus programmatischer Geringschätzung des verhandelten Inhalts eine andere.
DER TALISMAN
SCHNAKEN
DAS SCHWITZBAD
Vergleich der Originalfassung des „Schwitzbades“ mit der Neufassung
Geboren am 25.Mai 1927 in Blankenhain/Thüringen, Volksschule, drei Jahre Verwaltungslehre.
1945 Soldat im 2. Weltkrieg, bis 1947 in amerikanischer, französischer und belgischer Kriegsgefangenschaft.
1949 – 1951 Abitur an der ABF Jena, 1951 bis 1956 Studium der Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin, 1963 Promotion (Dr. Phil.).
1956 - 1962 Dozent an der Humboldt-Universität, 1962 – 1964 Lektor, 1966 - 1968 Cheflektor Eulenspiegelverlag/ Das Neue Berlin.
Ab 1968 freiberuflicher Schriftsteller.
2008 in Berlin verstorben.
8. Bild
Dorfkrug: Maria, der Dorfpastor, Josef, Fietscher, Bumba, zwei Bauern in Feuerwehruniform und ihre Frauen halten Leichenschmaus und haben bereits einiges getrunken. Später gehen Maria und der Pastor ab, während Guske und Hartmaul hinzukommen
1. Bauer: Liebe Trauergemeinde! er verdreht die Augen in leichter Trunkenheit Als Eugen noch lebte, sagte ich immer zu ihm, Eugen, sagte ich, warum kommst du nicht zu uns in die Freiwillige Feuerwehr. Jetzt, wo du in Schutt und Asche liegst, jetzt sage ich …
1. Bäuerin: Nimm dich zusammen!
1. Bauer: Jetzt sage ich … wendet sich seiner Frau zu, da er erst jetzt deren Zwischenruf registriert Wie? … Jetzt sage ich: Nimm dich zusammen! Seine Frau zieht ihn auf den Stuhl, er wehrt sich Als letzten Gruß rufen wir dir zu …
1. Bäuerin: Setz dich doch endlich, du bist ja betrunken, zieht ihn auf den Stuhl
1. Bauer halb im Sitzen: Rufen wir dir zu: Dich kann keiner mehr … aber mich können alle. Leb wohl!
Fietscher bedient fleißig und vergisst auch sich selber nicht
Fietscher: Wenn Eugen nicht schon gestorben wäre, er hätte deine Leichenrede nicht überlebt. Sie war bedeutend komischer als die, wo der Pastor am Grabe gehalten hat
Pastor erhebt sich in schwankendem Zustande: Gott der Herr kann nicht dulden, dass die Freiwillige Feuerwehr oder ein gottloser Kellner die Hinterbliebenen heiterer machen als der Pastor. Und wenn ich am Grabe des Verstorbenen nicht … wenn nicht verwirrt sich so deshalb, weil ich … weil mir. sucht nach dem Taschentuch. Zieht etwas Weißes aus der Brusttasche und tupft sich damit die Stirn. Schaut verblüfft auf das Ding in seiner Hand Da ist ja die Predigt. Fast hätte ich sie mir an die Nase gewischt. Und vorhin konnte ich sie nirgends finden! Dabei ist es die schönste Predigt, die mir je eingefallen ist. Zum Beispiel diese Stelle! Er erklärt, bevor er zitiert: Liebe Trauernde, in unserer Gegend essen die Leute gern Kartoffeln mit Pflaumen. Sie nennen dieses Gericht Himmel und Erde. Wenn ich also sage zitiert: „Gottes Gericht umfasst Himmel und Erde“, so knüpfe ich dabei an im Volke wohnende Vorstellungen an. „Aber nicht Kartoffeln und Pflaumen werden eines Tages vor Gottes Richterstuhl stehen. Das will ich damit nicht sagen, liebe Trauernde, vor allem liebe Maria, sondern vielmehr, dass ihm keiner entgehen kann, weil er alles umfasst.“ Der Pastor lässt sich von der anwachsenden Heiterkeit nicht irritieren Und so reiht sich eine schöne Stelle an die andere. Es wäre eine Sünde, auch nur eine einzige zu verschweigen. Ich kann deshalb nicht umhin, liebe Trauernde die Trauernden biegen sich vor Lachen, vor allem liebe Maria, die ganze Rede vorzutragen
Maria zu Josef: Ich denke, du solltest darauf achten, dass die Albernheiten nicht überhandnehmen
Josef: Befürchtest du, dem Pastor zuzufallen, weil er dich als erster zum Lachen bringt? Maria zieht ihren Schleier, den sie hochgeschlagen hatte, übers Gesicht
Fietscher: Hochwürden, ich weiß nicht, ob jetzt alle noch den nötigen Ernst besitzen, Ihrer vortrefflichen Rede zu folgen. Vielleicht später einmal
Pastor: Nur diese eine Stelle noch
Fietscher: Sie ist sicherlich die beste. Eben deshalb sollten Sie sie für eine bessere Gelegenheit aufheben
Pastor: Dann vielleicht eine weniger gute
Fietscher: Um Gottes willen, geben Sie mir das Manuskript. Ich werde es … will dem Pastor das Manuskript entwenden
Pastor: Finger weg, verdammter Lümmel! hat sein Manuskript wieder fest in der Hand „Liebe Trauernde, vor allem liebe Maria! Wir alle sitzen am Tische des Herrn. Und wie alle bei Gott am Tische sitzen, so sitzt auch Gott über allen zu Gericht“, denn: Gottes Gericht umfasst Himmel und Erde. Das sagte ich bereits. „Und damit berühren sich die Enden des Kreises und runden Gott ab! Er sieht alles. Seinem Auge entgeht nichts. Er sieht das Schwarze im Weißen und das Weiße im Schwarzen. Und nichts ist so schwarz, dass es nicht auch weiß wäre. Und nichts ist so weiß, dass es nicht auch schwarz wäre. Fietscher weiß sich der Konkurrenz nicht anders zu erwehren, als dass er ein Streichholz anzündet und es an des Pastors Manuskript hält Wenn aber eine Ausgeburt der Finsternis vor ihn tritt, so wird er rufen“ Feuer! Hilfe! Feuer!
Bauer: Eine Decke! Eine Decke!
Fietscher: Ein Königreich für eine Decke!
Der erste Bauer reißt die Tischdecke herab und schlingt sie um den Pastor, während Fietscher den Rest des brennenden Manuskripts erwischt und, vor Lachen brüllend, daraus zitiert
Fietscher: „Und Gottes Wort wird eine Flamme sein!“ verbrennt sich Au verdammt! tritt auf dem Manuskript herum
Bäuerin: Und das alles wegen Eugens letztem Willen!
2. Bauer hebt eine Weinflasche vom Boden auf, die nur zum Teil ausgelaufen ist, setzt sie an den Mund: Es war ein guter letzter Wille
2. Bäuerin: Du sei still! Du spitzt auch nur auf eine Gelegenheit, wo du dich lächerlich machen kannst
Sie nimmt ihm die Flasche vom Mund, so wie auch vorher die Frauen ihre Männer daran hindern wollten, zu viel zu trinken oder zu lachen
2. Bauer: Aber Alma, ich bin treu wie Gold
Maria steht auf und führt den Pastor hinaus
Pastor reckt den Arm aus der Decke: Nicht Kartoffeln und Pflaumen werden eines Tages vor seinem Richterstuhl stehen. Nein! dreht sich an der Tür noch einmal um Nein! ab
Fietscher: Dann eben nicht! holt sein Transistorengerät hervor Und jetzt, liebe Trauergemeinde, kommen wir zum heiteren Teil
Guske kommt herein. Fietscher stellt sein Gerät ein. Einige erheben sich zum Tanz
Bauer: He Guske, kommst gerade zurecht. Er zieht seine Frau in die Mitte des Raumes und beginnt zu tanzen. Zu Guske Lang dir den Schmied. Er würde dich gern zum Tanze auffordern. Es ist seine Schüchternheit, die ihn daran hindert
Der 2. Bauer und seine Frau tanzen ebenfalls. Guske zieht den Schmied vom Stuhl und tanzt mit ihm. Fietscher läuft als Aufpeitscher von einem Paar zum andern und handhabt sein Gerät wie eine Mundharmonika. Die Musik wird immer heißer, der Tanz immer toller. Jetzt wendet sich Fietscher dem Publikum zu und dirigiert es. Als das Stück zu Ende ist, klatschen alle Beifall und Fietscher verneigt sich. Indem fängt die „Mundharmonika“ das nächste Stück an. Wieder toller Tanz, Fietscher betrachtet das Gerät mit gespielter Verwunderung, klopft es wie eine Mundharmonika auf der Hand aus.
Fietscher: Und jetzt muss Josef was zum Besten geben
Bauer: Jawohl! Jupp, sing uns mal was Lustiges, wir haben lange nicht gelacht!

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