Details

Früh und spät


Früh und spät


1. Auflage

von: Jutta Schlott

5,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 06.10.2014
ISBN/EAN: 9783956550829
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 115

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

So könnte eine Wintergeschichte beginnen: Es war März, Mitte März, aber der Winter war zurückgekommen. Zwei Tage lang fielen dicke, feuchte Flocken; jetzt lag der Schnee in grauen Häufchen schmuddelig und pappig an den Straßenrändern. Auf den Fahrbahnen und Wegen war er, kaum hingeweht, gleich zertaut oder zertreten worden.
Es nieselte, und der Junge stellte sich in den ersten Eingang des Häuserblocks oberhalb der Böschung.
Aber wir ahnen schon, es geht um etwas anderes. Denn der Junge, von dem hier die Rede ist, und der Olaf heißt, der hat offenbar ein Problem. Denn er kommt nicht nur drei Stunden und zehn Minuten später nach Hause als er sollte. Sondern er hat auch noch etwas sehr Wichtiges vergessen. Er hatte vergessen, seinen kleinen Bruder Gustav, Guschi, abzuholen. Und so sorgte er für heftigen Ärger bei seiner Mutter, die ihn ausschimpft. Und seinen Bruder Sven gleich mit:
Die Mutter riss einen Zettel vom Schuhschrank und hielt ihn erst Olaf und dann Sven vors Gesicht.
„Das ist passiert! Dass ich kaputt nach Hause komme, und dann steckt der Zettel in der Tür! ,Werte Frau Roland, Ihr Sohn wurde heute nicht abgeholt. Ich wollte ihn nach dem Spätdienst nach Hause bringen, habe aber niemand angetroffen. Bitte holen Sie Ihren Sohn umgehend bei mir ab.‘“
Die Mutter schmiss den Zettel wieder auf das Schränkchen.
„Das ist passiert. Dass ich um halb sieben hinrennen konnte und mir stundenlang vorhalten muss, was für Pflichten ich habe, nur weil meine Herren Söhne es nicht schaffen, ihren kleinen Bruder pünktlich vom Kindergarten abzuholen!“
Ihre Mutter ist richtig sauer, zumal sie eine Meisterausbildung absolviert. Da will sie sich eigentlich auf ihre beiden älteren Kinder verlassen können. Doch Sven und vor allem Olaf kommen nach einem Umzug in eine Neubauwohnung in einer anderen Stadt nicht so richtig damit zurecht, dass ihre Eltern jetzt in zeitlich unterschiedlicher Schichtarbeit tätig sind. Außerdem sollen beide häusliche Pflichten erfüllen, die jedoch sowohl Sven als auch Olaf oft vernachlässigen, wie wir gerade am Beispiel von Olaf gesehen haben. Außerdem denkt besonders Olaf voller Wehmut manchmal an die alte Heimatstadt zurück, wo er die Oma besuchen konnte und er einen Freund hat. Und dann kommt es noch schlimmer: Olaf bringt schlechte Zensuren nach Hause, darunter eine Fünf in Mathe, ein Elternbesuch ist deswegen angekündigt, und er klaut Zigaretten.
Ob sich wohl wieder alles richten lässt? Aber wie?
Donnerstag - Das Versäumnis
Freitag. Sonnabend, Sonntag - Feige
Montag - Esperanza
Dienstag - Unordnung
Mittwoch - Elternbesuch
Donnerstag - In Borna ist es schöner
Wochenende - Der Regen
Montag - Fieber
Dienstag - Muttersöhnchen
Mittwoch - Ein Diebstahl
Donnerstag - Was sein muss, muss sein
Jutta Schlott wurde 1944 in Kolberg - heute Polen – geboren und wuchs an unterschiedlichen Orten in Mecklenburg auf.
Sie studierte Germanistik und Slawistik an der Pädagogischen Hochschule in Güstrow und arbeitet einige Jahre als Lehrerin und später als Dramaturgin am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin, als freie Mitarbeiterin beim Rundfunk und bei verschiedenen Zeitungen.
Seit 1979 ist sie freiberufliche Autorin.
Vom 1993 – 2003 lebte und arbeitete Jutta Schlott in Cottbus, einige Jahre auch als Pressereferentin und im PR-Bereich am Staatstheater Cottbus.
Seit 2003 ist sie wieder in Schwerin zu Hause.
Jutta Schlott ist seit 2001 Leiterin des bundesweiten Arbeitskreises LITERATUR UM WELT.
Sie schreibt Erzählungen, Biographien, Kinderbücher, Hörspiele, Reportagen und Gedichte.
Bibliografie
Der Sonderfall, Kinderbuchverlag Berlin, 1981
Früh und spät, Kinderbuchverlag Berlin, 1982
Das liebliche Fest, Verlag Neues Leben Berlin,1984
Roman und Juliane, Kinderbuchverlag Berlin, 1985
Klare Verhältnisse, Verlag Neues Leben Berlin, 1989
Farbenspiele – Das Leben des Malers Heinrich Vogeler, Kinderbuchverlag Berlin,1989
Kalter Mai, Alibaba Verlag ,1990; 1995 TB Fischer Verlag
Roman und Juliane / Golondrina, Alibaba Verlag Frankfurt/Main
Ich sah etwas, was du nicht siehst –Erinnerungen aus Ostdeutschland, Wiesenburg Verlag 2000
Das Liebespaar vom Körnerplatz, Wiesenburg Verlag 2006
Spaniens Himmel - Auf den Spuren Picassos, Wiesenburg Verlag 2009

Hörspiele
Vielleicht, vielleicht auch nicht, 1980
Wechselschicht, 1981
Der andere Name, 1982
Schöner Abend, 1982
Winterschlaf, 1983
Mit Kind angenehm, 1984
Uschidelniza, 1985
Mamatschi, 1986
Die Spur, 1988
Ein Kindlein im Haus, 1989
Olaf wollte den Groschen auf den Zahlteller legen, als ihn jemand an die Schulter fasste.
„Was hast du da in deiner Tasche?“, fragte eine strenge Frauenstimme.
Olaf rührte sich nicht. Er sah auf den Fußboden. Er war staubig.
,,Na los, zeig her, was du da hast!“
Als Olaf sich nicht rührte, zog ihm die Frau die Hand aus der Tasche. Die Zigaretten fielen hinunter. Es war eine Schachtel Klub.
„So ein Früchtchen!“ Die Kassiererin war empört. „Kauft sich scheinheilig einen Lutscher und klaut dabei Zigaretten!“
An den benachbarten Kassen waren die Leute aufmerksam geworden. Alles sah zu Olaf.
„Kollegin Warnke! Kollegin Warnke!“, rief die Kassiererin. „Kommen Sie schnell! Ein Diebstahl!“
Olaf zuckte bei dem Wort zusammen. Ein Diebstahl!
Eine Frau in rosa Kittel kam. „Machen Sie weiter“, sagte sie zur Kassiererin an der Schnellkasse.
„Du kommst mit!“, herrschte sie Olaf an.
„Moment, warten Sie mal!“, rief eine andere Frau. Sie stellte sich neben die Frau mit dem rosa Kittel. „Ich kenne den Jungen“, sagte sie.
Die beiden Frauen redeten leise miteinander. Olaf verstand nicht, was sie sagten. In seinem Kopf gab es nur ein Wort: Ein Diebstahl! Ein Diebstahl!
„Du bist doch einer von den Rolandjungens“, fragte die Frau, die gesagt hatte, sie kenne ihn.
Olaf nickte stumm.
„Ich kümmere mich darum“, sagte sie zu der Frau im rosa Kittel. „Sie können sich darauf verlassen.“
Wieder flüsterten die Frauen miteinander, dann fasste sie ihn am Handgelenk und zog Olaf mit sich. Vor der Tür sagte sie: „Ich bin die Frau Lanschow. Ich wohne im gleichen Aufgang. Zwei Treppen über euch.“Die Frau trug in der einen Hand einen Einkaufsbeutel, ein Netz und ihre Handtasche. Mit der anderen Hand hielt sie Olaf fest, als habe sie Angst, dass er ihr davonlaufe. Sie sprach nicht mehr mit ihm. Sie fragte nicht einmal, warum er die Zigaretten stehlen wollte.
Der Weg von der Kaufhalle bis nach Hause war Olaf noch nie so weit vorgekommen. Er schien ihm kilometerlang. Olaf wagte nicht, nach links und rechts zu sehen. So, wie die Frau ihn anfasste, wurden in Kriminalfilmen Verbrecher abgeführt.
Vor der Wohnungstür stellte die Frau ihre Sachen ab und klingelte.
Die Mutter öffnete. Olaf sah nur ihre Füße in Hausschuhen, höher wagte er den Blick nicht zu heben.
„Guten Tag“, sagte die Frau, „ich heiße Lanschow, ich wohne zwei Treppen über Ihnen ...“
„Hat er was angestellt?“, fragte die Mutter sofort. „Vielleicht lassen Sie mich besser rein?“
„Ach ja, natürlich, kommen Sie bitte“, entschuldigte sich die Mutter.
Im Flur sagte die Frau: „Nehmen Sie’s mal nicht so tragisch, Frau Roland, Ihr Junge hat in der Kaufhalle was mitgehen lassen.“
„Was!“, schrie die Mutter. „Du hast geklaut!“
„Er hat sich ganz dumm angestellt“, sagte die Frau beruhigend zur Mutter, „er hat an der Kasse einfach eine Schachtel Zigaretten in seine Tasche gesteckt.“
„Waaas! Du rauchst!“ Die Mutter war entsetzt.
„Frau Roland“, fing die Frau wieder an, „regen Sie sich doch nicht so auf, sie machen doch alle mal eine Dummheit ...“
Die Mutter machte die Tür zum Wohnzimmer auf und schubste Olaf hinein. „Da bleibst du und rührst dich nicht von der Stelle.“
Olaf setzte sich auf die Kante von einem Sessel. Im Flur hörte er die Frauen reden. Die Nachbarin verabschiedete sich.
Die Mutter riss die Tür zum Wohnzimmer auf. Sie fasste mit der Hand unter Olafs Kinn und hob sein Gesicht hoch. Olaf machte die Augen zu.
„Du rauchst?“, sagte die Mutter leise und böse.
Olaf schüttelte mit geschlossenen Augen den Kopf. Nichts war schlimmer, als jetzt die Mutter ansehen zu müssen.
Sie ließ ihn los. „Du sagst jetzt die Wahrheit und gibst zu, dass du geraucht hast.“
Olaf schüttelte den Kopf.
„Du sagst jetzt die Wahrheit, und wenn ich die ganze Nacht hier mit dir sitze!“, sagte die Mutter wütend.
Sie schüttelte ihn. „Wofür brauchst du Zigaretten!“, schrie sie. „Ich kriege das aus dir heraus, darauf kannst du Gift nehmen!“
Olaf krümmte sich zusammen. Er konnte nicht antworten. Er hatte keine Stimme mehr. Er wünschte sich weit, weit weg. Irgendwohin, wo ihn niemand kannte und es das schreckliche Wort Diebstahl nicht gab. Alles tat ihm weh. Die Stelle, wo das Herz schlug, der Kopf und jedes Luftholen.
Er tat sich leid, und die Mutter tat ihm leid, weil sie seinetwegen so verzweifelt war. Immer war er an allem schuld. Alles machte er verkehrt. Er fing leise an zu weinen.
Die Mutter ließ sich auf den Sessel ihm gegenüber fallen. „Warum hast du die Zigaretten geklaut!“
Mit dem Weinen war seine Stimme wiedergekommen. „Für die Lehrlinge“, piepste er.
„Für welche Lehrlinge?“ Die Mutter war verblüfft.
Olaf zog durch die Nase hoch. „Für die Lehrlinge ..., die ich kenne ...“
Die Mutter schlug mit der Hand auf den Tisch. „Wie kommen die Kerle dazu, dich Zigaretten klauen zu schicken?!“
„Sie haben mich nicht geschickt.“
„Soll das etwa heißen, du gehst freiwillig und klaust für wildfremde Leute Zigaretten?! Und warum tust du das um Gottes willen?“
„Weil sie keine mehr hatten.“
„Weil sie keine mehr hatten!“, wiederholte die Mutter, als sei das der merkwürdigste Satz, den sie je vernommen hatte.
Die Tür ging auf, Sven steckte seinen Kopf herein. „Mutti“, sagte er vorsichtig, „Mutti, du wolltest mir doch mein Zeug waschen für den Wettkampf ...“
„Was wollte ich!“ Die Mutter sprang auf. „Ich werde euch sagen, was ich will! Ich will euch nicht mehr sehen! Ich rackre mich Tag und Nacht für euch ab! Und ihr! Ihr lügt und betrügt und klaut!“
Sie fing an zu weinen. „Meine Kinder klauen! Meine Kinder sind Diebe! Verbrecher!“
Sie riss Olaf vom Sessel hoch und schubste ihn zur Tür. „Ich will euch nicht mehr sehen! Haut ab! Alle beide! Lasst euch hier nicht mehr blicken! Macht, dass ihr rauskommt!“
Sie weinte laut auf und warf die Tür hinter sich zu.
Olaf und Sven gingen in ihr Zimmer. Von nebenan hörten sie die Mutter weinen.
Olaf kauerte sich in die Ecke zwischen Doppelbett und Wäscheschrank. Wenn er doch verschwinden könnte! Wenn es ihn nur nicht gäbe, dann brauchte sich die Mutter nicht zu quälen. Er hielt sich die Ohren zu, damit er ihr Weinen nicht hörte.
Sven sprach nicht mit ihm. Er hatte sich auf sein Bett geworfen, das Gesicht zur Wand.

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