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Lockerlangbarts Geheimnis


Lockerlangbarts Geheimnis

Märchen aus der Gegenwart für kleine und große Kinder
1. Auflage

von: Reinhard Bernhof

5,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 17.07.2023
ISBN/EAN: 9783965219595
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 68

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Der Autor versucht, in seinen Märchen für kleine und große Kinder Lebenssinn und eine Ethik des Miteinanders zu vermitteln.
Jeder Mensch, besonders der kleine, ist eine Persönlichkeit, auf die man nicht herabblicken darf, sondern ein reifender Mensch, der langsam erschaffen wird.
Die Märchen beschreiben die Wunder der Natur, die Freundschaft mit Tieren und die Beziehung der Kinder zu Menschen, die anders sind, und deshalb ganz besonders das Verständnis der Kinder suchen.
Warum ich Märchen für kleine und große Kinder schreibe?
Das Tausenderbsenland
Die Kürbiskernkopeke
Als die Pappel zur Sonne wuchs
Die Container-Alte und das Gewissen
Lockerlangbarts Geheimnis
Mathias und die Ewigkeit
Der Mann mit dem traurigen Birnengesicht
Pelop und der treue Delfin
Der Mann im Gefängnis
Geboren am 6. Juni 1940 in Breslau, aufgewachsen und Schulbesuch im Ruhrgebiet. Von 1955 bis 1958 Schlosserlehre in Duisburg. Dort gehörte er zu den Initiatoren der Ostermärsche nach Duisburg.
Aus familiären Gründen übersiedelte er 1963 in die DDR. Von 1965 bis 1967 studierte er am Literaturinstitut „Johannes R. Becher“ in Leipzig und arbeitet seitdem als freischaffender Schriftsteller.
1989 gehörte er zu den Mitbegründern des „Neuen Forums“. 1993 lehrte er am Grinnel-College in Iowa in den USA.
Die Container-Alte und das Gewissen
Sie wusste nicht, wohin sie heute gehen sollte. Aber sie ging. Wohin sie nur gehen mag? fragte sich der weiße Spitz neben ihr an der Leine. Doch dann brauchte er nicht mehr lange zu überlegen, denn sie ging zum Gerümpelcontainer.
Auf dem Weg dahin radelte Schabrowsky vorbei, er grüßte. Den kenne ich schon lange nicht mehr, sagte sie zum Spitz und spuckte aus als Kriegserklärung. Schabrowsky hatte ihr einmal aus dem Container ein fast neues Dampfbügeleisen vor der Nase weggeschnappt. Bei diesem Gedanken übersah sie die feuchten Blätter auf dem Bürgersteig und rutschte aus. Der Spitz aber hatte die Situation erfasst und zog stramm an der Leine, so dass sich die Alte vor dem drohenden Sturz abfangen konnte.
Ein Glück, dass ich dich habe, Walter, sagte sie zum schlauen Spitz. Was mögen wir heute wieder finden? Hoffentlich so viel, dass es für eine Flasche Weinbrandverschnitt reicht.
Sie legte noch einen Schritt zu, und Walter, der ja nur Mini-Füße hatte, vier, fünf.
An der Ecke, wo der Container stand, war es leer, das heißt, es waren keine Leute da, die etwas suchten oder Dosenbier tranken. Da steht uns wenigstens keiner im Weg, sagte die Alte. Aber da sah sie doch einen krummen Rücken in der Blechkiste, sie erkannte Schabrowsky. Mist, dass er meistens den Container ansteuert, mir immer zuvorkommt, fluchte sie.
Der Spitz sprang auf den vielen prall gefüllten Plastesäcken herum, die davor standen, und wühlte darin mit der Schnauze. Findest auch nichts, sagte sie zu Walter. Sie prüfte eine fleckige Aktentasche, sie war mit alten Zeitungen ausgestopft. Nix drin. Rein gar nix.
Schabrowsky, der sich plötzlich aus dem Container beugte, rief: Erna, gibt es dich noch!
Und ob es mich gibt, sagte sie zischelnd und gereizt, aber sie würdigte ihn keines Blickes.
Walter kläffte, als ein Mann vom Fahrrad stieg, seinen Boxer an der Leine mit mürrischer, geifriger Schnauze, der grimmig wirken wollte, aber in Wirklichkeit gutmütig war, denn er schnüffelte am Spitz herum, dem es gefiel und mit dem Bellen sofort aufhörte.
Du wohnst in der Jordanstraße, stimmts? fragte der Hinzugekommene die Alte.
Sie sah ihn verdutzt an.
Ich kenne dich schon, seitdem du aus der Schule bist. Habe dich immer wieder mal gesehen, aber nie von der Nähe, sagte der Mann.
Nichts versäumt, knurrte die Alte. Zuckte die Schultern. Bist du Kapitulsky-Rudi, vom Turnverein?
Na wer wohl sonst.
Hast dich wacker gehalten.
Und ob. Bin noch immer bei den Turnern. Von wegen Bauch und Krampfadern. Flexibel muss der Mensch sein.
Schabrowsky kroch aus der Kiste und rief zu dem Mann: Verzieh dich! Das ist mein Revier!
Will dir nicht ins Handwerk fuschen, rief Kapitulsky-Rudi. Wollte nur die Bücherkiste loswerden. – Und schwupp, war er wieder auf dem Fahrrad.
Den kennste wohl, Erna? fragte Schabrowsky.
Der war damals sogar Vorturner im Verein. Rudi kennt doch jeder.
Ein Roter, sagte Schabrowsky.
Komm mir nicht so, sagte die Alte. Leute mit Farben zu vergleichen. Ob rot oder grün, blau oder schwarz. Die Hauptsache, es sind Menschen.
Und wer sind die Blauen? fragte Schabrowsky.
Na diese Adeligen, die mit dem blauen Blut, das noch keiner gesehen hat, die wieder einen Kaiser haben wollen. Die Zeitungen, die Sender sind doch voll von Adelsgetrief.
Das stimmt, sagte Schabrowsky. – Aber Politik ist für mich gegessen. – Fand neulich ein Foto von dir im Container. Warst mal eine verdammt hübsche Frau.
Hab ein paar Schubladen aufgeräumt. Altes Zeug nur, sagte sie. Zum Verlieben. So gut hast du mal ausgesehen, sagte er.
Äh, hör auf. So ’n Käs, schimpfte sie. Wir werden alle mal älter. Mal früher, mal später. – An deinem Gebiss haschen ja schon die Fliegen.
Nee, ehrlich. Sahst verdammt gut aus, wiederholte Schabrowsky. Er fasste in die Jacke, zog ein postkartengroßes Foto heraus. – Hier, kennste die!
Hast dich wohl damit belastet, sagte die Alte.
Willst du es zurück haben?
Kannste behalten. Wenn du damit glücklich bist, sagte die Alte. Danke, sagte Schabrowsky. Ich trage es immer bei mir. Es gefällt mir. Geht mir durch die Wirbel.
Durch die Wirbel! Da lacht ja der ganze Hühnerhof! rief die Alte.
Walter zerrte an der Leine. Bleib ruhig, Walter, sagte sie. Werde nicht gleich eifersüchtig, wenn ich Herrenbekanntschaft mache. – Aber Walter zerrte immer heftiger, bellte Schabrowsky an und zog Leine.
Abends im Bett wartete die Alte auf den Schlaf, der nicht kommen wollte. Nie ist er pünktlich, dachte sie. Stand noch einmal auf und blickte zu Walter, der sie von der Ofenecke mit einem Auge ansah. Sie wusste nicht, ob sie fluchen oder lieber die Sterne zählen sollte. Aber sie wusste, dass sie beim Fluchen immer aufgeregter werden würde und dann überhaupt nicht mehr einschlafen konnte. Da hilft nur ein Weinbrandverschnitt. – Walter hingegen fühlte sich wohl in der Ofenecke, die jetzt seine war, als wäre sie geheizt und draußen Winter.

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