Details

Francisco Pizarro


Francisco Pizarro


1. Auflage

von: Volker Ebersbach

8,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 08.02.2022
ISBN/EAN: 9783965216174
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 354

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Den letzten Dolch des Angreifers spürte er schon nicht mehr. Sein Ende kam trotz mancher Warnungen, die er aber in den Wind geschlagen hatte, für ihn selbst überraschend. Es war ein brutales Ende in seinem letzten Kampf, den der nicht mehr gewinnen konnte. Mit letzter Kraft fängt er Blut aus einer seiner Wunden auf, zeichnet mit dem Zeigefinger ein Kreuz auf die Dielen unter seinem zitternden Kinn und küsst es. Auf dieses Weise starb am 26. Juni 1541 in seinem Palast in Lima Francisco Pizarros Palast, seines Zeichens Vizekönig von Peru, Eroberer und Zerstörer des gewaltigen Reiches der Inka.
Wer aber war dieser Mann? Was wollte er? Und wie konnte es ihm gelingen, das große Inka-Reich so zu erschüttern, dessen Herrscher gefangen zu nehmen und nach einer Täuschung scheinbar nach Recht und Gesetz grausam hinrichten zu lassen?
„Die Beute von Cajamarca hätte heute einen Wert von mindestens dreißig Millionen Mark. Sie überstieg alles, was bis dahin in der Neuen Welt durch Spanier erpresst worden war. Francisco Pizarro sichert sich, wie einst Agamemnon nach dem Fall Trojas, den mit Abstand größten Anteil: an Gold allein weit über fünf Zentner. Dem hoffärtigen, grimmigen Hernando, der schon das väterliche Erbe allein einstecken durfte, muss der ehemalige Hirt den, ebenfalls mit Abstand, zweitgrößten Anteil zuschanzen: fast drei Zentner Gold. Zentnerschwere Anteile erhalten nur noch Juan Pizarro und Hernando de Soto. Jeder Kavallerist bekommt etwa zwischen dreißig und vierzig Kilogramm, die Infanterie muss sich mit zehn bis zwanzig Kilogramm begnügen. Jedem kommt auch ein entsprechend bemessener Teil des Silbers zu. Aber es steht nicht hoch im Kurs. Die Preise für Marketenderwaren schnellen sprunghaft in die Höhe. Ein Paar Schuhe kosten plötzlich ein halbes Pfund Feingold, desgleichen Hosen. Einen Mantel oder ein Schwert erhält man nur für ein ganzes Pfund. Für ein Pferd muss man um die zwei Kilogramm Gold hergeben.“
Ebenso kenntnisreich wie detailliert und bildhaft zeichnet Volker Ebersbach den Lebensweg eines Menschen nach, der von ganz unten kommend und sich seiner Ehre beraubt sah, vor allem zwei Ziele hatte - Oro y gloria, Gold und Ruhm. Darum kämpft der rücksichtslose Machtmensch - mit großer Entschlossenheit und Ausdauer, mit List und Verschlagenheit, aber auch mit großer Brutalität und Gewalt vor allem gegen die beim Eindringen der Europäer in Süd- und Mittelamerika anfangs noch arglosen Indios, aber auch gegen Rivalen eigenen spanischen Blutes.
I. Späte Pläne
II. Der Schweinehirt
III. Reconquista und Renaissance
IV. Von Ophir bis Eldorado
V. Die Schule der Armut und des Grauens
VI. Das Beispiel der Eigenmächtigen
VII. Der glückliche Vetter
VIII. Hunger und Kannibalen
IX. Das Triumvirat der Abenteurer
X. Die Boten Viracochas
XI. Audienz bei Karl V.
XII. Das Reich der Sonnensöhne
XIII. Zuerst widerstand die Erde
XIV. Cajamarca oder Die blutrote Linie
XV. Sonnenuntergang
XVI. Der Wurf der spanischen Löwin
XVII. Die Schlacht der Zentauren
XVIII. Das Recht der Dolche
XIX. Drachensaat und Ein Epilog
Volker Ebersbach ist am 6. September 1942 in Bernburg/Saale geboren und dort aufgewachsen. Nach Abitur und Schlosserlehre studierte er von 1961 bis 1966 Klassische Philologie und Germanistik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 1967 promovierte er über den römischen Satiriker Titus Petronius. Danach lehrte er Deutsch als Fremdsprache ab 1967 in Leipzig, 1968 in Bagdad, 1971 bis 1974 an der Universität Budapest, wo er auch mit seiner Familie lebte.
Seit 1976 ist er freier Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber. Er schreibt Erzählungen und Romane, Kurzprosa, Gedichte, Essays, Kinderbücher, Biografien und Anekdoten. Er übersetzte aus dem Lateinischen ausgewählte Werke von Catull, Vergil, Ovid, Petronius, das Waltharilied, Janus Pannonius und Jan Kochanowski. Einzelne Werke wurden ins Slowenische und Koreanische übersetzt.
Von 1997 bis 2002 war er Stadtschreiber in Bernburg. Danach lehrte er bis 2004 an der Universität Leipzig.
Ein Ehrenmann hat er werden wollen. Als Schuft steht er nun da. Pizarro hat auf das Glück der Eigenmächtigen gesetzt, sich aber zweimal leichtfertig an einen Pechvogel gehängt und schließlich den eigenen Kopf nur noch durch eine Schurkerei aus der Schlinge ziehen können. Da hört er wieder von glänzenden Erfolgen eines Eigenmächtigen: Hernán Cortés.
Aber die Jahre mit Ojeda und Balboa in Darién und Panama haben wichtige Erfahrungen für den Hauptmann gebracht. Er kennt jetzt den Dschungel und seine Strapazen, er weiß, wie seine Landsleute sich verhalten in tropischen Paradiesen und in tropischen Höllen. Er kennt auch die Eingeborenen, die kleinen Kazikendespotien, das Polygamiemonopol der Herrscher, ihre Kriegsgefangenensklaverei, ihre Naturalwirtschaft, ihre Waffen, ihre Listen und Rivalitäten. Er kennt die verwundbarste Stelle dieser primitiven gesellschaftlichen Gebilde: Wer sich der geheiligten Person des Herrschers bemächtigt, hat das ganze Volk in der Hand. Mit der größten Übermacht werden diese Menschen wehrlos, sobald man ihnen den Führer nimmt. Die königliche Geisel wird eine Waffe, die an Wirksamkeit Gewehre, Kanonen, Pferde und Bluthunde weit übertrifft. Die genaue Kenntnis der indianischen Mentalität und der auf unterschiedlichen Kulturstufen einander doch so ähnlichen Herrschaftsstrukturen verleiht Pizarro jene Sicherheit, mit der er aus scheinbar hoffnungslos unterlegener Position in ein hoch entwickeltes Staatswesen eindringen und seine Schlagadern durchschneiden wird.
Alles, was Pizarro nach 1520 am Rio Chagre über das Vorgehen seines glücklichen Vetters in Mexiko erfährt, passt gut zu seinen eigenen Beobachtungen. Allerdings muss er zunächst Ärger schlucken, doppelten Ärger: Ihn wurmt nicht nur, dass es dieser geleckte, zehn Jahre jüngere Adlige aus Medellin in Estremadura ist, dieser gelehrte eitle Pinkel und Raufbold von der Hohen Schule zu Salamanca, der nun die bisher einträglichste Entdeckung gemacht hat. Sondern Pizarro muss sich sagen, dass er sie selbst hätte machen können! Er hätte den Weg von Panama nach Mexiko finden können; sehr viel weiter als von Kuba aus wäre er nicht gewesen. Er hätte sich nur nicht so auf das Südmeer versteifen dürfen und auf das ferne Land mit den Lasttieren, halb Schaf, halb Kamel. Über die Expeditionen, die Pedrarias statt nach Süden immer wieder nach Westen die mittelamerikanische Landbrücke entlangschickte, hätte er nicht so blasiert lächeln, nicht so besserwisserisch den Kopf schütteln, nicht so resigniert mit den Achseln zucken sollen.
Es ist wahrscheinlich, dass die Nachrichten über Yucatán und Mexiko verspätet und entstellt nach Panama gelangten. Pizarro hatte Cortés nicht mehr gesehen seit der Ausfahrt mit Ojeda zum Golf von Urabá. Cortés wäre damals selbst unter den Pechvögeln gewesen, hätte ihn nicht ein Furunkel am Bein zurückgehalten. Von der Kreuzfahrt Fernando de Córdobas 1517 vor der Küste Yucatáns, auf der steinerne Mayastädte mit Stufen-Pyramiden und Türmen gesichtet wurden, hörte Pizarro wohl nichts. Auch Grijalvas Fahrt tief in den Golf von Mexiko bis zur Mündung des Panuco 1518 dürfte in Panama erst nach dem Zug des Hernán Cortés nach Tenochtitlán bekannt geworden sein. Solche Unternehmungen hielt man geheim, solange die Beute nicht sichergestellt war, um unwillkommene Teilhaber auszuschließen.
So wird Pizarro die wertvollen Einzelheiten, aus denen er seinen eigenen Eroberungsplan zusammenbastelt, erst erfahren haben, als die Städte der Azteken, der Mayas und Tolteken in Schutt und Asche lagen. Die entscheidenden Maßnahmen Pizarros bei seinem Marsch ins Inkareich ähneln auffallend denen des Cortés.
Pizarro muss jeden, der über Mexiko etwas wusste, genau ausgefragt haben. Aus den Berichten ging hervor, dass eine hohe, staatlich straff organisierte Kultur mit reichen Reserven an Gold und anderen Schätzen nur im kühleren Klima eines Hochlandes gedieh. Mit Genugtuung hat er festgestellt, dass auch eine derartig entwickelte Kultur und ihr Staatswesen autoritär und theokratisch organisiert sind wie die primitiveren Kazikendespotien, gegen die er seit Jahren Krieg führte. Also leuchtete ihm ein, dass mit der nötigen Entschlossenheit eine verhältnismäßig kleine, aber gehorsame und gut bewaffnete Truppe eine unvergleichliche Übermacht sprengen könne. Cortés war mit 109 Seeleuten und 553 Soldaten in See gestochen. Er hatte am Anfang nicht mehr als 32 Armbrustschützen und nur 13 Arkebusiere. Nimmt man die 11 Feldschlangen seiner Artillerie hinzu, zeichnet sich immer noch deutlich genug ab, wie weit in der Conquista Feuerwaffen hinter den herkömmlichen Schuss-, Hieb- und Stichwaffen zurückstanden. Zählt man gar Armbrustschützen, Arkebusiere und Kanoniere zusammen, so bildeten sie nur eine kleine Spezialtruppe in einem Haufen von Reisigen, die mit Schwertern, Spießen, Helmbarten, Lanzen, Messern und Morgensternen angriffen und den einheimischen Waffen aus Bronze und Holz nur durch die Härte der Stahlklingen überlegen waren.
Pizarro erkannte, dass bei den Feuerwaffen die psychologische Wirkung ausschlaggebend war, dass sogar Indios einer höheren Kulturstufe beim ersten Schuss entweder wie betäubt umfielen oder erschrocken flüchteten, weil sie glaubten, der weiße Mann beherrsche Blitz und Donner. Er entnahm diesen Berichten auch, dass die 19 Reiter des Cortés unter den aztekischen Kriegern die gleiche Panik auslösten wie Ojedas Berittene unter den Kariben.
Am Beispiel des Cortés lernte Pizarro aber auch, noch mehr vor den Fußangeln der Kolonialbürokratie auf der Hut zu sein. Velásquez, der Gouverneur von Kuba, hatte die Expedition nach Mexiko schon genehmigt. Da bewog ihn kurz vor dem Ende der Zurüstungen Missgunst, sie zu verbieten. Cortés segelte ab, ehe die Beamten bei ihm erschienen, und schickte dem Statthalter noch einen frechen Brief. Cortés musste eigenmächtig handeln wie Ojeda und Balboa, weil er sein Vorhaben nicht bei allerhöchster Stelle angemeldet hatte, sondern sich mit der Amtsstube eines korrupten und subalternen Kolonialbeamten begnügte. Das wird Pizarro ganz anders anpacken.
Was Cortés bei seiner Landung im heutigen Veracruz und auf seinem Marsch gegen die Hauptstadt erlebte, belehrte Pizarro darüber, dass auch höherentwickelte religiöse Vorstellungen die Indianer nicht davon abhielten, die Weißen für göttliche Wesen oder Abgesandte der Götter zu halten. Zu den Erfahrungen, die er unter Balboa gemacht hatte, passte auch die des Cortés, dass die zentrale Macht solch eines Goldreiches auf den Nacken unterjochter Nachbarvölker ruhte und man sie jeglicher Gegenwehr entblößen konnte, wenn man mit Geschick, Milde und Schrecken sich in die Gunst der Unterdrückten stahl, Bündnisse mit ihnen einging und aus ihren Reihen ein vielköpfiges Heer rekrutierte, in dem die Spanier nur noch als unfehlbare Elite marschierten. Pizarro verstand gut, dass der göttliche Nimbus der Eindringlinge im Bund mit der Unzufriedenheit der Vasallen die spanischen Waffen rasch und direkt ins Herz dieser scheinbar allmächtigen, unstürzbaren Autokratie führte. Die Geschichte der Marina, der indianischen Geliebten des Cortés, bestätigte ihm die alte Erfahrung, dass die Frauen dieses patriarchalischen Systems vorzügliche Spitzeldienste leisteten und den Verrat an ihren Familienangehörigen und Landsleuten nicht mehr scheuten, sobald ihre anerzogene Unterwürfigkeit auf weiße Gebieter umgeschwenkt war.
Mit verlockendem Schauder muss Pizarro erfahren haben, dass die Spanier mit ihrer Ankunft eine religiöse Zukunftserwartung der Eingeborenen anscheinend mit verblüffender Präzision erfüllten. Die Azteken glaubten an einen Gott namens Quetzalcoatl, der, von weißer Hautfarbe und mit bärtigem Antlitz, vorzeiten nach Osten übers Meer entschwunden war mit der düsteren Ankündigung seiner strafenden und vernichtenden Wiederkehr. Die Priester hatten nach dem Lauf der Sterne gerade dieses Jahr als eins errechnet, in dem die Wiederkunft Quetzalcoatls möglich war; da hörte der Aztekenherrscher Moctezuoma, dass weiße bärtige Wesen auf feuerspeienden Häusern mit hellen windgeblähten Tüchern seine Küsten entlangfuhren, an Land gingen und Tod und Verderben in sein Reich trugen. Er versank in finstere Lethargie. Gegen Götter mobilisiert man keine Armee. Seine Anweisungen beschränkten sich darauf, dass man den Ankömmlingen verschwenderische Geschenke machen und sie um die Gegenleistung bitten solle, doch freundlichst wieder zu verschwinden. Erst als Priester und Territorialfürsten daran zu zweifeln begannen, dass der weiße Heiland echt sei, begann der Krieg. Aber da saß Cortés schon, gestärkt durch verbündete Toltekenheere, mitten im Herzen der Aztekendespotie.

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