Details

Die Hexe mit der Mundharmonika


Die Hexe mit der Mundharmonika

und andere Geschichten
1. Auflage

von: Wolf Spillner

5,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 20.04.2015
ISBN/EAN: 9783956553387
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 127

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Dieses Buch ist eine Anleitung zum Anderssehen, zum etwas anders sehen. Und wie das gemeint ist, das erfahren wir schon zu Beginn der ersten der insgesamt neun Geschichten von Wolf Spillner, der er den Titel gegeben hat „Mein schönster Baum“. Und so fängt sie an, die Geschichte, und damit die erste Anleitung zum Anderssehen:
Ihr könnt sagen, es lohnt nicht, über Bäume nachzudenken. Sie stehen da und sind aus Holz. Wir können es zu Balken schneiden oder Möbel daraus bauen oder auch Geigen und Mandolinen. Aus Holz können wir Papier machen und aus dem Papier schöne Bücher mit Bildern.
Das alles ist richtig.
Aber wir können Bäume auch anders sehen. So wie mein Freund Werner. Vor seinem Haus steht eine Schwarzpappel. Das ist ein breiter Riese mit schweren Ästen und dicker Borkenrinde. Von einem Ast pendelt ein Schaukelbrett an einer langen Kette. Darauf können unsere Kinder durch den Sommer fliegen.
Im April blüht die Riesenpappel. Das ist lustig - ihre Blüten sehen wie Raupen aus, rot und silbern. Die ersten Stare schwatzen dann in ihren Zweigspitzen, und im Sommer, wenn die Felder schwer von Hitze sind, finden wir unter ihrer Krone kühlen Schatten. Auch die Traktoristen und Mähdrescherfahrer rasten hier gern zur Mittagszeit. Ein freundlicher Baum, sagen sie.
Im Herbstwind fliegen die Pappelblätter wie goldfarbene Herzen auf den Acker, und mein Freund Werner meint: „Das ist der schönste Baum, den es gibt!“
Wir wollen ihm nicht widersprechen. Die große Schwarzpappel ist sein Freund. Aber wir haben andere Freunde und kennen andere Bäume, die wir lieben…
Und auch der Autor, also Wolf Spillner, der hat einen anderen schönsten Baum, obwohl er vielleicht gar nicht schön ist. Man muss es nur richtig sehen – mit eigenen Augen.
Und auch in den anderen acht Geschichten kann man dieses Anderssehen trainieren: so als Martin während eines Frühlingstages eine traurige Entdeckung macht, als ein Mann eine ganz besondere Geige spielt, die man sogar im Schlaf hören kann, als ein alter Mann auf dem Friedhof in der Betonstadt Berlin die Krähen füttert und sie auf einmal vermisst, als Karin am Meer einem kranken Frosch begegnet, als Heiko seine Angel verliert und dafür etwas anderes gewinnt, als Kerstin etwas anstellt, als sich Susanne eine Katze zum Geburtstag wünscht und sie ihre Angst vor einer Hexe überwinden muss, und als der Autor mit dem Fahrrad nach Wismar fährt - Vom Fahrrad kann man die Landschaft besser betrachten als aus dem Auto. Es ist nicht so gefährlich.
Mein schönster Baum
Ein Tag im Frühling
Musik am Haus des dicken Dichters
Die Vögel des alten Mannes
Der erste Tag am Meer
Der Fisch, die Angel, das Boot
Vater soll kein Lügner sein
Die Hexe mit der Mundharmonika
Das höchste Blatt vom hohen Baum
Geboren 1936 in Herzberg am Harz, ist ein deutscher Autor und Fotograf
Aus seinem Geburtsort zog seine Mutter mit ihm in ein winziges Holzhaus am Rande der Lüneburger Heide, als er 13 Jahre alt war. Mit 16 Jahren wurde er Waise. In Mainz war er mehrere Jahre Volontär einer naturwissenschaftlichen Jugendzeitschrift. Als die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland akut wurde, übersiedelte er 1955 in die DDR. Er war in Schwerin etliche Jahre als freier Bildreporter tätig. Auch wurde er für acht Jahre Betonfacharbeiter und nutzte seine Freizeit, um Material für seine ersten Bücher zu erarbeiten. Ab 1967 freiberuflich als Autor und Fotograf tätig. Er wohnte zwei Dutzend Jahre in einem 17–Seelen-Dorf zwischen Wismar und Schwerin in der Naturlandschaft Mecklenburgs am Dambecker See. Heute lebt Wolf Spillner in Ludwigslust.
Spillner arbeitete zunächst als Journalist. Später betrieb er ornithologische Studien und galt als einer der profiliertesten Naturfotografen der DDR. Dabei widmete er sich insbesondere der Beobachtung des Sozialverhaltens koloniebrütender Vögel. Beeinflusst von Werner Lindemann wurde er Mitte der 1970er Jahre zum Autor von Kinder- und Jugendbüchern, von denen einige auch verfilmt wurden. Sein bekanntestes Buch Taube Klara wurde in 8 Sprachen übersetzt und 1991 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Seit einigen Jahren hat er sich der digitalen Fotografie zugewandt, sowie per Fahrrad und Kajak Nordamerika, Nordskandinavien, Neuseeland und Jakutien bereist.
Der alte Mann kannte seine Vögel. Es waren seine Vögel. Das machte ihn glücklich. Sie konnten fliegen, wohin immer sie wollten über der großen Stadt und auch weiter noch. Sie verschwanden im Herbst und blieben den ganzen Winter fern. Nur ihre Nester hingen da oben in den dünnen Zweigen. Aber sie kamen im Frühjahr zurück, und wieder fraßen sie dann sein Brot und erkannten ihn, wie er sie erkannte. Zwei sehr alte Krähen mit grindigen Hautstellen unter den Augen waren vor Jahren die ersten gewesen, die in seine Nähe kamen. Er hatte sie Paul und Paula genannt. Von der Straßenbahn aus las er an einem Kino: Paul und Paula. Das hatte ihm gefallen. Diese Namen gehörten zu seiner Jugend. Jetzt hießen die Kinder nicht mehr Paul und Paula. Aber seine beiden alten Krähen, die hießen nun so. Anderen Krähen gab er andere Namen, doch Paul und Paula blieben die einzigen, die immer wieder gekommen waren, die immer vertrauter wurden und ihm das Brot schließlich aus der Hand nahmen.
Und dann, an einem dieser heißen Tage, als die Stadt fast zu kochen schien vor Hitze, da waren Paul und Paula verschwunden, genau an einem Montag, Ende August.
Um diese Zeit saßen immer nur wenige Krähen in den großen Bäumen auf dem Friedhof. Wohin seine Vögel im Sommer gezogen sind, das wusste der alte Mann nicht. Sie verschwanden bis auf wenige. Paul und Paula blieben ihm immer. Er hatte sie zum letzten Male am Freitag gefüttert. Sie hatten die Köpfe schief gehalten, ihr Quork und Aaark-aark geredet, Brot gefressen und waren um ihn herumgehüpft mit ihren lustigen Hopssprüngen. Dann waren sie in die Baumwipfel zurückgekehrt.
Am Montagnachmittag saßen nur drei jüngere Krähen auf den Bäumen, und sie trauten sich nicht herunter auf die Wiese. Der alte Mann streute das Brot aus und setzte sich auf eine der Bänke zurück in den Schatten. Es war wirklich unerträglich heiß.
Der alte Mann wartete auf Paul und Paula, aber seine Vögel kamen nicht. Er wunderte sich sehr darüber, und es machte ihn traurig. Er war so sehr an Pünktlichkeit gewöhnt, an seine eigene und auch an die der Vögel. Immer flogen sie um vier zu diesem Platz. Aber vielleicht, so versuchte er sich zu trösten, waren sie in dieser großen Hitze aus der Stadt fortgezogen, zu den Feldern hinaus, wo es Seen und kleine Flüsse oder Weiher gab. Sie würden wohl zurückkommen.
Doch sicher war sich der alte Mann nicht. Er hatte das Gefühl, es müsse etwas passiert sein mit seinen Vögeln, aber er konnte es nicht benennen, so sehr er auch grübelte. Irgendetwas war anders an diesem heißen Montag!
Erst am nächsten Tag wusste er, was es war. Paul und Paula kamen wieder nicht, und auch die anderen Krähen verhielten sich scheu. Sie nahmen zwar das Brot aus dem Gras, aber sie flogen schnell fort damit und fraßen es auf den Zweigen.
Als er unter den großen Linden langsam zurückging, fiel ihm ein, was fehlte: die beiden Kinder, dieser Junge mit den schwarzen, krausen Haaren und der etwas größere. Der hatte Sommersprossen und rötliche Haare und sehr helle Augen. Die beiden mochten neun oder zehn Jahre alt sein. Das wusste er nicht genau. Er kannte auch ihre Namen nicht. Doch traf er sie oft auf dem Friedhof, in der letzten Zeit sogar jeden Tag.
Zunächst war der alte Mann misstrauisch. Er hatte die Jungen beobachtet. Vielleicht machten sie Dummheiten. Ein Friedhof ist kein Spielplatz! Kinder kamen niemals hierher oder doch nur in Begleitung von Erwachsenen.
Der alte Mann behielt die Kinder im Auge, wenn er die Wege harkte oder Gras und Unkraut von den Gräbern auf seiner Schubkarre zum Komposthaufen fuhr. Er sah sie, wie sie sich in dem Wiesenwinkel zu schaffen machten, wo in der Sonne Schmetterlinge flogen. Da hockten sie im Gras oder krochen auf den Knien umher, als suchten sie etwas. Oftmals saßen sie am Fuß der alten Linde, deren Stamm über den Wurzeln ein wenig ausgefault war. Da ging er leise zu ihnen. Die Jungen bemerkten ihn nicht. Sie betrachteten die rot und schwarz gezeichneten Insekten, die sich dort versammelt hatten. Der Junge mit den Sommersprossen hielt eine große Lupe. Damit sahen sie sich die Tiere an.

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