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Ondjango


Ondjango

Ein angolanisches Tagebuch
1. Auflage

von: Jürgen Leskien

8,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: EPUB
Veröffentl.: 30.04.2014
ISBN/EAN: 9783863947439
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 406

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Ondjango. Was bedeutet eigentlich dieser Titel?
Ende der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren wieder Deutsche nach Angola gekommen, diesmal mit blauen Hemden und mit Werkzeugkästen in den Händen. Vom ersten Tag an waren sie den Angolanern companheiros. Mit der Ablösung dieser Männer kam auch Jürgen Leskien für ein Dreivierteljahr nach Angola, um dort zu leben, zu helfen und – Tagebuch zu führen. Seine Aufzeichnungen nehmen den Leser mit in die Zeit kurz nach dem Erringen der Unabhängigkeit des Landes 1975, erlauben Einblicke in die Geschichte des Landes und in das gegenwärtige Leben in Hauptstadt Luanda. Wir nehmen teil an der Fahrt durch den Regenwald, treffen ein am Stützpunkt der FDJ-Brigade in der Stadt Uige, wo sie W 50-LKWs aus der DDR reparieren und jungen Leuten aus Angola zeigen, wie das geht. Jürgen Leskien ist angekommen in Afrika. Er wird noch viel hören und sehen und noch viel aufschreiben von diesem Afrika, von diesem Angola, damals Ende der siebziger Jahre. Geschrieben hat er damals übrigens mit der Schreibmaschine …
Ondjango. Dieses Wort bezeichnet eine etwas größere runde Hütte mit kegeligem Grasdach, die gewöhnlich in der Mitte des Dorfes steht und der nach Sonnenuntergang ein Feuer brennt. Dann wird in dem Ondjango über alles geredet, was wichtig ist. Der Ondjango ist der Treffpunkt der Leute im Dorf: „Sie sitzen und reden miteinander. Der Alte auf der Matte, in der Nähe seine Kinder und Kindeskinder. Erzählen, zuhören, einander in die Gesichter schauen und darin lesen. Die Bedeutung der Pausen zwischen den Worten erspüren, der Melodie der Sprache lauschen wie einem Lied. Sich hineinsenken in die Gedankenwelt des anderen. Zueinander sprechen, einander zuhören - die ursprünglichste, wichtigste Form des Umgangs der Menschen miteinander. Für uns müssen wir sie erst wieder entdecken.“
Das angolanische Tagebuch von Jürgen Leskien ist wie ein solcher Ondjango.
Jürgen Leskien
19.10.1939 in Berlin-Friedrichshain geboren.
Ausbildung und Arbeit als Motorenschlosser. Ab 1959 Offizier, Flugzeugführer/Navigator der Luftstreitkräfte der DDR. Ingenieur für zivile Flugsicherung, 1972 Entlassung aus der Armee.
Ab 1972 Studium der Theaterwissenschaften an der Theaterhochschule Leipzig, Arbeiten über Heinrich von Kleist, 1977 Diplom.
Dramaturg beim Fernsehen der DDR in Berlin. Seit 1978 freiberuflich tätig.
1978/79, 1981, 1982 Arbeit als Kfz-Schlosser im Rahmen der Entwicklungshilfe der DDR in Angola.
1983/84, 1988/89 Arbeit im UNHCR Flüchtlingscamp für namibische Flüchtlinge (Kwanza Sul in Angola) und im „ ANC Entwicklungs- und Ausbildungscamp Dakawa (Tansania) / Mazimbu“.
Die Berührung mit AFRIKA wird prägend für die schriftstellerische und publizistische Arbeit.
März 1990 bis Oktober 1990 Mitglied der Volkskammer der DDR.
Mitarbeit u. a. im "Ausschuss für Entwicklungspolitik". Als Parlamentarier offizieller Namibiabesuch, Rückführung der in der DDR lebenden namibischen Flüchtlingskinder.
1991 Teilnahme an der Afrikanischen Buchmesse in Harare / Simbabwe.
1994 / 1995 Mitinitiator der Spendenaktion ”Fischkutter für Angola”, 1995 als Maschinenassistent an Bord, Überführung eines ”DDR/Treuhand-Fischkutters” von Rostock nach Luanda.
Seit 1990 Arbeit in Namibia, u.a. Mitarbeit am Konversionsprojekt (ehemalige Basis der Südafrikanischen Luftwaffe, Projektleiter vor Ort) des Bremer Afrika Archivs und des Centre of Africa Studies (Universität Bremen) - "Ruacana Education with Production Centre" in Ruacana / Namibia.
Seit 2005 engagiert in der AFRI-LEO Foundation Namibia/Damaraland.
Bis 1992 Berlin-Prenzlauer Berg, seit 1993 Wohnsitz in Kleinbeuthen bei Berlin, wahlweise Namibia - Swakopmund, Damaraland, Farm Karos.

Literaturpreise
Erich Weinert Literaturpreis 1978
Literaturpreis der Stadt Berlin (DDR) 1984
FDGB-Literaturpreis 1987
20. Dezember
Um fünf fahre ich zur Bäckerei nach Catumbela und bekomme auch zwei Brote für uns. Aufatmen am Frühstückstisch.

Heute will mich Amalia der Direktorin ihrer Schule vorstellen. Ab halb acht warten wir auf dem Schulgelände. Einige der Salzteiche am Rande der Stadt hat man zugeschüttet und dort die Schulgebäude errichtet. Weit über die Mauern gezogene Dächer schirmen die luftigen Sälen gleichen Klassenräume von der Sonne ab. Betonbauten, die nichts Bedrückendes an sich haben. Nur das Grün fehlt, kein Baum, kein Strauch.

In der Lake eines nahen Teiches - wieder die hochbeinigen zu seltsamen Haken verkrümmten Gestalten der Märchenwelt - die rosa gefiederten Flamingos.
Ein fischmäuliger CITROEN rollt auf den Vorplatz. Eine Frau steigt aus. Mittelgroß, kräftig, mit schulterlangem dunklem Haar. Sie tritt mehrmals gegen das linke Hinterrad und kommt zu uns herüber. Das ist sie, Maria do Carmo, Direktorin.
Amalia muss zum Unterricht, wir folgen der jungen Frau im Jeanskleid ins Gebäude.
Ihre Bürotür ist schwarz von Moskitos, der Hausmeister wird gerufen, er verjagt die Mücken. Das Büro ist klein, schattig, klimatisiert, mit einem blechernen Schreibtisch, einem blechernen Schrank und kunstlederbezogenen Stuhlsesseln ausgestattet. Maria do Carmo raucht. Ihr ruhiges, schönes Gesicht ist sehr wach, sie beobachtet uns, während ich frage.
Eine Stimme, der ich gern zuhöre.
Diese Schule besuchen achthundert Schüler der Klassen eins bis acht. Schulpflicht für Kinder ab sechs Jahre, Schulgeldfreiheit für jeden. In den Klassen eins bis sieben stehen die Bücher kostenlos zur Verfügung. Die wenigsten der jetzt hier lernenden Kinder hätten zur Zeit der Überseeprovinz dieses Gebäude betreten dürfen. Zuviel Kinder sitzen noch in einem Klassenraum zusammen. Vierzig sind es, ja sogar fünfzig. Trotz Hilfe der CHE-GUEVARA-Brigade. Gern würden wir die Anzahl der Stunden für die Lehrer verringern, zumal die meisten sich nach Unterrichtsschluss der Alphabetisierungskampagne und der Erwachsenenweiterbildung zur Verfügung stellen. Aber weniger als sechsundzwanzig Wochenstunden sind im Moment nicht möglich.
Nach der achten Klasse dann gibt es zwei weiterführende Bildungswege. Der eine, von der neunten bis zur zwölften Klasse mit Berufsausbildung, als Vorbereitung für den Fachschulbesuch. Der andere Weg wird erst nach einer Auswahl durch das Bildungsministerium möglich und führt nach einer zweijährigen Vorbereitungszeit zum fünf- bis sechsjährigen Universitätsstudium.
Die Traditionen, ob sie uns helfen, ob sie im Wege sind?
So allgemein will ich das nicht beantworten. Wenn ein Mädchen zum Beispiel, der Tradition folgend, als dreizehnjährige Schülerin einem Mann versprochen wird, dann kann die Schule, wenn das Mädchen einverstanden ist, nichts machen. Ist das Mädchen aber dagegen, dann werden wir die Schülerin mithilfe des Gerichts unterstützen, und sie wird an der Schule bleiben.

Eine junge Frau bringt ihr Baby in das Büro der Direktorin. Anders geht es nicht, erklärt Maria do Carmo, die Lehrerinnen bringen ihre kleinen Kinder mit in die Schule. Kinderkrippen gibt es nicht, und Kindergärten haben wir noch zu wenige.

Unsere Fragen haben sie nun doch aufgescheucht.
Bei der Verabschiedung lädt sie uns zu sich in die Wohnung ein.
Einer Zeitungsnotiz entnehme ich, dass die angolanische Bevölkerung zu sechzig Prozent aus Kindern im schulpflichtigen Alter besteht. (Dieser hohe Anteil kommt sicher durch die geringe Lebenserwartung, die im Durchschnitt bei fünfunddreißig Jahren liegt, zustande.) Im April 1976 begann der Unterricht mit ungefähr eintausend Lehrern, jetzt arbeiten dreißigtausend Lehrer im Lande; von den Grundschullehrern haben zweiundfünfzig Prozent die vierte Klasse beendet, und sieben Prozent verfügen über eine abgeschlossene pädagogische Qualifizierung.
Inzwischen besuchen sechzig Prozent der schulpflichtigen Kinder den Unterricht.
Weiter ins Hochland hinein, in den landwirtschaftlichen Gebieten, werden die Kinder erst zwischen dem zwölften und sechzehnten Lebensjahr in die Schule geschickt. Die MPLA hat als Übergangslösung in diesen Gegenden ESCOLAS PROVISORIAS - provisorische Schulen - eingerichtet. Die Kinder und Jugendlichen erlernen hier während des vierjährigen Unterrichts einen landwirtschaftlichen oder handwerklichen Beruf und schließen mit der sechsten Klasse ab. Diese Schulen sind Selbstversorger. Lehrer und Schüler bauen das an, was sie zum Leben brauchen.

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