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Branstners Brevier


Branstners Brevier

Textzusammenstellung aus „Die zweite Menschwerdung. Überlebensphilosophie”
1. Auflage

von: Gerhard Branstner

5,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 30.08.2022
ISBN/EAN: 9783965217447
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 176

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

An Selbstbewusstsein mangelt es Branstner, der zu Lebzeiten nicht wenige Schlachten auszufechten hatte, wahrlich nicht. Sonst hätte er sein Brevier nicht als das Kommunistische Manifest der Gegenwart bezeichnet.
Auch sonst ist er wenig zimperlich, befasst sich in einem weit vorn stehenden Kapitel mit den Irrtümern zweier Klassiker des Marxismus-Leninismus, um am Ende desselben die Bedeutung seiner eigenen Anschauungen noch einmal kräftig herauszustreichen.
Zunächst wirft Branstner Marx vor, Darwin zwar gekannt, aber als Quelle nicht genutzt zu haben:
Bei Marx ist die Ökonomie Hebel der gesellschaftlichen Bewegung, speziell das Verhältnis von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen. Damit hatte Marx zum ersten Mal einen materiellen Zwang in die Geschichte eingeführt. Dagegen setze ich einen anderen materiellen Zwang, statt dem gesellschaftlichen einen natürlichen. Der dürftigste Grashalm überlebt nur, wenn er in Einheit mit seiner natürlichen Umwelt steht; das Tier, ob Mücke oder Elefant, überlebt nur, wenn es im Einklang mit seiner Umwelt steht. Wie kann der Mensch überleben, wenn er in Widerspruch zu seiner Umwelt, zur Natur steht? Also ist es geboten, die Einheit von Mensch und Natur zu erneuern, sie auf höherer Stufe herzustellen.
Es ist an der Zeit, sich darauf zu besinnen, dass wir Kinder der Natur sind, wenn gegenwärtig auch sehr unfolgsame.
Danach folgt eine fundamentale Kritik an Lenin:
Und wenn Lenin die historische Berechtigung des Sozialismus in seiner höheren Arbeitsproduktivität sah, irrte er sich mindestens zweimal. Erstens stellt man nicht ein Kind gegen einen Erwachsenen in den Ring, und wenn das Kind erwachsen und der Erwachsene gestorben ist, steht die Frage nicht mehr und der Sozialismus steht ohne eigenes Kriterium da. Zweitens ist die Arbeitsproduktivität wichtig, aber nicht wesentlich, da der Sozialismus an einem kapitalistischen Maß gemessen und in die falsche Richtung gelenkt wird. Ein Produkt ist Lenins kuriose Behauptung, dass Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes gleich Kommunismus sei.
Am Ende dieses Kapitel lesen wir:
Ohne die Methode der heiteren Dialektik ist keine marxistische Geschichtsbetrachtung möglich.
Ein ernster Marxist ist ein Widerspruch in sich.
Marx hat die Knochenarbeit gemacht. Auch Engels und Lenin sind „Knochenarbeiter”, beispielsweise in „Staat und Revolution”, da findet man nur Knochen. Mir geht es um Fleisch und Blut. Meine Fortsetzung des Marxismus ist eine Fortsetzung auf anderem Wege.
I. Kritik des Marxismus
1. Vorspiel
2. Irrungen der Geschichte
3. Irrtümer von Marx und Lenin
II. Der „reale Sozialismus ”
III. Der reale Kapitalismus
IV. Der Übergang von der Vorgeschichte der Menschheit zu ihrer eigentlichen Geschichte
1. Die soziale Vererbung
Offener Brief an den Bundesvorstand der PDS (Ausschnitt)
2. Die historische Vorahmung
V. Der wirkliche Sozialismus
1. Die erste Stufe
2. Die zweite Stufe
VI. Urkommunismus und Heiterkeit
VII. Der Kommunismus
Geboren am 25.Mai 1927 in Blankenhain/Thüringen, Volksschule, drei Jahre Verwaltungslehre.
1945 Soldat im 2. Weltkrieg, bis 1947 in amerikanischer, französischer und belgischer Kriegsgefangenschaft.
1949 – 1951 Abitur an der ABF Jena, 1951 bis 1956 Studium der Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin, 1963 Promotion (Dr. Phil.).
1956 - 1962 Dozent an der Humboldt-Universität, 1962 – 1964 Lektor, 1966 - 1968 Cheflektor Eulenspiegelverlag/ Das Neue Berlin.
Ab 1968 freiberuflicher Schriftsteller.
2008 in Berlin verstorben.
II. Der „reale Sozialismus ”
Die kapitalistische Konstellation von Tauschwert und Gebrauchswert mit der Dominanz des Tauschwerts war die Falle, in die alle „realsozialistischen” Länder getappt sind.
Statt kreative, produktive, konstruktive Öffentlichkeit als wichtigste Form der sozialistischen Demokratie zu konstituieren, wurde im Gegenteil die Öffentlichkeit als größte Gefährdung angesehen. Aber ohne sie kann der Gebrauchswert nicht zum gestaltenden Zweck werden.
Wenn der Sozialismus nach einem kapitalistischen Maß errichtet wird, können nur Kuriositäten herauskommen.
Die Macht des Sozialismus wurde in die Macht über den Sozialismus verkehrt. Das war die Sünde aller Sünden. Damit verkehrte sich die Diktatur des Proletariats in die Diktatur über das Proletariat. Die Diktatur im Sinne von Marx haben wir also bis heute nicht erlebt, aber wer nicht alles weiß hanebüchenen Unsinn über sie zu verbreiten.
Es fehlte an marxistischer Theorie, weil es an marxistischer Politik fehlte. Nicht umgekehrt. Der Sozialismus ist das Neue, er lebt von ihm und fördert, produziert es. Indem er im tödlichen Gegensatz zu seinem Wesen allem Neuen misstraute, starb er bereits in seiner Kindheit an Überalterung.
Die kapitalistische Einkreisung des Sozialismus wurde zur Selbsteinkreisung. Der Sozialismus verschloss sich gegen die äußeren Entwicklungen und endlich auch gegen die inneren, schließlich gegen sich selber. Er dörrte aus.
Ein braver DDR-Bürger ging in ein Warenhaus und verlangte Zwiebeln. „Ham wer nicht”, sagte die Verkäuferin. Da verlangte der Mann Tomaten. „Ham wer nicht”, sagte die Verkäuferin. Da verlangte der Mann eine Flinte. „Könn'se ham”, sagte die Verkäuferin, „aber was woll'n se mit der?” „Die Errungenschaften des Sozialismus verteidigen”, sagte der Mann.
Das war der beste Witz, der über den Sozialismus gemacht wurde, offenbarte er doch schlagartig einen Hauptfehler: Die Überbewertung des Schutzes gegenüber der Unterbewertung des zu Schützenden, genauer die Sicherung der eigenen Macht. Hätte man die Weisheit des Witzes befolgt, wäre der Hauptfehler zu vermeiden und der Sozialismus zu retten gewesen. Wie? Ein Witz hätte den Sozialismus retten können? Warum nicht? Ist er doch an seiner Witzlosigkeit gestorben.
Kindereien führten im Verein mit der Verbürgerlichung des wirklichen (politischen und wirtschaftlichen) Lebens zur Entleerung des Sozialismus, zum Austritt des Sozialismus aus der wirklichen Geschichte. Daran ist er kaputtgegangen. Die Vergangenheit hat die Zukunft eingeholt. Der Sozialismus wurde kapitalisiert. Die sozialistischen Parteien verbürgerlichten, die Ökonomie verbürgerlichte.
Der Stalinismus war der Geburtsfehler des Sozialismus der DDR. Einer seiner Hauptcharakteristika war die Unberührbarkeit seiner Staats-, seiner Machtpolitik. Daher konnten unerträgliche Zustände entstehen und nur in Form von Aufständen angemeldet werden. Diese Unberührbarkeit wurde an den Poststalinismus vererbt. Sie war das Haupthindernis der Reformierung des Sozialismus.
Während für Schiller die unvermeidliche Entscheidung zwischen zwei guten Seiten die größte Tragik ist, liegt die wirkliche Tragik in der Entscheidung zwischen zwei schlechten Seiten. Das offenbart der 17. Juni. Der Aufstand war objektiv zweifelsfrei eine Konterrevolution gegen den Sozialismus. Das herrschende System war aber nicht weniger konterrevolutionär, hätte es sonst den Sozialismus nicht schließlich zum Scheitern gebracht?
Historisch rechtens hätten am 17. Juni beide konterrevolutionären Seiten überwältigt werden müssen. Aber da wäre eine dritte Seite nötig gewesen, als historische Konzeption und als überwältigende Kraft. Aber die gab es nicht. Also musste man sich für eine der beiden Seiten entscheiden. Und die war der „reale Sozialismus”. Das war statt des Endes mit Schrecken immerhin der Schrecken mit einem späteren Ende. Obwohl die Blödheiten des „realen Sozialismus” die Ursache der anderen Konterrevolution waren.
Die Entscheidung zwischen zwei schlechten Seiten kommt überdies in der Geschichte öfter vor als die Entscheidung zwischen zwei guten Seiten. Auch die Wende hatte diese Tragik, nur mit umgekehrtem Ausgang.
Die Geschichte wird von Menschen gemacht, die von der Geschichte gemacht wurden. Da gibt es keine Ausnahme, aber Unterschiede, beispielsweise zwischen Lenin und Stalin. Ohne die Hunderttausende Folterknechte und die Hunderttausende Henkersknechte und ohne die Millionen der Heuchelei des Personenkults Erlegenen hätte es keinen Stalin gegeben. Das erklärt, weshalb die Jahrzehnte nach Stalin den Sozialismus nicht wesentlich über Stalin haben hinauswachsen lassen.
Auch nach ihm hat das jahrtausendalte Erbe der Klassengesellschaft dominiert.
Unsere „unfehlbaren” Führer lebten zunehmend in auf ihre Anordnung hin für sie errichteten Potemkinschen Dörfern. Um den doppelten Widersinn deutlich zu machen: Sie lebten von ungedecktem Falschgeld.
Neben dem vielen Schlimmen, das Stalin getan hat, heißt es, muss man auch in Rechnung stellen, dass er den Krieg gegen den Faschismus gewonnen hat. Abgesehen davon, dass man auch fragen muss, ob die Sowjetunion den Krieg nicht trotz Stalin gewonnen hat, steht unfraglich fest: Den Krieg gegen den Kapitalismus hat Stalin verloren, durch die Deformation des Sozialismus und die bis zu Gorbatschow reichenden Folgen dieser Deformation. Das aber ist seine historisch entscheidende Tat.
Die Behauptung, dass es keinen fähigeren Kopf als Stalin gab, ist zynisch, da Stalin sie alle einen Kopf kürzer gemacht hat.

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