Impressum

Angelika Hofmann

Geschichte lebendig halten – Erlesenes, Erfahrenes, Erlebtes

Versuch einer Chronik von Wolteritz und Lössen

 

ISBN 978-3-96521-175-9 (Buch)

ISBN 978-3-96521-176-6 (E-Book)

 

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

Herausgeber: Gisela Pekrul

 

© 2020 EDITION digital

Pekrul & Sohn GbR

Godern

Alte Dorfstraße 2 b

19065 Pinnow

Tel.: 03860 505788

E-Mail: verlag@edition-digital.de

Internet: https://www.edition-digital.de

Vorwort

Wir leben in einer schnelllebigen Zeit. Was gestern war, ist heute Vergangenheit.

Aber ein Stück unseres Lebens - ein Stück gemeinsames Miteinander in Lössen und Wolteritz soll in dieser Chronik aufgeschrieben und in Bildern wiedergegeben werden, so dass die Erinnerungen, die verblassen, die Ereignisse, die man vergisst, doch noch in Schriftform erhalten bleiben.

Eine lückenlose Darstellung der Entwicklung der beiden Dörfer ließen die Quellen nicht zu. Es wurde auch etwas spät mit der Arbeit an den Chroniken begonnen, so dass wichtige Zeitzeugen inzwischen verstorben sind oder manche Dinge vergessen wurden. Trotzdem ist ein umfangreiches Werk entstanden, dessen Gliederung einiges Kopfzerbrechen bereitete. Da Lössen seit 1950 zu Wolteritz gehört und auch vorher in einigen Fragen wie Schule, Kindergarten und Vereinstätigkeit eine enge Zusammenarbeit erfolgte, habe ich Lössen mit der Buschkirche zwar extra abgehandelt, aber inhaltliche Ergänzungen Wolteritz zugeordnet. Hausnummern gab es erst spät in beiden Dörfern und haben sich auch immer mal geändert. Deshalb habe ich immer die aktuelle Hausnummer verwendet. Das trifft auch auf den Straßennamen „Spielstraße“ zu.

Großer Dank gilt den Bürgern von Wolteritz und Lössen, die umfangreiches Bildmaterial und Hinweise zur Entwicklung und zum Leben der beiden Orte zur Verfügung gestellt haben.

Des Weiteren danke ich für die direkte Mitarbeit an der Chronik:

Herrn Prof. Gerhard Graf aus Leipzig, Herrn Hindemith vom Amt für Ländliche Neuordnung, Marcel Grube, Wolfgang Ramm, Ruth Grafe, Lore Felgner, Martina Pester, Georg Dalibor, Rita Omlor, Walther Höger, den Töchtern von Willi Spott und Aloisa Dietrich.

Besonderen Dank möchte ich Karin Hofmann aussprechen, denn ohne sie wäre das Material nicht in Schriftform gekommen und ohne die Mitarbeit von Gisela Pekrul geborene Grabs und Ernst Franta von der Medienagentur Franta hätten wir es nicht geschafft, die Aufzeichnungen als Buch in den Händen zu halten.

Wolteritz, 1. Oktober 2019

Angelika Hofmann

Wolteritz

Von der ersten Besiedlung bis zum 10. Jahrhundert

Bodenfunde belegen die ur- und frühgeschichtliche Besiedlung des Landes am Lober. Sie beweisen, dass schon vor nahezu 250 000 Jahren altsteinzeitliche Jäger und Sammler durch dieses Gebiet gezogen sind. Ihre Hinterlassenschaft besteht z. B. aus Feuersteinwerkzeugen und Material aus organischen Stoffen.

Erste Spuren einer Sesshaftwerdung, einer wirklichen Siedlungstätigkeit, hinterließen an dem Landstrich am Lober vor rund 6 000 Jahren in der Jungsteinzeit die ersten Ackerbauern und Viehzüchter.

Ein germanischer Siedlungsplatz aus dem 1. und 2. Jahrhundert liegt in der Nähe der Buschkirche.

Im Verlaufe der Völkerwanderung, die zur Ausbildung von Vorformen der klassengesellschaftlichen Feudalordnung und zur Entwicklung neuer Produktionsverhältnisse in Europa führte, zogen die germanischen Stämme und Stammesverbände aus diesem Gebiet ab.

Ihnen folgten slawische Stämme, die um die Mitte und gegen Ende des 6. Jahrhunderts aus dem Böhmischen die Elbe abwärts bis zur Saalemündung vorstießen. Danach, rückwärtsziehend, besiedelten sie dann das Gebiet zwischen beiden Flüssen einschließlich der Mulde und der Weißen Elster und machten es durch umfangreiche Rodungen landwirtschaftlich nutzbar. Auch entlang des Loberbaches vollzog sich die westslawisch-sorbische Besiedlung, wie zahlreiche Bodenfunde beweisen.

Das gesamte Gebiet zwischen Mulde und östlich der Linie Zörbig-Halle wurde nun vom Stamm der Siusili bewohnt. Im 9. und 10. Jahrhundert entstanden slawische Siedlungen im Gebiet des Lobers, zu dieser Zeit könnte der nördliche Rundling entstanden sein.

Die Dichte der Besiedlung ist wohl sehr groß gewesen. Man begegnete in drei bis fünf Kilometer Entfernung slawischen Siedlungen.

Die Siedlungsplätze hängen mit den hydrografischen Verhältnissen zusammen. Die meisten sorbischen Dörfer lagen an Flussläufen oder in benachbarten, überschwemmungsfreien Ländereien. Man stellt sich die Dörfer als Kleinsiedlungen vor (Weiler, Rundweiler, Rundling mit drei bis sechs Höfen). Die zu den Höfen gehörenden Ackerstücke hatten unregelmäßige Formen und umschlossen die Siedlung. Die Bewohner lebten von Viehzucht, Fischfang, Bienenzucht und Ackerbau.

Für die siedelnden Slawen bildete sich allmählich die Bezeichnung Sorben heraus.

Die Mehrheit der sorbischen Bauern dürfte zunächst in Großfamilien gelebt haben; das bezeugen die sogenannten patronymischen Ortsnamen. Der Name des Oberhauptes oder des Begründers der Großfamilie übertrug sich auf den Namen des Dorfes. Wolteritz, es bedeutet soviel wie „Leute des Walter“, weist als deutsch-slawischer Mischname auf seinen vermutlichen Begründer hin. [10 Seite 6]

Dessen Name dauert im Ortsnamen zusammen mit der sorbischen Bezeichnung für Siedlung -itz (ici) fort. [5] Dass es sich um ein freundliches Zusammenwirken handelte, zeigt nicht zuletzt die 1350 benutzte sorbische Namenform Waltericz und nicht die deutsche Waltersdorf.

In Lössen waren es Sümpfe und sumpfige Wiesen, die für die slawischen Ansiedler zum Anlass für die Benennung des Ortes wurden, dessen Bezeichnung auf das altsorbische Wort „Vlozno“, das heißt Feuchtigkeit, zurückzuführen ist.

Auch die verschiedenen Flurnamen sind slawisch-sorbischen Ursprungs. In dem Buch Wüstungskunde des Kreises Delitzsch und Bitterfeld wird auf Orte verwiesen, welche um Wolteritz existierten, aber später durch die unterschiedliche Gründe, z. B. Kriege, Epidemien, schlechte Erträge der Böden und damit Verarmung der Bevölkerung bis zu Hungersnöten, wüst wurden.

Zu den ehemaligen, später wüst gegangenen Orten gehören:

Lipzig: 1350 erwähnt bis zum 16. Jahrhundert;

Buschenau: um das 16. Jahrhundert verödet;

Scherpert: 1378 erwähnt bis 1425;

Rehfeld: 1378 erwähnt bis zum 15. Jahrhundert.

12. und 13. Jahrhundert (Zeittafel)

Im 12. und in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wanderten viele bäuerliche und bürgerliche Bevölkerungsgruppen, vor allem aus Franken, Niedersachsen, aus dem Rheinland und Flandern, ein. Die Mehrzahl der noch heute bestehenden Dörfer und Fluren wurde in dieser Zeit angelegt. Die Einwanderer machten in unvorstellbaren harten und schweren Rodearbeiten weites Land urbar und gründeten neue Siedlungen oder ließen sich vielfach in oder bei slawischen Siedlungen nieder. Das lang gestreckte Straßendorf entwickelte sich. Über Wolteritz steht geschrieben, dass das Straßendorf zwischen zwei Rundlingen, die von Sorben bewohnt waren, angelegt wurde. So spiegelte der Ortsname eine friedliche Zusammenarbeit der Völker wider (slawische Bauern und deutscher Grundherr). Man könnte sich vorstellen, dass der nördliche Rundling mit Kirche so mit dem südlichen Rundling (Lipzig) zusammenwuchs.

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1976: Südlicher Rundling

Die Kirche von Wolteritz zeigt Hinweise auf, dass das Dorf vor dem 12. Jahrhundert entstanden sein muss. Leider gibt es dafür keine schriftlichen Belege. Ende des 12.Jahrhunderts wurde mit dem Steinbau der Kirche begonnen.

14. Jahrhundert und Ersterwähnung 1349/1350 (Zeittafel)

Fast alle Dörfer dieses Gebietes sind im Lehnbuch des Markgrafen Friedrich der Strenge (1331-1381) 1349/1350 erstmals schriftlich erwähnt. Eintragungen geben auch Auskunft über die Grundherren der Dörfer und somit über die feudale Ausbeutung der Bewohner.^

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Das Original wird im Staatsarchiv Dresden verwahrt. [10, Seite 50]

Es handelt sich hierbei um das zur Zeit älteste bekannte Dokument.

Darin heißt es u. a.:

„Item Otto der Nienburg in Waltericz 17 monsos feudales et ins patro- natus ...“ (Außerdem Otto von Nienburg in Wolteritz 17 Lehnshufen und das Patronatsrecht ...)

Johannes von Zwochau, Ritter und Herr von Zwochau, erhielt 3 Hufen Land und 2 Höfe in Wolteritz sowie 2 Hufen mit dazugehörigen Bauernhöfen und Einwohnern in Lemsel.

Die Höfe mit den abgabepflichtigen Bauern bildeten die ökonomische Grundlage der Feudalherren.

„Große Bedeutung für die Verwaltung und damit auch für die Dörfer gewann die Einführung der Ämterverfassung im 14. Jahrhundert. Sie war zugleich verbunden mit der vollständigen Durchsetzung der Herrschaft der Markgrafen von Meißen, der Wettiner und der beginnenden Festigung der Landesherrschaft. Delitzsch wurde Sitz des markgrafischen, später kurfürstlichen Schössers oder Amtsmannes, der wichtige Funktionen innerhalb der feudalen Verwaltungsgliederung ausübte.“ [10, Seite 10]

„Im 14. Jahrhundert herrschte Pest, der schwarze Tod genannt. Von dieser nun 3 Jahre anhaltenden Krankheit - der schrecklichsten in der Geschichte - wie Johann Gottlieb Lehmann in seiner Delitzscher Chronik schreibt - wird der größte Teil der Bevölkerung Deutschlands hingerafft. Auch in unserer Gegend sieht man diese Krankheit als Gottesgericht an, denn auch das südwestlich von Lössen in Richtung Wolteritz 1378 erstmals erwähnte, bis 1425 jedoch wüst gewordene Dorf Scherpert …“ [10, Seite 11]

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15. Jahrhundert (Zeittafel)

1404 wurde die Schreibweise verändert auf WOLTERICZ.

1423 wurde der meißnische Markgraf Kurfürst, rückte also in den Kreis der sieben bedeutendsten Reichsfürsten, die den deutschen König wählten, auf. Aus der Markgrafschaft Meißen wurde das Kurfürstentum Sachsen.

Scherpert wurde 1425 letztmalig erwähnt, Rehfeld im 15. Jahrhundert.

„1456 - Von Papst Callixtus wird das Mittagsläuten angeordnet, um damit die Menschen an ihr Gebet und den Sieg über die vorrückenden Türken und an den Frieden allgemein zu erinnern.“ [29]

„1484 - Eine Missernte mit anschließender Hungersnot hat eine gefährlich ansteckende Krankheit zur Folge, an der viele Menschen sterben.“

„Bei der Leipziger Teilung des Kurfürstentums im Jahre 1485 verblieb das Amt Delitzsch mit den in ihm liegenden Dörfern bei der Albertinischen Linie, dem Herzogtum Sachsen. Das hatte zur Folge, dass die Reformation erst nach dem Tode von Herzog Georg im Jahre 1539 eingeführt werden konnte“. [10, Seite 12]

16. Jahrhundert (Zeittafel)

Um 1500 erfolgte der erste große Umbau der Kirche im Stil der Spätgotik.

Zur Weiterführung des Krieges gegen die Türken wurde 1523 vom Kaiser die so genannte Türkensteuer eingeführt. Um 1550 konnten in der Türkensteuererhebung 21 Höfe in Wolteritz nachgewiesen werden.

„Beim Ausbruch des Bauernkrieges blieb das Herzogtum, nicht zuletzt dadurch, dass Herzog Georg erbittert alle reformatorischen Bestrebungen bekämpfte, am Rande der revolutionären Ereignisse, wenngleich die Bauern südlich von Delitzsch ebenfalls feudaler Ausbeutung unterworfen waren. Wolteritz hatte Abgaben und Zinsen dem landesherrlichen Amt in Delitzsch zu entrichten und Frondienste beim Wegebau und Spann- und Fahrdienste für das Amt zu leisten.“ [10, Seite 13] Delitzsch wurde zum Sitz des Amtsmannes, der wichtige Funktionen innerhalb der feudalen Verwaltungsgliederung ausübte.

Mit dem Sieg der Fürstenheere über die aufständischen Bauern im Jahre 1525 bei Frankenhausen wurden die Weichen für eine intensivere Ausbeutung durch die Feudalherren und für die brutale Unterdrückung jeglicher bäuerlicher Freiheitsbestrebung gestellt. Hinzu kamen die andauernden Streitigkeiten des niederen Adels, namentlich der Herren von Krostewitz auf Lemsel, mit der Stadt Delitzsch, die die Gegend beunruhigten. [10, Seite 13]

Die Bezeichnung des Gutes (Kossäten-, Anspänner- und Bauerngut) gibt Aufschluss darüber, welche Art von Frondiensten auferlegt war. Anspännergute hatten Frondienste mit dem Pferd oder Gespann zu leisten. Kossäten hingegen hatten ihren Dienst mit der Hand zu verrichten, z. B. Getreide mit der Sense zu mähen.

„Ungewöhnliche Regengüsse und damit verbundene Überschwemmungen der Felder brachten 1539 Teuerungen, Hungersnot und Krankheit.“ [29]

Nach dem Tode von Herzog Georg dem Bärtigen übernahm sein Bruder Heinrich, der als Heinrich der Fromme in die sächsische Geschichte einging, die Regierung. War Georg ein ausgesprochener Gegner Luthers, so war Heinrich ein Anhänger von Martin Luther und führte 1539 im Herzogtum Sachsen, wie es schon lange vorher im Kurfürstentum Sachsen der Fall war, die Reformation ein. Es wurden lutherische Prediger eingestellt und Kirchenvisitationen abgehalten, die Aufschluss über den bestehenden Zustand von Kirche, Pfarre und Schule geben sollten. Der katholische Pfarrer von Wolteritz wurde der evangelische Pfarrer.

„Im Meißener Land traten 1542 riesige Heuschreckenschwärme auf, die bis an die Mulde vordrangen. Sie ließen sich in fußhohen Haufen nieder mit richtig großem Schaden.“ [29]

Ab 1551 wurde von Schreibkundigen jetzt WALTTERITZ geschrieben.

Ab 1550/1560 gab es in Kursachsen eine Schulpflicht.

„1565/1566 breitete sich die Pest wieder aus und gelangte auch nach Delitzsch, so dass in diesem Jahr dort 482 Personen starben.“ [29]

1559 wurde das Nachtwächterhaus erstmals urkundlich als Hirtenhaus erwähnt.

„Vom Delitzscher Amtsschösser wurde 1576 festgelegt, dass der Lober bis zum Johannistag des Jahres von der Quelle bis Lemsel zwei Ellen breit und eine Elle tief und von Lemsel an 3 Ellen breit von den anliegenden Eigentümern hergerichtet und erhalten werden muss.“ [29]

1580 wurde ein Haus mit Garten ertauscht von Bauer Galle Naumann zur Nutzung für den Kirchner und die Schule. [52, S. 301]

1574 wurde über den Zustand des vorherigen Pfarrhauses wie folgt berichtet: „Eine ziemliche Pfarrbehausung, habe anno 73 eine neue Küche gebaut; hinter der Behausung ist ein Grasgarten. Weiter klagt der Pfarrer, die Stube ist ziemlich bewahret mit Kleben, auch Fensterrahmen und auswendigen Litte (Läden). Was das Glaswerk an den Fenstern belangt, bin ich schuldig zu erhalten und willig.“ [52, S. 302]

„In den katholischen Ländern führte Papst Gregor XIII. 1582 einen neuen Kalender ein, womit der auf einer falschen Jahreslänge beruhende Julianische Kalender abgelöst wurde. Obwohl diese Kalenderform notwendig und vernünftig war, wurde sie in den protestantischen Ländern aus Antipathie gegenüber dem Papst abgelehnt und nicht eingeführt.“ [29]

1589 wurde ein Schenkgut auf dem Grundstück der heutigen Dorfstraße 15 erwähnt, als Schankgerechtigkeit und Anspännergut bekannt. Das Gut wurde erstmals 1519 im Heerfahrtsregister erwähnt.

Buschenau wurde im 16. Jahrhundert öd, Lipzig wurde letztmalig erwähnt.

17. Jahrhundert (Zeittafel)

Um 1600 wurde vom Hof auf dem südlichen Rundling, heute Dorfstraße 22, 21a, 23 und 28, ein Schmiedegut abgetrennt.

1610 wurde die Glockenstube der Kirche erneuert und vermutlich zugleich der Turm erhöht.

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Glockenstuhl, laut Balkeneinritzung um 1610 errichtet

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Anno 1610

„Unsägliches Elend und tiefste Not brachte der 30-jährige Krieg (1618-1648) für Delitzsch und seine Umgebung. 1631 wurde das Dorf Breitenfeld zum Schauplatz einer blutigen Schlacht. Die Gegend zwischen Leipzig und Delitzsch bildete das unmittelbare Aufmarschgebiet der beteiligten Truppen. Entsprechend der Devise Wallensteins, dass der Krieg den Krieg ernährt, wurden sämtliche Dörfer völlig ausgeplündert, wurde geraubt, gebrandschatzt, gemordet und vergewaltigt. [10, Seite 13]

Die Verluste an Menschen und materiellen Gütern waren enorm. Zudem kam 1632/1633 wieder der Ausbruch der Pest. Es gab keine Familie, in der es keinen Toten gab. Die entstehende Teuerung vervielfachte das Elend.

Das Dorf brauchte Jahrzehnte, um sich davon zu erholen.“ [10]

In dem Buch „Die verlorenen Orte des Kreises Delitzsch“ steht auf Seite 21 geschrieben: „Von den 21 Häusern mit ehemals 150 Einwohnern lebten nur noch 25 Personen. Das Pfarrhaus war niedergebrannt und weitere 7 Höfe lagen wüst.“

14.10.1648: Der Frieden brachte aber kein Ende der Belastung, das Amt Delitzsch musste 400 Taler zur Kriegsentschädigung beitragen. [10, Seite 14]

1618 wurde in Wolteritz ein Schmiedegut nachgewiesen, eine Schul- und Küsterwohnung war vorhanden. 1634 wurde das Schulgebäude von allen Einwohnern der Gemeinde Wolteritz und Lössen neu erbaut. Dieses wurde vermutlich durch die Auswirkungen des 30-jährigen Krieges wieder zerstört und wohl um 1660 wieder errichtet. [52, S. 300]

In Sachsen und Thüringen waren am 7. April und am 21.0ktober 1632 starke Erderschütterungen zu spüren. [29] 1638 gab es viele Feldmäuse und große Überschwemmungen. [29] Nach Beendigung des holländischen Krieges 1672 marschierten kaiserliche Soldaten durch unsere Gegend und bedrängten die Bevölkerung. Im Dezember 1676 marschierten aus Schlesien kommend kaiserliche Truppen erneut durch unsere Gegend. 1678 traten Feldmäuse in großen Scharen auf. 1683 wurde wegen der Befreiung Wiens von der türkischen Belagerung am 16. 9. in den Kirchen ein Dankfest gefeiert. 1692 gab es viele Raupen, die den Obstbäumen großen Schaden zufügten. Am 18.9.1692 war ein starkes Erdbeben zu spüren.

Das Amt Delitzsch gehörte von 1656-1738 zum Herzogtum Sachsen-Merseburg.

18. Jahrhundert (Zeittafel)

1700 wurde der Gregorianische Kalender eingeführt. Auf den 18.2. des alten folgte unmittelbar der 1. März des neuen Kalenders. [29]

„In den nun folgenden Jahrzehnten waren in den Amtsdörfern immer mehr Handwerker und Häusler nachweisbar“ [ 10]. In Wolteritz fand man 1728 einen Schuster und eine geschworene Hebamme, 1729 einen Zimmermann und 1742 Leineweber.

Das Land hatte sich von dem 30-jährigen Krieg noch nicht gänzlich erholt, als es bereits 1706 erneut Schauplatz kriegerischer Ereignisse wurde. Im sogenannten Nordischen Krieg besetzten schwedische Truppen in einer Stärke von 20 000 Mann das Kurfürstentum. Schwedische Truppen bezogen im Amt Delitzsch ihr Winterquartier und bereiteten sich für den Feldzug gegen Russland vor. Als Proviant nahmen sie beim Abmarsch aus Brodau 50 Zentner Heu, 47 1/2 Maaß Hafer, 51 Maaß Butter, einen Wagen, ein Pferd, fünf Wagenräder, einen Wagenkorb, 96 Brote, fünf Maaß Salz, ½ Maaß Bier. Auf Grund der sich noch häufig wiederholenden Einquartierung und der wüsten Gelage war die Lemseler Schenke baufällig. [10, Seite 15]

Die Kriege waren das eine, aber die Abgaben und Frondienste pressten die Bauern ständig aus. 1742 mussten neben der Ackerfron auch Fuhrdienste geleistet werden. Wolteritz wurde aufgefordert, dafür 25 Pferde einzusetzen. „Im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts gab es fünf Höfe mit ein bis zwei Hufen Land, einen Hof mit weniger als einem Hufen Land, fünf Höfe ohne Land“ (Hufe - altes, auf eine Familie berechnetes, mit einem Pflug und Gespann zu bestellendes Ackerlos von 20 bis 40 Morgen). [10, Seite 16]

Hervorzuheben sind die Einführung des Kartoffelanbaus, 1756 auf Befehl der Anbau der Zuckerrübe.

Fast alle Gewässer trockneten 1706 infolge der lang andauernden Hitze des Sommers aus. [29]

Eine im Januar 1709 beginnende strenge Kälte dauerte vier Monate. Ihr fielen zahlreiche Vögel, Fische und Tiere in Wald und Flur zum Opfer. [29]

Am 25. Oktober 1711 war im ganzen Kurfürstentum Sachsen ein Erdbeben zu spüren. [29]

Nach 1720 wurde das Kirchenportal von der Süd- an die Westseite verlegt, wo es sich seither befindet.

1725 wurde der Chorraum der Kirche durch die Aufstellung eines Kanzelaltars umgewandelt.

Am 5. September 1727 starb Christine Eberhardine, die Ehefrau des Kurfürsten von Sachsen und Königs von Polen August des Starken auf dem Schloss zu Pretzsch und wurde dort in der Kirche bestattet. Auf Anordnung wurde deshalb auch in Wolteritz vier Wochen lang an jedem Tag von 11-12 Uhr geläutet und ein viertel Jahr getrauert. [29]

1728 wurde das Nachtwächterhaus neu erbaut.

Am 1.2.1733 starb August der Starke in Warschau. Auf Anordnung wieder das Läuten zur Mittagszeit. Am 14.4. wurde in den Kirchen des gesamten Landes eine Trauer- und Gedächtnispredigt gehalten und danach drei Tage lang je eine Stunde geläutet. [29]

1753 wurde die heute bekannte Schreibweise WOLTERITZ eingeführt.

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Alte Karte von Wolteritz und Umgebung

Der Winter 1765/1766 brachte keinen Schnee und kein Eis. Im Sommer war es sehr warm. Die sehr reiche Ernte an Obst und Getreide bewirkte, dass diese kaum abgesetzt werden konnte und so die Bauern in finanzielle Schwierigkeiten gerieten.

In der Nacht vom 18. zum 19. Januar 1770 war ein riesiges Nordlicht sichtbar, das den größten Teil des Himmels blutrot einfärbte. Der Frühling stellte sich zeitig ein. Die Witterung war bis zum 18.3. ausgesprochen mild. Ab diesem Tag fiel aber eine Woche lang sehr viel Schnee und es trat eine strenge Kälte ein. Der Schnee war erst Ende April wieder weggetaut. Aus Nahrungsmangel verendete eine große Anzahl an Vögeln. Die Feldfrüchte gediehen durch den darauf folgenden anhaltenden Regen schlecht, so dass eine geringe Ernte die Folge war. Die Missernte wurde noch durch das Vorhandensein vieler Mäuse verstärkt. [29]

Das Jahr 1784 zeichnete sich durch viel Regen und damit verbundene Überschwemmungen in ganz Europa aus. [29]

1785 wurde das Kleinbauernhaus auf dem Grundstück 37 errichtet. Das Erdgeschoss war ein Lehmbau.

Das Pfarrwohnhaus wurde im Jahr 1792 als zweigeschossiges Wohnhaus, Erdgeschoss in Wellerlehm, Obergeschoss in Fachwerkbauweise, neu erbaut.

Durch wirtschaftliche Not begründet, hat sich im Amt Delitzsch um 1795 das Bettelunwesen sehr ausgeprägt. Um diese Zeit haben sich ganze Bettlergruppen gebildet, denen die Dorfbewohner aus Angst vor Brandschatzungen und anderen Übergriffen Geld und Lebensmittel gaben. [8]

19. Jahrhundert (Zeittafel)

1806 hatte man in Preußen die Prügelstrafe mit der Haselrute abgeschafft.

1807 wurde die Mühle nördlich von Wolteritz errichtet, 1816 wurden die Eigentumsrechte vom Patrimonialgericht Lemsel bestätigt.

1813 war die Völkerschlacht bei Leipzig.

Der Wiener Kongress 1815 beschloss die Teilung Sachsens. Das ehemalige sächsische Amt gehörte nun zu Preußen. Aus den Kaffeesachsen wurden Musspreußen. Die bisherige sächsische Ämtereinteilung wurde aufgegeben und 1816 durch die preußische Kreiseinteilung ersetzt. Wolteritz lag nun in der Provinz Sachsen, Regierungsbezirk Merseburg, Kreis Delitzsch. Zwischen Schladitz und Wiederitzsch sowie zwischen Güntheritz und Podelwitz verlief nun die preußisch-sächsische Grenze. [8] Außer einer Grenz- und Zollstation in Schladitz - man benötigte einen Ausweis, wenn man nach Sachsen wollte - gab es viele weitere Veränderungen. Erstmals lagen zuverlässige Einwohnerzahlen für die Dörfer vor. In Wolteritz gab es 1818 183 Einwohner. Neben den Einwohnerzahlen erfasste die neue preußische Verwaltung alle zu entrichtenden Abgaben und Frondienste sowie die Donativgelder, die von den Rittergutsbesitzern an den preußischen Fiskus abzuführen waren. Dabei wurde offengelegt, dass gerade das Amt mit den Dörfern außer den normalen Abgaben auch Geld- und Naturalleistungen an die Universität Leipzig zu entrichten hatte. [10, Seite 18] Diese Regelung stammte aus dem 17. Jahrhundert.

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war der größte Teil der Hofstellen dem ansässigen Rittergut in Lemsel zins- und dienstpflichtig, aber Lehen des Rittergutes Döbernitz sowie Höfe als Amtslehen waren ebenfalls aufgeführt.

Am 7. November 1816 erhielt Müllermeister Johann Christoph Funke vom Patrimonialgericht des Rittergutes Lemsel ein Eigentumsrecht an seiner 1807 neu erbauten Bockwindmühle nördlich des Dorfes bestätigt.

Am Abend des 28. Februar 1819 hörte man unterirdisches Rumoren und spürte eine Erderschütterung, die eine halbe Minute andauerte. 1820 wurde die bisher über 200 Jahre in Zwochau befindliche königliche Einnehmerstelle der öffentliche Gefälle, wie des Geleites, der Mahl- und Schlachtesteuer von Zwochau nach Zschortau verlegt. [8] Am 28. Oktober 1821, abends gegen neun Uhr, verspürte man ein starkes Erdbeben, bei dem bisweilen in den Häusern der Kalk von den Wänden rieselte. [29]

Der am 19. März 1822 tobende orkanartige Sturm entwurzelte Bäume und riss von den Gebäuden die Dächer herunter. Nach sehr großer Hitze vom 22. Juli brach am 25. Juli ein heftiger Sturm verbunden mit schrecklichem Hagelwetter herein. Die großen Hagelkörner erschlugen Vögel, Rebhühner und sogar Hasen. [29]

Im „Nachrichtenblatt für den Delitzscher und Bitterfelder Kreis“ wurde 1824 u. a. mitgeteilt, dass in Wolteritz „ein und ein halb Hufenguth, welches auf 1.450 Thaler hochgeschätzt worden ist, es sollte in dem gewöhnlichen Gerichtslokal auf dem Ritterguthe Lemsel geboten werden“. U. a. wurde mitgeteilt, dass das Patrimonialgericht Lemsel gegen sofortige Bezahlung weibliche Kleidungsstücke, Betten, Wäsche u. a. Mobilien verkauft.

1825 kaufte Johann Friedrich Parthey von seinem Schwiegervater Johann Christoph Funke die Bockwindmühle nördlich von Wolteritz.

Auf dem Rittergut Lemsel trat 1826 unter dem Rindviehbestand eine Tollwutkrankheit aus, wobei einige Tiere von einem tollwütigen Hund gebissen wurden. Es wurde daraufhin ein Befehl erlassen, nachdem alle Hunde anzulegen sind, und für jeden freiumherlaufenden Hund wurde dem Besitzer des Tieres eine Strafe von 10 Talern angedroht.

Die allmähliche Umwandlung der feudalen Produktionsverhältnisse in kapitalistische erfolgte auf einem opferreichen Weg der Reformen. Die Bauern kauften sich los von den feudalen Verpflichtungen. Die Erhebung der Kreisverwaltung in Delitzsch aus dem Jahre 1830 gab einen Überblick über die Größe der Acker- und Weideflächen und die abzulösenden Feudalrenten. Wolteritz hatte eine landwirtschaftlich genutzte Fläche von 1 252 preußischen Morgen (1 preußischer Morgen = 2 500 m2). 27 Familien mit Grundbesitz gab es. Die Besitzspanne belief sich von 0,125 preußische Morgen bis 152 preußische Morgen. Es gab zwei Familien ohne Land, aber mit Hausbesitz und 22 Einwohner als Gesinde. Hinzu kamen noch abzulösende Frondienste der Gemeinde, Ackerdienste, Baudienste, Gespanndienste und Handdienste. Es hatten sich auch großbäuerliche Betriebe gebildet. Trotzdem gab es auf dem Land Not. 1845 ging aus dem Gemeindevermögen hervor, dass es ein Armenhaus und ein Hirtenhaus gab, welches durch die Allgemeinheit aus dem Ort finanziert wurde. Die Hirten gehörten zu den Schlechtbezahltesten im Dorf (Hirtenhaus 1559 erstmals erwähnt). Die Separation um 1840 war ein Meilenstein in der Entwicklung der Landwirtschaft. Die Dreifelderwirtschaft wurde aufgehoben. Die ehemals schmalen Feldstreifen wurden zusammengelegt.

Die wichtige Straße zwischen Leipzig und Delitzsch wurde 1833 chausseemäßig ausgebaut. Mit der Schaffung des Deutschen Zollvereins erübrigte sich 1834 u. a. das Hauptzollamt in Schladitz. Anfang des Jahres 1835 wurden Spiritus und Branntwein aus der neu errichteten Lemseler Brennerei auf dem Rittergut Lemsel zum Kauf angeboten.

In der Nacht vom 7. zum 8. April 1837 kam es zu einem starken Schneefall und es trat eine zwei Wochen währende eisige Kälte ein. [29]

Im Stempel von Wolteritz im Handbuch eines Müllergesellen von 1839 ist eine Linde eingraviert.

1840 erhielt die Wolteritzer Kirche eine Orgel.

Am 1. Juli 1841 kaufte Johann Friedrich Spott aus Wolteritz die Bockwindmühle nördlich des Dorfes. [52, S. 304]

Der Winter zu Beginn des Jahres 1845 brachte viel Schnee und besonders im Februar anhaltende Kälte. Zahlreiche Hasen verendeten. Erst am 22. März trat Tauwetter ein und einsetzender Regen beschleunigte das Schmelzen von Schnee und Eis, so dass dadurch ein großes Hochwasser entstand. [29]

Seit 1846 gab es die Schmiede in der heutigen Dorfstraße 28, sie wurde bis zum Tod des Schmiedemeisters 1950 betrieben.

Der Fleischermeister Hartig, Friedrich Hermann kaufte am 17. Dezember 1846 das Gut (heute Dorfstraße 13) für 1500 Taler und übernahm die Schankgerechtigkeit für das Dorf. [52]

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Auszug aus dem Handbuch von 1839 mit dem damaligen Siegel von Wolteritz

Am 16. März 1847 stellte Gottlob Gieseler, Kölsa, den Antrag zum Aufbau einer Bockwindmühle südöstlich des Dorfes.

Mehrere Ährenleser bedankten sich 1847 bei dem Zschortauer Grundbesitzer, dass sie auf abgeernteten Feldern fast alles Gewirr uneigennützig den Armen überlassen hatten.

Nach der bürgerlich-demokratischen Revolution 1848/49, welche mit einer Niederlage endete, konnte das Lehrergehalt erhöht werden. Am 23.12.1867 setzt die königliche Regierung, Abteilung Kirche und Schulwesen zu Merseburg das „Normaleinkommen von Lehrern auf dem Lande“ fest. Ab 1867 erfolgte die Besoldung der Lehrer durch den Staat. Trotzdem bestand die Verflechtung von Schule und Kirche fort - der Lehrer war gleichzeitig Küster. [10, Seite 21]

Der königliche Landrat teilte 1854 mit, dass dem Zschortauer Barbier Heinrich Brückner von der königlichen Regierung zu Merseburg die Erlaubnis zur Ausübung der niedrigen Chirurgie erteilt worden ist. [29]

Seit 1859 existierte die Eisenbahnverbindung von Leipzig über Delitzsch nach Bitterfeld [29] - was haben die Leute damals für Augen gemacht, als sie das dampfende Ungetüm sahen. Eine pferdebetriebene Omnibuslinie hatte den Betrieb am 15.4.1862 zwischen Delitzsch und Leipzig über Brodenaundorf, Lemsel und Schladitz aufgenommen. [10]

In Zschortau konnte man seit 1861 im Groß- und Einzelhandel Braun- und Steinkohle, Torf, sowie Mauer- und Dachsteine erwerben. [29]

1866 Deutscher Krieg: Mehrere Abteilungen Preußen (Westfalen, Rheinländer und Garden) rückten vom Norden her in Sachsen ein.

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Aufbruch des Regimentsstabes des 11. (westfälischen) Husarenregiments von Lemsel

1868 Glockenweihe in Wolteritz. Drei Glocken im Durchmesser 0,93,0,75 und 0,65 Meter, am Schallring gemessen, wurden eingebaut.

1870/1871 war der Deutsch-Französische Krieg.

Mit der Gründung des Deutschen Reiches am 18.1.1871 wurde die nationale staatliche Einheit von oben hergestellt, welche die Industrialisierung beschleunigte. Ballungsgebiete entstanden.

Nach 1872 wurden in der Wolteritzer Schule neue Fächer eingeführt: Zeichnen, Raumlehre, Turnen und für die Mädels Handarbeiten, obwohl das Gesetz dazu schon 1854 erlassen wurde.

Die Einwohnerzahl war 1875 auf 271 Einwohner gestiegen. Viele landlose und landarme Bauern gingen in die Stadt arbeiten. Der schlechte Bauzustand der Schule wurde schon zu dieser Zeit beklagt, sowie die üblen Gerüche durch Abort und Gosse. 1828 gab es einen Schneidermeister, 1832 den Wagner, 1889 Maurer. 1876 Fertigstellung des Neubaus der Küsterei (Lehrerwohnung) in der Dorfstr. 40.

Beim Abriss des Grundstückes Dorfstraße 13 wurde 1878 ein Beiblatt vom Kladderadatsch gefunden, einer Zeitung, welche in den Großstädten Hamburg, Frankfurt, Stuttgart, Breslau, Leipzig, Halle, Cöln, London, München, Nürnberg, Prag, Wien, Straßburg und Zürich vertrieben wurde. Dieses Beiblatt enthielt Annoncen.

Am 1. April 1882 ging die Berlin-Leipzig-Eisenbahn in die Hände des Staates über.

Am 12. Mai 1885 wurden Friedrich Lange, Müller, und seine Frau Ida geh. Rosche Eigentümer von Haus und Mühle südöstlich von Wolteritz.

Ab 1875 wurde in der Schule die Augen-, Haar- und Hautfarbe der Schüler erfasst.

1880 fand eine Volkszählung statt, es wurden 245 Wolteritzer und 145 Lössener gezählt.

1885 war die Schule wegen Masern fünf Wochen geschlossen.

In einem Plakat vom November 1888, das beim Abriss des Hauses Dorfstraße 13 gefunden wurde, stand: „Das Verabfolgen von Almosen an Bettler, welche außerhalb ihres Wohnortes ansprechen, ist verboten“. Zuwiderhandlungen wurden mit bis zu 15 Mark gestraft oder bei Unvermögensfällen musste eine Haft angetreten werden.

1888 war das Dreikaiserjahr, Wilhelm I., Friedrich III. und Wilhelm II., alle Kaiser des Deutschen Reiches, waren nacheinander an der Macht.

1890 starben in Wolteritz zwei Personen an der Influenza.

Die Dampfmolkerei Zschortau wurde am 1. Oktober 1892 in Betrieb genommen. Die Milch aus Wolteritz wurde ebenfalls dahin geliefert. [29]

Das Jahr 1895 war durch eine Maikäferplage und im Herbst durch eine Mäuseplage gekennzeichnet. Eine Hundesteuer wurde eingeführt. [36]

Seit 1897 gab es in Wolteritz einen Materialwarenhändler.

Am 25. November 1898 brannte um fünf Uhr der Weizendiemen des Gutsbesitzers Franz Mansfeld vollständig nieder. Eine Bekanntmachung wurde im Dorf ausgehängt, um die Brandursache ermitteln zu können. Dieses Plakat wurde beim Abriss der Gastwirtschaft 2016 sichergestellt.

Da die Maikäfer im Jahr 1899 massenhaft auftraten, sollten im Bedarfsfälle die Unterrichtsstunden verlegt werden, um den Schülern die Möglichkeit zu geben, in der Frühe die Maikäfer einzusammeln. [36]

Im 19. Jahrhundert ist nichts mehr von Mäuseplagen berichtet worden, entweder gab es keine mehr oder das Mäusegift, das vom Apotheker Freyberg aus Delitzsch 1818 entwickelt wurde, zeigte Wirkung.

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In den Dreißigerjahren: Familie Mansfeld mit Arbeitskräften auf dem Weg aufs Feld

1900 bis 1918 (Zeittafel)

Der Kleintierzuchtverein Lemsel und Umgebung wurde 1900 gegründet. [29] Um die Jahrhundertwende war der Ausbau der Verkehrsverbindungen vorrangig und der Anschluss der Dörfer an das elektrische Versorgungsnetz [10]. Es erfolgte der Ausbau des elektrischen Versorgungsnetzes, der Straßenbeleuchtung und das Verlegen von Telefonanschlüssen. Die Dampfmolkerei Zschortau, wohin auch die Wolteritzer Bauern ihre Milch lieferten, erhielt 1900 auf der Ausstellung in Halle das Ehrendiplom zur Goldmedaille und auf der allgemeinen Ausstellung für Nahrungsmittel in Zwickau die Goldmedaille für ihre dort ausgestellte Butter. [29]

1903 wurde der Radfahrverein Wolteritz und Umgebung gegründet.

1903 wütete ein orkanartiger Sturm. Eine Scheune bei Bauer Mederacke (Dorfstraße 10) brach zusammen, die Kirche war abgedeckt, die Windmühlen in Schladitz und Güntheritz wurden niedergerissen, überall entstand viel Schaden.

Am 1. September 1904 um 10 Uhr entstand im Kuhstall des Gutsbesitzers Jursch in Lössen ein Feuer, das sich bald auf die angrenzende Strohdachscheune, den Schuppen und den Schweinestall ausdehnte. Die Gebäude waren bis auf die Umfassungswände niedergebrannt und fast alle Erntevorräte sowie einige landwirtschaftliche Geräte und Maschinen vernichtet. Auch zwei Schweine kamen in den Flammen um. In der Schulchronik steht, dass es ein Durcheinander bei den zehn Spritzen gegeben hätte und das Vorhandensein einer verantwortlichen Person hätte das Übergreifen des Feuers vielleicht verhindern können.

1904 trocknete nicht nur der Schulteich aus, auch viele Brunnen versiegten - es mussten neue Brunnen gebohrt werden.

1905 ließ sich in Wolteritz ein Bäcker nieder.

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Fotopostkarte der Bäckerei und Mehlhandlung von Otto Schmidt

Der Präsident der Landwirtschaftskammer der Provinz Sachsen war 1905 auch von den Bauern von Wolteritz gewählt worden, denn es war ein „Bekannter“, der Zschortauer Rittergutsbesitzer Ernst von Busse.

In der Dorfstraße 29 wurde das erste Arbeiterwohnhaus von Gutsbesitzer Beyer (Hof Dorfstraße 6) errichtet.

Der Kaninchenzüchterverein Zschortau und Umgebung veranstaltete 1906 in Delitzsch eine große Kaninchenausstellung.

1908 Bau der neuen Schule. In diesem Jahr wurde vom Apotheker Freyberg aus Delitzsch das Brunnenwasser untersucht. Die Untersuchung ergab, dass die Flasche, die das Wasser beinhaltete, vorher Kümmellikör enthalten haben musste, des Weiteren, dass das Wasser sehr chlorhaltig war und viele organische Substanzen enthielt.

1909 wurde die Schulsparkasse eingeführt. Im selben Jahr brannte der Brotwagen von Bäcker Schmidt in Leipzig.

Am 1.7.1910 trat Lehrer und Küster Karl Am Ende den Dienst an.

1911 wurde der Turnverein Wolteritz und Umgebung gegründet.

1912 erhielten Schule und Lehrerwohnung elektrische Beleuchtung, ab 1913 gab es auf der Dorfstraße vier Straßenlaternen. 1912 erhielt die Kirche eine neue Orgel.

1913: Märchenabend der Schule im Gasthof, „Heulsuse und Aschenbrödel“ wurde mit passenden Liedern und gemischten Gesängen aufgeführt. Bau eines Hauses vor dem Grundstück 36, das die Feuerwehr als Spritzenhaus nutzte, später Obstlager und danach Ausgabe von Propangasflaschen.

Am 31. Januar 1916 fand im großen Saal des Gasthofs ein Familienabend zur Nachfeier des Geburtstages seiner Majestät des Kaisers statt.

Seit 1916 gab es in der Dorfstraße 9 eine Kolonial- und Materialwarenhändlerin.

1914-1918, der Erste Weltkrieg: 22 Wolteritzer haben ihr Leben im Krieg gelassen. Auf dem Kriegerdenkmal, das am 12. September 1921 eingeweiht wurde, sind sie namentlich aufgeführt: Paul Albrecht (8.8.1916 in Russland), Paul Augustin (25.1.1918 in Frankreich), Otto Bierbrauer (1.2.1915 im Lazarett), Oskar Brauer (2.11.1918 in Frankreich), Paul Brauer (9.3.1918 in Belgien), Max Dorn (19.10.1918 in Belgien), Werner Fey (17.8.1915 in Frankreich), Walter Grosser (13.10.1918 in Frankreich), Franz Hintersdorf (19.7.1916 in Frankreich), Franz Körner (16.6.1915 in Frankreich), Otto Krause (3.5.1918 in Frankreich), Paul Krause (15.6.1915 in Frankreich), Wilhelm Fange (18.8.1915 in Frankreich), Edmund Mansfeld (8.6.1918 in Frankreich), Walter Mederacke (9.11.1918 in Belgien), Paul Mieglitz (4.9.1918 in Frankreich), Bruno Nestler (6.5.1917 in Frankreich), Emil Schröder (23.1.1920 im Lazarett), Emil Seidewitz (26.5.1916 in Frankreich), Hermann Wieprich, (3.7.1915 in Frankreich), Wilhelm Winkler (25.12.1914 in Frankreich), Otto Winter (30.11.1917 in Frankreich).

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1990: Kriegerdenkmal

Am 9. November 1918 kam es in Deutschland zur Novemberrevolution, gleichzeitig zum Ende des Krieges. Am Nachmittag des 15. Novembers 1918 um fünf Uhr kam es auf dem Dachboden eines Stallgebäudes (Bäckermeister Schmidt) zu einem Brand, der mit Hilfe der hiesigen Feuerspritze bald gelöscht wurde. Wegen erheblichem Mangel an Leinen wurde mit Erfolg Papier zur Herstellung bestimmter Wäschestücke verwendet. Das Haus Dorfstraße 27 (Braunsdorf) wurde gebaut.

1919 bis 1932 (Zeittafel)

Die Wahlergebnisse von 1919 spiegelten die Stimmung in der Bevölkerung wider. Die Stimmzettel in der Größe 9 mal 12 Zentimeter mussten von weißem Papier sein. Ein Ortsstatut zur Verlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen wurde 1919 verabschiedet. Im April 1919 wurde eine neue Kirchturmuhr eingeweiht, eine hochherzige Spende von 300 Reichsmark ging ein.

Aktiv und erfolgreich kämpften auch die Arbeiter aus den Dörfern gegen den Kapp-Putsch 1920. In Wolteritz entwaffneten Arbeiter gemeinsam mit ihren Wiederitzscher Klassengenossen die unter dem Einfluss der Großbauern stehende reaktionäre Einwohnerwehr. Am 6. September 1920 gerieten auf dem Felde des Gutsbesitzers Richard Grube auf Flemsdorfer Flur rund 300 Schock Getreide in Brand sowie die genutzte Strohpresse.

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Dreißigerjahre: Getreide wird in Säcken auf die Tenne gebracht

Die Bergbaugesellschaft „Ingeborg“ hatte in den Zwanzigerjahren in Wolteritz Fuß gefasst. Der Vertrag lag vor und Geld war auch an Wolteritzer Bauern geflossen.

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Werbung aus dieser Zeit

Fünf Jahre nach dem 1. Weltkrieg wurde Deutschland von der Inflation heimgesucht. Die Lasten aus dem Versailler Vertrag wurden auf die Werktätigen abgewälzt. Das bedeutete eine rapide Verschlechterung des

Geldwertes und damit eine erhebliche Senkung der Kaufkraft. Z. B. kostete Anfang 1923 das Schroten von einem Zentner Getreide 500 Mark und Ende des Jahres 500 Milliarden Mark. Ein Zentner Roggen kostete im November 1923 10 Billionen Mark und ein Stück Butter eine Billion. Arbeiter und Angestellte trugen im 2. Halbjahr 1923 ihren Lohn an Zahltagen mit Wäschekörben schnell zum Kaufmann, bevor der Lohn weiter an Wert verlor. Der Spuk endete mit der Ausgabe der neuen Währung am 1.12.1923. Das Umrechnungsverhältnis war 1 Billion Papiermark zu einer Rentenmark. Ab 1. Oktober 1923 gab es die neue Währung, die Reichsmark. Es begann die Goldmarkzeit der Weimarer Republik. Der Gemeindevorsteher Scharf machte eine Eingabe wegen unzureichender Bezahlung. Auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse wurde eine jährliche Entschädigung von 72.000 Mark, bei Dienstreisen (Fahrt nach Delitzsch und dgl.) 2.500 Mark, die Erstattung sämtlicher Portokosten sowie des Schreibmaterials vom Vorsitzenden des Kreisausschusses vorgeschlagen.

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Die Lage in den Dörfer hatte sich durch die Wirtschaftskrise verschlechtert. Massenarbeitslosigkeit ging einher mit Kürzung der Arbeitslosenunterstützung, was man in dem Buch „Bäckerbrot und Bergkristall“ gut nachlesen kann. In Lössen hatten von 24 Arbeitern nur noch sieben Arbeit.

1924 gab es in Wolteritz zwei Telefonanschlüsse: einen Privatanschluss und den öffentlichen in der Gastwirtschaft. Am 23. Februar 1924 brach beim Mühlenbesitzer Spott ein Feuer aus, das die Scheune und ein Stallgebäude vernichtet hat. Am 22. Oktober 1924 wurde die Freiwillige Feuerwehr Wolteritz von 25 Männern und Burschen aus dem Ort gegründet. Otto Scharf wurde 1924 Gemeindevorsteher. Stellmacher Paul Gräfe wurde 1924 als stellvertretender Schöppe gewählt. Er legte das eidliche Treuegelöbnis nach der Verfassung des Deutschen Reiches von 1919 und dem Artikel 78 der preußischen Verfassung ab.

Am 25.8.1925 um 20:10 Uhr Nachtübung der Freiwilligen Feuerwehr Wolteritz, die vom Kreisbrandmeister abgenommen wurde.

1926 wurde eine Hundesteuerverordnung erlassen. Die Steuer betrug für den ersten Hund 0,50 RM. Im gleichen Jahr war eine große Maikäferplage. Die Bevölkerung war zur Vernichtung dieser Schädlinge aufgerufen worden. In den ersten Tagen des Monats Mai wurden bei der amtlichen Ablieferungsstelle ungefähr 4 Millionen Maikäfer abgegeben. Ein Flugblatt der Kommunistischen Partei Deutschland erschien zum Volksbegehren und Volksentscheid zur Fürstenenteignung 1926.

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Faksimile dieses Flugblattes

1928 gab es ein Radfahrfest in Wolteritz. Seit 1928 hat die Gemeinde keinen eigenen Pfarrer mehr, sie wurde von Zschortau betreut. Am 20.2.1928 stürzte ein Eindecker aus ziemlicher Höhe auf ein Feld der Lemseler Flur, nachdem sich das Flugzeug in der Luft mehrere Male überschlagen hatte. Der Pilot konnte nur tot geborgen werden. [29].

Der Sohn Erich der Familie Frenzel konnte aufgrund der schulischen Leistungen 1929 nach Leipzig gehen. Da aber die Eltern das Schulgeld in Höhe von 40,30 Mark (39,00 Mark Schulgeld, 95 Pfennig Mahngebühren, 20 Pfennig Schreibgebühren, 15 Pfennig Porto) nicht aufbringen konnten, hatte die Gemeinde das Geld zwangsweise beizubringen. Überprüfung der Gemeindehäuser durch den Kreisausschuss Delitzsch im Jahre 1929. Zu diesem Zeitpunkt gab es zwei Häuser, das Nachtwächterhaus und das Armenhaus. Am 1. August 1929 nahm die Kleinbahn des Delitzscher Kreises Fahrt auf. Sie verkehrte von Rackwitz über Lössen-Wolteritz, Radefeld, Freiroda, Glesien, Zwochau, Grabschütz, Lissa nach Delitzsch. Es gab regelmäßigen Personenverkehr, aber auch landwirtschaftliche Produkte wurden befördert. [44]

Herr August Schulz aus Gerbisdorf baute 1930 ein Haus (heute Nr. 24), um Handel mit Obst, Gemüse, Südfrüchten und Fischwaren zu treiben. Im November wurde die Biersteuer erlassen zur Behebung finanzieller, wirtschaftlicher und sozialer Notstände und entsprechend den Paragrafen des preußischen Kommunalabgabegesetzes. Die Steuer je Hektoliter betrug bei Einfachbier 2,50 RM, bei Schankbier 3,75 RM, bei Vollbier 5,00 RM und bei Starkbier 7,50 RM je Hektoliter. Die Gärtnerei Winter wurde 1930 gebaut (heute Spielstraße 6). Die KPD hatte sich gegründet, auch in Wolteritz war sie vertreten. Großen Einfluss besaß in dem Ort der Radfahrerverein als proletarische Sportorganisation. Bei den Reichstagswahlen 1930 erhielten in Wolteritz, Schladitz, Kömmlitz und Lössen die KPD 321, die SPD 82 und die NSDAP nur 124 Stimmen. Im Frühjahr 1931 gab es auf dem Rittergut Lemsel Massenentlassungen. So sollte die Widerstandskraft der Landarbeiter gebrochen werden. Am Sonntag, dem 28.6.1930, fand der Reichsarbeitersporttag statt, anschließend gab es im Gasthof Wolteritz einen Ball mit sportlichen Einlagen.

Am 1. November 1930 gründete sich die NSDAP Ortsgruppe Rackwitz-Güntheritz. Ab 1.4.1931 kamen vier Männer aus Wolteritz und ein Mann aus Lössen dazu. Im Februar 1932 wurde die Ortsgruppe Wolteritz gegründet mit 21 Mitgliedern von Lössen, Lemsel und Wolteritz.

Beim Bezirksturnfest im Juni 1931 in Brinnis belegte im Geräte-12-Kampf, Oberstufe der Männer, Kurt Mederacke vom TV Wolteritz den 3. Platz. Am 21.6.1931 führten das Arbeitssportkartell Schladitz und Umgebung und der Arbeiter-Radfahrerbund „Solidarität“, Ortsgruppe Wolteritz, eine Werbefahrt durch Lössen, Wolteritz, Kömmlitz, Schladitz, Güntheritz und Rackwitz durch. Im Gasthof Wolteritz schloss sich ein Sportlerball an. Diese Veranstaltung bildete den Höhepunkt des „Reichsarbeitersporttages“ 1931 lud die Ortsgruppe der Kommunistischen Partei zu den Themen „Sowjetstern oder Hakenkreuz“ ein. Zwischen den Ortsgruppen der KPD und der NSDAP gab es immer wieder Querelen. Selbst die Gastwirte hatten Angst, solche Treffen in ihren Sälen durchzuführen. Sie reagierten mit überhöhten Saalmieten bzw. verlangten Absicherungen, falls Mobiliar etc. zu Bruch gehen sollte.

Die Steuern auf Bier wurden 1932 schon wieder erhöht. Ebenso die Besteuerung der Spielapparate in der Gastwirtschaft. Vorausgegangen war die Erhöhung der Grundvermögenssteuer und Gewerbesteuer.

1933 bis zum Kriegsende (Zeittafel)

1933: Wahl der Schöffen und des Gemeindevorstehers. Mit der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Hitler und die NSDAP am 30. Januar 1933 wurde die Umwandlung der Weimarer Republik in einen diktatorischen Führerstaat in die Wege geleitet. Die schwarz-rot-goldene Fahne der Weimarer Republik wurde durch die schwarz-weiß-rote Fahne (nur bis 1935) und die rote Fahne mit Hakenkreuz ersetzt. Am 9. Juni 1933 wurden 20 Fahrräder und ein Motorrad vom Arbeiter-Radfahrverein in Wolteritz beschlagnahmt, damit die Anhänger der KPD einen Denkzettel bekamen. Diese Schikane bedeutete, weite Wege zur Arbeit, teilweise bis nach Leipzig, zu Fuß zurückzulegen. Der Verein wurde aufgelöst. 1933 wurde das Preußische Erbhofgesetz erlassen, um die rassischen und politischen Grundsätze der NSDAP durchzusetzen. [36]

1934 wurden die Erbhöfe erfasst (insgesamt 13), Hausnummern wurden vergeben. 1934 wurde Alwin Müller Gemeindevorsteher (bis 1940).

Ab 1935 nannte sich der Gemeindevorsteher Bürgermeister. Da 1935 die Hackfruchternte schlecht ausfiel, wurden die Bestände der Bauern kontrolliert. 1935 wurde die Wehrpflicht eingeführt.

Im März 1936 wurden die Gemeindevertreter zur arischen Abstammung überprüft und Lebensläufe mussten beigelegt werden.

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Nachweis der arischen Abstammung von 1936

Von Herrn Emil Beyer wurden 1936 600 Mark Kredit aufgenommen, um ein neues Feuerwehrhaus zu bauen. Am 29.8.1936 wurde das neue Spritzenhaus übergeben, die Lichtanlage wurde 1937 installiert. Am 20. und 21. Juni 1936 wurde das 25-jährige Bestehen des Turnvereins Wolteritz und Umgebung mit 18 Vereinen begangen.

1937 wurde ein Ausschuss gegründet, der die Ablieferung von Brotgetreide überwachen sollte. 1937 wurde eine Luftschutzsteuer eingeführt, 5 Pfennig/Monat für eine Haushaltung. Der Gemeindevorsteher nahm 1937 am Reichsparteitag in Nürnberg teil.

In der Gemeindevertreterversammlung am 8.5.1938 wurde eine Wohnungszählung festgelegt. Am 10.8.1938 wurde eine Richtlinie für die Vorbereitung und Durchführung des Wohnungsbauprogramms mit drei Dringlichkeitsstufen beschlossen. Am 3.9.1938 wurden die Siedleranwärter bzw. Mieter je Geländeauswahl und die Durchführungsmöglichkeit geprüft. Am 6.9.1938 wurden für den Wohnungsbedarf Vordrucke ausgefüllt: zwei Arbeiter mit je vier Kindern für Volkswohnungen, ein Kraftfahrer mit vier Kindern, ein Arbeiter mit einem Kind, ein Meister mit drei Kindern, ein Lagerverwalter mit zwei Kindern. Sieben weitere Arbeiterfamilien wurden besprochen.

Ein Kleinwohnungsbauprogramm für Wolteritz wurde 1938/39 proklamiert. Einige der Bauwilligen wurden Mitglieder der NSDAP, die Männer arbeiteten im Rackwitzer Werk. Der Staat unterstützte den Wohnungsbau, um Arbeitskräfte für das Werk in Rackwitz zu sichern. Insgesamt wurden sechs Einfamilienhäuser und 15 Doppelhäuser gebaut. Eine neue Ortssatzung über Straßen und Plätze wurde vorgelegt, Luftschutzräume wurden fest gelegt.

1938 gab es in Wolteritz 275 Einwohner, davon arbeiteten 95 in der Landwirtschaft, 22 in der Industrie bzw. im Handwerk und 36 waren Pendelwanderer. In Lössen gab es 165 Einwohner, davon 58 in der Landwirtschaft, 11 in der Industrie und 22 Pendelwanderer. [10, Seite 31]