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Der weiße Stuhl


Der weiße Stuhl

Zweiter Versuch einer Rehabilitation
1. Auflage

von: Hans-Ulrich Lüdemann

8,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 21.03.2013
ISBN/EAN: 9783863948764
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 610

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Der Roman ist autobiografisch geprägt.
Das Manuskript mit dem Arbeitstitel Der Schizo war 1988 dank des Engagements meiner Lektorinnen Gisela Gnausch und Sabine Pape abgeschlossen. Cheflektor Walter Lewerenz machte den Druck von etlichen Veränderungen abhängig, die wie so oft weniger in der literarischen Qualität begründet, sondern Ausdruck einer ideologischen Einflussnahme waren. Ich ließ ausrichten, dass ich mein Leben eher in einer Schublade verschwinden lassen würde, statt jenes aus politischem Wohlverhalten zu verbiegen. 1990 konnte das Buch endlich im Verlag Neues Leben Berlin erscheinen.
Ende Juni 1983 erwacht der Schriftsteller JOCHEN VIERCK in einem renommierten Ostberliner Krankenhaus für Querschnittgelähmte, im Volksmund bekannt als WALDHAUS. Vierck weigert sich strikt, seine Identität anzuerkennen. Stattdessen flüchtet er in das etwas jüngere Ego JÖRG VOSSLOW, Hauptfigur eines gerade abgeschlossenen Romans. Ein SFB-Kameramann, der während der Weltfestspiele 73 aus privaten Gründen beschließt, im Ostteil Berlins zu bleiben.
Turbulente Episoden zwischen 1973 und 1983 reflektiert nun sein geistiger Schöpfer Jochen Vierck, der nicht wahrhaben will, dass er querschnittgelähmt ist. Während die ebenfalls behinderten Zimmergenossen und einige Pflegekräfte Viercks Wegtauchen in ein anderes ICH (sie nennen ihn SCHIZO bzw. nach seinen Initialen JOTVAU) nicht akzeptieren, bemüht sich Dr. JUERGEN VONDERHAIDEN einfallsreich den schizophrenen Schub dieses Patienten zu kompensieren.
Die Frau des Schriftstellers, DAGMAR MEHRING-VIERCK ist keine Hilfe; sie weilt anlässlich eines Verwandtenbesuchs in der BRD. Ein Telegramm aus Koblenz verrät, dass sie dort bleiben wolle. Brief folgt ...
War diese für den Pflegefall und Tetraplegiker Vierck nicht zu verkraftende Nachricht der auslösende Faktor seines Identitätsverlustes? Ist sein Terrassensturz ein Suizidversuch gewesen, eine Erklärung, die Viercks befreundeter MfS-Hauptmann Deihert nicht akzeptiert. Was hat es mit dem ominösen WEISSEN STUHL auf sich, der Vierck/Vosslow durch Wach- und Albträume begleitet?
Vonderhaiden leiht sich in einer Bibliothek einige Bücher des seit 1977 gelähmten Schriftstellers und präsentiert sie Vierck - keine Reaktion: Vosslow habe keine Bücher geschrieben, er sei u. a. Kameramann beim DDR-Fernsehen in Adlershof gewesen und wurde wegen Renitenz am Arbeitsplatz zur Bewährung auf die Stralsunder VOLKSWERFT delegiert.
Hans-Ulrich Lüdemann (Pseudonym John U. Brownman mit Co-Autor Hans Bräunlich) wurde am 4. Oktober 1943 in Greifswald geboren. Nach dem Abitur folgte ein Studium der Sportwissenschaften, Psychologie, Pädagogik und Germanistik an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität im vorpommerschen Greifswald.
Von 1966 bis 1969 arbeitete er beim Verlag Junge Welt Berlin. Danach war er freischaffend tätig als Journalist, TV-Kameramann und Schriftsteller.
1977 erlitt Hans-Ulrich Lüdemann einen Unfall als Reservist während seiner NVA-Wehrpflicht, der ihn zeitlebens in den Rollstuhl zwingt.
Er ist Autor von 20 Hörspielen für Kinder und Erwachsene, desgleichen sind 26 Buchtitel von ihm erschienen. Als wichtigstes Werk gilt sein autobiographisch geprägter Roman Der weiße Stuhl. Hans-Ulrich Lüdemann hat sich auch als Szenarist von TV-Filmen ausgewiesen. Schreiben ist für ihn Therapie. Seiner physischen und psychischen Stärkung dienten seit 1992 über zwei Dutzend Aufenthalte in Dänemark, Reisen nach San Francisco, Zypern, Toronto, Guernsey, Kapstadt, Florida, Dubai, Sydney und Singapur ...
Glückliche Rollstuhl-Tage in Kalifornien fanden ihren Niederschlag in San Francisco and so on Happy Rolliday I. Ein Reise-Essay zu Südafrika trägt den Titel Kapstadt und so weiter Happy Rolliday II. Das dritte Buch über eine Reise im Oktober 2002 mit dem Titel Florida and so on Happy Rolliday III erschien Januar 2005. Ein viertes Reise-Essay Dubai-Sydney-Singapur und so weiter Happy Rolliday IV schloss 2005 die Reihe Happy Rolliday ab.
Die Gesamtauflage seiner Bücher beträgt nahezu eine Million Exemplare.
Mitgliedschaften: SV der DDR 1974, VS 1990; IG Medien 1990.
1973 Hörspielpreis des DDR-Rundfunks, 1977 Kunstpreis des DTSB, 1982 Preis für Kinder- und Jugendliteratur des Kulturministeriums der DDR.
Frau Dr. Boonenkamp steht wie ein kleines schüchternes Mädchen zwischen den beiden Betten. Der Gang ist schmal, trotzdem wirkt die zierliche Gestalt der Stationsärztin wie verloren.
„Ich musste mir erst einen Ruck geben, Herr Jonas, ehe ich wagte, zu Ihnen zu kommen. Um Ihnen zu sagen, dass es nun wieder nichts wird mit Ihrer Operation. Sie haben ja selbst erlebt, in der Nacht, dass da etwas nicht in Ordnung ist. Hoffen wir auf die nächste Woche, Herr Jonas ..."
„Da haben die Orthopäden ihre eigenen Patienten, die auf eine Operation warten!" Kapitän Jonas hat die Hände unter dem Kopf zu liegen. Eine Falte des Unmuts steht zwischen seinen Augenbrauen.
„Aber Ihr Termin ist eingetaktet!", versucht Dr. Boonenkamp den Vorwurf abzuwehren, dass es auch nächste Woche nichts werden wird mit einer Fersenbeinresektion.
„Das ist er seit April dieses Jahres, Frau Doktor!", gibt Horst Jonas ungerührt zurück.
Die Stationsärztin beugt sich vor und legt besänftigend eine Hand auf die Brust des Patienten: „Erholen Sie sich, Herr Jonas! Je ausgeruhter Sie sind, desto erfolgreicher werden Sie die Operation überstehen. Ihnen läuft doch nichts davon ..."
„Bin ja Rentner!", hält Kapitän Jonas Zorn sprühend dagegen. „Das Gerede macht mich noch fertig! Als ob das WUNDHAUS ein Sanatorium ist! Zu Hause wartet der Garten. Die Laube müsste gepönt werden bei diesem trockenen Wetter. Und wenn das nicht wäre - ich könnte mir vorstellen, dass ich liebend gern auf der kleinen Veranda sitzen würde. Mit meiner Frau! Nur so! Dabei könnte mir, meinetwegen, die Zeit weglaufen, Frau Doktor! Aber doch nicht hier!"
WUNDHAUS statt WALDHAUS? Unangenehm berührt von Jonas Ausbruch, schaut die Ärztin zum zweiten Patienten hinüber. Aber Vierck tut, als interessiere ihn nicht, was besprochen wird. Ausdruckslos starrt der Mann zur Decke. Als ob er die Wasserflecken dort vorher noch nie bemerkt hätte.
„Vielleicht versöhnt Sie das." Dr. Boonenkamp wendet sich wieder zu Jonas. „Wenn Sie jetzt mit Ihrer Frau telefonieren. Sie könnte Sie doch abholen? Urlaub bis Montagmittag. Wäre das nicht ein Angebot, Herr Kapitän?" Die Frau lächelt, weil sie die Anrede besonders betont.
„Wenn ich meine Frau erreiche!", murrt Horst Jonas. Mehr aus Prinzip. Versöhnend ist der Vorschlag schon. Übers Wochenende das bedrückende WUNDHAUS mit Haus und Garten zu tauschen. „Aber eigentlich ..." Er dreht den Kopf und mustert seinen Bettnachbarn, der scheinbar noch immer das größte Interesse an den Deckenflecken hat.
„Nicht einverstanden?", fragt Dr. Boonenkamp Stirn runzelnd. Sie schaut demonstrativ auf ihre Armbanduhr.
„Seinetwegen kann ich nicht!", flüstert Horst Jonas.
„Wegen Herrn Vierck?" Frau Dr. Boonenkamp stutzt.
„Muss aufpassen, dass er richtig gedreht wird und so. Der lässt sonst alles mit sich machen ..."
Die Frau im weißen Kittel schüttelt den Kopf. So etwas hat sie noch nicht erlebt - dass ein Patient aus Fürsorge für einen Bettnachbarn keinen Urlaub antreten will!
„Gucken Sie sich nur mal seinen Fuß an!", fordert Jonas. „Gestern früh zum letzten Mal gekühlt und verbunden!"
„Steht doch alles auf dem Verbandsplan, Kapitän! Da machen Sie sich mal keine Sorgen!"
„Papier ist geduldig!" Horst Jonas winkt ab.
„War der Verbandswagen etwa noch nicht hier? Heute Vormittag?" Wieder schaut die Ärztin zur Uhr.
„Bis jetzt nicht, Frau Doktor!"
„Ich werde das veranlassen! Und Sie telefonieren mit Ihrer Frau! Sie können das in meinem Dienstzimmer tun. Und was Herrn Vierck angeht", die zierliche Frau wendet den Kopf zum zweiten Bett, „Doktor Vonderhaiden ist spätestens am Abend zurück. Er hat das Wochenende über Dienst und wird sich um unseren Patienten kümmern, Herr Jonas."

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