Impressum

Gisela Heller

Unterwegs mit Fontane in Berlin und der Mark Brandenburg

 

ISBN 978-3-95655-862-7 (E-Book)

 

Die Druckausgabe erschien erstmals 1983 in der Nicolaischen Verlagsbuchhandlung Beuermann GmbH, Berlin.

 

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta
 

© 2017 EDITION digital
Pekrul & Sohn GbR
Godern
Alte Dorfstraße 2 b
19065 Pinnow
Tel.: 03860 505788
E-Mail: verlag@edition-digital.de
Internet: http://www.edition-digital.de

Vorwort

„Wer in der Mark reisen will, der muss zunächst Liebe zu ‚Land und Leuten‘ mitbringen, mindestens keine Voreingenommenheit. Er muss den guten Willen haben, das Gute gut zu finden, anstatt es durch krittliche Vergleiche totzumachen.“ 1864 gab Fontane den Wanderern in der Mark diesen Rat. Wie gegenwärtig klingt er heute, da unzählige „Wanderer“ ausziehen, ein Land zu entdecken, das jahrzehntelang als „verlorene Provinz“ galt.

Wer dieses Land „mit der Seele suchen“, wer das Wesen von Mark und Märkern verstehen will, ist noch heute mit Fontane gut beraten, denn er hat beide „liebevoll geschildert, aber nirgends glorifiziert“. Wie ein Wünschelrutengänger berührte er den Boden und ließ historische Gestalten erstehen, und in dieses Zauberspiel der Fantasie wird der Fontaneleser auch heute hineingezogen: In Wustrau wird ihm Zieten aus dem Buch lebendig, in Rheinsberg Prinz Heinrich, in Meseberg der ‚tolle Kaphengst’; in Molchow wird er schmunzelnd bestätigen, dass der hölzerne Glockenturm wirklich so aussieht, „als habe ihn ein Schilderhaus mit einer alten Windmühle gezeugt“; eine Blumenwiese in Hankels Ablage wird ihn an Lene und Botho erinnern; und obwohl es nie ein Schloss Stechlin gegeben hat, wird man am Großen Stechlinsee, vielleicht in einer knorrigen Eiche, den alten Dubslav raunen hören: „Unanfechtbare Wahrheiten gibt es überhaupt nicht, und wenn es welche gibt, so sind sie langweilig.“

Etwas von der ungeheuren Zauberkraft, die von Fontanes „Wanderungen“ und Romanen ausgeht, ist in diesem Buch eingefangen; der Leser scheint Fontane über die Schulter zu sehen, er erfährt, warum es ihn an diesen oder jenen Ort zog, was ihm dort widerfuhr und wie es sich in Leben und/oder Werk niederschlug.

„Unterwegs mit Fontane“ heißt aber nicht nur reisen zu den Stätten, die für ihn von Bedeutung waren, sondern auch reisen zum Menschen Fontane. Die Neuruppin- und Berlinkapitel ergeben so etwas wie eine Fontane-Biografie: Kinderjahre, Schulzeit, Sturm und Drang in Berlin, Reifezeit, Familienleben, Ärger mit Chefredakteuren, Ministern, Hausbesitzern und der leidigen „Commodite“, kurz, sein ganzer Lebensbogen bis zu dem großen Romanwerk, das er mit 60 begann.

Berlin nimmt verständlicherweise den größten Raum ein und ist allen anderen Kapiteln vorangestellt. Fontane erlebte, wie die Stadt sich aus provinzieller Enge befreite und „vernobelte“; er beobachtete die Anfänge kaiserlichen Bombasmus, ... die Folgen mit all den schrecklichen Verwüstungen sah er nicht mehr.

Keine seiner 18 (!) Wohnstätten blieb dort erhalten, und doch wird der Leser eine Vielzahl von Plätzen finden, an denen er überrascht innehält und sich sagt: Ja, hier muss es gewesen sein, auf diesen jüdischen Friedhof konnte er von seinem Fenster aus sehen, oder hier, in der Invalidenstraße, könnte die Witwe Pittelkow oder hier, in der Keithstraße, könnte Effi Briest gewohnt haben; und die Poggenpuhls, schwärmten sie nicht von dem Ausblick auf den stillen Matthäikirchhof? Wirkliche und Romangestalten laufen einem durcheinander, und gerade das war von Fontane gewollt.

Erich Kästner schrieb 1959 in einer Hommage à Fontane: „Er schuf Berlin zum zweiten Male. Er schenkte uns die Stadt an der Spree, wie uns Balzac die Stadt an der Seine und Dickens die Stadt an der Themse schenkten. Diese Städte und ihre Gesellschaft mögen sich wandeln, sie mögen wachsen, verfallen oder gar zerstört werden - ihr Herz und eigentliches Wesen lebt im Ceuvre der großen Romanciers fort.“

Und was die Mark Brandenburg betrifft, so hoffe ich, dass der Leser am Ende seiner Reise mit Fontane sagen kann: „Ich bin die Mark durchzogen und habe sie reicher gefunden, als ich zu hoffen gewagt hatte.“ Zwar muss sich der Reisende - wie zu Fontanes Zeiten - auf manche Unebenheiten gefasst machen, aber: „Es wird einem selten das Schlimmste zugemutet“.

Mögen nun die vorliegenden Kapitel „in andern jene Empfindungen wecken, von denen ich am eigenen Herzen erfahren habe, dass sie ein Glück, ein Trost und die Quelle echtester Freuden sind“ (Theodor Fontane, November 1861).

Gisela Heller, April 1992