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Leb wohl, Rapunzel


Leb wohl, Rapunzel

Elf Kapitel aus der Jugendzeit
1. Auflage

von: C. U. Wiesner

8,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 26.10.2013
ISBN/EAN: 9783863944179
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 451

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Hier ist also der zweite Teil der Memoiren des C.U. Wiesner, die da weitermachen, wo seine Kindheitserinnerungen aufgehört hatten – in seiner Geburtsstadt Brandenburg an der Havel.
Später ist von Berlin die Rede oder wie es der Autor selber ausdrückt: Nach dem Abitur versucht mich die Großstadt Berlin an ihren gewaltigen Busen zu drücken. Diese Liebe ist zunächst einseitig, nicht aber meine Liebe zu Luise, die nun für ein Jahr im Städtischen Dolmetscherseminar neben mir sitzt.
In dem Kapitel „Wenn ich von meiner Fahrenszeit berichte“ kommt der Autor zunächst auf ein Geheimnis zu sprechen, das er eigentlich mit ins Grab nehmen wollte – ein verhinderter Seemann zu sein –, und viele Seiten später bekennt er auch, nie ein richtiger Segler gewesen zu sein, obwohl er sich eine Zeit lang als solcher gefühlt habe.
Ich besaß ein eigenes Boot und war Kapitän und Steuermann in Personalunion. Nun ja - der Wahrheit die Ehre -, ich besaß das Boot nur zur Hälfte. Die andere gehörte Rapunzel, und damit kommt er endlich zur wichtigsten Gestalt dieses Buches und berichtet, wie es mit beiden angefangen hat und weitergegangen ist.
Rapunzel war genauso alt wie ich und hatte im selben Sommer das Abitur bestanden.
Rapunzel hieß laut Personalausweis Luise Annegrete Agathe Hartrampf. Luise war als Rufname unterstrichen. Ihr langes naturblondes Haar, das sie zuerst in Schnecken, später als Mozartzopf mit schwarzer Samtschleife und schließlich als Pferdeschwanz trug, hatte ihr zu dem Spitznamen aus dem Märchen der Gebrüder Grimm verholfen. Sie war das schönste, anmutigste und lieblichste weibliche Wesen in der Havelstadt, nein, im gesamten damaligen Land Brandenburg - da dulde ich noch heute keine Widerrede von ehemaligen Mitschülern und vor allem Mitschülerinnen.
Drei Jahre nach dem Abitur lebten wir beide - vorwiegend jeder in seiner eigenen Behausung, wie es sich amtlich gehörte - in der großen, uns immer noch kühl und fremd anmutenden Stadt Berlin und waren zunächst heimlich, dann aber mit elterlichem Segen verlobt und trugen gar ein gülden Ringelein, Schatz, an unserm Fingerlein.
Doch dann kommt es zum allabendlichen Streit über den diesjährigen Urlaub: Während Luise mit ihm eine Radtour durch die deutschen Lande jenseits des Großen Flusses unternehmen wollte – was damals noch möglich und nicht sehr problematisch war – hatte Wiesner keine Lust, in den Westen zu fahren. Doch dann beendete der den Streit durch einen Kompromiss.
Leb wohl, Rapunzel! (Eine Vorbemerkung)
Als die Familie noch Kreise zog
Wie wir unser Ende überlebten
Wie ich mühsam eine bestimmte Armbewegung verlernte
Wenn ich von meiner Fahrenszeit berichte
Ob ich ein braver Schüler war
Warum Luise fast eine Messe wert war
Warum ich Berlin zunächst gar nicht mochte
Als ich nicht einmal einen Mülleimer besaß
Wie ich allmählich zu einem Verlags-Wesen wurde
Wie ich zu meinem Burgentick kam
Warum alles seine Grenzen hat
C. U. Wiesner
Geboren im letzten Monat der Weimarer Republik, am Neujahrstag 1933, in der einstigen märkischen Hauptstadt Brandenburg, entwich nach dem Abitur den heimatlichen Stadtmauerzwängen, gelangte in eine etwas größere Hauptstadt, ohne zu ahnen, dass man dort schon zehn Jahre später aus väterlicher Sorge bemüht sein würde, ihm den Horizont mit erheblicherem Bauaufwand zu verstellen.
Eines Tages mochte er fürder nicht mehr in der eingefriedeten Hauptstadt leben und zog es vor, in die vertrauten märkischen Wälder zurückzukehren.
Dank prophetischer Gaben bestellte er den Möbelwagen von Berlin-Pankow nach Klosterfelde für den 9. November 1989.
Während des achtunddreißigjährigen Berlin-Aufenthalts:
Studien als Dolmetscher für Englisch; Germanistik und Filmszenaristik (diese im Gegensatz zu jenen hin und wieder angewandt).
Tätig als Lektor, Redakteur, Reporter, Theaterkritiker, Mitarbeiter der satirischen Zeitschrift Eulenspiegel, Entertainer in eigener Sache, Schauspieler (leider zu selten) und (vorwiegend) Schriftsteller.
Sein bekanntestes Geschöpf ist der Frisör Kleinekorte, den das Berlin-Brandenburgische Wörterbuch zu Recht an die Seite der Volksfiguren von Glaßbrenner und Tucholsky stellt.
C.U.W. schrieb u. a. Hörspiele, Kabarett-Texte, Fernsehfilme und Fernsehserien (u. a. Gespenstergeschichten wie Spuk unterm Riesenrad, Spuk im Hochhaus, Spuk aus der Gruft für Kinder von 8 bis 88 Jahren) sowie dreizehn Bücher, vom Kinderbuch über den Kriminalroman, die satirische Darstellung eigener Umwelt im weitesten Sinne bis zum bitteren erst um die Jahreswende 1989/90 nach einiger Verzögerung erschienenen Märchenroman für Erwachsene Die Geister von Thorland, Machs gut, Schneewittchen! und Lebwohl, Rapunzel! erzählen von den Kinder- und Jugendjahren in der Havelstadt Brandenburg.

Gewöhnlich mögen normal veranlagte junge Menschen die Schule nicht und tun alles, um sie so schnell wie möglich mit Anstand hinter sich zu bringen. Warum das bei uns - ich maße mir noch einmal das Amt des Klassensprechers an und gebrauche den Plural - anders war? Weil wir das alles nicht so ernst nahmen. Wenn ich um halb acht das Haus verließ, freute ich mich auf zweierlei, auf die Frühstücksstullen, die ich schon auf halbem Wege in mich hineinstopfte, und auf Wernis grinsendes Teufelsgesicht. Mal sehen, was wir heute wieder aushecken!
In der zwölften Klasse saß er neben mir am Schultisch. Wir empfingen und sendeten auf derselben Humorfrequenz. Für unsere Lehrer war das nicht so ein Glücksfall wie für uns.
Werni war nicht nur ein Witzbold, sondern nahezu ein Genie in den Fächern Mathematik und Physik. Heute hätte man ihn vermutlich gleich ins zweite Studienjahr an irgendeine unserer Hochschulen gesteckt. Damals aber war er trotz seines guten Abiturzeugnisses und seiner positiven Beurteilung mit zwei unauslöschlichen Makeln behaftet: Sohn eines privaten Milchhändlers und praktizierendes Mitglied der katholischen Kirche. Ein Jahr nach dem Abitur murkste er bei einem Schlossermeister herum. Dann wurde er an der Technischen Hochschule in Charlottenburg immatrikuliert.
Wie konnte einer im Osten leben und im Westen studieren?
Vor dem August 1961 war das relativ einfach. Man tauschte unsere Mark zum irrealen Kurs von 1:5 um und mietete sich ein erbärmliches Untermieterquartier. Am Wochenende ließ man sich von Muttern Stullen, kalte Koteletts und sehr viel Quark aus der Milchhandlung einpacken. Damit kam man über die Runden.
Werni, der ja sogar noch regelmäßig zu unseren Klassentreffen kam, hat damals nie daran gedacht, nach dem Westen abzuhauen. In Dresden werden sie Flugzeuge bauen, das ist genau meine Fachrichtung, meinte er.
Über den DDR-eigenen Flugzeugbau müssen wir hier nicht reden. Alle jungen Nationalstaaten haben zunächst den Zug zur Himmelsstürmerei.
Werni ging, wie das damals so war, auch in der Staatsbibliothek ein und aus. Dabei verlor er seinen westlichen Studentenausweis und wurde am Wochenende in seinem Heimatort verhaftet und nicht sehr freundlich behandelt. Kurz darauf ließ man ihn zwar ungeschoren laufen, aber ihm war der Spaß an unserem Lande vergangen.
Nach vielen, vielen Jahren bin ich Werni wiederbegegnet, in unserer Heimatstadt. Im Trainingsanzug saß er vor dem Bootshaus und reichte mir eine Flasche des von mir nicht sonderlich geschätzten Potsdamer Bieres.
Es kommt nicht auf die Qualität des Biers an, meinte er, sondern darauf, mit wem man es trinkt.
Werni war eine bedeutende Kapazität auf dem Gebiete des Weltraumflugs und der Computertechnik geworden, einer der Verantwortlichen des Skylab-Programms in Cape Kennedy, hatte mit sowjetischen Fachkollegen nicht nur Whisky, sondern auch Wodka getrunken, hatte Vorträge auch an sowjetischen Akademieinstituten gehalten.
Im September 1983 sitzen wir beide in seinem Haus bei Bremen und erinnern uns fröhlich der alten Zeiten. Werni erzählt von seinem übernächsten Projekt: Raumkolonien im Weltraum. Ein riesiger Zylinder. Darin Dörfer, Wälder und Seen. Menschen, die sorgenfrei leben ...
Kann es sein, dass du spinnst? fragt Claudia respektlos.
Wir beiden Alten schauen einander an. Wir müssen es nicht in Worte fassen:Alles ist möglich, so es gelingt, einen neuen Krieg zu vermeiden. Wenn Werni und seine Frau, die er sich aus der Heimat mitgebracht hat, von der DDR reden, gebrauchen sie das Wort zu Hause.
Trotz des gemeinsamen Rundganges durch die nächtliche Bremer Altstadt trennen uns Welten. Manchmal bin ich ein wenig traurig darüber und stelle mir vor, mein Freund Werner säße mit mir im Warnemünder Teepott und berichtete mir von seinen jüngsten Erlebnissen in Baikonur. Warum musste sein Vater auch diesen verdammten Milchhandel anfangen?

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