Impressum

Siegfried Maaß

Flaschendrehen

Mäxchen und Pauline. Zweites Buch

 

ISBN 978-3-95655-551-0 (E-Book)

ISBN 978-3-95655-550-3 (Buch)

 

Umschlaggestaltung und Illustrationen: Beate Danneil

© 2016 EDITION digital
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Godern
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Zuvor:

An einem Sommertag vor einigen Jahren treffen sich Max Stange und Pauline zum ersten Mal. Sie stoßen sogar regelrecht aufeinander. Mitten auf der Straße.

Er, damals noch Mäxchen genannt, kommt von Herrn Berger, der ihm hilft, gegen das Mathemonster zu bestehen, während sie auf einem Hinterhof mit dem Fußball trainiert hat. Und dann geschieht es, dass sie sich plötzlich gegenüber stehen … Zwei, die sich fremd sind, sich aber sogleich etwas mitzuteilen haben.

So beginnt unsere Geschichte, in deren Verlauf Pauline den fremden Jungen zu ihrer Geburtstagsparty einlädt. Denn keine ihrer Klassenkameradinnen will mit dem Mädchen zu tun haben, das nur Fußball im Sinn hat. Da kommt ihr der freundliche Junge gerade recht.

Dann aber will Mäxchens Mutter zunächst gern wissen, mit wem er Geburtstag feiern will. Darum richtet sie es ein, dass sie zuvor Pauline kennenlernen kann und setzt damit die Geschichte richtig in Gang. Zum Glück für beide findet sie Gefallen an Mäxchens neuer Bekanntschaft und willigt ein.

Dann, zu Paulines Feier, bringt der Gast Kakasie mit, Herrn Bergers sprechenden Kakadu, der sich bald aus seinem Käfig befreit und die schöne Torte mit der großen 10 darauf verwüstet. Damit ist das Kunstwerk, das Paulines Papa geschaffen hat, zerstört und die Feier muss als Pizzaparty enden.

Als sich Mäxchens Mutter darauf bei Paulines Papa für Kakasies Tollerei entschuldigt, beginnt im Leben der Kinder sowie der beiden Erwachsenen ein neuer Abschnitt – die Großen verlieben sich ineinander und gründen eine neue Familie. Die Schwester Dagmar kommt zur Welt – ausgerechnet zu Weihnachten, als die Stiefgeschwister Mäxchen und Pauline voller Erwartung auf die Bescherung sind.

Womit das erste Buch unserer Geschichte endet - Mäxchen und Pauline.

Was in der neuen Familie weiter geschieht, wird Euch nun erzählt.

Fischzüge

Max Stange erwacht und reibt sich die Augen. Zuerst vorsichtig, bald kräftiger, bis der Nachschlaf aus allen Winkeln vertrieben ist. Dann wagt er vorsichtig zu blinzeln und nimmt das Tageslicht wahr. Entweder das helle, von Sonne goldfarben gemischte oder auch trübes, das von Regen bestimmt wird. Oder diesen für die nächsten Stunden ankündigt. So wie an diesem Morgen. Nichts ärgert ihn morgens mehr, als trübes Grau. Dann, glaubt er, lohne es nicht, in diesen Tag hineinzugehen. Überallhin wird ihn der Grauschleier begleiten und ihn wie ein Kokon umgeben. Darum bedeckt er die Augen wieder, um seine Traumbilder nochmals vor sich zu sehen. Wie ein spannender Film erscheinen sie ihm, dessen Ende ihm wegen eines Filmrisses verloren gegangen ist:

 

Der junge Forscher wischt sich den Schweiß vom Gesicht. Die schwüle Hitze des Regenwaldes treibt ihm das Wasser aus allen Poren. Am liebsten hätte er sich das leichte Hemd vom Körper gerissen. Aber seine Begleiter hatten ihn gewarnt: Die Lianen brannten auf der nassen Haut und stechende Insekten wurden vom Schweiß angelockt. Ihre Stiche hinterließen Schwellungen und lösten Fieber aus. Deswegen hatte er das Gesicht mit einem Stück des Moskitonetzes geschützt, das an seinem Tropenhelm befestigt war. Wie eine Gardine bei völliger Windstille hing es schlapp herab. Er glaubte, wie ein Gespenst auszusehen. Aber seine Begleiter schien seine Erscheinung nicht zu beeindrucken.

In einem Tage dauernden Marsch waren die braunhäutigen Männer und er dem verschlungenen Lauf des oberen Amazonas gefolgt. Schließlich drangen sie bis zu jenem Wasserfall vor, den noch kein Europäer bisher erreicht hatte. Müde und erschöpft. Der Durst brannte in der Kehle. Aber ihre Ausdauer hatte Strapazen und Schwäche überwunden. Lächelnd umarmten sie sich und klopften sich gegenseitig auf die Schultern. Sie waren endlich am Ziel.

Die Indios nannten den Wasserfall ‚Zunge Gottes’. Er galt als eines ihrer Heiligtümer. Auf der Karte war er nur ein heller, unscheinbarer Fleck, der nichts Genaues zu erkennen gab.

Das Geräusch des tobenden Wassers schloss jede Verständigung mit seinen Begleitern aus.

Dem jungen Forscher kam es vor, als gäbe es nichts anderes mehr als den mächtigen Fall, der sich wie flüssiges Silber über den Felsen ergoss. Auf seinem langen Weg zum Ozean wird er sich noch oft hinabstürzen und sprühenden Nebel verbreiten. Und nie würde das Ohren betäubende Tosen vergehen …

 

Max Stange ist ein Träumer. Einer, der sich in Wunschwelten denken kann, in denen er wie ein großer Weltenwanderer neue Pfade entdeckt. Solche, die niemand vor ihm gegangen ist. Doch jedes Mal schreckt er wieder auf und ist enttäuscht. Er befindet sich in seinem Zimmer, wo ihn die Wände zu erdrücken scheinen.

Ein Träumer ist er nur, kein Entdecker und Forscher.

Irene, seine Mutter, hatte dies schon festgestellt, als er noch Mäxchen gewesen ist. Schon damals begab er sich in seinen Träumen auf Reisen, entdeckte bisher unbekanntes Land und erforschte, was noch nicht bekannt war. Irene lachte, wenn sie von seinen Traumbildern hörte und strich ihm sanft übers Haar. Als wollte sie ihn trösten. Weil ihn das Leben nicht dorthin führen würde, wohin er sich träumend sehnte. Träume, die ihm eine Vorschau auf das spätere Leben bedeuteten. Das ist so, wenn man jung ist, meinte sie und hob die Schultern. Schicksal nannte sie es. Man stellt sich alles schön und gut vor, malt in bunten Bildern, was sich später aber als völlig farblos erweisen wird.

Auch Mäxchen würde dies irgendwann herausfinden.

Das war Irenes Meinung. Sie hatte es schließlich selbst erfahren. Auch sie hatte einmal von einem schönen Leben geträumt, an der Seite des Mannes, den sie liebte. Doch dann? Mäxchens Vater schwirrte als Wanderschauspieler durchs Land, heute hier, morgen da und hatte sie und seinen Sohn längst vergessen. Mit allem stand sie seitdem allein da. Das ist ihr Lebensverlauf gewesen. Bis sie Harry kennen lernte. Weil Mäxchen damals auf Pauline traf und sie sofort bereit war, ihn zu ihrem 10. Geburtstag einzuladen. Nun war Irene neugierig, zu wessen Geburtstagsparty Mäxchen wollte. Deshalb führte sie geschickt eine Gelegenheit herbei, um Herrn Krämer, der Paulines Papa ist, kennen zu lernen. Auf diese Weise entspann sich unsere Geschichte.

Erinnert ihr euch?

Schon zu dieser Zeit hatte sich Mäxchen vorgestellt, später einmal ‚Weltenfahrer’ zu werden. So bezeichnet es Irene. Was er selbst aber Forscher und Entdecker nennt. Marco Polo der neuen Zeit. So sieht er sich. Mit elektronisch ausgerüstetem Schiff, das ihm gestattet, auf die tiefsten Stellen des Ozeans zu treffen. Das er mit einem computergesteuerten Beiboot verlässt und in die Unterwasserwelt eintaucht, um durch unzerbrechliche Fenster zu beobachten, was noch niemand vor ihm gesehen hat.

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So wie er jetzt oft vor seinem Aquarium hockt, das Kinn in die Hände gestützt und aufmerksam die verschiedenen ‚Fischzüge’ beobachtet. Der Gewohnheit, seinen Tieren Namen zu geben, war er auch in diesem Fall treu geblieben. Doch bei der Anzahl der Flossentiere war es ihm nicht leicht gefallen, sie zu unterscheiden, weshalb er sich auf einem Zettel notiert hatte, welcher Name zu welchem Fisch gehörte. Wenn er sich aber ohne seinen Merkzettel zu erinnern versuchte, wen er mit einem bestimmten Namen ausgestattet hatte, geriet er jedes Mal in Schwierigkeiten, bis er es schließlich aufgab. Nur die ganz Auffälligen und besonders Gekennzeichneten fand er schnell heraus.

Das sind die großen gefleckten Welse, die er an ihren unterschiedlichen Zeichnungen unterscheiden kann und die Neons. Um diese in ganzer ‚Schönheit’ ansehen zu können, schaltet er jedes Mal die Lampe an seinem Arbeitsplatz an, damit die Tiere ihre volle Leuchtkraft entwickeln können. Dann stellen sie alle anderen ‚in den Schatten’.

Als wären sie neidisch darauf, dass Max Stange nur auf die ‚kleinen Juwelen’ achtet, verlassen die beiden Welse das Dickicht der Wasserpflanzen und beginnen die Scheiben zu putzen, um ihre Nützlichkeit anzudeuten. Sie sind nun einmal die ‚Scheibenputzer’.

Harry, Paulines Papa, der die Stadtgärtnerei leitet, hatte einmal im Spaß zu seinem Stiefsohn Max Stange gesagt, auch er könnte solche Scheibenputzer gut für sein Gewächshaus brauchen. Dessen große Glasfläche hätte es sehr nötig, mal gründlich gereinigt zu werden. Wenn es draußen außerdem trüb sei, käme kaum noch ein Schimmer Tageslicht herein, ohne das die Pflanzen aber nicht gedeihen können.

Das ruhelose Treiben in seinem Aquarium gefällt Max Stange jedes Mal wieder. Die Tiere scheinen sich gegenseitig mit schnellen Kehren und unerwarteten Auf- und Abschwüngen übertreffen zu wollen, als befänden sie sich in einem ständigen Wettbewerb.

Vielleicht ist es tatsächlich so? fragt sich Max Stange, der künftige Meeresforscher.

Aber er entscheidet sich dafür, dass sie vom Futterneid getrieben werden und sich ständig auf Nahrungssuche befinden. So ist ihre Natur, glaubt er zu wissen.

Manchmal spricht er zu ihnen, redet sie mit Namen an, denn die der Scheibenputzer sowie der leuchtenden Neons hat er sich ja eingeprägt. Die übrigen bezieht er in seine ‚Ansprachen’ ein, ohne sich direkt an sie zu wenden.

Dann redet er mit ihnen, als wären sie geduldige Menschen, die bereit sind, sich die Mitteilungen anderer anzuhören. Wie zum Beispiel Pauline, mit der er sich gern unterhält. Aber oft ist sie zum Training, weshalb er sich dann immer bei seinen schwimmenden Freunden ausspricht. Wie früher Herr Berger bei seinem Kakasie oder viele andere bei ihren Hunden.

Er berichtet von seinem Schultag: Wieder einmal gehörte er zu den ‚Auserwählten’, die eine knifflige Aufgabe an der Tafel lösen durften.

Dann kommt er sich jedes Mal wie ein Zauberer vor, der öffentlich seine Tricks und Fertigkeiten vorführt, während die Zuschauer gespannt darauf warten, dass ihm irgendetwas missglückt. „Daneben geht“, wie sie es nennen. Er glaubt, die knisternde Spannung hinter sich zu hören und weiß zugleich, dass Pauline ihm die Daumen drückt.

Das erzählt er den Fischen, damit sie wissen, wie zuverlässig Pauline ist. Wenn er nämlich an der Tafel steht, kommt es ihm immer vor, als ginge von ihr entweder eine magische Kraft aus, die seine frühere Angst vor dem Mathemonster ausblendet. Oder als könnte sie aus dem Hintergrund mit ihren Blicken nicht nur seine Hand mit der Kreide lenken. Vielleicht sendete sie ihm mit ihren Gedanken eine SMS, die ihm stets den nächsten Lösungsschritt nannte?

So schilderte er es den Welsen und Neons und nahm ihnen das Versprechen ab, alles streng geheim zu halten. „Das bleibt unter uns!“

Er gestand den Fischen aber auch, dass er beinahe vergessen hätte, seine kleine Schwester Dagmar aus der Kita abzuholen. Am Abend zuvor hatte Pauline nämlich die Flasche gedreht, die schließlich wieder ihn dazu bestimmt hatte. Anders konnte es auch kaum sein.

Mit untergeschlagenen Armen und böser Miene, auf den Füßen wippend, empfing ihn die Erzieherin am Eingang, wo der Kinderwagen schon bereit stand. Schon von weitem konnte er Dagmar hören. Ihr Plärren schallte über den ganzen Platz.

„Ich mache hier Überstunden und du trödelst durch die Gegend! Ist ja nicht das erste Mal, dass sich einer von euch verspätet. Deine große Schwester ist auch nicht besser …“ Die Worte der Erzieherin klangen böse und vorwurfsvoll. Mit spitzem Zeigefinger tippte sie auf ihre Armbanduhr.

„Soll ich hier vielleicht Wurzeln schlagen?“

„Ich habe mich entschuldigt“, sagte er zu dem Wels, der als einziger noch vor ihm an der Scheibe aushielt. „Aber dass auch Pauline schon mal zu spät gekommen ist, war eine Riesenüberraschung für mich. Oder habt ihr vielleicht geglaubt, sie hätte es mir erzählt?“

Somit beschloss er, dass sie von seiner Nachlässigkeit auch nichts erfahren sollte.

Später, wenn Max Stange aus seinem gläsernen U-Boot auf dem Meeresboden die so ganz unterschiedlichen Arten studiert, wird er sich die einzelnen schwimmenden oder kriechenden, großen oder kleinen Wesen ohne Namensgebung merken müssen. Dann kann er nicht mit einer Liste hantieren und jedes Mal erst nachsehen. Ihnen hat er aber auch nicht so ganz Persönliches mitzuteilen.

Bei dieser Vorstellung muss er lachen.

Vielleicht, denkt er, behält seine Mutter Irene Recht und alles kommt ganz anders, als er es sich vorstellt?

Umso mehr wünscht sich Max Stange, die Jahre mögen nur so vorüberfliegen und ihn endlich als Forscher aus ihrem Griff entlassen.

Dann wollte er nicht nur in die Tiefe der Ozeane tauchen, sondern auch den Regenwald durchstreifen. Genau wie in seinem Traum. In Gedanken befand er sich bereits in einer Stadt der Inkas, die aus großen Felsblöcken errichtet worden war. Beharrlich und ausdauernd war er den kaum erkennbaren Spuren gefolgt. Gepeinigt von Insekten und anderem Ungeziefer, das sich an seinem Schweiß labte, sich satt trank, während er sich wie ausgetrocknet fühlte.

Niemand vor ihm hatte es bis hierher geschafft …

Das alles beschäftigte ihn bereits in seinen nächtlichen Träumen ebenso wie in den täglichen Überlegungen, als an Pauline und Harry noch gar nicht zu denken war. Irene hatte darauf bestanden, dass er zunächst seinen Kampf mit dem Mathemonster bestand, ehe sie ernsthaft an den künftigen Weltenfahrer glauben wollte.

Wie sollte er mit all den modernen Geräten und Instrumenten arbeiten und zurechtkommen, wenn er sich dem Mathemonster geschlagen gab?

Damit hatte sie Mäxchens wunden Punkt getroffen. Betrübt musste er ihr zustimmen. Darum ging er schließlich zu Herrn Berger, der einmal Irenes Lehrer gewesen ist. Herr Berger meinte, ohne Schweiß kein Preis und lehrte ihn den Kampf gegen das Mathemonster. Den er schließlich tatsächlich bestand. Seine ‚Urkunde’ dafür stellte das nächste Zeugnis dar, das keine Fünf mehr aufwies.

Wie ein richtiger Sieger fühlte er sich und hätte nichts dagegen gehabt, wenn ihm ein breiter Gürtel verliehen worden wäre. Genau wie Boxern nach einem bedeutenden Sieg.

Wenn ein so wichtiger Kampf übertragen wird, sitzt Max Stange mit Paulines Papa jedes Mal vor dem Fernseher. Einer so gebannt wie der andere und wechselseitig schlagen sie sich erfreut auf die Schenkel, sobald ‚ihr’ Mann einen wirkungsvollen Treffer landen kann. Oder sie schlagen vor Wut die Hände vor die Augen, um nicht zu sehen, wie ‚ihrer’ in die Knie geht.

Umso größer ist dann ihre Freude, wenn der Ringrichter am Ende des Kampfes die Hand ‚ihres’ Mannes hebt. Dann kann es vorkommen, dass Harry begeistert die Arme reckt und danach Mäxchen auf die Schulter schlägt.

Dann warten sie noch die Siegerehrung ab und blicken auf den breiten und schweren Gürtel, von dem Irene meint, sie würde unter seinem Gewicht wahrscheinlich zusammenbrechen. Aber noch nie hat sie sich einen Kampf mit angesehen. Auch Pauline nicht, weil die wichtigen Boxkämpfe immer erst am späten Abend ausgetragen werden. Sie brauche ihren Schlaf, meint sie, besonders dann, wenn sie am nächsten Tag ein Spiel hat. Um darauf gut vorbereitet und ausgeruht zu sein, verzichtet sie gern auf weitere Freizeitbeschäftigungen.

Einen Siegergürtel jedenfalls würde sich Mäxchen als Ehrenschmuck zuerst um den Bauch legen lassen und ihn später gut sichtbar an die Wand hängen. Zu den Postern und Karten. Irgendwie, dachte er, gehört ja alles zusammen.

 

Pauline hatte er wirklich zufällig getroffen, als er wieder einmal von Herrn Berger kam und sie zur gleichen Zeit ihr ganz privates Training beendete. Schon zu dieser Zeit hatte sie sich vorgenommen, später mal in einer richtigen Mannschaft Fußball spielen zu können. Darum übte sie oft auf einem Hinterhof Tore zu schießen.

So konnte es nicht ausbleiben, dass beide auf der Straße auf einander stießen. Mäxchen und Pauline. Damit begann alles. Sogleich fiel Pauline ein, den Jungen mit den gelockten Haaren zu ihrer Geburtstagparty einzuladen. Denn den 10. Geburtstag wollte sie nicht wie einen ganz gewöhnlichen verstreichen lassen. Aber kein Mädchen verspürte Lust, mit ihr, die Fußball wie ein Junge ‚knolzte’, eine Party zu feiern.

Als er dann tatsächlich vor der Tür stand, brachte er etwas auffällig Großes und Viereckiges mit, das Pauline zuerst für ein Akkordeon ansah. Erkennen konnte sie es nicht, weil er ein Tuch darüber gebreitet hatte.

Bis sich herausstellte, dass es ein Vogelbauer war, in dem sich ein Kakadu verschüchtert an eine kleine Schaukel krallte. Es war Herrn Bergers Kakasie, den Mäxchen schon erwähnt hatte. Nun befand sich Herr Berger im Krankenhaus und Mäxchen hatte den weißlichgelben Vogel zu sich genommen. Er glaubte, dies Herrn Berger schuldig zu sein, der seine Freizeit opferte, um Mäxchen von seiner Furcht vor dem Mathemonster zu befreien.

Ihr erinnert euch?

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Nun ist inzwischen aus Mäxchen ein Junge mit breiten Schultern und großen Füßen geworden. Was Irene sehr bedauert, denn ihm passen keine Burschenschuhe mehr. Er braucht richtige Männerschuhe für den doppelten Preis. Auch die übrigen ‚Klamotten’ sind keine Kindergröße mehr.

Die Statur eines Riesen wird er nicht erreichen, aber Irene überragt er bereits jetzt.

Nach und nach scheint sich auch in seinem Körper etwas zu verändern, was er zu Hause jedoch nicht erwähnt.

Aber seine helle Stimme verrät, dass er noch nicht im Erwachsensein angekommen ist. Das ärgert ihn, denn rings um ihn im Gymnasium hört er Mitschüler in brüchigen Bässen reden. Umso mehr und länger palavern sie, denn es gefällt ihnen, sich auf diese Weise als erwachsen darzustellen. Geradezu selbstverliebt in die eigene Stimme.

Jetzt kann er sie nicht hören, denn er räkelt sich noch faul im Bett und reibt sich die Augen. Dies sowie das anschließende erwartungsvolle Blinzeln hatte er sich irgendwann als kleiner Junge angewöhnt. Als er noch für jeden Mäxchen gewesen ist.