Impressum

Siegfried Maaß

Im Schatten der Milchstraße

Roman

 

ISBN 978-3-95655-628-9 (E-Book)

 

Umschlaggestaltung: Ernst Franta

 

Das Buch erschien erstmals 2010 im Dorise-Verlag, Burg.

 

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1. Kapitel

Das Fotoatelier befand sich im Erdgeschoss eines dreistöckigen Hauses, das sich in einer Biegung der Straße unmittelbar an den Bahnsteig schmiegte. Wie Geisterarme ragten die Signalmasten der Bahnstrecke über das Dach. Der darüber aufsteigende Dampf einer haltenden Lokomotive ließ den Gedanken an einen Brand aufkommen. Ruß stiebte herab wie aufgewirbelter schwarzer Schnee. Der Eingang des Hauses neben dem großen Schaufenster war so unauffällig, dass man vorübergehen konnte, ohne ihn zu bemerken. Doch die im Fenster ausgestellten Aufnahmen, in Farbe ebenso wie in Schwarz-Weiß, zogen die Aufmerksamkeit auf sich. Oft drängten sich Schaulustige davor, als wählten sie heimlich das schönste der abgelichteten Brautpaare aus oder begutachteten die Babys, die bäuchlings auf einem dicken weißen Schaffell lagen und sich mit staunenden Blicken dem Betrachter zuwandten. Einige hielten die kurzen Beine zu Haken aufrecht gestellt, während die meisten sie jedoch lang ausgestreckt hatten. Auch Susi war davor stehengeblieben, als wollte sie sich die Bildergalerie in Ruhe ansehen. Stellte sie womöglich neidvoll einen Vergleich der festlich gekleideten Paare mit uns beiden an? Im Gegensatz zu den abgelichteten Bräuten in weißen Kleidern sowie Kranz und Schleier wirkte sie selbst äußerst bescheiden. In ihrem einfachen schwarzen Kleid mit seinem großen weißen Kragen konnte sie zwar in diesem Wettbewerb nicht bestehen, dafür war sie aber in ihrer Natürlichkeit viel hübscher als jene, denen man auf den ersten Blick die aufgetragene Schminke und Tusche ansah. Oder den Retuschestift des Fotografen.

Auch auf unserem Hochzeitsbild würde Susi viel schöner und frischer als diese anderen Bräute aussehen. Dafür wollte ich sorgen, indem ich dem Meister zuvor erklären würde, dass er bei unserer Aufnahme nicht nachzuhelfen brauche. Mir nahm er es bestimmt nicht übel, wenn ich ihm in sein Handwerk hineinredete, denn wir kannten uns lange genug, um einander gut zu verstehen.

In diesem Augenblick empfand ich die Tatsache, dass wir kein Geld für Schminke und Cremes sowie anderen Luxus besaßen, zum ersten Mal nicht als nachteilig oder gar bedrückend. Vielleicht hätte Susi sonst der Verlockung nicht widerstehen können und sich ebenfalls ihre Natürlichkeit und Frische weggeschminkt, um diese künstliche „Hübschheit“ zu erreichen? Dann wäre sie eine wie die anderen gewesen und hätte sich kaum von ihnen unterschieden.

Doch ausgerechnet diesen Unterschied mochte ich am meisten an ihr. Wasser und Seife genügten, um ihre natürliche Frische zu bewahren. Dabei kam es dann auf Äußerlichkeiten wie ein Kleid nicht an. Auch zu unserer Hochzeit nicht.

In ihrem Aussehen und ihrer gesamten Erscheinung verglich ich sie gern mit einem Filmstar aus den zwanziger Jahren, dessen Foto zu der Sammlung von Filmbildern gehörte, die mir meine Mutter vor ihrem Umzug überlassen hatte. Es waren Beilagen aus Zigarettenpackungen früherer Jahre, denn in seiner Jugend und auch danach als junger Ehemann hatte mein Vater geraucht. Soviel ich weiß, hatte ihn jedoch nicht allein wirtschaftliche Not veranlasst, bald damit aufzuhören. Meine Mutter jedenfalls rechnete es sich als das Verdienst ihrer Ausdauer und Beharrlichkeit an, dass er es schließlich aufgab. Auch mich stimmte sie frühzeitig darauf ein, es nicht erst zu beginnen, mich nicht von „irgendwelchen Leuten“ verleiten zu lassen. Ich bin auch froh, niemals ernsthaft damit begonnen zu haben. Lediglich bei bestimmten Gelegenheiten wie der Feier nach bestandenem Berufsabschluss hatte ich es einige Male versucht. Als gehörte es zum Beginn des neuen Lebensabschnitts. Zum Glück hatte es mich nicht verlockt, daraus eine Gewohnheit werden zu lassen. Übelkeit, Magenbeschwerden sowie Hustenreiz, der kein Ende nehmen wollte und mich am Sprechen hinderte, hatten ihren nachhaltigen Eindruck hinterlassen.

Die Starfotos der Filmdiven hatte meine Mutter sorgfältig aufbewahrt und später in das jeweils dazugehörige Album geklebt. Die Ruhe dafür brachte mein Vater offenbar nicht auf. Oder diese Beigabe seines ehemaligen Lasters hat ihn niemals interessiert. Soviel ich weiß, hat er damals sehr gern Skat gespielt und war dazu jeden Donnerstagabend in seine Kneipe gegangen. Das Bier neben ihm war dann schal geworden, weil er sich nicht mehr als zwei leisten konnte. Meine Mutter hatte mir einmal gestanden, dass sie diese Abende nicht mochte, weil anschließend ihre Wohnung stundenlang nach „Kneipe“ stank - nach abgestandenem Bier und vor allem nach kaltem Zigarettenqualm.

Schon als Kind hatte es mir gefallen, diese Alben heimlich aufzuschlagen und mir die hübschen Menschen anzusehen. Dann war ich mir wie in einem Kino vorgekommen, in das ich mich eingeschmuggelt hatte, denn es handelte sich oft um Szenen aus Filmen, die nicht jugendfrei waren. Besonders gern betrachtete ich eine kesse Blonde mit kurzem Haar, wozu meine Mutter „Pagenschnitt“ sagte. Jedenfalls hatte sie dieses Wort gebraucht, nachdem wir einmal einer jungen Frau mit dieser Frisur begegnet waren. Meine Mutter hatte sich dabei empört gezeigt, als wäre die Fremde nackt umhergelaufen und ich begriff sofort, dass diese Bezeichnung weder Lob noch Bewunderung bedeutete.

Ich jedoch bewunderte die Hübsche auf dem Foto. Sie saß, ein Bein über das andere geschlagen, sodass mein Blick weit daran emporschweifen konnte, auf einem Hocker, hielt stolz den Kopf aufrecht und in der ausgestreckten Hand eine lange Zigarettenspitze. Man erkannte, dass die Zigarette nicht angezündet war, und ich stellte mir vor, dass im nächsten Augenblick ein gut gekleideter, sportlicher junger Mann in die Szene springen würde, um der pagenköpfigen Schönheit Feuer für ihre Zigarette zu reichen. Jedes Mal bedauerte ich es, dass er sich damit so viel Zeit ließ, denn bald hörte ich meine Mutter, die vom Einkauf zurückkehrte, sodass ich das heimlich aus seinem Versteck hervorgeholte Album wieder schnell dorthin zurücklegte, bevor ich endlich einmal erleben konnte, wie der Unbekannte sein Feuerzeug aufschnipsen ließ.

Ich weiß nicht, weshalb mir ausgerechnet diese Aufnahme so gut gefiel, dass ich am liebsten jeden Tag diese Seite des Albums aufgeschlagen hätte. Wozu sich aber leider selten die Möglichkeit bot. Sollte mich bereits damals jener Typ Frau so sehr gebannt haben? Darüber habe ich erst nachzudenken begonnen, nachdem ich Susi kennengelernt hatte. Aber statt in einem ausgewählt hübschen Kleid wie der Filmstar steckte Susi an jenem Tag in einem blauen langärmeligen Kittel, vor den sie eine knöchellange weiße Gummischürze gebunden hatte und auf diese Weise ihre Rolle als „Milchmädchen“ spielte. Nicht in einem Film, sondern im Leben. Als Tochter eines Milchhändlers.

Am Ende meiner Überlegung war ich zu der Erkenntnis gekommen, dass ich mich in Susi verliebt hatte, weil mir ihre schlichte Schönheit gefiel. Darin übertraf sie selbst die Hübsche auf dem Starfoto. Außerdem wirkte ihr nahezu kindliches Lachen sehr anziehend, wobei ich damals nicht ahnen konnte, dass sie im alltäglichen Umgang mit ihren Eltern nicht oft einen Anlass fand, es zu zeigen und hören zu lassen.

Ich zwinkerte mit den Lidern und half mir auf diese Weise in die Wirklichkeit zurück. Wir befanden uns noch immer vor dem Schaufenster des Fotoateliers von Manfred Schlüter. Wie sah sich Susi im Flitterschein der anderen Bräute? Fühlte sie sich ihnen unterlegen? Oder stellten sie sich ihr lediglich als etwas dar, das man gern anblickte? Wie Gegenstände in einem Museum, von denen man beim Betrachten denkt: So etwas hat es also auch einmal gegeben!?

Und ich selbst?, fragte ich mich im Stillen. Wie schnitt ich bei diesem unausgesprochenen Vergleich mit den Fotogestalten in ihren feinen Anzügen und weißen Hemden sowie auffälligen Krawatten ab?

Bei diesem Gedanken hätte ich am liebsten laut gelacht. Ich steckte in meinem braun-melierten Anzug, den ich seit meiner Konfirmation zu nichtalltäglichen und somit außerordentlichen Anlässen trug. Dazu zählten die seltenen privaten Feiern ebenso wie Zusammenkünfte öffentlicher Art. Auch Susis wie mein eigener 18. Geburtstag gehörten dazu.

Weil uns nur wenige Wochen, die ich ihr voraushatte, voneinander trennten, hatten wir beschlossen, beide Geburtstage gemeinsam zu feiern, um Geld und anderen Aufwand sparen zu können. Außerdem gefiel uns der Gedanke, auf diese Art meine Freunde und ihre Freundinnen zusammenzuführen und miteinander bekannt zu machen. Mein Vater hatte nichts einzuwenden; ihm war noch nicht nach Feiern zumute. In der Wohnung meines ehemaligen Lehrers „Apostel“ kapselte er sich völlig ein. Als gäbe es außerhalb dieser nichts, was für ihn Bedeutung hätte. Scheinbar genügte es ihm, jeden Tag zur Arbeit zu gehen. Darin bestand seine Abwechslung. Er hatte bei der Krankenkasse Arbeit in seinem Beruf als kaufmännischer Angestellter gefunden, aber es fiel ihm noch schwer, sich jeden Morgen an seinen Schreibtisch zu setzen. Die schweren Jahre des Krieges und der sich anschließenden langen Gefangenschaft hatten ihn geprägt und zu einem anderen Menschen werden lassen. Der, den ich als Kind geliebt und auf dessen Heimkehr ich so lange gewartet hatte, war er nicht mehr. Ich versuchte zwar, mich in seine missliche Lage zu versetzen — nach diesen Jahren Krieg und Gefangenschaft endlich nach Hause zu kommen und dann zu erfahren, dass seine Frau schwanger ist — aber es war und blieb lediglich ein Vorgang des Verstandes. Das Gefühl für seine Enttäuschung und Zurücksetzung brachte ich nicht auf.

Dass er an meiner Geburtstagsfeier nicht teilnahm, war zwar schade, aber es machte mir nichts aus.

Anders verhielt es sich mit Susis Eltern. Die bestanden darauf, ihre Tochter ins Erwachsensein begleiten zu können und hätten es gern gesehen, wenn wir uns zur Feier auf ihrem Innenhof zusammengefunden hätten. Dann würden sie uns gut unter Kontrolle haben und könnten bestimmen, wen wir einluden. Dort hatten wir vor Jahren auch zur Konfirmation zusammen gesessen, weil wir dazu einen angenehm warmen Frühlingstag erwischt hatten.

Aber wir hatten etwas Besseres vor, etwas, das uns ihrer Beaufsichtigung entzog, selbst wenn sie gewissermaßen körperlich anwesend waren.

Mein Freund Fede hatte uns nämlich angeboten, unsere Feier ins Erwachsensein auf dem Grundstück seiner Eltern durchzuführen. Er wollte auf der großen Wiese hinter dem Haus ein Zelt aufstellen und wenn er seinem Vater einige Tage um den Bart gehen würde, könnte er ihm einiges abschwatzen. Er grinste, als er mir Kirsch- und Johannisbeerwein vorschlug, auch harte Bratwurst und für jeden ein Schnitzel wollte er besorgen und ich selbst müsste einen Kasten Bier springen lassen ...

Er hatte dann auch völlig überraschend sein altes Grammofon aufgestellt, das ein Erbstück von seinem Großvater war. Ein großer Trichter ragte daraus hervor und eine Inschrift belehrte den Betrachter, dass es sich um die „Stimme seines Herrn“ handelte. Eine weit aufgesperrte Hundeschnauze ergänzte das Bild. Ein Anblick, der Susi und mich zum Lachen reizte. Dass die Musik und die menschlichen Stimmen sehr verzerrt und quäkig klangen, war nicht sehr angenehm. Aber wenn man das Alter des Apparates berücksichtigte und die Jahre bedachte, in denen er ungenutzt in einer Scheune gestanden hatte, war es schon erstaunlich, dass überhaupt noch Töne zu hören waren. Bald fanden wir daran auch nichts mehr auszusetzen und schwoften nach jeglicher Musik, wobei Susi und mir besonders diese alten Schmusemelodien gefielen, die es uns gestatteten, eng aneinander geschmiegt zu tanzen. Manchmal besann sie sich darauf, dass ihre Eltern uns beobachten könnten und rückte vorübergehend ein Stück von mir ab; aber die beiden waren von den Gärtnersleuten, Fedes Eltern, in Anspruch genommen, sodass sie uns nicht beachteten. Ich kann mir nachträglich gut vorstellen, dass sie die günstige Gelegenheit nutzten, um ihre Erfahrungen als Geschäftsleute unter den in diesem Staat herrschenden Bedingungen auszutauschen. Zumal niemand wusste, wie lange Ulbricht die kleinen Geschäftsleute und Gewerbetreibenden noch von der Verstaatlichung verschonte. Fede hatte mir im Vertrauen auf meine Freundschaft anvertraut, dass seine Eltern eine Flucht in den Westen nicht mehr ausschließen würden, jedoch noch abwarten wollten, wohin die weitere politische Entwicklung trieb.

Darüber, dass ich Fede auf diese Weise als meinen besten Freund verlieren könnte, wagte ich gar nicht nachzudenken. An diesem schönen Abend erst recht nicht. Zum Glück gelang es mir meistens, bestimmte Unannehmlichkeiten oder bevorstehende Entscheidungen zeitweise auszublenden, sodass sie im Augenblick keine Belastung für mich darstellten. Deshalb erwog ich die mögliche Bedeutung des Gesprächs der Erwachsenen nicht weiter und ließ mich bereitwillig von der schönen Stimmung des Abends mit Susi verleiten.

Neben der „Stimme seines Herrn“ hatte Fede seine Schallplatten gestapelt, die er sammelte wie andere Briefmarken oder internationale Münzen. Ich hatte manchmal einen Blick darauf werfen dürfen und gestaunt: Es waren zum Teil neue, ganz aktuelle, wie wir sie vom RIAS und anderen Westsendern kannten und sie stellten einen merkwürdigen Gegensatz zu dem alten Trichtergrammofon dar. US-amerikanische waren darunter, die geradezu herausforderten, die Beine schwingen und die Arme wie Pendel ausschlagen zu lassen.

Im Gegensatz zu diesen befanden sich auch „Schmusetitel“ darunter, die wir aus westlichen Filmen kannten. Dazu waren wir gern in die Brückstedter Freilichtbühne gegangen, wo sie an schönen Sommerabenden gezeigt wurden. Da bekamen wir Caterina Valente und Vico Torriani zu hören und zu sehen, dazu schöne, für uns unerreichbare Landschaften wie zum Beispiel Italien. Das Orchester Mantovani malte wohl- und sanft tönend Sehnsuchtsbilder nach und erhob Anspruch auf ein von Lebenslust und -freude erfülltes Leben — Musik, die herausforderte und dazu verleitete, sich aneinander zu schmiegen und das alltägliche Leben zu vergessen.

Nun „zauberte“ plötzlich auch mein Freund Fede diese Sehnsuchtsstimmung herbei und ich sah ihm die Freude an, uns derart überrascht zu haben.

Ich hatte keine Ahnung, wie Fede dazu gekommen war, über welche unerlaubten Kanäle er die Platten bezogen hatte. Ob ich an seiner Stelle den Mut gehabt hätte, sie öffentlich vorzuführen, weiß ich nicht. Umso mehr ließen Susi und ich uns treiben und scheuten uns nicht, dabei unsere Verliebtheit zu erkennen zu geben.

Nie zuvor hatten Susi und ich miteinander getanzt, denn wenn sie manchmal sonntags zum Jugendtanz ins Konzerthaus gegangen war, bin ich immer zu Hause geblieben. Aber um achtzehn Uhr habe ich an der nächsten Straßenecke auf sie gewartet, wo sie sich dann sofort von ihren Freundinnen verabschiedete.

Dann habe ich auch nie gefragt, mit wem sie getanzt hatte. Mit einer ihrer Freundinnen? Vielleicht. Aber es gab auch genügend Jungen und junge Männer, die sich auf der Straße nach ihr umwandten. Sie waren nicht gerade Ausbunde von Zurückhaltung oder Schüchternheit und ich wollte mir nicht vorstellen, wie sie sich als Tänzer bei ihr bewarben. Ich blendete wieder einmal aus, was womöglich meine Eifersucht und meinen Neid heraufbeschworen hätte.

Auf dem kürzesten Weg habe ich Susi jedes Mal nach Hause begleitet, sodass sie stets Punkt halb sieben die Haustür aufschließen und sich sofort ankündigen konnte: „Ich bin daaa!“ Eine flüchtige Verabschiedung, die einen Wangenkuss bedeutete, beschloss den Abend, den ich dann missgestimmt über einem Buch verbrachte. Zu dieser Zeit begann ich mit meinen Tagebuchaufzeichnungen, die Gespräche mit mir selbst bedeuteten und worin ich mich über „Freud und Leid“ ausließ und mich gewissermaßen von innen betrachtete. Auch meine Eifersucht auf Susis Nachmittagstanz sparte ich nicht aus und begründete sogar meinen Dickkopf, der mir nicht erlaubte, sie dorthin zu begleiten. Auch meine „Erlebnisse“ vom Gleisbau notierte ich und gestand mir zwar meine Scham, aber zugleich musste ich auch meine Feigheit zugeben, mich gegenüber diesen brutalen und primitiven Leuten nicht behauptet, es nicht einmal versucht zu haben.

Dass ich Tagebuch schrieb, blieb mein Geheimnis, bis Susi und ich zusammen wohnten — also verheiratet waren. Ich wollte es nicht darauf ankommen lassen, dass sie es entdeckte. Außerdem hätte ich bei der Enge unserer kleinen Wohnung nicht gewusst, wo ich es vor ihr verbergen konnte. Fast unbeeindruckt nahm sie mein Geständnis zur Kenntnis, unterdrückte jedoch ihre Neugier oder ihr Feingefühl ließ es nicht zu, sich danach zu erkundigen.

Sie schien aber zu wissen, dass mich ihre Alleingänge mit ihren Freundinnen ärgerten und besann sich eines Tages anders und erklärte mir wie ganz nebensächlich, dass sie nicht mehr zum Jugendtanz gehen würde. Ihre Freundinnen wüssten bereits Bescheid.

Eine größere Freude hätte sie mir nicht bereiten können. Noch lieber wäre es mir jedoch gewesen, wenn sie es fertiggebracht hätte, hinzuzufügen, dass sie sich mir zuliebe so entschieden habe. Aber Zugeständnisse dieser Art kamen ihr auch später nicht über die Lippen.

Von nun an musste ich mir widerspruchslos gefallen lassen, dass sie mich bei jeder möglichen Gelegenheit vom Sitz riss, mich in Tanzhaltung zurechtrückte und mit mir umherzuwirbeln begann, sobald Radiomusik sie dazu verleitete. Auf diese Weise brachte sie mir einige Tanzschritte bei und weckte bei mir Gefühl für Rhythmus.

Aber nun befanden wir, dass wir wie ein völlig aufeinander abgestimmtes Paar gefühlvoll tanzten, wobei Susis Rock über dem Petticoat hin und her schwang, als wollte er sich selbst immer wieder einholen. Unsere Geburtstagsgäste bildeten einen Kreis und beklatschten uns, sodass wir wie auf einer Wolke flogen und uns, als die Platte zu Ende war, erschöpft und verschwitzt auf eine Bank neben dem Zelt sinken ließen. Fede servierte uns sofort von dem von seinem Vater gestifteten Johannesbeerwein und noch bevor ich mein Glas geleert hatte, vernahm ich plötzlich die Stimme unseres Ortspolizisten Menne Schulze.

Auch anderen war die ortsbekannte Stimme aufgefallen; Fede stellte seinen altertümlichen Plattenspieler ab und gespannt verfolgten wir, wohin das Oberhaupt der Brückstedter Polizeiwache ging. Zum Hausherrn, wie zu erwarten war.

Leider konnten wir nicht hören, was er vorzutragen hatte und was Fedes Vater erwiderte, obwohl ringsum alle still waren. Dann winkte der Gärtner plötzlich unwillig ab und sagte laut: „Die Staatsmacht meint, dass es bei uns zu laut zugeht und dass sich bestimmte Nachbarn bereits beschwert hätten ...“ Jetzt schob sich der Hüter der Ordnung um den Gärtner herum, sodass er von allen zu sehen war.

„Stimmt genau, Bürger, denn das ist nächtliche Ruhestörung ... Die lässt aber unser Gesetz nicht zu!“ Dann wies er auf das Lagerfeuer, das Fedes Vater aus altem Holz und Gartenabfällen entzündet hatte und wodurch das Abenddunkel in rötlichen Schein getaucht war. Funken stoben und Holz knisterte und jemand hatte begonnen, Kartoffeln aufzuspießen und in das Feuer zu halten. Eine Nacht voller Romantik war für uns angebrochen. Aber Menne Schulze sorgte dafür, dass sie gleich wieder zu Ende war.

„Das hier, Herrschaften, is nicht erlaubt ... Oder soll’s ein Witz sein, ich meine, vielleicht verspätetes Osterfeuer? Aber auch dafür müssense ’ne Genehmijung ham ...“ Er wurde sofort wieder ernst und wandte sich Fedes Vater zu. „Sorgense also dafür, Bürger Fedowski, dass das Feuer sofort gelöscht wird ...“ Darauf kam er zu uns Jugendlichen

und suchte offensichtlich jemanden, den er persönlich ansprechen konnte und fand schließlich Fede heraus. Er stieß seinen Zeigefinger in dessen Richtung und sagte mit einer Betonung, die keinen Zweifel am Ernst seiner Worte aufkommen ließ: „Und für diese Hotmusik ausm Wilden Westen is hier nicht der richtige Ort, will ich mal saren. Wo leben wir denn? Vielleicht inner Kolonie von die Amis?“ Mit einer Handbewegung, als zöge er einen Strich, schloss er seine Ansprache. Fede, der sich für die Platten rechtfertigen wollte, ließ er nicht mehr zu Wort kommen. Stattdessen nahm der Wachtmeister eine Platte nach der anderen in die Hand, besah sich die Aufschriften, schüttelte jedes Mal empört den Kopf und klemmte schließlich einige von ihnen unter seinen Arm.

„Die sind beschlagnahmt!“

„Aber ...“ Fede wollte protestieren, doch ein Wink seines Vaters reichte, um es sofort aufzugeben.

Menne Schulze stiefelte davon und vergaß nicht, noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Polizeistunde vorüber war und der Lärm somit zu unterbleiben hatte.

Fede hat seine Platten nicht zurückbekommen und einige munkelten, dass sich Menne Schulze dafür neue Bereifung für sein Vorkriegsfahrrad beschafft hätte. Auffällig war tatsächlich, dass er bald darauf mit dem aufgefrischten Vehikel zu sehen war, dessen Reifen ladenneu wirkten und deutlich die Prägung „Dunlop“ erkennen ließen.

Seitdem waren bereits knapp zwei Jahre vergangen. Schon damals waren die Hosenbeine meines Konfirmationsanzugs zu kurz, sodass meine Mutter den Aufschlag herausgelassen hatte. „Mehr geht nun nicht mehr!“, hatte sie gemeint und die Schultern gezuckt.

Wie ein Seemann hatte ich mich gefühlt, als ich danach mit einer „Schlaghose“ umherlief und glaubte, auf der Straße würde jeder auf meine „scharfe“ Hose blicken. Doch schließlich gewöhnte ich mich bald daran.

Auch zur Feierlichkeit des Lehrabschlusses konnte ich in keiner neuen Hose erscheinen. Von den festlich herausgeputzten Mädchen ganz abgesehen, hatten sich die meisten der Jungen ladenneue Anzüge oder Kombinationen zugelegt; nur einige wenige waren wie ich in einem Anzug erschienen, dem man die längere Nutzung bereits ansehen konnte. Auch die frisch gebügelte Hose und das sorgfältig aufgebürstete Jackett konnten diesen Eindruck nicht übertünchen.

In diesem unfeierlichen Aufzug kam ich nun auch an jenem sonnigen Vormittag vom Standesamt und niemand hätte in uns ein soeben getrautes Paar vermutet.

Allein der große Strauß weißer Calla in Susis Arm wirkte vielleicht verräterisch.

Ich hatte ihn zwei Wochen zuvor bestellt, und nachdem ich meinem Vater davon berichtet hatte, schüttelte er den Kopf und meinte, dies wären Friedhofsblumen und hoffentlich brächten sie kein Unglück. Ich hatte bisher nicht gewusst, dass er an solchen Unsinn glaubte.

Nachdem Fede erfahren hatte, dass ich zu Blumen-Pätz gegangen war, statt zu seinem Vater zu kommen, wollte er mir am liebsten die Freundschaft kündigen.

„Ausgerechnet zu dem Halsabschneider ... Und dann Calla ...“ Verständnislos schlug er sich die flache Hand vor die Stirn. „Mein Vater hätte für dich seinen letzten Rosenstrauch im Gewächshaus geplündert ...“ Wütend winkte er ab. „Das darf er gar nicht mitbekommen ... Der vergisst dir das sonst nie ... Warum bloß? Warum bist du nicht zu uns gekommen?“

Die Hände in den Hosentaschen stand er vor mir und schaukelte seinen Oberkörper, ohne dass sich seine langen Beine bewegten. Wie eine hölzerne Figur auf einem Federpendel, das, einmal in Schwung gebracht, nicht wieder zum Stillstand kommt. So hatte ich ihn schon öfter erlebt, wenn er in Ratlosigkeit verharrte.

Ich hob die Schultern. Tatsächlich wusste ich nichts darauf zu antworten. Ich hätte sehr weit ausholen müssen, um ihm zu begründen, warum ich ihn nicht eingeweiht hatte. Susis Schwangerschaft hatte ich ihm ebenso verschwiegen wie unsere beabsichtigte Hochzeit.

Statt der möglichen Rosen schleppte Susi nun große, weiße Calla, die sie sich vorsichtig in die Armbeuge gelegt hatte, damit sie ihr nicht die Sicht verdeckten. Unauffällig sah ich sie von der Seite an, während sie noch in den Anblick der Fotos vertieft war. Erneut erschloss sich mir beim Anblick ihres Profils die feine Zeichnung von Mund und Nase sowie über der blonden Braue die fliehende Stirn, und es fehlte nicht viel und ich hätte sie in aller Öffentlichkeit in den Arm genommen. Soeben hatte mein Leben mit ihr richtig begonnen.

Vielleicht achtete Susi aber gar nicht auf die Hochzeitspaare und betrachtete stattdessen die Fotos der wonnigen Babys? Liefen ihre Gedanken uns und unserem künftigen Leben als junge Eltern weit voraus?

Ich verhehlte mir nicht, selbst oft genug an das uns Bevorstehende zu denken und dies nicht immer in guten Bildern und mit den besten Erwartungen. Wir besaßen fast nichts und hatten für das Wenige nicht einmal eine Unterkunft, weil wir notgedrungen in einem möblierten Zimmer hausten, das uns mein Vater von seinen zwei Räumen vorübergehend überlassen hatte, denn Susis Eltern hatten sie regelrecht vor die Tür gesetzt, nachdem ich endlich den Mut aufgebracht hatte, ihnen zu sagen, dass ihre Tochter ein Kind bekam.

Noch heute kann ich von jenem Nachmittag berichten, als hätte sich alles erst gestern ereignet.

Wir hatten es so eingerichtet, dass ich vorübergehend mit ihren Eltern allein war, weil Susi sich angeblich unbedingt die Haare waschen musste, die ekelhaft nach Milchsäure rochen, wie sie überzeugend erklärte.

Das Abendessen war beendet und Susis Vater blätterte in der Zeitung, ohne jedoch großes Interesse erkennen zu lassen, während ihre Mutter der Operettenmelodie aus dem Radio zuhörte und sich dabei immer wieder über einen Koffer beugte, der gepackt vor ihr auf dem Boden lag und neu zu ordnen begann, was sie darin verstaut hatte. Am nächsten Morgen wollten Susis Eltern in den Harz fahren, wo sie im Mühlenhotel unweit des Bodetals für eine Woche gebucht hatten. „Man weiß nie, was man mitnehmen muss ... Bei dem Wetter ... So wechselhaft ... Und dann in den Bergen ...“

Erregt rieb ich meine Hände, die eiskalt waren. Auf meinem Stuhl kam ich mir wie eine Strohpuppe vor, der man in einer Ausstellung von wertvollen Stücken keine Beachtung schenkt. Ich wusste, dass sich dies gleich ändern würde, denn ich musste endlich sagen, was es zu sagen gab. Bevor Susi ihre Haarwäsche beendet hatte. So hatten wir es vereinbart, weil ich es so wollte. Ich bildete mir ein, sie auf diese Weise vor dem Schlimmsten bewahren zu können - vielleicht hatte sich etwas später die größte Aufregung bereits wie ein heftiges Gewitter über mir entladen?

Ich hustete, ohne jedoch bei ihnen Aufmerksamkeit zu wecken.

„Ich muss Ihnen etwas sagen“, begann ich mit belegter Stimme und bemerkte, dass Susis Mutter von ihrem Koffer aufsah.

„Bin ich aber gespannt“, ließ sich ihr Vater hören, jedoch ohne seinen Blick von der Zeitung zu heben.

„Es ist nämlich, dass Ihre Tochter ein Kind bekommt! Das wollte ich Ihnen sagen!“

Ich weiß nicht, ob die Zeit zwischen meinem Geständnis und einer Antwort in Sekunden oder Minuten zu messen war. Mir erschien die eingetretene Pause jedenfalls wie eine Ewigkeit.

Susis Mutter war anscheinend in ihrer Bückhaltung erstarrt, ich sah, dass sie krampfhaft sich aufzurichten versuchte und dafür eine Hand in ihre Hüfte stützte und dennoch so gekrümmt verharrte.

Der Milchhändler schleuderte jedoch die Zeitung zur Seite, schoss in die Höhe und trat auf mich zu. Er überragte mich um die Höhe seines Kopfes, sodass ich mir in seiner Nähe nicht zum ersten Mal wie ein unbedeutender Zwerg vorkam.

„Hab’s doch geahnt, dass das nicht gut geht!“, rief er so laut, dass man ihn wahrscheinlich noch auf der Straße hören konnte, denn wir befanden uns in der sogenannten Ladenstube, die vom Laden lediglich von einem schmalen Flur getrennt wurde. Von dort kam man von der Straße unmittelbar in den Raum, in dem wir uns aufhielten. Wahrscheinlich um sicherzugehen, dass er sich nicht dazu hinreißen ließ, mir ins Gesicht zu schlagen, stieß der Mann seine Hände in die Hosentaschen und ich sah, dass sie sich darin zu Fäusten ballten.

„Das ist also deine Hilfe ... Greifst meiner Tochter untern Rock und ...“ Er riss seine Hände aus den Taschen, fasste in meinen Hemdkragen und drehte ihn wütend, als wollte er mich erdrosseln. Merkwürdig war, dass ich mir dabei Susi in einem Rock vorzustellen versuchte; ich kannte sie nur in Hosen, die sie zu allen Gelegenheiten trug. Nur zur Konfirmation und unserer gemeinsamen Geburtstagsfeier bei Fede hatte sie als Zeichen des Besonderen ein Kleid angehabt.

„Heinz!“ Seine Frau hatte sich endlich aufgerichtet und stand sogleich neben uns. „Lass ihn los! Oder willst du ihn umbringen?“

Schlaff fielen seine Hände herab, sodass ich tief durchatmen konnte. Noch Stunden danach glaubte ich den Druck auf meinem Hals zu spüren.

„Scheinheiliger, du ... Spielst den Hilfsbereiten ... Und dabei verführst du mein Kind ...“ Noch einmal zuckten seine Hände, doch nach einem schnellen Blick auf seine Frau beherrschte er sich. „Was sollen denn jetzt die Leute denken? Und was der Pfarrer ... Bin im Kirchenrat ... Die ganze Gemeinde weiß bald Bescheid ... Wie stehe ich jetzt da ...“ Er griff sich an den Kopf und ich stellte mir vor, wie er sich im nächsten Augenblick filmreif die Haare raufen würde, die noch dicht und kaum ergraut waren.

Doch schließlich sackte er auf den zunächst stehenden Stuhl und legte die Hände in den Schoß. Sein Zorn war, vorübergehend wenigstens, sichtbarer Ratlosigkeit gewichen.

Susis Mutter wies mich in einen Sessel und fragte dann: „Wie weit?“, und als ich in meiner Erregung ihre Frage nicht sofort begriff, fügte sie hinzu: „In welchem Monat sie ist ... Oder weißt du das vielleicht nicht mal ...“

Ich hörte, dass die Tür geöffnet wurde und vernahm gleich darauf Susis Stimme. Irgendwie fühlte ich mich erleichtert, sie in meiner Nähe zu wissen.

„Im dritten“, sagte sie.

„Ist noch nicht zu spät!“ Ihr Vater hatte sich wieder erhoben. Wie ein Ausrufezeichen hatte er sich aufgestellt.

„Habe ich dir nicht gesagt, was passiert, wenn ...“ Ihre Mutter unterbrach ihren Satz; anscheinend hatten die Worte ihres Mannes sie jetzt erst erreicht. Sie wandte sich zu ihm.„Was meinst du? Was willst du damit sagen ...“

Susi schien bereits verstanden zu haben, wovon ihr Vater redete. Im Gegensatz zu mir.

„Kann noch in die Klinik gehen.“

„Das meinst du doch nicht im Ernst, Heinz!“ Susis Mutter sah ihn in einer Weise an, die sowohl ihren Zweifel wie ihren Protest ausdrückte.

„Wieso nicht ... Meine Tochter ...“

„Es ist auch meine Tochter“, erwiderte die Mutter. Sie blickte zu Susi, als wollte sie abschätzen, was sie ihr zutrauen könnte.

„Hast du vergessen, dass unsere Tochter inzwischen volljährig ist?“

„Seit einigen Wochen ...“ Der Mann winkte ab. „Aber als er sie ... Also da war sie es noch nicht. Bestehe darauf, dass sie es wegmachen lässt. Und zwar in einer anderen Stadt ... Werde mich selbst darum kümmern ... Morgen schon ...“ Die Frau lachte schrill. „Morgen früh sitzen wir im Zug und fahren in die Ferien. Lange genug habe ich darauf gewartet.“

„Fahr nur, aber ohne mich!“

„Und was soll ich Gerda und Olli sagen, hm? Wie soll ich ihnen das erklären? Soll ich deinem besten Freund irgendein Märchen erzählen?“

„Ich bin einfach krank.“

„Unsinn. Dass ich nicht allein fahre, wenn du krank bist, wissen sie genau ...“ Sie lachte gereizt. „Die kennen dich und deine Bequemlichkeit und wissen, dass du nicht ohne mich zurechtkommst.“

Offensichtlich wusste der Milchhändler darauf nichts zu entgegnen, sodass er schließlich meinte, dann würden sie beide zu Hause bleiben. Gleich morgen früh wolle er ein Telegramm aufgeben und Gerda und Olli benachrichtigen. Seine Frau schüttelte entschlossen den Kopf und wandte sich dann Susi zu.

„Warst du schon beim Arzt?“

Susi nickte. „In der Poliklinik. Es ist alles in Ordnung.“ Zum ersten Mal wurde ich nun in den Kreis der Anwesenden und somit Betroffenen aufgenommen, als sie mich sowohl in ihren Blick wie in ihre Frage einbezog. „Und ihr wollt es wirklich, das Kind?“

Wie auf Verabredung nickten wir gleichzeitig und sagten: „Ja!“ Susi fügte jedoch sofort hinzu: „Wir haben alles besprochen.“

„So?“ Ihr Vater, die Hände in den Taschen, richtete sich vor uns auf, als stelle er sich uns auf diese Weise in den Weg, der in die Zukunft führte. „Und wo wollt ihr wohnen? Mit ’nem Schreihals, der alle Ruhe nimmt?“ Er riss seine Hände aus den Taschen und beschrieb aufgeregt einen Bogen, der nicht nur die Ladenstube, sondern das gesamte Haus zu umschließen schien. „Hier etwa?“

Seine Kopfbewegung fiel so heftig aus, dass ich glaubte, das Knacken seiner Halswirbel hören zu können. „Das schlagt euch aus dem Kopf!“

Den zaghaften Einwand seiner Frau ließ er nicht gelten und später, als wir mit ihr allein waren, wiederholte sie ihn nicht wieder. Darum war ich schnell bereit zu versprechen, mich um eine Wohnung zu kümmern. „Morgen gehe ich zum Wohnungsamt.“