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Der Sog - ein tödliches Ultimatum


Der Sog - ein tödliches Ultimatum


1. Auflage

von: Jan Flieger

7,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 21.03.2017
ISBN/EAN: 9783956557989
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 147

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Nie gehörte Karl Bennewitz zu den Erfolgreichen, denen irgendetwas in den Schoß fällt. Bis er eines Tages seinen alten Freund Röbel wieder trifft und der ihm einen Job als Abteilungsleiter in »seinem« Maschinenbaubetrieb verschafft, wo noch ein »zuverlässiger« Mann fehle. Was Röbel damit meinte, begreift Bennewitz bald. Die staatlichen Subventionen für Rationalisierungsprogramme, in der DDR »Neuererwesen« genannt, erweisen sich als unerschöpfliche Quelle für den privaten Wohlstand einiger Betriebsangehöriger.
Lange Zeit läuft alles gut, doch dann lernt Bennewitz die junge Karin März kennen und will sich von seiner Frau trennen. Franziska denkt nicht daran, ihn aufzugeben - und mit ihm das angenehme Leben im Wohlstand. Sie stellt ihm ein Ultimatum: Entweder du bleibst bei mir - oder ich lasse dich »hochgehen«.
In Bennewitz reift ein verzweifelter Mordplan ...

Das Buch wurde in der Reihe „Der Staatsanwalt hat das Wort“ unter dem Titel „Alles umsonst“ verfilmt.
Geboren 1941 in Berlin. Diplom-Wirtschaftsingenieur. War einer der erfolgreichsten Krimiautoren der DDR.
Theodor-Körner-Preis.
Lebt in Leipzig. Schreibt Krimis, Thriller, Kinderbücher. Übersetzung ins Chinesische, Niederländische, Russische, Tschechische und Dänische.
Zwei Krimis erschienen vor der Wende bei S. Fischer. Sein Krimi „Tatort Teufelsauge“ war ab 2006 nach der Übersetzung ins Englische durch Professor Mark Webber Lehrstoff an der Universität Toronto im Kurs „Deutsche Kriminalliteratur“.
Sein Krimi „Der Sog“ wurde 1988 verfilmt und als „Alles umsonst“ nach der Wende mehrfach im Fernsehen ausgestrahlt, zuletzt 2009.
Im Jahr 2010 erschienen seine besten schwarzhumorigen Kriminalgeschichten „Dunkel ist der Weg der Rache“.
Ab Mai 2012 ist sein fesselnder Norwegen-Krimi „Auf den Schwingen der Hölle“ im Buchhandel, der für Kontroversen sorgt, drastisch, düster, aber auch voller Poesie. Ein Buch mit einem gänzlich unerwarteten und schockierenden Finale.
Nach aufwendigen Recherchen in Tokyo entstand sein Thriller „Man stirbt nicht lautlos in Tokyo“, der zur Buchmesse 2013 in Leipzig als ein Vorzeige-Krimi des fhl Verlages Leipzig erschien.
Teilnahme am 2. Berliner Krimimarathon 2011.
Bennewitz hebt vorsichtig die Lider. Franziska fährt schweigend, konzentriert und selbstbewusst.
Sie hat einen harten Zug um den Mund, denkt Bennewitz. Warum fällt er mir erst jetzt auf?
In einer Stunde werden sie die Sächsische Schweiz erreichen. Sie werden auf dem Parkplatz halten, wo der Wanderweg beginnt, den sie beide so gut kennen, dieser Weg, der, wenn man ihm immer weiter folgt, zu der Stelle führt, wo ...
Es wird leicht sein, Franziska hinabzustoßen. Wenn er es tut, wird er hinter ihr stehen ...
Er erschrickt. Wie viele Morde deckte die Polizei wirklich auf? In den Filmen und Romanen mussten sie den Mörder finden, denn über den perfekten Mord würde kein Autor schreiben dürfen. Und selbst wenn man annahm, dass die Aufklärungsquote sehr hoch lag, wie er mal gelesen hatte, dann bedeutete das: Es gab ihn doch, den perfekten Mord. Auch in diesem Land, wo man nicht darüber sprach.
Er schlägt die Augen auf, als Franziska hustet.
»Schlaf weiter«, sagt sie leise.
Er nickt, und er spürt, wie eine Gänsehaut seinen Körper überzieht. Er darf nicht schwach werden! Er darf nicht die lachende Franziska sehen, sondern die Erpresserin, die alles weiß von ihm, der er alles erzählt hat, auch von Hesselbach und dem, was danach kam ...

Das Städtchen Hesselbach hatte Bennewitz nicht einmal vom Namen her gekannt. Dort gab es ein kleines Werk. Pittwein lernte dessen Leiter durch die Arbeit in der Erzeugnisgruppe kennen und lud ihn nach einer Tagung zur Besichtigung seines Werkes ein.
Beier, so hieß der Werkleiter, war klein, untersetzt. Er lief umher wie ein Wiesel, als Pittwein ihn durch die Hallen führte, die nun, nach der abgeschlossenen Rekonstruktion, gern gezeigt wurden.
Beier war beeindruckt wie alle, er schwärmte noch, als sie in Pittweins Zimmer saßen und einen Kognak tranken.
Wenigstens eine modernisierte Maschine, wie sie in der zweiten Halle standen, wolle er besitzen, wenigstens eine, dann könnten auch sie ihren kleinen Weltstand in Hesselbach haben.
»Das würde gehen«, sagte Pittwein unvermittelt, »denn eine Maschine könnte frei werden, weil wir eine neue bekommen.«
Überrascht sah Bennewitz Pittwein an.
Pittwein lächelte nachsichtig.
»Zum Zeitwert ist sie kein Problem, erschwinglich.«
»Sie meinen?«, fragte Beier, der dieses Angebot betrachtete wie einen Gewinn im Lotto.
»Die notwendige, allerdings komplizierte Modernisierung der Maschine würden wir sogar selbst erledigen.«
Pittwein gab sich jovial, generös, überlegen.
Aber die Maschine ist doch umgebaut, dachte Bennewitz, es gibt nichts mehr, was verändert werden muss!
»Ich würde sie sofort nehmen«, versicherte Beier.
»Den Umbau«, sagte Pittwein, »könnten wir auf der Grundlage einer Neuerervereinbarung vornehmen, den dazu notwendigen Neuerervorschlag müssten Sie einreichen. Aber da helfe ich Ihnen. Vielleicht auch bei der Modernisierung anderer Maschinen?«
Augenzwinkernd fuhr Pittwein fort:
»Das Neuererrecht müssten wir bei der Neuerervereinbarung ein wenig umgehen. Ich denke da auch an die Beteiligung von Kollegen aus Ihrem Werk. Die könnte nur auf dem Papier erfolgen, auch die Leitung des Kollektivs. Und den Umbau realisieren wir auch hier, in unserem Werk.«
Plötzlich begriff Bennewitz Pittweins Angebot, schlagartig sah er die neue Dimension des Gewinns, wenn sie hinaustraten über die Grenzen ihres eigenen Werkes. Kein Hauptbuchhalter war zu fürchten, der Schrader hieß. Und die fingierten Stundennachweise würden noch einfacher zu erstellen sein.
Als Beier gegangen war, lud Pittwein ihn zum Bleiben ein, aber er sprach nicht, sah einen Ordner durch, leistete ein paar Unterschriften. Bennewitz kam sich überflüssig vor. Er räusperte sich.
»Ich geh dann«, sagte Bennewitz und erhob sich zögernd.
»Man könnte fünfzehntausend fordern«, sagte Pittwein leise, »für diesen Umbau.«
Er führte den Satz nicht weiter, und er blickte nicht auf.
Bennewitz verließ schweigend den Raum.
Er blieb noch im Werk, als es schon alle verlassen hatten, er rechnete, überschlug, prüfte die Möglichkeiten, die bestanden, um auf die von Pittwein genannte Summe zu kommen.
Wenn er konstruktive Arbeiten vorgab und die Anfertigung einer Einschubvorrichtung, den Bau eines Plattenstapeltisches und den von Rollgängen und der lufttechnischen Anlage und auch die Kosten für Beratungen beim Bau, die Fahrten, dann ...
Und das Werk in Hesselbach würde froh sein, weil es seine Leistung steigern konnte, denn die Maschine war noch immer ein Joker in einem kleinen Werk.
Er erschrak, als die Tür in der unnachahmlichen Art aufgerissen wurde, an der man Pfaff erkannte.
»Sie arbeiten noch?«, fragte Pf aff, und er stand neben dem Schreibtisch von Bennewitz, als wollte er die Zahlen auf seinem Blatt prüfen, und drückte Bennewitz, der sich erheben wollte, in den Stuhl zurück.
Bennewitz saß starr, Schweiß trat ihm auf die Stirn.
»Geht es Ihnen nicht gut?«
»Doch, doch«, sagte Bennewitz.
»Sie sind überarbeitet, Genosse Bennewitz«, sagte Pfaff. »Ich mag Leute, die zum Schichtschluss noch nicht am Werktor stehen. Man soll es aber auch nicht übertreiben.«
Er setzte sich, griff in die Brusttasche seines grauen Flanellanzuges und entnahm ihr ein kleines Röhrchen und diesem eine Tablette.
»Einen Schluck Wasser?«, fragte Bennewitz, der seine Ruhe wiederfand.
»Danke«, sagte Pfaff, »ich bin es gewohnt. Ich schlucke sie immer ohne Wasser ... Das Herz«, fügte er entschuldigend hinzu.
»Ja«, sagte Bennewitz.
Das habe ich nicht gewusst, dachte er.
Noch nie war ihm das Gesicht von Pfaff so grau erschienen. Vor ihm saß nicht mehr der gefürchtete Werkleiter, sondern einfach ein Mensch, den eine Krankheit so traf wie jeden anderen.
»Ein heißer Tag«, sagte Pfaff und Bennewitz wusste, dass der Kombinatsdirektor im Werk gewesen war, man munkelte von einer Erhöhung der vorgegebenen Auflage, von einem Exportauftrag, von Sonderschichten. Keiner wusste Genaues.
»Wissen Sie, Genosse Bennewitz, dass ich unheimlich froh bin, wenn ich Männer wie Sie in unserem Betrieb weiß?«
»Wie ich?«, fragte Bennewitz.
»In einer Zeit des Umbruchs im Werk«, sagte Pfaff, »der atemberaubenden Schnelligkeit der Rationalisierung, die einhergeht mit einer für uns noch vor Jahren unfassbaren Steigerung der Produktion, da sind Männer wie Sie eine Voraussetzung.«
»Ich verstehe nicht recht«, murmelte Bennewitz.
»Stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel, Genosse Bennewitz. Sie sind zuverlässig, aufopferungsbereit, und Sie sind nicht betriebsblind. Auf Männer wie Sie kann ich bauen. Sie bringen mir keine Lippenbekenntnisse, Sie bringen mir die Leistung.«
Pfaff stützte die Ellenbogen auf die Schreibtischplatte und lehnte sich nach vorn. Dann fuhr er sich mit der Hand über das Haar.
»Sie blicken so skeptisch, Genosse Bennewitz? Vielleicht hätten wir uns längst schon einmal aussprechen sollen. Ich kenne meinen Ruf. Ich bin ein Diktator, sagt man hinter vorgehaltener Hand, ein Antreiber. Als man mich hier einsetzte, habe ich mit« - er zögerte, als suche er nach dem geeigneten Ausdruck - »Daumenschrauben arbeiten müssen. Von Anfang an! Und hätte ich sie nicht immer fester angezogen, wäre dieser Betrieb, so, wie Sie ihn jetzt sehen, nie ein Spitzenbetrieb im Kombinat geworden. Nie! Ich merke schon, dass ich Ihnen so etwas einmal sagen muss, Genosse Bennewitz. Männer wie Sie, nehme ich an, wird hartes Durchgreifen nicht stören, weil sie um die Notwendigkeit wissen. Männer wie Sie sind für mich das Rückgrat meines Werkes. Lassen Sie uns einen Wall gegen die Gleichgültigkeit bauen.«
Bennewitz schwieg.
»Vielleicht«, sagte Pfaff dann, »ist Daumenschrauben auch nicht das richtige Wort. Aber ich muss manchmal brutaler sein, als ich es eigentlich will. Sie können mir das glauben, Bennewitz. Ich muss den Finger in offene Wunden legen, unerbittlich. Offene Wunden können gefährlich werden, wenn man sie nicht bekämpft.«
Bennewitz erschrak. Ahnte er etwas, dieser Pfaff? Was meinte er mit den Wunden?
»Ich brauche Leute, denen ich vertrauen kann«, sagte Pfaff und blickte Bennewitz durchdringend an, »und die mir rückhaltlos vertrauen. Ohne Vertrauen, Genosse Bennewitz, geht es nicht. Allerdings auch nicht ohne Kontrolle. Wir verstehen uns?«
Bennewitz hielt den Blick von Pfaff aus. Er staunte über sich selber. Ich habe einmal ein Bauchstädt sein wollen, dachte Bennewitz. Vor mir sitzt ein Bauchstädt.
»Sollte Ihnen etwas auffallen, was faul ist«, sagte Pfaff, »etwas, was Ihnen nicht geheuer erscheint, dann kommen Sie zu mir.«
Stellt er mich nur auf die Probe? dachte Bennewitz. Oder ahnt er etwas?
Aber er nickte.
Plötzlich lächelte Pfaff.
»Ich habe Sie vor kurzem mit Ihrer Frau gesehen. Wissen Sie, mein lieber Bennewitz, ich freue mich, dass Sie alles miteinander vereinen können, ein harmonisches Familienleben und eine erfolgreiche berufliche Tätigkeit.«
Herrgott, dachte Bennewitz, warum hört er nicht auf? Was redet er da? Er soll endlich aufstehen, er soll gehen!
»Quält Sie etwas, Genosse Bennewitz?«
»Nein, nein«, winkte Bennewitz ab. »Was Sie sagen, ist sehr schmeichelhaft für mich, aber ich bin so viel Lob nicht gewöhnt und ich habe es auch nicht verdient.«
»Die Entscheidung darüber«, sagte Pfaff, »können Sie ruhig mir überlassen.«
Pfaff erhob sich.
»So ein Arbeitstag muss auch mal ein Ende haben. Denken Sie an Ihre Familie.«
Sein Händedruck war kräftig, und er winkte kurz, bevor er die Tür zuklinkte.
»Machen Sie Schluss, Genosse Bennewitz!«
Bennewitz nickte wortlos, auch dann noch, als sich die Tür hinter Pfaff geschlossen hatte und seine Schritte auf dem Kies, der vor dem Flachbau lag, verklangen.
»Machen Sie Schluss«, hatte Pfaff gesagt.
Bennewitz starrte auf die Zahlen vor sich auf dem Blatt, aber er konnte sich nicht mehr konzentrieren, und er barg seine Stirn in den Handflächen, als er die Ellenbogen auf die Tischplatte stützte.
Er fuhr zusammen, denn die Tür wurde erneut geöffnet, nur vorsichtiger, beinahe leise.
»Hallo«, sagte Röbel. »Der Alte war bei dir?«
»Ja«, erwiderte Bennewitz.
»Was wollte er denn?«
»Nichts Besonderes«, antwortete Bennewitz ausweichend.

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