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Der verliebte Glasbläser


Der verliebte Glasbläser


1. Auflage

von: Volker Ebersbach

3,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 30.12.2021
ISBN/EAN: 9783965215924
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 64

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Zwei Texte in einem Buch: Da ist in „Der Fuchs mit dem brennenden Schwanz“ zunächst von einem Fuchs die Rede, der sich für das schönste und stärkste Wesen im ganzen Revier hielt, allnächtlich durch den Wald schlich und besonders stolz auf seinen langen, roten, buschigen Schwanz war. Und von einem mageren, aber listigen Kater. Beide verbünden sich gegen einen Hahn, der sehr sorgsam auf seine Hühner und Küken aufpasst, beide werden zu Kumpanen. Und der Fuchs will dem Kater diesen Gockel besorgen. Ob es den beiden Ganoven gelingt? Und was wohl wollten die Hühner mit ihrem Gegacker sagen: „Erst heiß, dann kalt!“?
„Die Geschichte vom verliebten Glasbläser und dem glühenden Baum“ ist ein Märchen, das so beginnt: „Am Fuße eines waldreichen Gebirges lebte der Glasbläser Jan mit seinem Vater. Vor Jahren war die Mutter im zweiten Kindbett gestorben. Der Vater hatte nicht wieder geheiratet, sondern dem Jungen gezeigt, wie man das Haus in Ordnung hält, und ihn beizeiten auch die Glasbläserkunst gelehrt.“ Und der Vater, der schon längere Zeit an Alter und Krankheit leidet, fragt seinen Sohn, ob er sich schon nach einer Braut umgesehen habe. Dem fiel Renata ein, die Müllerstochter. Doch die soll Wenzel heiraten, den Ältesten eines reichen Bauern. Und Jan ist traurig und lässt den Kopf hängen. Doch weil es ein Märchen ist, trifft Jan kurz darauf einen schwarz gekleideten Unbekannten, den Arzt Ago, der im Gebirge nach Ingredienzien für seine Heilmittel sucht - sowohl Kräuter als auch Mineralien. Und vielleicht kann er auch etwas für den kranken Vater tun?
Leider kann der Heilkünstler seinem Vater nicht mehr helfen, aber vielleicht kann er seinem Sohn Jan helfen, doch Renatas Mann zu werden? Oder noch jemand ganz andrer? Und sei es eine Hexe.
„Die Geschichte vom verliebten Glasbläser und dem glühenden Baum“ ist ein poetisches Märchen über den Zauber der Glasbläserei und über den Zauber – der Liebe.
Der Fuchs mit dem brennenden Schwanz
Die Geschichte vom verliebten Glasbläser und dem glühenden Baum
Volker Ebersbach ist am 6. September 1942 in Bernburg/Saale geboren und dort aufgewachsen. Nach Abitur und Schlosserlehre studierte er von 1961 bis 1966 Klassische Philologie und Germanistik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 1967 promovierte er über den römischen Satiriker Titus Petronius. Danach lehrte er Deutsch als Fremdsprache ab 1967 in Leipzig, 1968 in Bagdad, 1971 bis 1974 an der Universität Budapest, wo er auch mit seiner Familie lebte.
Seit 1976 ist er freier Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber. Er schreibt Erzählungen und Romane, Kurzprosa, Gedichte, Essays, Kinderbücher, Biografien und Anekdoten. Er übersetzte aus dem Lateinischen ausgewählte Werke von Catull, Vergil, Ovid, Petronius, das Waltharilied, Janus Pannonius und Jan Kochanowski. Einzelne Werke wurden ins Slowenische und Koreanische übersetzt.
Von 1997 bis 2002 war er Stadtschreiber in Bernburg. Danach lehrte er bis 2004 an der Universität Leipzig.
Lion-Feuchtwanger-Preis, 1985
Stipendiat des Künstlerhauses Wiepersdorf und des Stuttgarter Schriftstellerhauses, 1993
„Du kannst gleich mit der Arbeit beginnen“, sagte Ago und rührte mit einer Stange in der glühenden Glasschmelze, die allmählich ihre Zähigkeit verlor.
„Doch meine Apparatur erfordert ein besonderes Glas, und deshalb erschrick nicht, wenn ich der Schmelze jetzt die notwendigen Ingredienzien beimenge!“
Er nahm sein Lederbeutelchen aus dem Gürtel, griff hinein und streute die Zähne des alten Glasbläsers in die Schmelze. Totenblässe überzog Jans Gesicht in der Helligkeit, die aus der Schmelze stieg.
„Du darfst wegsehen, mein Junge“, rief Ago in das Zischen, „wenn es dir zu sehr ans Herz greift.“ Aber Jan heftete den Blick auf die Hand des Alchimisten, die abermals in das Lederbeutelchen fuhr und etwas herausholte, das aussah wie zwei Taubeneier. Ago wog sie in den Händen, lächelte zufrieden und warf sie in die Schmelze. Jan schrie auf. Es waren die Augen des Vaters.
Das Feuer heulte, die Schmelze entließ beißende Dämpfe, brodelte aus ihrer innersten Masse und verbreitete ein Licht in der verrußten Hütte, wie es Jan noch nie gesehen hatte. „Jetzt ist es Zeit, Geselle“, rief der Alchimist, nahm die Brille vom Gesicht, mit der er die Schmelze geprüft hatte, steckte sie ein und ließ das Goldstück aus einer Hand in die andere springen. „Rasch an die Arbeit! Blase, so gut du kannst! Ich kümmere mich um das Feuer.“
Jan musterte die Zeichnungen. Noch nie hatte er derlei geblasen. Doch es reizte ihn, an den seltsamen Gebilden, die der Alchimist bestellt hatte, seine Kunstfertigkeit zu erproben. Er wählte mit Bedacht die Werkzeuge aus, legte sie zurecht und begann zu blasen. Jan wunderte sich, wie ruhig sein Atem ging und wie genau ihm der Glastropfen gehorchte. Es machte ihm Spaß, den Alchimisten immer wieder zu helfenden Handgriffen herbeizurufen, ihm Pitsche und Zwackeisen in die Hand zu drücken, und ihn, wenn er nicht sprechen konnte, nach den Bewegungen seines Daumens tanzen zu lassen. Ago erwies sich als äußerst anstellig, und so ging Jan die ungewohnte Arbeit schnell von der Hand, als erlebte er einen der seltenen Träume, in denen man sich so unbeschwert fühlt, dass einem alles gelingt, sogar das Fliegen.
Der Glasbläser arbeitete drei Tage fast ohne Pause und schlief auch nachts nur wenige Stunden. Er verbiss sich in seine Arbeit, weil sie half, den Tod des Vaters und Renatas schöne Augen zu vergessen. Der Alchimist Ago umgab ihn wortlos mit der unauffälligen Hilfsbereitschaft eines willigen Knechtes. Jan blies und blies, formte das zähe erkaltende Glas, erhitzte es neu, schnitt Röhren und Kolbenhälse zu. Und weil der Alchimist sich von den meisten Teilen seiner Apparatur ein zweites und ein drittes Stück zum Ersatz erbat, überraschte es Jan, als ihm das versprochene Goldstück hingeworfen wurde: Unvermerkt war er fertig geworden. Ago kümmerte sich nicht mehr um ihn. Stück um Stück wickelte er in kleine Läppchen. Das eine oder andere hielt er prüfend gegen das Licht, aber die bewundernden Worte, die ihm dabei entschlüpften, klangen nicht so, als gälten sie Jan. Er hatte Not, rechtzeitig beiseite zu springen, so eilig trappelte der Alchimist hin und her. Noch ehe der junge Glasbläser sehen konnte, woher die feinen Kistchen kamen, in die seine Ware verpackt wurde, hörte er draußen einen Peitschenknall, eine fluchende Weiberstimme, das Schnauben von Pferden und das Knarren eines anrollenden Wagens. Vergebens starrte Jan, als er hinausgestürzt war, abwechselnd in beide Richtungen des Weges. Erst als er verwundert das Kinn hob und dem Rauchfähnchen nachschaute, das aus der Esse wehte, gewahrte er fern eine zweispännige Karosse, die dicht über den Föhrenwipfeln hinauf ins Gebirge schwebte.
Er trat ins Haus zurück und setzte sich auf einen Schemel, wie ein Blasebalg sank er in sich zusammen. Vor lauter Stille hörte er das Blut in den Ohren rauschen. Was sollte er nun in seiner Einsamkeit anfangen? Das Goldstück blinkte auf dem Fenstersims. Was half es ihm? In seinen Armen und in seinem Atem pulste noch der Schwung der Arbeit, die ihm so leicht und gefällig dahingeflossen war wie der Fluss draußen in den Wiesen. Im Glashafen glühte noch ein Rest Schmelze. Er trat den Blasebalg und trieb neue Hitze aus der Glut. Die Schmelze leuchtete auf. Jan nahm sein Rohr, fischte sich ein glühendes Kölbchen aus dem Glassirup und blies und blies. Er wollte noch etwas für sich allein blasen. Fiel es ihm ohne Agos Hilfe schwerer? Aber das Glas blähte sich und gehorchte seinen Atemstößen, wie er es nie zuvor erlebt hatte. Während es erkaltete und die rötliche Glut darin langsam erlosch, bemerkte er an seiner Oberfläche jenes seltsame Schillern, das er sonst nie beobachtet hatte. Solange er für Ago geblasen hatte, war ihm keine Zeit geblieben, sonderlich darauf zu achten. Aber nun sah er genau hin. Hing dieses Schillern mit den abscheulichen Ingredienzien zusammen, die der Alchimist der Schmelze beigemischt hatte? Da schälte sich aus den farbigen Schleiern, die um die erkaltende Glaskugel wanderten wie um eine Seifenblase, das Gesicht einer alten Frau.
„Schrei nicht“, flüsterte sie, „niemand bekommt die Hexe Nihil zu fassen! Schlecht hat dich Ago entlohnt. Das Gold, nicht wahr, was nützt es dir? Diene mir, so erhältst du den Lohn, nach dem es dich gelüstet.“
Jan besann sich. „Das geht nicht“, antwortete er. „Ich muss das Tafelglas für Renatas Hochzeit blasen. Ach, wenn mir diese Arbeit doch ebenso gelänge wie die für den Alchimisten!“
Die Hexe lachte, dass sich auf der Glasblase eine Riffelung bildete, wie wenn Wind über eine Wasserfläche fährt.

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