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Das Mädchen aus dem Spiegel


Das Mädchen aus dem Spiegel


1. Auflage

von: Siegfried Maaß

7,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 01.09.2017
ISBN/EAN: 9783956558399
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 144

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Hier ist von einem besonderen Mädchen die Rede - mit einer ganz besonderen Eigenschaft, die es ihr aber nicht immer leicht macht, wie der Autor gleich zu Beginn seines vergnüglich zu lesenden Kinderbuches erklärt:
Das Mädchen aus dem Spiegel?
Ebenso gut hätte ich ‚Die Geschichtenerfinderin’ darüber schreiben können. Denn am meisten wird von einem Mädchen erzählt, das sich Geschichten ausdenkt. Fast überall, wo es sich aufhält. Für sich selbst, aber auch für andere und damit auch für euch. Nur so zu ihrem Spaß. Aber jeder, der sie bereits kennt und sich mit ihr unterhält, blickt sie zuerst immer zweifelnd an und fragt sich: Sagt sie jetzt die Wahrheit? Oder spinnt sie wieder und tischt mir eine ihrer Geschichten auf?
Das hört sich an, als wäre dieses Mädchen eine ganz gewöhnliche Lügnerin.
Ich kenne sie aber sehr gut und kann darum behaupten, dass dies nicht zutrifft. Vielmehr spricht sie einfach aus, was ihr gerade in den Sinn kommt. Weil es ihr schwer fällt, es für sich zu behalten.
Sie besitzt eine große Erfindungsgabe und kann manchmal selbst nicht genau unterscheiden, ob sie sich an etwas erinnert oder es sich soeben ausgedacht hat.
Hört man ihr zu, irrt man ständig zwischen Glauben und Unglauben umher, als befände man sich an einer Wegkreuzung und könne sich nicht für eine Richtung entscheiden. Und eben das macht es für andere Leute nicht so ganz einfach, wenn sie es mit Dagmar zu tun haben. Dagmar, so heißt die Geschichtenerfinderin, die sich selber meist jedoch als Daggi vorstellt.
Wer aber verstehen will, weshalb Daggi, bald elf, so eine kräftige Fantasie entwickelt hat, der muss etwas aus ihrer Kindheit wissen, als sie noch Klein-Daggi war:
Trotzdem kam Daggi um die eigene Erfahrung nicht herum, weil sie bereits als ganz kleines Mädchen wegen eines Sonnenbrandes tagelang im Haus bleiben musste. Während ihre Freundinnen sich an den Strand des nahen Sees legten und ihre großen Halbgeschwister in der Schule waren, wälzte sie sich auf ihrer Matratze wie eine Katze, die im Sand ihr Ungeziefer abstreift. Sie selbst streifte schließlich ihre alte Haut ab, die sich wie feines Papier löste und helle Flecke hinterließ – als hätte man sie über Nacht mit Puderzucker gesprenkelt.
Auf diese Weise musste sie lernen, die Einsamkeit zu bekämpfen, um nicht an Langweile zu sterben.
Sie begann sich Geschichten auszudenken, lustige und traurige und auch solche, die wie Abenteuer verliefen und auch genauso endeten. Hauptsache war, dass am Schluss das Gute siegte.
Geboren am 06.10. 1936 in Magdeburg, Schulbesuch in Staßfurt.
Vermessungstechniker in Bergbau und Kataster. 1960 – 1964 Literaturinstitut Leipzig.
Schauspieldramaturg. Freier Schriftsteller seit 1971.
Verheiratet. Zwei Kinder.

Bibliografie:
Ich will einen Turm besteigen, 1974; als E-Book 2014
Ins Paradies kommt nie ein Karussell, 1976; als E-Book 2014
Lindenstraße 28, 1982; als E-Book 2012
Keine Flügel für Reggi, 1984; als E-Book 2012
Abschied von der Lindenstraße, 1986; als E-Book 2014
Vier Wochen Sommers, 1989; als E-Book 2014
Auch in der Ferne bist du nicht für mich verloren, 1994
Tango in der Düppler Mühle, 1998
Und hinter mir ein Loch aus Stille, 2000; als E-Book 2015
Zeit der Schneeschmelze, 2001; als E-Book 2016
Peggy Vollmilchschokolade, 2002; als E-Book 2016
Der Handschuhbaum, 2003
Schulschreiber –Tagebuch, darin: Der Mann im Haus bin ich, 2003
Sonntagspredigt oder Heimkehr auf die Insel, 2004; als E-Book 2016
Adolfchen und der ‚doofe’ Arm, 2005; als E-Book 2012
Sternie, Spinni und das Kleine Gespenst Kugelrund, 2006
Das Versteck im Wald, 2007; als E-Book 2016
Das Haus an der Milchstraße, 2008; als E-Book 2016
Nachtfahrten, 2009; als E-Book 2016
Als unser Weihnachtsmann Urlaub machte, 2009
Im Schatten der Milchstraße, 2010; als E-Book 2016
Tango in der Düppler Mühle, (Erweiterte Fassung), 2011
Knöpfchen und der Mann mit der Mütze, 2012; als E-Book 2016
Federschnee, 2013; als E-Book 2016
Mäxchen und Pauline, 2015
Flaschendrehen, 2016
Das Glashaus, 2016
Das Mädchen aus dem Spiegel, 2017
Beteiligung an 15 Anthologien
Herausgabe von 20 Anthologien
Ich will das nicht mehr. Jeden Tag diese sinnlose Nörgelei. An allem bin ich immer schuld. Nichts mach ich ihnen gut genug. Egal, ob es bloß ganz Alltägliches wie der Abwasch ist oder mein Zimmer, wo es nicht aufgeräumt genug ist. Ich kriege immer alles um die Ohren gehauen wie eine, die klaut oder was anzündet. Oder sich rumtreibt und mit Bengels abgibt. Mein ach so süßer kleiner Bruder kann sich alles erlauben. Bringt er ’ne schlechte Note nach Hause, heißt es: „Das war bloß ein Ausrutscher. Jeder hat mal ’nen schlechten Tag.“
Von mir erwartet man, dass ich jedes Mal ’n Einser bringe. Wenn nicht, heißt es gleich, dass ich das Nest beschmutze. Von einer Reichwald wird erwartet, dass sie zu den Besten gehört. Am besten die Beste ist. Ich darf mir keinen Ausrutscher erlauben. Das vertragen sie nicht. Darin sind sie sich einig. Sonst streiten sie sich um jeden Kleinkram. Schreien sich an. Diese Reichwalds, die so wohlgeraten scheinen. Nach außen. Alles nur Schein.
Aber ich will nicht dazu gehören, habe meine eigenen Erwartungen und Vorstellungen vom Leben. Davon will ich mich nicht abbringen lassen. Deswegen packe ich meine Sachen. Einige Klamotten und mein Gespartes. Das habe ich heimlich gebunkert.
Die glauben tatsächlich, mit fünf Euro die Woche machen sie mich reich. Ahnen ja nicht, dass Oma mir dazu gibt, und nicht bloß ’n Fünfer. Außerdem habe ich Flaschen und Altpapier gesammelt. Was sie wissen sollen. Denn das ist wieder gegen die Reichwald-Würde.
Haben die sich schon mal gefragt, womit ich mein Handy finanziere? Wo sie doch so großen Wert drauf legen, dass ich es immer bei mir habe und öffentlich sehen lasse. Vergessen sogar nicht, mich jeden Tag zigmal anzurufen, damit man es hört und sieht. Bin schließlich eine Reichwald. Wie sie. Nicht reich an Wald, aber an Angabe.
So scheinheilig geht es bei ihnen zu.
In der Nacht verschwinde ich. Das ist beschlossene Sache. Nachdem ich den Kühlschrank geplündert habe. Haue ab auf leisen Sohlen, damit mich mein ach so süßer kleiner Bruder nicht hört und mich nicht verpfeifen kann.
Soll‘n sie doch ’ne Vermisstenmeldung loslassen. Wahrscheinlich aber nicht vor Mitternacht. Aber dann bin ich über alle Berge. (Bei uns gibt es nur zwei kleine Hügel.) Auf der Rückseite der alten Scheune auf dem Feld weiß ich ’n loses Brett. Da zwänge ich mich durch. Zwei, drei Tage warte ich dort ab, dann geht’s weiter.
Aber da fällt mir was ein.
Ja, das ist es. Das tut dann richtig weh.
Also warte ich bis Mitternacht ab, wenn alle richtig weggetreten sind.
Dann gehe ich hinüber, wecke ihn und sage: „Du musst nur still sein, dann fängt gleich ein richtiges Abenteuer an. Das wünschst du dir doch immer. Jetzt ist es so weit.“
Er blinzelt und findet sich noch nicht zurecht. „Ein Abenteuer?“, fragt er und sucht schon seine Sachen zusammen. Wie jeden Abend sind sie überall im Zimmer verstreut. Das sollte ich mir mal erlauben. Aus dem Bett würden sie mich jagen und nicht eher wieder losgehen, bevor ich die Klamotten ordentlich aufgeschichtet habe.
Ich halte meinen Finger auf die Lippen, und gehorsam macht er es ebenfalls. Ich zeige ihm, wie er auf Zehenspitzen schleichen soll. Das gefällt ihm und damit beginnt für ihn das schon lange erträumte Abenteuer.
Geräuschlos kommen wir bis an die Haustür, die ich leise öffnen kann. Dann haben wir das Nachtdunkel erreicht.
Er greift nach meiner Hand. Seine Finger werden zur Klammer. „Wohin gehen wir?“, fragt er, aber ich zische nur wie ein Tier, das vielleicht nachts umherstreift. Ich spüre seine Angst und freue mich. Das gehört zu meiner Rache. Aber dann überlege ich, an wem ich mich rächen will. An ihm? Oder doch an den Alten, die mich wie den letzten Dreck behandeln und ihn wie einen Schatz?
Kommt auf dasselbe raus, denke ich, aber der größere Schreck bleibt für sie, wenn sie es mitkriegen. Ihr süßer Kleiner. Weg ist er.
Der Feldweg ist Matsch vom letzten Regen. Quietscht unter unseren Schritten. Vor uns leuchten zwei grüne Augen und vor Angst reißt er sich von mir und bleibt stehen. Wie angewurzelt.
„Nur ein Fuchs“, sage ich, ohne zu wissen, ob Fuchsaugen nachts grün leuchten. „Bald sind wir da!“
Wieder will er wissen, wohin wir gehen.
Die Wand der Scheune hebt sich hell ab. Ich stelle ihn vor mich und zeige hin.
„Was ist da? Gibt es dort ein Bett? Ich bin ganz müde.“
„Du wolltest doch immer mal im Heu schlafen. Jetzt kannst du’s. Dort liegt alles voll davon.“

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