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Ein gewisser Robel


Ein gewisser Robel

Roman
1. Auflage

von: Joachim Nowotny

8,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 17.06.2013
ISBN/EAN: 9783863941413
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 379

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Das ist ein Typ. Ein richtiger Typ. Es macht richtig Spaß, diesen Robel kennenzulernen: Robel ist Mensch und Kraftfahrer, Ehemann und Vater, Freizeitmaurer und Hausbesitzer, Stammgast bei Ria, stellvertretender Brigadier und Angehöriger der freiwilligen Feuerwehr.
Aber jetzt hat Robel ein Problem, ein ziemlich männliches Problem. Und da tauscht er seine Schicht und nimmt sich einen Mittwoch frei, um ins Landambulatorium zu fahren und eine Ärztin zu konsultieren. Doch auf dem Fahrradwege dahin, durch die Natur, macht unser Robel eine ziemlich erschreckende Entdeckung - Absperrungen:
„Aber die Pfähle reichen bis an das Dorf heran. Sie stehen auch bei Belands im Garten. Bei Tabors auf der Koppel. Mitten auf dem Dorfplatz. Hinter der Kegelbahn von Liebigs Schenke. Und wenn ihre roten Köpfe den Untergang des Dorfes signalisieren sollten, dann wird Robel keinen Raum mehr für seine Geschichten haben, dann werden sie in alle Winde verfliegen. Und niemand wird da sein, der sich ihrer annimmt. Robel kennt das ja. Sie haben da einen in der Brigade, der stammt aus dem Senftenberger Revier, dem haben sie das Dorf weggebaggert, der fängt manchmal an zu erzählen, aber niemand kann ihm länger als ein paar Minuten zuhören, jeder, auch Robel, winkt schon nach den ersten Sätzen ab. Das erträgt der Mensch nicht lange, dieses Hineintauchen in das nicht mehr Vorhandene, dieses Sotun, als sei es noch da! Da muss man einfach einen Strich ziehen, da muss man hart und grob sagen: Hör auf, Mann, hin ist hin und futsch ist futsch, da helfen keine Pillen!“
Anfangs tröstet sich Robel mit dem Gedanken, dass Erkundung noch kein Abbau sei. Aber wird ihm das helfen? Wird das der Lausitz helfen? Und was wird mit den Menschen, die dort wohnen? Jedenfalls bis jetzt noch …
Auch wenn Robel kein Träumer ist und die Notwendigkeit einsieht. Die Notwendigkeit, der man die Landschaft in den Rachen wirft.
Joachim Nowotny entstammt einer Arbeiterfamilie. Er absolvierte eine Lehre als Zimmermann und arbeitete in diesem Beruf. 1954 legte er an einer Arbeiter-und-Bauern-Fakultät die Reifeprüfung ab und studierte anschließend bis 1958 Germanistik an der Universität Leipzig. Nach Abschluss des Studiums arbeitete er als Verlagslektor. Seit 1962 lebt er als freier Schriftsteller in Leipzig. Von 1967 bis 1982 wirkte er als Dozent am dortigen Literaturinstitut Johannes R. Becher.
Joachim Nowotny ist Verfasser von Erzählungen, Romanen, Hör- und Fernsehspielen. Den Schwerpunkt seines Werkes bilden Kinder- und Jugendbücher; thematisch ist er eng mit seiner Heimatregion, der Lausitz, verbunden. Nowotny behandelte als einer der ersten DDR-Autoren am Beispiel des Lausitzer Braunkohle-Tagebaus Themen wie Landschafts- und Umweltzerstörung.
Joachim Nowotny ist seit 1990 Mitglied des Verbands Deutscher Schriftsteller.
Auszeichnungen:
1971 Alex-Wedding-Preis,
1977 Heinrich-Mann-Preis
1979 Nationalpreis der DDR (II. Klasse für Kunst und Literatur)
1986 Kunstpreis des FDGB.
Bibliografie (Auswahl)
Hochwasser im Dorf, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1963
Jagd in Kaupitz, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1964
Hexenfeuer, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1965
Jakob läßt mich sitzen, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1965
Labyrinth ohne Schrecken, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1967
Der Riese im Paradies, Der Kinderbuchverlag, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1969
Sonntag unter Leuten, Mitteldeutscher Verlag, Halle (S.) 1971
Ein gewisser Robel, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1976
Die Gudrunsage, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1976
Ein seltener Fall von Liebe, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1978
Abschiedsdisco, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1981
Letzter Auftritt der Komparsen, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1981
Die Äpfel der Jugend, Aufbau Verlag, Berlin 1983
Ein Lächeln für Zacharias, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1983
Der erfundene Traum und andere Geschichten, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1984
Schäfers Stunde, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1985
Der Popanz, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1986
Wo der Wassermann wohnt, Domowina Verlag, Bautzen 1988 (zusammen mit Gerald Große)
Adebar und Kunigunde, Der Kinderbuchverlag, Berlin 1990
Als ich Gundas Löwe war, Faber & Faber, Leipzig 2001


Robel will sich gerade zum hundertsten Male Gedanken über die Herkunft der Sumpfwiesen und über den rätselhaften Verlauf des Weges machen, da fühlt er die Felge des Hinterrades durchschlagen, da sieht er die Kiebitze. Und nun begibt sich einer der Zufälle, auf die Robel immer wartet, wenn er unterwegs ist, Zufälle, wie sie allerdings nur eintreten beim hundertsten Mal. Robel steigt ab, er lehnt das Rad an einen Weidenstumpf, er löst die Luftpumpe von der Halterung, er richtet sich auf und sieht den Kiebitzen zu. Sie fliegen tief über der Grasnarbe, stoßen Lustschreie aus, die man ihnen nicht zutraut, sie zeigen abwechselnd die weiße Unter- und die schwarzbraune Oberseite, sie reißen sich plötzlich steil nach oben, fangen sich schnell mit der Kraft ihrer breiten Flügel, drehen sich im Gleitflug um die Körperachse, so, als liefen die Spitzen ihrer Schwingen auf Schienen, deren Gleise sich unvermittelt links oder rechts aus der Waage heben. Robel hat da mal einen Ausdruck von einem Vogelkundler gehört, er ist ja immer begierig nach treffenden Worten, und dies war mal eins, obwohl es von einem Fachmann kam. Bloß schade, dass es ihm jetzt nicht einfällt. Es ist wohl zu früh am Tage für Spezialistendeutsch, Robel müsste ein paar Biere getrunken haben, dann hätte er mehr zur Verfügung als jetzt. Aber wer trinkt so zeitig Bier? Vielleicht muss man nur den Vögeln lange genug zusehen, dann fällt es einem auch so ein. Also sieht Robel zu. Die Luftpumpe in der Hand, verfolgt er das wechselvolle Auf und Ab eines besonders lebhaften Vogels, der seltsamerweise sein Interesse erregt, obwohl er weiter entfernt ist als andere. Er weiß im Moment nicht, dass er sich gewöhnlich in der Natur einen Gegenstand, ein Wesen sucht, dem er seine Gedanken aufbürdet, den er zum Partner seiner Gespräche macht. Hier ist es dieser Vogel. Er schwuchtelt (ha, damit wäre das Wort doch noch gefunden!) unermüdlich, hält aber Abstand.
Robel kann sich nicht von ihm trennen. Er beugt sich übers Hinterrad und beginnt Luft einzupumpen. Er sieht durch den Winkel von Ober- und Unterarm hinüber auf die Wiese und ist gar nicht verwundert, als auch der Vogel plötzlich Interesse zeigt. Seltsamerweise kommt er nicht näher geflogen, nein, er läuft. Dies nun mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der er flog. Im Bruchteil einer Sekunde hat er sich in ein anderes Wesen verwandelt. Robel würde sagen, wenn er jetzt überhaupt etwas sagen könnte: Eins ist so vollkommen wie das andere, und das kann nur die Natur.
Der Kiebitz kommt also über die Wiese zu Robel heran, auf Reichweite heran, er streckt ein wenig den Hals und bleibt stehen. Robel weiß nun, dies ist eine Sternstunde, so etwas erlebt der Mensch nur einmal, das kommt nie wieder, und viele erleben es überhaupt nicht- Er pumpt aus Leibeskräften. Aber was ist das Rad jetzt? Ein toter Gegenstand von des Menschen Gnade. Der da, der ihm zusieht, tut es freiwillig; sogar wenn er jetzt den Kopf leicht hin und her bewegt, so muss das nicht unbedingt dem Rhythmus der Pumpenstöße angepasst sein, denn so ein Tier lebt nach anderen Gesetzen. Zweimal rutscht das Nippel vom Ventilschaft. Ärgerlich und ungeduldig presst es Robel wieder fest, hastig pumpt er weiter. Man wird beobachtet! Man kann hier keine halbe Arbeit machen! Robel versucht zu lachen, kann aber das Gefühl nicht loswerden, dass ihm hier die Natur selbst zuschaue. Er will sich schließlich nicht blamieren.
Aber dann ist der Reifen voll. Weiterpumpen hieße ein Unglück heraufbeschwören. Robel lockert unmerklich den Griff um Nippel und Ventil. Mal sehen, ob sich die Natur täuschen lässt, ob ihr Geschäftigkeit genügt. Er pumpt also in die Luft. Aber das feine Zischen zwischen Dichtung und Ventilmund verrät den Trick. Der Vogel trippelt drei Schritte beiseite, als weiche er zurück. Vom neuen Standort aus sieht er noch einmal zu dem pumpenden Robel hin. Doch seine Haltung drückt aus: Ich stehe auf Abruf. Da hört Robel auf. Er macht sich gerade, atmet schwer, hält die Pumpe in der rechten Hand, belauert den Vogel, zieht die Pumpe an sich heran, hebt sie sogar wie einen Stock. Von hier aus kann er allerlei tun. Er kann den Stock werfen oder ihn achtlos fallen lassen, er kann drohen. Was weiß ein Vogel schon von den Unterschieden zwischen einem Stock und einer Pumpe? Aber der Kiebitz steht, das ist der Abruf jedenfalls nicht. Schließlich klemmt Robel die Pumpe ganz alltäglich am Rad fest. Diesen Vorgang wollte der Vogel wohl noch gesehen haben. Denn kaum hat sich Robel wieder aufgerichtet, kaum steht er nun seinerseits bar jeden Werkzeuges, einfach so als Robel in der Gegend herum, da erhebt sich der Kiebitz und streicht gelangweilt ab. Gelangweilt ja, er schwuchtelt nicht einmal, sein Flug ist eine einzige kaum gekrümmte Linie dicht über dem Boden. Und dazu bedarf es vermutlich nur des Anlaufs und zweier uninteressiert geöffneter Flügel.

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