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Das Geheimnis der Felsengrotte

Sagen aus Schwerin und Umgebung

 

Gesammelt und z. T. neu erzählt

von Erika Borchardt

 

Herausgeber: Jürgen Borchardt

 

ISBN 978-3-931646-79-0 (E-Book)

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Das Ungeheuer im Schweriner See

Als vor Jahren einmal ein Fischer auf dem Schweriner See seine Netze auswarf, hockte plötzlich ein behaartes affenähnliches Ungeheuer auf der Kahnbank. Der Fischer hatte gar nicht bemerkt, wie es dahin gekommen war. Das Untier saß bewegungslos und gab kaum ein Lebenszeichen von sich. Stundenlang beobachtete es den in Angst und Schrecken versetzten Fischer. Leise und zitternd setzte dieser die Arbeit fort. Nur ab und zu wagte er einen Blick auf den unheimlichen Gast. Das Ungeheuer machte überhaupt keine Anstalten, wieder zu verschwinden.

Dem Fischer wurde allmählich die Zeit lang. Er fasste sich endlich ein Herz, ergriff das Ruder und schlug schnell auf das ungebetene Wesen los. Mit einem gellenden Schrei stürzte es sich ins Wasser. Dabei riss es aber auch den Kahn um. Der Fischer war starr von Schreck. Er fand im See sein Grab.

Niemand hat von dem armen Mann je wieder etwas gesehen. Trotz allen Suchens wollte es nicht gelingen, seine Leiche zu finden. Wohl aber behaupteten Seeanwohner, zu mitternächtlicher Stunde ein ungewöhnliches Plätschern im Schilf gehört zu haben.

 

Wie es heißt, soll es dem Fischer um Mitternacht erlaubt sein, zusammen mit dem Ungeheuer aus dem See aufzutauchen. Wo er im Schweriner See versunken ist, soll es heftig strudeln. Jedes nahende Boot drohe umzustürzen und in die Tiefe zu sinken.

Die grüne Glocke im Dom

Vor Zeiten sollen zwei Schiffer aus Schwerin an das entgegengesetzte Ende des Schweriner Sees gekommen sein. Als sie sich dem Ufer näherten, bemerkten sie dort zwei fremdartig gekleidete Knaben, welche baten, sie mitzunehmen. Die Schiffer legen an, lassen die beiden Knaben einsteigen und fahren wieder zurück. Als sie etwa auf der Mitte des Sees sind, sind die Knaben plötzlich verschwunden, und statt ihrer stehen zwei große Kisten im Kahn. Neugierig öffnen sie die Kisten, und der eine findet lauter blinkendes Gold, der andere eine grüne Glocke. Der erste verteilte sein Gold bis auf das, was er brauchte, unter die Armen, der zweite schenkte die Glocke an den Dom, in welchem sie jetzt noch hängt.

 

 

Die teuflische Dachluke

An der Stelle, wo jetzt das Regierungsgebäude (die Staatskanzlei) in Schwerin steht, befand sich vorher der alte Marstall. Diesen solle der Teufel in einer Nacht gebaut haben. Als aber der Hahn krähte, fehlte noch eine Dachluke. Die Schweriner beeilten sich, sie einzusetzen; aber am nächsten Morgen war sie wieder fort. Dies geschah immer wieder. So blieb die Öffnung.

Das Feuerloch im See

Schiffer Horn hatte mehrere Boote hier in Schwerin. Einmal lag er des Nachts im Boot auf dem Schweriner See. Da kam ein kleiner Mann zu ihm, er solle ihm folgen, er könne Schwerin erlösen. Der Mann ging auf dem Wasser voraus. Horn hatte Angst und wollte erst nicht mit. Aber der Mann sagte ihm, er solle nur kommen, ihm geschähe nichts. Da geht er mit

Sie gehen über das Wasser bis zum Großen Stein. Als sie anlangen, ist der Stein weggerollt. Horn schaute in das Loch. Da sah er lauter Feuer, und Leute, die laut jammern. Der Mann sagte zu Horn, er solle mit ihm ins Loch steigen, aber das tat Horn nicht. Er ging vielmehr wieder zurück übers Wasser zu seinem Kahn.

Wenn er ins Loch gestiegen wäre, hätte er das alte Schwerin erlöst und die Stadt Schwerin wäre zu Wasser geworden.

Der Poltergeist im Kloster

In deutschen Landen, hoch im Norden, lag einst das Herzogtum Mecklenburg. Vor langer, langer Zeit, Hunderte von Jahren sind seitdem vergangen, ereignete sich in der Fürstenresidenz Schwerin gar Seltsames. Schier über Nacht erschien ein Poltergeist in der mittelalterlichen Stadt. Und ausgerechnet im Franziskanerkloster! Ein Teufelsgespenst bei den frommen Brüdern – wie sollte das wohl zugehen? Es wurde gemunkelt, dass ihn die Mönche von einer Reise mitgebracht hätten. Ja, lässt sich denn ein Geist einfach mitnehmen? Was mag nur geschehen sein?

 

Dem Schloss fast gegenüber, in einer Straße, die zum Burgsee führt und heute noch Klosterstraße heißt, befand sich damals das Kloster des Franziskanerordens. Wer nun glaubt, dass die Mönche darin Tag und Nacht beteten, oft fasteten, in graue Gewänder gehüllt und überaus ärmlich und bescheiden nur ihrem Gott lebten, wie sie einstmals gelobt, der irrt sich gewaltig. Das Kloster war reich, ihm gehörten Land und Häuser, es besaß viel Geld. Die Mönche lebten gut, sehr gut sogar. Sie schmausten nach Herzenslust, gingen in die Wirtshäuser, wo sie literweise Bier und Wein tranken, so dass sie dicke Bäuche und rote Nasen bekamen. Über die Klosterbrüder wird nun berichtet, dass sie durch ein leichtfertiges Versprechen den "unsauberen" Geist nach Schwerin gebracht hätten. In einer alten Schrift können wir darüber lesen. Vieles aber blieb ein Geheimnis. Vernehmen wir nun die wahrhaftige Geschichte von jenem Geist, genannt der Puck, welcher in das Schwerinsche Franziskanerkloster gelangte und später eine richtige Heimat in dem zauberhaften Schloss auf der Burginsel nahebei fand.

 

Eines Tages reiste der Guardian (der Vorsteher) des Schweriner Franziskanerklosters wegen etlicher Geschäfte im Auftrage seines Ordens nach Lübeck. Zwei Mönche begleiteten ihn. Nach Erledigung ihrer Pflichten begaben sie sich wohlgemut auf die Heimreise. Sie gingen den weiten Weg natürlich nicht zu Fuß, sondern fuhren auf einem Pferdewagen. Der Tag neigte sich dem Ende zu, und Schwerin war immer noch nicht in Sicht. Der Weg war schlecht, nicht gepflastert und manchmal kaum als Straße zu erkennen. In der Dämmerung verirrten sich die Mönche und gelangten nach Klein Brütz, wo der Edelmann von Halberstadt seinen Hof hatte. Diesen baten sie um ein Nachtlager. In der Dunkelheit weiterzuwandern schien bei den unheilvollen Zeiten, in denen Wegelagerer die Straßen unsicher machten, doch zu gefährlich.

 

Vielleicht wären die Mönche trotzdem weiter gezogen, hätten sie geahnt, was ihnen in dieser Nacht widerfahren würde. Im Haus des Herrn von Halberstadt lebte nämlich seit geraumer Zeit ein Gespenst, welches so manchen keine Nacht ruhig schlafen ließ. Kein Wunder, denn der Edelmann, der ein rechter Schalk war, quartierte seine neuen ahnungslosen Gäste stets in dem Raum ein, in welchem der Geist sich mit Vorliebe aufzuhalten pflegte. Dieser fühlte sich ständig belästigt und wehrte sich auf seine Art, indem er schrecklich polterte. Daran hatte der Edelmann seinen Spaß. "Recht so, Peter, das war wieder mal nach meinem Geschmack," pflegte er nach so einer Nacht zu denken, wenn ihm die Gäste des Morgens erzählten, wie ihnen der Schreck in die Glieder gefahren wäre und sie kein Auge mehr hätten zutun  können, dann jedoch froh waren, dass alles so glimpflich abgegangen war und nun schon über das Abenteuer lachen konnten. So mancher Gast aber verließ vorzeitig das unheimliche Quartier. Selbst die zuvorkommende Bewirtung konnte ihn nicht bewegen, auch nur eine Nacht länger mit dem Geist unter einem Dach zu weilen. Sehr zum Leidwesen des Edelmanns. Er hatte doch so gerne Gäste, mit denen er dann Nacht für Nacht schmauste und zechte. Der Geist, Peter Puck oder auch Puck genannt, vertrieb jedoch viele.

 

Allein der Herr von Halberstadt konnte den Schabernack nicht lassen, und er hätte nun zu gerne gewusst, ob der Geist es wagen würde, auch mit den frommen Brüdern sein Unwesen zu treiben, oder ob deren gottesfürchtiger Lebenswandel sie zu schützen vermöge. Er wusste ja nicht, wie die Mönche wirklich lebten. Also ließ er sie zur Schlafenszeit von seinem Diener in die Kammer bringen. Sie verrichteten ahnungslos ihr Nachtgebet, löschten das Licht und legten sich zur Ruhe nieder.

 

Kaum aber waren sie eingeschlafen, da zupfte jemand an ihrem ohnehin spärlichen Haarkranz, knuffte sie in die Wangen und warf sogar die Betten um, so dass das Oberste zuunterst und das Unterste oben lag. Die Mönche bekamen einen fürchterlichen Schreck. In Windeseile zündeten sie das Licht an und sahen die Bescherung. Wütend und furchtsam zugleich leuchteten sie in alle Ecken der Kammer. Doch so gründlich sie auch suchten, sie fanden den Übeltäter nicht. Ob hier ein böser Geist sein Spiel mit ihnen trieb? Sie betasteten die schmerzenden Stellen an ihren Körpern, richteten dann die Betten wieder her und legten sich voller Unruhe nieder. Kaum aber hatten sie das Licht gelöscht, rumorte es erneut ganz schrecklich, und die Mönche landeten unsanft auf der Erde. Nun wussten sie, dass es in diesem Hause nicht geheuer war. Dem Spuk würden sie aber schnell und ein für allemal ein Ende bereiten, dessen waren sie sich sicher. Zornig riefen sie den Geist an. Sie glaubten, das Teufelsgespenst hätte keine Macht über sie, weil sie Mönche waren. Das sagten sie ihm auch mit bösen Worten. Mit dem heiligen Kreuz und üblen Verwünschungen wollten sie ihn aus der Kammer vertreiben. Allein was die frommen Brüder auch taten, nichts half. Sofern sie sich wieder ins Bett legten, begann das böse Schelmenstück von neuem. Sie konnten keine Ruhe finden. Das war gar zu ärgerlich, liebten die Mönche doch nach einem guten Nachtmahl und einem tüchtigen Trunk nichts so sehr wie einen geruhsamen Schlaf.

 

Man musste einen anderen Weg finden. Ging es mit Strenge nicht, wollten sie es mit Güte versuchen. So sprach der Guardian freundlich zu dem Geist und bat ihn ganz herzlich, doch um alles in der Welt Frieden zu wahren und nannte ihn dabei sogar mehrfach seinen Bruder.