Impressum

Rudi Czerwenka (Rudolf Wenk)

Geheimnisvoller Strom

ISBN 978-3-86394-080-5 (E-Book)

 

Die Druckausgabe erschien 1960 bei
Prisma-Verlag Zenner und Gürchott, Leipzig
unter dem Pseudonym Rudolf Wenk

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

 

© 2011 EDITION digital®
Pekrul & Sohn GbR
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FREMDES AFRIKA

Die englische Brigg "Endeavour" hatte die westafrikanische Küste erreicht. In der seeweiten Mündung des Gambia konnte das Schiff stromaufwärts kreuzen. Nach einigen Tagen rückten die Flussufer zusammen. Noch drückte die Flut den Zweimaster voran. Bei Ebbe sanken die Anker in den Schlammboden. Die Kraft der Flut war von Meile zu Meile schwächer geworden. Jetzt wurde die Brigg von Negerbooten geschleppt. Jeden Abend bekamen die schwarzen Ruderer einen Napf verwässerten Rums. Dafür drückten ihre kräftigen Arme die Stechpaddel durchs dunkle Wasser, stundenlang, ohne Pause. Es war schäbiger Lohn für die anstrengende Arbeit. Und die Trommler gaben den Takt mit dumpfen Wechselschlägen.

In der Kajüte der "Endeavour" auf einem abgeschabten Polstermöbel saß der Kapitän des Schiffes, Mister Wyatt. Sein schmutziges Hemd stand offen und zeigte die breite, behaarte Brust. Das Kopfhaar hing in Fransen über die niedrige Stirn. Der Kapitän nahm die erkaltete Pfeife aus dem Mund. Seine wässrigen Augen blickten über den schweren Tisch, über den Branntweinkrug, die beiden Zinnbecher. Der Kapitän leckte die Lippen und sah auf. "Kommen Sie her, Doktor! Trinken wir!"

Am Kajütfenster stand ein Mann. Seine feinen Hände lagen auf dem Rücken seines blauen Rockes. Zwischen dem Kragen und dem lockigen Blondhaar lugte ein blendend weißes Halstuch hervor. Die helle, schmale Hose entsprach der neuesten Londoner Mode. Darunter trug der Fremde helllederne Halbstiefel.

Der Kapitän wartete auf Antwort. Es kam keine. Am Schiffsrumpf gluckerte das Flusswasser. Der Mann am Fenster sah hinaus auf den Gambia. Die Sonne sank und vergoldete die Baumwipfel am Flussufer. Auf dem schwarzen Wasser flackerten silbrige Lichter. Die Frösche begannen ihr Abendgequak.

"Was starren Sie hinaus, Doktor Park?", brummte der Kapitän, "werden dieses Afrika noch satt kriegen."

Mungo Park drehte sich um. Sein Gesicht war zart und fast jungenhaft, seine Haltung aufrecht. Die schmale, kecke Nase kündete von Entschlusskraft und Willensstärke. Die blauen Augen und der kleine Mund lächelten kaum merklich.

"Schmeckt es nicht allein, Kapitän?", klang die klare Stimme. Kapitän Wyatt seufzte. "Habe selten einen Gast, Doktor, muss gefeiert werden. Trinken wir!"

Park nahm mit spitzen Fingern den Becher. "Auf Ihre Gesundheit, Kapitän!"

Wyatt kippte den Becherinhalt mit einem Ruck über die Lippen. Ein befriedigtes Grunzen stieg aus seiner Kehle. Dann wurde er ernst. "Sie - wollen wirklich - in Afrika - bleiben?"

Park lächelte. "Ich will."

Der Kapitän wurde väterlich. "Wie alt sind Sie?"

"Vierundzwanzig."

"Vierundzwanzig Jahre! In Ihrem Alter hätte ich Besseres zu tun. Ich würde nicht in dieser Gluthölle herumkrauchen. Bald werden Sie dieses Afrika zum Teufel wünschen und sich hinterher."

"Und Sie?", entgegnete Park, "was tun Sie hier, wenn Ihnen die Gegend missfällt?"

"Ich habe mein Geschäft", sagte der Kapitän würdevoll. "Ich kaufe und verkaufe. Ich habe eine Familie, die essen will. Ich sorge für meine Familie."

Park griff Wyatts Worte auf. "Und ich sorge für mein Mutterland. Englands Zukunft ist Afrika. In Englands Auftrag bin ich hier."

"Englands Zukunft!", äffte der Kapitän nach und schenkte die Becher voll. "Vor zehn Jahren hat kein Hahn in England nach diesem Afrika gekräht." Er wurde wütend. "Jetzt werden Gesellschaften gegründet für Afrika, werden Expeditionen ausgeschickt. Bald werden unsere geschäftstüchtigen Landsleute am Gambia einen Hafen bauen. Englische Städte werden entstehen. Hol der Teufel diese Afrikasucht!"

Als der Kapitän ausgetobt hatte, fragte Park spöttisch: "Fürchten Sie um Ihr Geschäft? Haben Sie Angst, andere könnten Ihnen die besten Sklaven und das schönste Elfenbein wegschnappen?"

Wyatt glotzte. "Ich habe keine Angst. Aber ich verstehe nicht, warum sich England so um Afrika bemüht."

"Dann denken Sie einmal nach! Früher besaßen wir Nordamerika. Aber die Kolonisten haben rebelliert. Sie sind nun frei, die Vereinigten Staaten, wie sie das Land nennen. Sie pfeifen aufs englische Mutterland. Noch haben wir die Kolonien in Indien. Aber wer weiß, wann Napoleon seine Hände auch nach diesem Land ausstrecken wird? Was dann? Was sollen unsere Maschinen, wenn wir keine Baumwolle bekommen? Wer soll unsere Webwaren kaufen? Es gibt für Englands Handel und Industrie nur einen Ausweg: Afrika! Begreifen Sie das?"

Der Kapitän begriff nicht. Trotzdem nickte er. "Ich verstehe. Die Herren der Manufakturen sind nicht zufrieden mit dem, was wir hier herausholen. Sklaven und Elfenbein genügen ihnen nicht. Sie wollen ganz Afrika in ihre Tasche stecken. Trotzdem tut es mir leid um Sie, Mister Park. Sie sind nicht der erste, der ins Innere von Afrika hineinwill; aber Sie wären der erste, der lebendig herauskäme. Und das für die Geldbeutel anderer!"

Park biss sich auf die Lippe. Er kannte die Schicksale seiner Vorgänger. Seit Jahren versuchte England, den Niger zu finden. Zuerst war Ledyard von Ägypten nach Süden vorgestoßen und dabei gestorben. Lucas hatte seine Expedition in Tripolis begonnen, er war ohne Erfolg umgekehrt. Major Houghton war den Gambia aufwärts gereist und nicht zurückgekommen. War dieser schwarze Erdteil unbezwingbar? Timbuktu, die alte Handelsstadt am Niger, sollte märchenhafte Reichtümer bergen. Wo lag Timbuktu? Wo war der Niger? Einmal musste der Vorstoß doch gelingen!

Mit jeder misslungenen Expedition wuchs unter den englischen Kaufleuten das Interesse an Afrika, die Gier nach seinen Reichtümern. Für den jungen Park bedeutete das Angebot, zum Niger zu reisen, alles. Er konnte dabei Reichtum und Ehren gewinnen. Er würde der Wissenschaft einen großen Dienst erweisen und mit einem einzigen Sprung in die Reihe der bedeutendsten Männer Englands aufrücken. Das waren lockende Ziele. Aber was gingen diese Dinge Kapitän Wyatt an?

"Ich werde zurückkommen", sagte er herablassend, "verlassen Sie sich darauf!"

Der Kapitän atmete schwer und schob sich ächzend am Tisch hoch. "Naja, - ich muss an Deck. In wenigen Minuten wird es dunkel sein. Wir werden ankern. - Wenn Sie Licht brauchen, sagen Sie dem Bootsmann Bescheid! - Schlafen Sie gut, Mister Park, die letzte Nacht auf meiner 'Endeavour', die letzte Nacht auf englischem Boden!"

 

Am folgenden Vormittag erreichte die Brigg ihr Reiseziel. Der Handelsplatz Jonkakonda lag am Nordufer des Gambia. Schwemmsand gab den Schiffen den nötigen Ankergrund. Das Ufer war hier frei von dem undurchdringlichen Dickicht der Mangroven. Die Grenzen des Urwaldes wichen zurück. Aber das Land war durch die jährlichen Überschwemmungen versumpft. Fiebermücken schwärmten durch die feuchte Luft.

Mungo Park schaukelte auf einem Eselsrücken drei Stunden nordostwärts. Dann lag die britische Faktorei vor ihm. Ein starker Palisadenzaun sicherte Wohnhäuser und Lagerschuppen. Auf dem gerodeten Hügelland ringsum dehnten sich Felder mit Korn und Baumwolle. Neben der Faktorei lag das Negerdorf Pisania. Park ritt in den Innenhof der Faktorei. Zwei schwarze Träger folgten mit dem Gepäck. Die neugierigen Dorfbewohner waren am Tor zurückgeblieben.

Vor einem halben Jahrhundert hatten die Engländer in Pisania ihre Niederlassung gegründet. Damals hatte man geglaubt, der Gambia sei die Mündung des sagenhaften Nigerflusses. Der erst lebhafte Handel war abgeflaut. Nur wenige Schiffe befuhren noch den Gambia. Sie brachten Waffen und Munition, Branntwein und Bernstein. Dafür handelten sie Sklaven ein, Gold und Elfenbein, Häute, Wachs und Honig. Für die wenigen Händler, die geblieben waren, lohnte sich die weite Reise noch immer. Park saß in einer Stube des Blockhauses, vor dem auf schlankem Mast die britische Fahne wehte. Am Fenster stand der Gouverneur von Pisania, Doktor Laidley. Er las den Brief, den Park mitgebracht hatte.

Laidleys Alter war schwer zu bestimmen. Sicher hatte er seinen fünfzigsten Geburtstag schon hinter sich. Der Backenbart, der sein rosiges, rundes Gesicht abschloss, war schlohweiß. Die kleinen, wasserblauen Augen blitzten. Die untersetzte Gestalt war mit einer groben Hose und einem leinenen Hemd bekleidet. Die Stiefel reichten bis zu den Knien.

Doktor Laidley ließ den Brief sinken und sah seinen Gast aufmerksam an.

"Sie sind Doktor Mungo Park? Die Londoner Gesellschaft zur Erforschung Afrikas bittet mich, Ihnen bei Ihrer Expedition mit zweihundert Pfund Sterling zu helfen."

"Mit Geld und guten Ratschlägen", lächelte Park.

Laidley sah seinem Gegenüber ernst ins Gesicht. "Meinen guten Rat können Sie sofort haben: Kehren Sie um! Kein Weißer ist bisher bis zum Niger gekommen. Auch Ihnen wird es nicht gelingen."

"Es ist beschlossene Sache", erwiderte Park. "Ich habe der Gesellschaft nach gründlichem Überlegen meine Dienste angeboten und mein Wort gegeben. Und ich werde den Niger erreichen."

Doktor Laidley sah den jungen Mann misstrauisch an. "Haben Sie Erfahrungen? Kennen Sie Afrika?"

"Ich war ein Jahr als Schiffsarzt auf Ostindienfahrt. Ich kenne Sumatra. Afrikanischen Boden habe ich heute zum ersten Mal betreten."

"Das ist nicht viel. Und jetzt glauben Sie, allein mit Ihrem jugendlichen Schwung eine so schwierige Expedition ruhmreich zu vollenden." Nach einer Pause fuhr er leise fort: "Vor vier Jahren stand in diesem Zimmer ein anderer Mann, Major Houghton. Sein Name wird Ihnen bekannt sein. Er war Gouverneur in Marokko, später Kommandant eines Inselforts vor Kap Verde. Er kannte Afrika und seine Gefahren. Er wollte im Auftrag Ihrer Gesellschaft zum Niger vorstoßen. Er wollte Timbuktu finden. Ich habe ihn gewarnt. Er hörte nicht auf mich. - Er ist nicht wiedergekommen. Die Mauren haben ihn wahrscheinlich erschlagen."

"Aber warum denn? Was hatte er den Eingeborenen getan?"

"Getan!" Laidley reckte zornig seine kleine Gestalt.

"Nichts hat er ihnen getan." Eindringlich redete er auf Park ein. "Die Negerstaaten zwischen Gambia und Niger liegen ständig in Streit miteinander. Der eine gönnt dem anderen nicht die Rinderherden, die Wasserstellen. Ewig ist Krieg. Jeder Stammesfremde wird zum Sklaven gemacht oder getötet. So zerfleischen sich die Schwarzen gegenseitig. Die Mauren, die am Rande der Wüste leben, überfallen wieder die Neger. Als Mohammedaner fühlen sie sich berechtigt, Andersgläubige auszurauben und zu plündern. Gemeinsamer Feind aller Eingeborenen aber ist der weiße Mann. Sie haben böse Erfahrungen gemacht und sehen uns lieber gehen als kommen. Unser übler Ruhm ist weit ins Land gedrungen. Sie sehen in uns Räuber, Betrüger, und sie haben in den meisten Fällen dabei nicht einmal unrecht. So sieht es aus in dem Land, das Sie durchreisen wollen."

Park stand auf, straffte seinen Körper und zog den Tuchrock glatt. "Ich bin Ihnen dankbar für Ihre Hinweise; aber ich darf mich dadurch nicht behindern lassen. Ich werde trotz aller Gefahren zum Niger reisen. Wollen Sie mir helfen?"

"Ihnen ist schwer zu helfen", seufzte Laidley, "aber ich will tun, was ich kann. Sie sind mein Gast, solange Sie wollen."

"Ich werde Ihr Angebot nicht lange beanspruchen. Ich will so bald wie möglich aufbrechen."

"Sie werden sich gedulden müssen. Wir stehen kurz vor der Regenzeit. Dann ist der Urwald unbegehbar. Die Flüsse schwellen an und werden zu reißenden, breiten Strömen. Sie haben fast ein halbes Jahr Zeit."

Die ersten Tage in der Faktorei kamen Park unendlich lang vor. Grübelnd saß er in seinem Zimmer. Seine Gedanken glitten immer wieder in die gleichen Bahnen. Die Expedition zum Niger würde schwieriger werden, als er angenommen hatte. Von England her sah die Sache einfach aus. Seine Londoner Auftraggeber hatten ihn allerdings gewarnt. Aber er war gewohnt, einmal beschlossene Pläne nicht wieder umzustoßen. Er hatte die Landkarten studiert, die Berichte über das Nigerland gelesen. Doch die Karten waren falsch und unvollständig, die Berichte erfunden. Das hatten ihm die ersten Gespräche mit Doktor Laidley bewiesen. Eines nur war Wirklichkeit: der Niger.

Und er, Mungo Park, würde diesen Fluss finden und Ruhm und Reichtum für diese Tat ernten. An diesem Gedanken berauschte er sich.

Oft dachte er an seine Kindheit. Die Schulfreunde hatten ihn verlacht und für einen Narren gehalten. Er war anders gewesen als die Mitschüler, ernst, strebsam, still. Diese Eigenschaften belohnten ihn mit frühen Erfolgen. Stufe um Stufe hatte er erstiegen, die Gehilfenzeit bei dem Wundarzt in Selkirk, das Studium in Edinburgh, die Zeit als Schiffsarzt auf Ostindienfahrt. Damals war das Angebot der Afrikanischen Gesellschaft gekommen, die Reise zum Niger, dem sagenhaften Strom. Park war einer der vielen Bewerber gewesen. Man hatte ihn ausgewählt. Und jetzt sollte er umkehren vor unbewiesenen Gefahren? Niemals! Der erste Schritt war getan. Jetzt gab es kein Zurück mehr!

Laidley beantwortete ihm jede Frage, wenn er konnte.

"Hier an dieser Stelle", sagte der Hausherr und wies auf die Karte, "hier soll der Niger in einen großen See münden. Genau kann man den Ort allerdings nicht bestimmen."

"Gestern haben Sie behauptet", entgegnete Park, "der Niger entspringe in diesem See und fließe nach Westen. Heute sagen Sie das Gegenteil."

Laidley war verzweifelt. "Ich habe gar nichts behauptet. Gestern habe ich Ihnen erzählt, was mir die Händler aus Kasson berichtet haben. Heute spreche ich von den Ergebnissen der französischen Forschungen."

"Und was ist richtig? Was soll ich glauben?"

"Wer spricht hier von glauben? Keiner der Leute, die zu uns an den Gambia kommen, hat jemals den Niger mit eigenen Augen gesehen. Und ich sage Ihnen nur, was ich im Laufe einiger Jahrzehnte gehört habe."

"Diese Ungewissheit zermürbt mich." Park ging im Zimmer umher. "Alles sind nur Vermutungen. Dieses Herumsitzen macht einen verrückt."

"Sehen Sie sich Pisania an! Besuchen Sie die Neger! Lernen Sie ihre Sprache! Sie brauchen sich nicht zu langweilen."

"Was kümmern mich die Schwarzen?", erwiderte Park verärgert.

"Oho! Ohne Neger kommen Sie hier nicht aus, junger Herr! Je eher Sie das begreifen, desto besser für Sie. Die Mandingosprache wird von den meisten Stämmen verstanden, mit denen Sie in Berührung kommen werden."

Park sah sich die Negersiedlung an, denn er langweilte sich zu sehr. Das Dorf war von einer mannshohen Lehmmauer umgeben. Die Hütten trugen pilzförmige Rohrdächer. Davor hockten schwarze Frauen und schürten die Feuer, räumten Spinn- und Webgeräte beiseite, schalten die Kinder.

Ein Negerlein hielt sich an Parks heller Hose fest und krähte vergnügt.

"Gehst du weg, du Schmutzrabe!", schimpfte Park und schlug nach den Händen des Kindes.

Der Kleine quietschte los. Die Weiber schimpften.

Park zog die Augenbrauen zusammen und ging weiter. Er war ärgerlich. Nun musste die Hose gewaschen werden.

Trotz solcher Zwischenfälle ging er immer wieder ins Dorf. Doktor Laidley beobachtete mit stillem Schmunzeln, wie Park seine Abneigung gegen die Schwarzen allmählich überwand.

"Was gab es heute Neues?", erkundigte sich der Hausherr beim Abendessen und drehte einem gebratenen Huhn die Keule ab. "Ich habe zum ersten Mal in das Innere einer Negerhütte geschaut. Viel war nicht zu sehen: eine Binsenhürde als Bettstatt, darüber ein Tierfell, einige Tontöpfe und ausgehöhlte Kürbisse, ein Speer, eine eiserne Hacke. Ich habe mir aufgeschrieben, wie die Neger die einzelnen Geräte nennen. Sie leben recht ärmlich. Und erst die Sklaven!"

"Seit wann kümmern Sie sich denn um die Neger?", sagte LaidIey herausfordernd.

Park lachte.

"Es macht mir Spaß", sagte er. "Ich sehe, wie viel Gutes und Schönes Europa den Schwarzen geben kann. Das ist doch kein Leben, das sie führen!"

Laidley zupfte nachdenklich seinen Bart.

"Früher habe ich ebenso gedacht. Doch Europa bringt wenig Gutes, junger Mann. Die Lords sehen in Afrika nur das große Geschäft. Die Neger haben noch nicht begriffen, wie reich sie uns machen. Wüssten sie es, so würden sie uns kurzerhand die Hälse rumdrehen. Vor diesem Tag möge uns Gott beschützen!"

An einem der folgenden Tage stand Park wieder vor einer Hütte. Ein Negerknabe stocherte in dem Glimmfeuer, auf dem ein Tontopf mit dem Essen stand. Laidley hatte von diesem Kuskus berichtet, dem Leibgericht der Neger, einem gedünsteten Mehlgeklümp. Park reckte den Hals, um einen Blick in den kegelförmigen Topf zu tun. Da entdeckte ihn der kleine schwarze Koch.

"Good morning, Mister!", rief er und lachte.

Parks Mund öffnete sich langsam. Was war denn das? In diesem Negerdorf wurde er mit einem englischen "Guten Morgen" begrüßt!

Der Knabe zeigte seine weißen Zähne.

"Du sprichst meine Sprache", sagte Park freundlich. "Woher kennst Du sie?"

"Demba arbeiten Mister Laidley Haus."

"Demba heißt du?"

Ein Nicken war die Antwort.

"Und du arbeitest bei Mister Laidley. Ich habe dich aber noch nie dort gesehen. Bist du hier bei deinen Eltern?"

Der Knabe sah ihn fragend an. "Dieses Haus - deine Eltern - dein Vater?", wiederholte Park. Die Antwort blieb aus. Der Sprachschatz Dembas schien erschöpft. Park fragte noch einige Male, dann gab er auf.

Am Abend erfuhr er vom Hausherrn Genaueres über den Jungen. Demba war Doktor Laidleys Sklave. Bis vor kurzem hatte der pfiffige und geschickte Knabe in der Faktorei gearbeitet. Doch Demba nahm mit, was ihm gefiel. Laidley hatte ihn ins Dorf zurückgeschickt und setzte ihn nun zur Feldarbeit ein.

"Schade", sagte Park, "ich dachte daran, Demba von Ihnen als Begleiter zu erbitten. Er versteht etwas Englisch, er kann kochen. Aber wenn er stiehlt..."

"So dürfen Sie das nicht auffassen", lachte Laidley. "Unsere Auffassung von persönlichem Eigentum ist vielen Negern unbekannt. Das werden Sie noch merken. Und - wenn Sie Demba mitnehmen wollen, ich habe nichts dagegen. Außerdem fällt mir etwas ein." Laidley rieb sich den Nasenflügel. "Ich habe noch einen zweiten, besseren Mann für Sie. Johnson heißt er. Er spricht Englisch und kennt die Stämme der Eingeborenen bis über den Senegal hinaus. In meinen Diensten hat er schon manche Karawane ins Innere des Landes geführt. Leider ist er jetzt auf Handelsfahrt zum unteren Gambia. Sobald er zurückkommt, schicke ich ihn zu Ihnen."

Demba wurde zu Parks Diener ernannt. Am. nächsten Tag trat er sein Amt an. Laidley versprach dem Jungen die Freiheit, wenn er Park treu und gewissenhaft diene. Sehr selten wurden aus erblichen Sklaven freie Männer. Das wusste der elfjährige Neger. Er wollte sich Mühe geben. Sein neuer Mister sollte zufrieden sein.

Park hatte an dem lebhaften Knaben Freude. Demba trug jetzt ein Paar Sandalen aus Laidleys Lagerschuppen und eine Baumwollhose, die ihm allerdings noch zu lang war.

Täglich putzte und rieb er Parks Rock und Hosen.

"Mister Hose immer sauber", kauderwelschte er.

"Ja, ja", erwiderte Park, "aber du brauchst meine Sachen nicht entzweizureiben. Wenn sie sauber sind, bin ich zufrieden."

"Demba guter Diener?"

"Ein ausgezeichneter Bursche bist du. Aber stör mich nicht dauernd! Ich habe zu tun."

In den ersten Tagen der Tätigkeit Dembas wunderte sich Park über die angeknabberten Bratenstücke, die er zu den Mahlzeiten vorgesetzt bekam. Dann entdeckte er Demba auf dem dunklen Flur mit dem Tablett in der Hand, wie er mit seinen Zähnen ein gutes Stück aus einer Hammelkeule herausbiss.

"Das darfst du nicht tun! Das will ich nicht!"

Demba brachte von diesem Tage an jedes Gericht unberührt auf den Tisch.

Park freute sich, wie schnell der Junge englisch sprechen lernte. Jetzt hatte er einen kundigen Begleiter bei den Ausflügen nach und um Pisania.

Der erste größere Ausflug führte die beiden zum Gambia. Sie drängten sich durch das Ufergestrüpp. Träge floss das trübe Wasser. Park sah verträumt zum jenseitigen Ufer. Wie eine grüne Mauer stand der dichte Urwald. Flusspferde wälzten sich im kühlen Wasser. Der Leitbulle sicherte die Herde. Park seufzte. Wie herrlich wäre es, jetzt am Niger zu stehen! Aber der Weg dorthin war weit!

Demba sah verstohlen zu seinem Herrn auf, der so merkwürdig still geworden war.

Auf dem Heimweg brannte die Mittagssonne unbarmherzig auf die beiden nieder. Ehe das Rodungsland von Pisania begann, legten sie eine Pause ein. Über dem Wald hatte sich unbemerkt eine dunkle Wolkenwand hochgeschoben. Park schrak auf, als die ersten Donner grollten.

"Los, Demba! Wir müssen laufen!"

Böiger Wind trieb den Staub in körnigen Schwaden durch die Stickluft. Am fahlgelben Himmel zuckten Blitze. Die ersten Regentropfen fielen in den Staub. Demba lief flink wie eine Antilope. Dann rauschte der Regen nieder. Am Zaun der Faktorei war Park völlig durchnässt. Er jagte durch die Pfützen im Innenhof und sprang in die rettende Haustür. Schnaufend hielt er im nachtdunklen Flur. Der Regen übertönte den Donner. In einer Türöffnung erschien eine Gestalt.

"Hallo, Mister Park!" Laidley leitete seinen Gast ins Zimmer. "Woher kommen Sie bei diesem Wetter?"

In der Dunkelheit konnte man nur die Umrisse der Möbel erkennen. Von der Dachkante rauschte ein endloser Regenvorhang herunter. Der Sturm zerrte am Balkengefüge des Hauses. Park schüttelte sich das Wasser aus den Kleidern.

Laidley lachte. "Einem richtigen Engländer dürfte solch ein kleiner Regen eigentlich nichts ausmachen. Sie wollten doch sogar während der Regenzeit zum Niger reisen."

"Die Lust dazu ist mir vergangen." Park wischte mit dem Schnupftuch die Nässe vom Gesicht. "Warum zünden Sie kein Licht an?"

"Das ist nicht nötig. In einer halben Stunde ist das Wetter vorüber. Afrika zeigt Ihnen nur einmal, was Regen ist. Während der nächsten Monate können Sie das jeden Tag erleben. Und das nennen wir dann die Regenzeit. - Aber jetzt ziehen Sie trockene Wäsche an! Demba wird den Kamin heizen."

 

Doktor Laidley behielt recht. Die Tropengewitter wiederholten sich in kürzeren Abständen, doch es blieb heiß. Die Sonne stieg täglich höher und hüllte Pisania in sengende Glut. Park maß Mittagstemperaturen von über einhundertzehn Grad Fahrenheit. Dann lag die Siedlung wie ausgestorben. Menschen und Tiere suchten den Schatten unter Baumkronen und Dächern. Nur die Morgenstunden waren erfrischend kühl.

Auf dem Wirtschaftshof schrien, schimpften und lachten die Neger. Park hätte gern etwas länger geschlafen. Bei dem Lärm, der durchs Fenster drang, war es aber unmöglich. Park erhob sich. Er kleidete sich so sorgfältig an, wie er es in England gewohnt war.

Vom Flur näherten sich Schritte. Das musste Demba mit dem Frühstück sein. Park sah erwartungsvoll auf die Bastmatte, die die Tür verschloss. Niemand trat ein. Mit wenigen Schritten war Park an der Tür und schlug die Matte beiseite. Ein Schwarzer stand vor ihm.

"Wo ist mein Frühstück?" Park sah die leeren Hände des Negers.

"Ich nicht Frühstück. Ich Johnson", antwortete der Eingeborene und lachte.

"Ich habe nicht gefragt, wie du heißt. Ich warte auf meine Mahlzeit. Wo ist sie?"

Der Neger zuckte ratlos die Schultern. Plötzlich drehte er sich um und lief davon.

Park trat zurück in sein Zimmer. Missmutig setzte er sich auf einen Stuhl. Er wusste nicht, was er von dem fremden Besucher denken sollte. Wieder raschelte die Bastmatte. Der Neger kam lächelnd ins Zimmer und setzte das Frühstück auf den Tisch, einen Krug Milch und Bananen. An der Tür zeigte sich Dembas Wuschelkopf.

"Guten Appetit!", sagte der Fremde.

Park ließ die Hand, in der er eine Banane hielt, überrascht sinken. Zum zweiten Mal wurde er in Pisania von einem Neger in seiner Muttersprache angeredet. - Das war für einen vornehmen Briten aber noch kein Grund, mit einem Schwarzen ein Gespräch zu eröffnen.

"Worauf wartest du? Du kannst gehen." Park wies mit der Hand zur Tür.

"Ich Johnson!", wiederholte der Neger und drehte verlegen seine Hände. "Mister Laidley sagen, ich sollen führen Mister Park." Jetzt erinnerte sich Park. Sein künftiger zweiter Reisebegleiter stand vor ihm! Einer hätte allerdings genügt. Aber warum sollte er den alten Doktor enttäuschen.

Johnson war nicht mehr jung. Durch sein Kräuselhaar zogen graue Strähnen. Seine Haut war heller als bei Demba. Er schien einem anderen Volksstamm anzugehören. Die schlanke Gestalt, nur mit einer Hose bekleidet, glänzte wie poliertes Edelholz. Das Gesicht war länglich, die Nase schmal. Die sehnigen Arme pendelten nun ratlos umher.

"So, so", nickte Park, "du bist Johnson. Du sollst mich auf meiner Reise beraten. Kennst du Afrika?"

"Afrika groß, Mister", lächelte Johnson und bewegte seine Arme im Kreis. "Ich am Gambia geboren. Ich kennen den Gambia, den Senegal. Ich kennen London und Jamaika..."

"Und den Niger?"

Johnson hob bedauernd die Schultern. "Den Niger ich nicht kennen. Niger weit von hier, sehr weit."

Park war enttäuscht. Laidley hatte ihm die Wahrheit gesagt. Hier am Gambia würde er keinen Menschen finden, der den Niger mit eigenen Augen jemals gesehen hatte.

Er beeilte sich, neuen Gesprächsstoff zu finden. "Du kennst London? Das überrascht mich."

"Ich waren Sklave bei einem Mister. Mister reisten mit mir nach London. Dann mein Mister gehen mit mir nach Jamaika. Ich arbeiten dort in Zuckerrohrfelder. Johnson waren sieben Jahre England und vier Jahre Jamaika."

"Und jetzt bist du Sklave bei Doktor Laidley?"

"Johnson sein freier Mann", sagte der Neger und reckte sich stolz.

Park wurde misstrauisch. "Und jetzt wartest du auf Gelegenheit zur Flucht. Du denkst, wenn du mich begleitest, dürfte das leicht sein."

"Johnson nicht weglaufen. Nur Sklaven weglaufen. Freier Mann arbeiten und bekommen Geld. Wenn weglaufen, dann kein Geld. Warum weglaufen?"

Park versuchte, dem Kauderwelsch und den Gedanken des Negers zu folgen. Es fiel ihm schwer. Um andere Menschen hatte er sich bisher selten gekümmert. Nachdenklich rückte er den Milchkrug beiseite.

"Johnson, du wirst jetzt täglich zu mir kommen. Du wirst dir die Arbeit mit Demba teilen. Dann kannst du lernen, was zu tun ist. Wir haben genügend Zeit bis zur Abreise. Jetzt kannst du gehen."

Johnson verbeugte sich wie ein guter englischer Kammerdiener und verließ rückwärts das Zimmer. An der Tür prallte er mit Demba zusammen, der seine neugierige Nase noch immer zwischen Türrahmen und Matte hielt.

 

Die eigentliche Regenzeit begann Ende April. Die Regenwand wich nicht mehr von Pisania. Wald, Busch und Felder leuchteten frischgrün. In der feuchten Luft wurde das Atmen schwer.

Die ständig rauschenden Wassermassen drückten auf Parks Stimmung. Er war reizbar und jähzornig geworden. Manchmal schien es, als warte er nur auf einen Grund, um mit seinen Schwarzen zu zanken. Johnson bekam harte Worte zu hören, wenn die metallenen Rockknöpfe einmal nicht wie pures Gold glänzten. Aber Johnson hatte Geduld. Er kannte die Launen der Weißen. Er wusste, dass sie den schwarzen Mann wie einen Esel behandelten, wenn es ihnen so gefiele. Er erinnerte sich an die schwere Zeit zwischen dem Zuckerrohr. Wer gegen die Weißen aufmuckte, machte mit der Peitsche Bekanntschaft. Demba wurde von den Zornausbrüchen seines Herrn empfindlicher getroffen. Heimlich schüttelte er seine kleinen Fäuste gegen Park.

Doch bald änderte sich Parks Zustand. Er wurde still und friedlich, aß wenig und brachte die meiste Zeit auf seinem Lager zu. Eines Abends kam Johnson ins dunkle Zimmer. Park lag mit klappernden Zähnen auf seinem Bett. Johnson legte besorgt seine Hand auf die Stirn des Kranken. Er fühlte den kalten Schweiß. Gemeinsam mit Demba schleppte er Felldecken herbei. Der fiebernde Park wurde eingerollt, bis nur noch das Gesicht aus dem Deckenpaket hervorlugte. Er schlürfte gehorsam das heiße Heilgetränk.

"Ich bin schwer krank, Johnson", flüsterte er mühsam.

"Nein, Mister. Der Regen bringen Fieber für weiße Männer. Mister immer trinken diesen Tee, dann schnell gesund."

Demba verließ leise den Raum. Er hatte seinem Mister eine böse Krankheit gewünscht, weil er so oft schimpfte. Nun war die Krankheit da. So hatte er es nicht gewollt.

In den folgenden Wochen wichen die beiden Neger kaum von Parks Krankenlager. Auch Doktor Laidley gab sich Mühe, das Fieber zu bändigen. Seine Heilkünste versagten. Die Nächte waren für Park besonders schlimm. Der Fieberschweiß rann über Gesicht und Körper und brannte in den Poren. Im August hatte die Regenzeit ihren Höhepunkt erreicht. Das Wasser rauschte und rauschte. Park presste die Fäuste gegen die Ohren. Es war, um den Verstand zu verlieren.

Aber je mehr ihn die Krankheit schwächte, desto stärker wurde sein Wille. Er musste jetzt gesund werden. Lange genug hatte er gelegen. Er musste essen, um seine Körperkräfte aufzufrischen. Für die Reise zum Niger stand ihm ein halbes Jahr zwischen zwei Regenzeiten zur Verfügung. Kein Tag davon durfte vergeudet werden!

Doktor Laidley freute sich über die erwachenden Lebenskräfte seines Gastes; aber er bremste dessen Tatendrang.

"Zuerst müssen Sie gesund werden, ganz gesund", sagte er. "In Ihrem jetzigen Zustand können Sie nicht auf Reisen gehen." Er reichte Park einen Spiegel. "Schauen Sie einmal hier hinein!" Park nahm den Spiegel in die feuchte Hand. Ein graues, blutleeres Gesicht starrte ihn an. Der Glanz der Augen war verschwunden. Nase und Backenknochen traten spitz hervor. Er gab den Spiegel zurück und schloss für einen Augenblick die Lider.

"Das konnte ich mir denken. Doch ich habe noch einen Monat, um mich zu erholen. Diese Zeit reicht, das weiß ich. Schließlich bin ich auch Arzt. - Wann geht die erste Karawane nach dem Osten?"

"Eine kleine Koffle zieht Ende November in Richtung Kaarta. Das ist zunächst auch Ihr Weg. Die Vorbereitungen für Ihre Reise übernehme ich. Sie müssen gesund werden, das ist Ihre Aufgabe. Einer großen Karawane würde ich mich nicht anschließen, weil sie zu leicht Beutelustige anlockt."

Allmählich genas er. Die Speisen, die Demba ihm vorsetzte, schlang er heißhungrig hinunter. Nach jeder Mahlzeit hielt er einen ausgedehnten Verdauungsschlaf. Er wunderte sich selbst über sein ständiges Schlafbedürfnis.

Wieder einmal ging ein Regenschauer über Pisania nieder. Das Kaminfeuer schuf im Zimmer trockene Luft. Park lag auf seinem Bett und starrte gegen die Stubendecke. Da raschelte die Türmatte. Park schloss die Lider bis auf einen Spalt. Ein ihm unbekannter Eingeborener schlich herein und sah sich vorsichtig um. Auf Zehenspitzen kam er ans Bett. Hinter geschlossenen Lidern fühlte Park, dass er längere Zeit beobachtet wurde. Das Blut klopfte in den Adern. Er lag wie gelähmt. Wieder raschelte es. Park öffnete vorsichtig ein Auge. Der Fremde stand an seinem Gepäck und studierte ernsthaft die Landkarte, die obenauf gelegen hatte. Er trug ein faltenreiches, weißes Gewand und auf dem Kopf ein rotes Käppchen. Das war kein Neger. Dieses kupferfarbene, scharfnasige Gesicht hatte Park in Pisania noch nie gesehen.

Der Eindringling zuckte zusammen. Schritte näherten sich. Park rekelte sich und gähnte, als wolle er langsam aus tiefem Schlaf erwachen. Er drehte sich einmal zur Wand, wieder zurück, schlug die Augen auf...

Demba stand vor ihm. Sonst war das Zimmer leer. Die leichte Matte vor dem Fenster pendelte.

"Ein Fremder war hier!", stieß Park hervor. "Dort durchs Fenster ist er geflohen."

"Fremder in Zimmer", wiederholte Demba mit schiefem Kopf. "Was wollen Fremder?"

"Wie soll ich das wissen", antwortete Park ungeduldig. "Geh zum Fenster, ob du ihn noch siehst! Er trug ein rotes Käppchen."

Demba beugte sich weit über die Fensterbrüstung und hielt Ausschau. Als er dann wieder im Zimmer stand, sah er seinen Herrn mitleidig an.

"Meine Mister träumen. Meine Mister wieder krank."

"Ich habe nicht geträumt. Er kam ins Zimmer geschlichen. Ich stellte mich schlafend und beobachtete ihn. Als du kamst, riss er aus."

Demba lächelte verschmitzt. Was er dachte, stand auf seinem Gesicht zu lesen.

Park wollte aufbrausen, aber er beherrschte sich. Beim Anblick des Jungen wurde er unsicher. War er vielleicht im Halbschlummer gewesen und hatte wirklich geträumt? Was sollte ein Eingeborener hier stehlen? Laidleys Lagerschuppen boten mehr Auswahl. - Auf jeden Fall würde er dem Hausherrn die Geschichte erzählen. Nein, besser alles für sich behalten. Der Doktor würde ihn auslachen und ihm beweisen wollen, dass er noch längst nicht gesund sei.

"Lass mich allein, Demba!", sagte er müde. "Aber gib mir meine Pistolen, falls der Kerl wiederkommt!"

"Kerl nicht kommen wieder, Mister. Kerl waren nicht Kerl, waren böse Zauber. Demba wissen, wie böse Zauber verjagen."

GEHEIMNIS UM MADIBU

Die Regenzeit war zu Ende. Über Pisania breitete sich wolkenloser Himmel. Felder und Wege trockneten. Park hatte seine Krankheit überstanden und ersehnte den Tag der Abreise.

Am frühen Morgen brachte Doktor Laidley die lang erwartete Nachricht. "Hören Sie die freudige Botschaft! Sklavenhändler sind im Dorf. Sie wollen nach Osten, zum Senegal, und stellen hier ihre Koffle zusammen."

Parks Fragen überstürzten sich. "Wo sind die Händler? Wann reisen sie ab? Werden sie mich mitnehmen?"

"Gehen Sie ins Dorf! Verhandeln Sie selbst mit ihnen!"

Am Rande des Dorfplatzes stand ein Spitzzelt. Davor kauerten vier Männer, die Slatis. Sie trugen Turbane und rauchten aus langstieligen Pfeifen. Die weiten, hellen Gewänder wurden durch bunte Gürtelschals zusammengehalten, in denen Krummsäbel und Pistolen steckten.

Parks freundlicher Gruß bekam mürrisches Brummen zur Antwort. Die Neger sahen ihn kaum an. Park schenkte den Händlern ein paar Tabakblätter. Trotzdem beantworteten sie seine Fragen widerwillig und knapp.

Er war enttäuscht und beklagte sich bei Doktor Laidley.

"Daran müssen Sie sich gewöhnen", tröstete ihn der Hausherr. "Die Slatis sind Mohammedaner. Wir Christen sind Heiden für sie. Aber mitnehmen wird man Sie auf jeden Fall. In Afrika lehnt niemand einen Reisegefährten ab. Das ist Brauch und Anstandspflicht. Sie sehen, in der Höflichkeit sind sie uns überlegen."

"Wann beginnt der Marsch nach Osten?"

"Einige Tage werden noch vergehen. Die Händler warten auf eine Salzkarawane aus dem Norden."

"Wozu sie das viele Salz brauchen, ist mir rätselhaft."

"Das Salz kommt aus den Gruben am Rande der großen Wüste. Die Slatis erwerben es dort recht billig. Über Pisania führen sie es ins Landesinnere. Dort ist Salz kostbar und wird gut bezahlt."

"Und was bekommen die Händler für ihr Salz?"

"Sklaven, Elfenbein, Goldstaub, doch vor allem Sklaven."

Park lenkte das Gespräch auf ein anderes Gebiet. "Am liebsten würde ich allein reisen. Diese Slatis gefallen mir nicht. Sie sehen aus, als warteten sie nur auf einen günstigen Augenblick, um mich auszurauben."

"So furchtsam?", lachte Laidley. "Glauben Sie mir: Bessere Begleiter können Sie nicht finden. Diese Slatis reisen jedes Jahr vom Gambia landeinwärts. Sie kennen Wälder und Steppen, Menschen und Tiere. Sie wissen sich in jeder Lage zu helfen. Dieser Ritt durch unser Afrika ist kein Spaziergang. Wenn Sie erst einmal allein sind, werden Sie sich noch die Slatis zurückwünschen." In der Nacht vor der Abreise konnte Park nicht einschlafen. Bis zum Morgengrauen wälzte er sich auf seinem Lager, schwitzte, stand auf und legte sich wieder hin.

 

Es war der 21. November 1795. Morgens belud Johnson die beiden Packesel, die Doktor Laidley gestellt hatte. Park hatte Zeit, zum letzten Mal in aller Ruhe zu frühstücken. Aber seine Gedanken waren weit weg. Er würgte und schluckte ohne Genuss an seinem Mahl. Der Hausherr trat ins Zimmer. In der Hand hielt er einige Schreiben.

"Obwohl ich Sie noch ein Stück begleite, möchte ich Ihnen jetzt schon diese Briefe geben. Ich habe an die Schwarzen geschrieben, die bei ihren Handelsreisen oft zu mir gekommen sind. Die Leute achten mich. Geben Sie ihnen diese Briefe; man wird Ihnen weiterhelfen. Doch nun müssen wir gehen. Ich habe Demba schon nach den Pferden geschickt."

Die Koffle war marschbereit. Die Esel der Slatis waren unter dem umfangreichen Gepäck ihrer Herren kaum zu erkennen. Johnson wartete bereits.

"Hast du nichts vergessen, Johnson?", erkundigte sich Park.