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Besuchszeit


Besuchszeit


1. Auflage

von: Dorothea Iser

7,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 12.01.2015
ISBN/EAN: 9783956552502
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 241

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Bettina ist auf ihre ältere Schwester Jule nicht gut zu sprechen – auch nicht, als sie bei einem Besuch zu Hause erfährt, dass Jule im Krankenhaus liegt:
Die Nachbarin öffnete ihre Tür spaltbreit und sagte, die Eltern seien im Krankenhaus. Heute sei Besuchszeit. Dann drückte Frau Lutter ihr stumm und mitfühlend die Hand. Bettina schloss ihre Tür auf und zog sie hastig hinter sich ins Schloss. Frau Lutter redete in die Stille hinein. Auch das war Bettina vertraut. Sie stand mit dem Rücken gegen die Wand gepresst und wehrte sich gegen all ihre Sinne, die signalisierten: Ich bin zu Hause! Aber ich will hier nicht zu Hause sein.
Es schien, als wären hundert Jahre vergangen, als sie von dort weggegangen und zu Bella gezogen war, der Zwillingsschwester ihrer Mutter.
Alles hatte mit Albert zu tun, der eines Morgens vor ihr stand und zu ihr sagte: „Ich bleibe bei Jule, ich will mit ihr leben. Bettina, versteh mich doch.“
Und was war bei dem Unglück geschehen?
Jule sollte auf einer Leiter stehend gegen das Fenster gekippt und keinen Halt gefunden haben. Was hatte sie auf der Leiter gewollt? Warum war sie weggerutscht? Und wo war Albert, als das passierte?
„Jule war betrunken“, sagte der Vater mit gequältem Gesicht, und er setzte schnell hinzu, „das war sie in letzter Zeit oft.“
„Sagen die Leute.“ Die Mutter milderte den harten Vorwurf.
Jule war vier Meter tief gefallen. Und bei ihrem Besuch im Krankenhaus kann Bettina sie kaum erkennen.
„Nur für ein paar Minuten“, mahnte die Schwester und sah Bettina misstrauisch an.
Bettina schluckte vor Erregung, aber die blieb und drückte ihr den Atem ab.
Jule spürte wohl, dass jemand an ihr Bett getreten war. Sie öffnete die Augenlider halb und sah an Bettina vorbei in eine unbestimmte Ferne. Das bilde ich mir doch nicht ein, dachte Bettina. Jule ist wach. Sie lebt. Es geht ihr besser. Jetzt kommt es auf mich an. Ich muss das richtige Wort finden. Jules Augenlider sanken herab, um sich wieder spaltbreit zu heben. Bettina wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht.
In vielen Rückblenden erzählt Dorothea Iser von einer Gesellschaftsordnung, die es nicht mehr gibt, von jungen Menschen, die nach Freiheit und nach dem Sinn des Lebens suchen, und von Eltern, die ihnen dabei kaum helfen können.
Es sind recht verworrene Verhältnisse zwischen den beiden Schwestern, von denen die ältere lebensgefährlich verletzt im Krankenhaus liegt. Wer war schuld? Oder ist das nicht die richtige Frage?
Geboren 1946 in Elbingerode/ Harz, aufgewachsen in Sophienhof/ Rothesütte, Abitur, Pädagogik-Studium, 1967 Examen, anschließend Einsatz im Jugendwerkhof als Erzieherin.
Erste Schreibversuche im Zirkel schreibender Arbeiter, 1975 bis 1978 Fernstudium am Literaturinstitut in Leipzig, seit 1980 freiberuflich tätig.
1990 bis 2000 Geschäftsführerin des Friedrich-Bödecker-Kreises in Sachsen-Anhalt e.V., ab 2000 Vorsitzende.
Ab 1990 Vorsitzende des Pelikan in Sachsen-Anhalt e.V. , Arbeit als Herausgeberin und Verlegerin, Mitglied im P.E.N., Mitglied der Europäischen Autorenvereinigung Die KOGGE.
Verheiratet, zwei Kinder und zwei Enkel.
Bibliografie
Wolkenberge tragen nicht. Erzählung, Militärverlag, Berlin
Lea. Roman, Militärverlag, Berlin
Neuzugang. Erzählung, Verlag Neues Leben, Berlin
Besuchszeit. Erzählung, Verlag Neues Leben, Berlin
Pink ohne Ende. Erzählband, dr. ziethen verlag, Oschersleben
Der dicke Dieter. Kinderbuch, Projekte Verlag, Halle
Behandeln ist das eine, dem Menschen begegnen etwas anderes. 100 Jahre Psychiatrie in Jerichow, dr. ziethen verlag, Oschersleben
schon morgen ist alles anders. Lyrik und Fotografie (mit Elisabeth Heinemann), Projekte Verlag, Halle
wasser ist wieder blau. Lyrik und Fotografie (mit Elisabeth Heinemann), dorise-Verlag, Burg
Alte Liebe. Lyrik und Fotografie (mit Elisabeth Heinemann), Schlütersche Verlagsanstalt, Hannover
glücksfall. Lyrik und Hörbuch, dorise-Verlag, Burg
eigensinnig. Lyrik, dorise-Verlag, Burg
zu zweit. Lyrik und Fotografie (mit Walter Iser), dorise-Verlag, Burg
Die Glücksfrau. 1. Teil der Romantrilogie "Kein Gott in der Nähe", Illustrationen von Ulrike Schmieder, dorise-Verlag, Burg
Wenn eine Schneeflocke weint. Kinderbuch mit Illustrationen von Michael Olm, dorise-Verlag, Burg
Simsalabims oder Der Vogel mit der grünen Feder. Kinderbuch mit Illustationen von Michael Olm, dorise-Verlag, Burg
Sand in der Hand. Lyrik, dorise-Verlag, Burg
Denkzettel. Aphoristisches, mit Fotos von Roland Stauf, dorise-Verlag, Burg
Saitensprung. Jugendbuch mit Illustrationen von Michael Olm, dorise-Verlag, Burg
Stress im Gutshaus. Kinderbuch mit Illustrationen von Michael Olm, dorise-Verlag, Burg
Sonntagskinder. Band II der Romantrilogie "Kein Gott in der Nähe", Illustrationen von Ulrike Schmieder, dorise-Verlag, Burg
Wenn Pferde fliegen. Lyrik und Kunst (mit Erhard Holley), dorise-Verlag, Burg
Franziska öffnete die Korridortür, sie hatte schon auf die Tochter gewartet. Darum war sie sicher, als sie jemanden die Treppe heraufkommen hörte, dass es Bettina war.
„Wie siehst du aus?“, fragte sie bekümmert und sah übers Geländer hinunter ins Treppenhaus, wo jemand eilig davonlief.
„War das Albert?“ Franziska wich vor Bettina zurück.
„Das wagst du?“ Alles in ihr weigerte sich zu glauben, was sie gesehen hatte. Unmöglich. Bettina, sag, dass es nicht wahr ist. „Albert kommt mir nicht mehr ins Haus!“ Ihre Stimme überschlug sich. Wie zerstört musste Bettina sein, wenn sie versuchte, Jules Platz bei Albert einzunehmen.
Bettina schien die Sorgen der Mutter nicht wahrzunehmen. Sie ging sofort in das Mädchenzimmer und warf sich auf das Bett.
Seit jener Nacht, in der Jule mit Albert zurückgekommen war und sagte, sie wollen zusammenbleiben, war Bettina nicht mehr zu der Mutter gekommen. Vielleicht nährte sie einen Vorwurf gegen die Eltern. Nun habt ihr endlich, was ihr wollt. Franziska erinnerte sich an die gespenstische Szene. Der frühe Morgen im Korridor, alle mit bleichen Gesichtern, Bettinas Weinen, das niemand sah. Franziska hätte Albert am liebsten fortgeschickt, aber dann hätte sie Jule gleich wieder verloren. Franziska tröstete sich schließlich damit, dass Bettina jetzt ertragen musste, was sie vor einem Jahr ihrer Schwester zugemutet hatte.
„Erinnerst du dich daran?“, fragte Franziska Hans, der sich suchend im Korridor umsah.
„Albert hat Bettina gebracht. Stell dir das vor! Albert. Weißt du noch?“, begann sie erneut mit den Erinnerungen. Sie stellte sich ans Fenster und sah auf die parkenden Autos hinunter.
„Du beschwörst die alten Geschichten herauf. Das hat keinen Sinn.“
„Für dich vielleicht nicht. Aber für mich ist es wichtig.“ Hans hatte das Licht eingeschaltet. „Franziska“, mahnte er. „Das Grübeln hat keinen Sinn. Geh zu ihr!“
Franziska öffnete vorsichtig die Tür zu Bettinas Zimmer. „Bella?“, fragte Bettina.
„Ich bin nicht Bella.“
„Ich möchte bei Bella sein“, sagte Bettina. „Ich wäre gern Bellas Tochter. Dann wäre Jule nicht meine Schwester. Ihr hättet nur eine einzige Tochter. Das wäre viel besser. Für alle.“
„Warum sagst du so etwas?“, fragte die Mutter. „Ist es nicht mit Jule schon schlimm genug?“
Bettina richtete sich auf, holte tief Luft und sagte: „Aufhören. Wir müssen aufhören!“
„Was ist das?“, fragte die Mutter. Sie hielt Jules Briefe in den Händen.
„Lies sie nicht“, verlangte Bettina. „Das lasse ich nicht zu.“ Das beeindruckte die Mutter nicht. Noch könnte Bettina ihr die Briefe entreißen. Die Mutter trat zurück und legte sie auf die Schreibplatte.
„Lies sie doch und gib sie Vater. Wir müssen vielleicht auch darüber reden. Ich weiß nicht. Ich weiß überhaupt nicht mehr, was richtig ist und was nicht.“ Bettina schloss die Augen. „Morgen kommt Bella“, sagte sie irgendwann.
Hans bedrückte diese Ankündigung. Er schlief unruhig ein. Mitten in der Nacht wachte Hans auf. Vom Korridor her fiel Licht durch einen Türspalt herein. Franziska saß in eine Wolldecke eingewickelt neben dem Telefon und schreckte auf, als Hans sie berührte. Der Rücken schmerzte. Ein Bein war in der unbequemen Haltung eingeschlafen.
„Ich habe von Jule geträumt“, sagte sie. „Wir haben sie besucht. Auf der Entbindungsstation. Das Baby in ihrem Arm strampelte kräftig. Ich weiß nicht mehr, ob es ein Junge war. Ist das ein gutes Zeichen?“
„Jule hat mich bitter enttäuscht. Aber das ist mein Problem“, sagte Hans.

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